TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/15 2004/10/0102

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Veröffentlicht am 15.12.2006
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Index

82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §29 Abs1;
ÄrzteG 1998 §45;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Dr. OA in S, vertreten durch Beck & Dörnhöfer Rechtsanwälte OEG in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 28. April 2004, Zl. 262.399/0-I/B/8/2004, betreffend Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. PH in N, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 2. Juli 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in seiner Zweitordination in Zillingtal, L-Straße 3, zu erteilen abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer entfalte in seiner Zweitordination nicht das Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit. Zillingtal weise lediglich ca. 750 Einwohner auf, Steinbrunn, wo der Beschwerdeführer seine Erstordination betreibe, hingegen 1.900 Einwohner. Maßgeblich sei nicht, wohin diese Personen tendierten, sondern wo sie wohnhaft seien. Die Burgenländische Gebietskrankenkasse habe mitgeteilt, dass die überwiegende Anzahl der Patienten des Beschwerdeführers ihren Wohnsitz in Steinbrunn hätten; lediglich 159 Versicherte seien in Zillingtal wohnhaft. Aus diesen Daten ergebe sich deutlich, dass das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Steinbrunn gelegen sei. Die hohe Anzahl von Ordinationsstunden, die der Beschwerdeführer für seine Zweitordination angegeben habe, könne daran nichts ändern. Bei der Beurteilung des Schwergewichts der ärztlichen Tätigkeit komme es nämlich auf das objektive Merkmal der jeweiligen Einwohnerzahl an und nicht auf die Angabe von Ordinationszeiten am Zweitordinationssitz.

Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen mit Bescheid vom 28. April 2004 abgewiesen; der erstinstanzliche Bescheid wurde bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin. Er verfüge über zwei Berufssitze, nämlich seine Erstordination in Steinbrunn, die weniger als sechs Straßenkilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke, der S-Apotheke der mitbeteiligten Partei in Neufeld/Leitha entfernt sei und die Zweitordination in Zillingtal, die mehr als sechs Straßenkilometer von der Betriebsstätte der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt sei; in Zillingtal befinde sich auch keine öffentliche Apotheke. Der Beschwerdeführer habe für den Erstordinationssitz Ordinationszeiten im Ausmaß von 14 Wochenstunden angegeben und für den Zweitordinationssitz Ordinationszeiten im Ausmaß von 15 Wochenstunden. Eine Anfrage an den Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger habe ergeben, dass eine nach Ordinationssitzen getrennte Verrechnung von Behandlungsscheinen nicht möglich sei. Die behandelten Patienten könnten jedoch "wohnortbezogen" zugeordnet werden. Ein entsprechender Vergleich zwischen Steinbrunn und Zillingtal ergebe einen deutlichen Überhang von 48,44 % zu Gunsten Steinbrunn gegen 17,23 % für Zillingtal. 2.426 bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse bzw. bei der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft versicherte Patienten des Beschwerdeführers im Jahre 2001 seien in Steinbrunn wohnhaft, 863 in Zillingtal und 1.719 in anderen Ortschaften. Die bei der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen und bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter versicherten Patienten des Beschwerdeführers im Jahre 2001 (241 bzw. 848) seien ausschließlich über die Erstordination in Steinbrunn abgerechnet worden.

Über Aufforderung der Berufungsbehörde, für das vierte Quartal 2001 und für das erste Quartal 2002 die Patientenstöcke der jeweiligen Ordinationen unter Beiziehung und Bestätigung eines öffentlichen Notars getrennt zu erfassen und bekannt zu geben, habe der Beschwerdeführer eine eidesstättige Erklärung folgenden Inhalts vorgelegt:

"Im dritten Quartal 2001 habe ich insgesamt 1.056 Patienten behandelt, wovon 560 Patienten in meiner Ordination in Zillingtal behandelt wurden.

Im vierten Quartal 2001 habe ich insgesamt 945 Patienten behandelt, wovon 512 Patienten in meiner Ordination in Zillingtal behandelt wurden.

Im ersten Quartal 2002 habe ich insgesamt 1.012 Patienten behandelt, wovon 497 Patienten in Zillingtal behandelt wurden."

