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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §27 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A in W, geboren 1987, vertreten durch Dr. Heinz-Eckard Lackner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Grillparzerstraße 5/8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Juni 2006, Zl. 300.845-C1/E1-V/15/06, betreffend § 7 sowie § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien, reiste gemäß seinen Angaben am 28. April 2005 in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge die Gewährung von Asyl. Das begründete er vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass er der albanischen Volksgruppe angehöre und aus einer serbischen Enklave im Kosovo stamme. Nachdem er bei der Polizei gegen einen Serben als Zeugen ausgesagt habe, habe er mit den serbischen Dorfbewohnern Probleme bekommen; er sei geschlagen und bedroht worden.
Mit Bescheid vom 28. März 2006 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Serbien Montenegro, Provinz Kosovo" aus. Es ging davon aus, dass die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung -
gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG ab. Sie begründete dies damit, dass sie sich den beweiswürdigenden Überlegungen der ersten Instanz, denen der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht näher entgegen getreten sei, anschließe, und nahm außerdem auf den "aktuellen Bericht der OSCE, Municipal profile, November 2005" Bezug. Da sich die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung durch serbische Dorfbewohner als völlig unglaubwürdig erweise und im Übrigen nicht erkannt werden könne, dass dem Beschwerdeführer ein Verbleib in albanischen Landesteilen nicht möglich wäre, komme weder die Gewährung von Asyl noch die Zuerkennung von Abschiebeschutz in Betracht. Die Entscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG (Ausweisung des Beschwerdeführers) wurde nicht näher begründet.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Darstellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in seiner Berufung den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesasylamtes nicht näher entgegen getreten, trifft nicht zu. Tatsächlich wurde in der besagten Berufung nämlich Punkt für Punkt auf die Argumente des Bundesasylamtes repliziert. Darauf ist die belangte Behörde nicht im Einzelnen eingegangen. Vor allem hat sie es - ohne nähere Begründung - verabsäumt, die vom Beschwerdeführer beantragte Berufungsverhandlung durchzuführen, wozu sie nicht nur wegen der substantiierten Bestreitung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung sondern auch deshalb verpflichtet gewesen wäre, weil sie ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse (einen Bericht der OSCE vom November 2005) stützte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2003, Zl. 2002/20/0533, dessen Aussagen für Fälle wie den vorliegenden - siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 8. Juni 2006, Zl. 2004/01/0565 - auch auf Basis der hier maßgeblichen Rechtslage nach der AsylG-Novelle 2003 weiterhin Gültigkeit zukommt). Dass die belangte Behörde überdies dem offenkundigen Verstoß des Bundesasylamtes gegen die diesem in § 27 Abs. 1 erster Satz AsylG auferlegte Verpflichtung (keine der beiden erstinstanzlichen Einvernahmen des Beschwerdeführers war von jenem Organwalter des Bundesasylamtes durchgeführt worden, der in der Folge den erstinstanzlichen Bescheid genehmigte) keine Beachtung geschenkt hat, sei in diesem Zusammenhang nur mehr der Vollständigkeit halber erwähnt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa das hg. Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0602). Das im bekämpften Bescheid zum Ausdruck gebrachte Verständnis des erstinstanzlichen Bescheides, dieser sei "im Wesentlichen mit dem persönlich gewonnenen Eindruck" begründet worden, ist von daher jedenfalls nicht nachvollziehbar.
Da das Ergebnis des bekämpften Bescheides auch nicht schlichtweg damit begründet werden kann, der Beschwerdeführer habe nicht darlegen können, warum ihm ein Verbleib in rein albanischen Landesteilen des Kosovo (etwa beim Bruder oder bei Verwandten) nicht möglich sein sollte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0497), war der bekämpfte Bescheid wegen der dargestellten Mangelhaftigkeit - bezüglich der Entscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG kommt hinzu, dass insofern wie erwähnt jegliche Begründung fehlt - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 14. Dezember 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006010691.X00Im RIS seit
31.01.2007