TE OGH 2000/5/17 9Ob132/00b

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Veröffentlicht am 17.05.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zechner, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Alfons H*****, Facharbeiter, 2) Bettina H*****, Hausfrau, beide *****, beide vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1) Günther K*****, Dienstnehmer, 2) Elisabeth K*****, Hausfrau, beide *****, beide vertreten durch Dr. Josef Preissl und Mag. Klaus Rieger, Rechtsanwälte in Köflach, wegen Duldung (S 80.000,-), über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 28. Februar 2000, GZ 17 R 24/00z-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 27. Dezember 1999, GZ 2 C 2320/98t-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.999,36 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin S 1.166,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nach § 36 Abs 1 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk BauG) hat der Eigentümer eines Grundstückes oder von baulichen Anlagen bei der Herstellung, Erhaltung und beim Abbruch von baulichen Anlagen im Bereich der Grundgrenze zu dulden, dass sein Grundstück oder seine baulichen Anlagen vom Nachbargrundstück aus im unbedingt erforderlichen Ausmaß betreten und die notwendigen Gerüste aufgestellt werden, wenn sonst die Herstellungs-, Erhaltungs- und Abbrucharbeiten von baulichen Anlagen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand bewerkstelligt werden können.Nach Paragraph 36, Absatz eins, des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk BauG) hat der Eigentümer eines Grundstückes oder von baulichen Anlagen bei der Herstellung, Erhaltung und beim Abbruch von baulichen Anlagen im Bereich der Grundgrenze zu dulden, dass sein Grundstück oder seine baulichen Anlagen vom Nachbargrundstück aus im unbedingt erforderlichen Ausmaß betreten und die notwendigen Gerüste aufgestellt werden, wenn sonst die Herstellungs-, Erhaltungs- und Abbrucharbeiten von baulichen Anlagen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand bewerkstelligt werden können.

Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat gemäß § 36 Abs 2 Stmk BauG die Behörde über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung des fremden Grundstückes zu entscheiden. Ein allfälliger Schadenersatz ist bei den Gerichten geltend zu machen.Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat gemäß Paragraph 36, Absatz 2, Stmk BauG die Behörde über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung des fremden Grundstückes zu entscheiden. Ein allfälliger Schadenersatz ist bei den Gerichten geltend zu machen.

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer einer in der Steiermark gelegenen Liegenschaft. Sie errichteten auf dieser Liegenschaft eine Stützmauer, die die Grenze zur Nachbarliegenschaft - diese steht im gleichteiligen Miteigentum der Beklagten - geringfügig überragt.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren und Begehen ihrer Liegenschaft im notwendigen Ausmaß zum Zweck der Entfernung der auf dieser Liegenschaft befindlichen Mauerteile zu dulden. Die Beklagten hätten von den Klägern die Entfernung der überragenden Mauerteile gefordert, ohne ihnen jedoch zu erlauben, ihre (der Beklagten) Liegenschaft zum Zweck der Vornahme der notwendigen Arbeiten zu betreten. Alternativen, die das Betreten der Nachbarliegenschaft nicht erforderten, seien viel zu kostenintensiv. Gemäß § 36 Stmk BauG seien die Beklagten zur geforderten Duldung verpflichtet.Die Kläger begehren mit ihrer Klage, die Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren und Begehen ihrer Liegenschaft im notwendigen Ausmaß zum Zweck der Entfernung der auf dieser Liegenschaft befindlichen Mauerteile zu dulden. Die Beklagten hätten von den Klägern die Entfernung der überragenden Mauerteile gefordert, ohne ihnen jedoch zu erlauben, ihre (der Beklagten) Liegenschaft zum Zweck der Vornahme der notwendigen Arbeiten zu betreten. Alternativen, die das Betreten der Nachbarliegenschaft nicht erforderten, seien viel zu kostenintensiv. Gemäß Paragraph 36, Stmk BauG seien die Beklagten zur geforderten Duldung verpflichtet.

Die Beklagten wenden ua die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein.

Das Erstgericht folgte dem Einwand der Beklagten und wies die Klage unter Nichtigerklärung des abgeführten Verfahrens zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung des § 13 der Stmk BauO stelle § 36 Abs 2 des Stmk BauG in Verbindung mit § 2 leg.cit. klar, dass die Duldungsverpflichtung des Grundeigentümers bei der Baubehörde durchzusetzen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur in Rede stehenden Bestimmung höchstgerichtliche Judikatur fehle.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung des Paragraph 13, der Stmk BauO stelle Paragraph 36, Absatz 2, des Stmk BauG in Verbindung mit Paragraph 2, leg.cit. klar, dass die Duldungsverpflichtung des Grundeigentümers bei der Baubehörde durchzusetzen sei. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur in Rede stehenden Bestimmung höchstgerichtliche Judikatur fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, "dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben" werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 154/72 = SZ 45/95 die Auffassung vertrat, dass zur Durchsetzung der damals aus § 13 der Stmk BauO resultierenden Duldungsverpflichtung des Grundeigentümers der Rechtsweg zulässig sei. Dies wurde damit begründet, dass in § 13 der Stmk BauO - anders etwa als in § 126 der Wr BauO oder in § 25 Abs 1 und 2 der damals geltenden NÖ BauO - keine auf die Verwaltungsbehörde verweisende Zuständigkeitsbestimmung enthalten sei. Demgegenüber vertrat der Oberste Gerichtshof bereits in RZ 1971, 31 den Standpunkt, dass über die vergleichbare Duldungspflicht des § 126 Abs 1 der Wr BauO wegen der ausdrücklichen Zuständigkeitsanordnung des § 126 Abs 3 der Wr BauO die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe.Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 154/72 = SZ 45/95 die Auffassung vertrat, dass zur Durchsetzung der damals aus Paragraph 13, der Stmk BauO resultierenden Duldungsverpflichtung des Grundeigentümers der Rechtsweg zulässig sei. Dies wurde damit begründet, dass in Paragraph 13, der Stmk BauO - anders etwa als in Paragraph 126, der Wr BauO oder in Paragraph 25, Absatz eins und 2 der damals geltenden NÖ BauO - keine auf die Verwaltungsbehörde verweisende Zuständigkeitsbestimmung enthalten sei. Demgegenüber vertrat der Oberste Gerichtshof bereits in RZ 1971, 31 den Standpunkt, dass über die vergleichbare Duldungspflicht des Paragraph 126, Absatz eins, der Wr BauO wegen der ausdrücklichen Zuständigkeitsanordnung des Paragraph 126, Absatz 3, der Wr BauO die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe.