Der Beschwerdeführer habe gleichzeitig folgende Stellungnahme erstattet:

"Es ist mir jedoch nicht möglich, meine Patienten an Hand meiner Karteikarten derart zuzuordnen, dass ich an Hand der Karteikarten nachvollziehen könnte, ob mich ein bestimmter Patient in meiner Ordination in Steinbrunn oder Zillingtal aufgesucht hat. Die Vielzahl meiner Patienten besucht mich abwechselnd einmal in meiner Ordination in Zillingtal und einmal in meiner Ordination in Steinbrunn. Dies erklärt sich daraus, dass mich meine Patienten dort aufsuchen, wo sie mich gerade finden. Auch auf Grund meiner unterschiedlichen Ordinationszeiten suchen mich meine Patienten zumeist dann auf, wenn sie gerade Zeit haben und sehen nach, wo ich an diesem Tage zu einer bestimmten Zeit gerade aufhältig bin. Da die meisten meiner Patienten mich daher einmal abwechselnd in Steinbrunn und einmal in Zillingtal aufsuchen, werden von jedem meiner Patienten Karteikarten sowohl in meiner Ordination in Steinbrunn, als auch in meiner Ordination in Zillingtal geführt. Sucht mich ein Patient beispielsweise an einem bestimmten Tag in meiner Ordination in Zillingtal auf, so werden jene Daten, welche ich in die Karte in Zillingtal eintrage, auch in die Karte dieses Patienten in meiner Ordination in Steinbrunn übertragen. Anders könnte meine Praxis gar nicht funktionieren, weil mir sonst die Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten fehlen würden, würde mich dieser beim nächsten Besuch in meiner anderen Ordination in Steinbrunn aufsuchen. Ich achte daher sehr genau darauf, dass die jeweiligen Karteikarten in beiden Ordinationen von jedem Patienten jeweils aktualisiert vorhanden sind. Aus diesem Grunde ist es mir auch nicht möglich, allein auf Grund der Karteikarten Patientenbesuche zur Ordination Steinbrunn oder Zillingtal zuzuordnen. Deshalb konnte ich keine Bestätigung eines öffentlichen Notars erlangen, da ich einerseits an die ärztliche Verschwiegenheitspflicht gebunden bin und sich andererseits die zahlenmäßige Erfassung der Zahlenstöcke, getrennt nach dem Erst- und Zweitordinationssitz, alleine auf Grund meiner eigenen Aufzeichnungen bewerkstelligen lässt und auch von einem Notar nicht objektiv nachvollzogen werden kann."

Nun seien derartige notarielle Zählungen der Behörde in vergleichbaren Fällen ohne weiteres vorgelegt worden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auf Grund der Vermischung der Patientenstöcke der Ordinationen eine - durch einen Notar - überprüfbare Zuordnung nicht möglich sei. Zwischen der eidesstättigen Erklärung und der Behauptung, auf Grund der Karteikarten keine Zuordnung der Patienten zur jeweiligen Ordination vornehmen zu können, bestehe allerdings ein Widerspruch. Wenn der Beschwerdeführer nämlich Aufzeichnungen darüber geführt habe, welche Patienten die Ordination in Zillingtal im dritten und vierten Quartal 2001 sowie im ersten Quartal 2002 aufgesucht hätten, hätte ein Notar diese Zählungen bestätigen können. Auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse lasse sich das vom Beschwerdeführer behauptete Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit in seiner Zweitordination in Zillingtal nicht erhärten. Vielmehr sei mit 48,44 % ein deutlicher Überhang zu Gunsten Steinbrunner Patienten gegenüber 17,23 % Zillingtaler Patienten nachgewiesen. Dazu komme, dass die 1.089 Patienten der kleinen Kassen zu 100 % über die Erstordination in Steinbrunn abgerechnet worden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 Apothekengesetz (ApG) ist die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.