Das nunmehr geltende Stmk BauG (LGBl Nr. 59/1995) sieht in seinem § 36 Abs 2 ausdrücklich vor, dass über die jetzt in § 36 Abs 1 normierte Duldungspflicht des Grundeigentümers "die Behörde" zu entscheiden hat, während ein allfälliger Schadenersatz bei den Gerichten geltend zu machen ist. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist damit unmissverständlich klargestellt, dass Streitigkeiten über die aus der zitierten Gesetzesstelle resultierende Duldungspflicht von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden sind.Das nunmehr geltende Stmk BauG Landesgesetzblatt Nr. 59 aus 1995,) sieht in seinem Paragraph 36, Absatz 2, ausdrücklich vor, dass über die jetzt in Paragraph 36, Absatz eins, normierte Duldungspflicht des Grundeigentümers "die Behörde" zu entscheiden hat, während ein allfälliger Schadenersatz bei den Gerichten geltend zu machen ist. Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist damit unmissverständlich klargestellt, dass Streitigkeiten über die aus der zitierten Gesetzesstelle resultierende Duldungspflicht von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden sind.

Für die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung ist in erster Linie die positiv-rechtliche Zuweisung durch den Gesetzgeber (Vollzugsklausel) maßgebend (Mayr in Rechberger, ZPO**2, Rz 4 vor § 1 JN). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die vom Gesetzgeber hier vorgenommene Zuweisung nicht. Dabei bedarf es keiner näherer Ausführungen darüber, ob die in Rede stehende Norm einen privatrechtlichen Anspruch begründet (so RZ 1971, 31 und SZ 45/95) oder öffentlich-rechtlichen Charakter hat (vgl. etwa Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften3 Anm 1 zu § 126 der Wr BauO, wonach die Duldungsverpflichtung als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung zu qualifizieren sei). Zum Kernbereich des Zivilrechtes, in dem in jedem Fall ein Recht auf Entscheidung durch ein Gericht besteht (Mayr, aaO Rz 4 vor § 1 JN), zählt die durch § 36 Abs 1 des Stmk BauG normierte Verpflichtung jedenfalls nicht, zumal sie in erster Linie die Stellung des Einzelnen gegenüber der Allgemeinheit betrifft und die dadurch bewirkten zivilrechtlichen Auswirkungen nur die sekundäre Folge einer primär im öffentlichen Interesse liegenden Regelung sind. In solchen Fällen wird aber ein Eingriff in den Kernbereich des Zivilrechtes verneint (Öhlinger, Verfassungsrecht Rz 612; vgl auch Rz 611, wonach zwar Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen, nicht aber die Entscheidungen über die Eigentumsbeschränkungen selbst zum Kernbereich des Zivilrechtes zählen).Für die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung ist in erster Linie die positiv-rechtliche Zuweisung durch den Gesetzgeber (Vollzugsklausel) maßgebend (Mayr in Rechberger, ZPO**2, Rz 4 vor Paragraph eins, JN). Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen die vom Gesetzgeber hier vorgenommene Zuweisung nicht. Dabei bedarf es keiner näherer Ausführungen darüber, ob die in Rede stehende Norm einen privatrechtlichen Anspruch begründet (so RZ 1971, 31 und SZ 45/95) oder öffentlich-rechtlichen Charakter hat vergleiche etwa Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften3 Anmerkung 1 zu Paragraph 126, der Wr BauO, wonach die Duldungsverpflichtung als öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkung zu qualifizieren sei). Zum Kernbereich des Zivilrechtes, in dem in jedem Fall ein Recht auf Entscheidung durch ein Gericht besteht (Mayr, aaO Rz 4 vor Paragraph eins, JN), zählt die durch Paragraph 36, Absatz eins, des Stmk BauG normierte Verpflichtung jedenfalls nicht, zumal sie in erster Linie die Stellung des Einzelnen gegenüber der Allgemeinheit betrifft und die dadurch bewirkten zivilrechtlichen Auswirkungen nur die sekundäre Folge einer primär im öffentlichen Interesse liegenden Regelung sind. In solchen Fällen wird aber ein Eingriff in den Kernbereich des Zivilrechtes verneint (Öhlinger, Verfassungsrecht Rz 612; vergleiche auch Rz 611, wonach zwar Ansprüche auf Entschädigungen für Eigentumsbeschränkungen, nicht aber die Entscheidungen über die Eigentumsbeschränkungen selbst zum Kernbereich des Zivilrechtes zählen).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E58124 09A01320

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0090OB00132.00B.0517.000

Dokumentnummer

JJT_20000517_OGH0002_0090OB00132_00B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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