Die Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke darf bei zwei Berufssitzen im Sinne des Ärztegesetzes nur für jenen Berufssitz erfolgen, an dem das Übergewicht ärztlicher Tätigkeit entfaltet wird. In dieser Frage können die verbindlich festgesetzten Ordinationszeiten ein taugliches Indiz bilden, solange sich nicht sachverhaltsbezogen ergibt, dass die Ordinationszeiten willkürlich und nicht der Zahl der behandelten Patienten entsprechend gewählt worden sind. Letzten Endes kommt es jedoch auf die Patientenzahl an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 1998, Zl. 98/10/0036, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sprächen sämtliche objektivierbaren Umstände für ein Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in seiner Erstordination in Steinbrunn. Demgegenüber sei die Behauptung des Beschwerdeführers, das Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit liege in Wahrheit in seiner Zweitordination in Zillingtal, nicht erweisbar: Trotz Aufforderung habe der Beschwerdeführer nachvollziehbare Patientenzahlen seiner Zweitordination nicht vorgelegt.

Der Beschwerdeführer hält im Wesentlichen dagegen, die von ihm verbindlich und keineswegs willkürlich festgesetzten Ordinationszeiten (15 Wochenstunden in Zillingtal, 14 Wochenstunden in Steinbrunn) seien nicht hinreichend beachtet worden. Sie stellten nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Indiz dafür dar, dass das Schwergewicht seiner ärztlichen Tätigkeit in Zillingtal entfaltet werde. Der Wohnort der Patienten alleine stelle jedoch kein ausreichendes Indiz dar, zumal der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass ihn viele seiner Patienten aus Steinbrunn in seiner Zweitordination in Zillingtal aufsuchten. Die Aussage, es bestehe ein deutlicher Überhang von 48,44 % für Steinbrunn im Vergleich zu 17,23 % für Zillingtal, sei unzutreffend, weil die zu Grunde liegenden Zahlen lediglich Patienten beträfen, die bei der Burgenländischen Gebietskrankenkasse und bei der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft versichert seien. Auch fehlten Feststellungen, zu welcher Ordination die Einwohner der "anderen Ortschaften" tendierten. Die herangezogenen Statistiken seien überdies veraltet. Schließlich sei die belangte Behörde selbst davon ausgegangen, dass eine Zuordnung der Patienten getrennt nach Erst- und Zweitordination "auch für einen Notar nicht nachvollziehbar sei". Umso weniger nachvollziehbar sei daher der Vorwurf der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die von ihm verlangte notarielle Bestätigung nicht beigebracht. Die einzige Möglichkeit, eine entsprechende Zuordnung vorzunehmen, bestehe in der vom Beschwerdeführer seit Sommer 2001 geführten "Stricherlliste", die auch die Grundlage für die eidesstättige Erklärung abgegeben habe. Sämtliche in Eisenstadt ansässigen Notare hätten jedoch erklärt, eine Bestätigung an Hand dieser Aufzeichnungen nicht ausstellen zu können. Die eidesstättige Erklärung sei jedenfalls zu Unrecht unberücksichtigt gelassen worden.

Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt. Ausgehend davon, dass in der Frage, in welcher Ordination das Schwergewicht der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers liegt, die tatsächlichen Patientenzahlen maßgeblich sind, diese jedoch auch vom Beschwerdeführer - wie er selbst einräumt - nicht objektivier- und nachvollziehbar dargelegt werden können, ist der (nahe liegende) Rückgriff auf die Wohnorte der behandelten Patienten und die daraus gezogene Schlussfolgerung der belangten Behörde auf die (im Allgemeinen) in Anspruch genommene Ordination unter Schlüssigkeitsgesichtspunkten ebenso wenig zu beanstanden, wie die darauf gestützte Auffassung, es bestehe kein Grund für die Annahme des Schwergewichtes der ärztlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in seiner Zweitordination in Zillingtal. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ordinationszeiten der beiden Ordinationen ändern daran schon deshalb nichts, weil diese nahezu das gleiche Ausmaß aufweisen: Der Unterschied von einer Stunde pro Woche, die die Zweitordination in Zillingtal nach den Angaben des Beschwerdeführers länger betrieben werde als die Erstordination in Steinbrunn ist jedenfalls nicht derart signifikant, dass er eine andere Auffassung zwingend nahe legte. Schließlich hat der Beschwerdeführer auch kein Vorbringen erstattet, dem konkret entnommen werden könnte, zu welchem im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG im Wesentlichen anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung der von ihm behaupteten Verfahrensmängel gelangt wäre.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der - durch die mitbeteiligte Partei beantragten - Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004100102.X00

Im RIS seit

01.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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