TE OGH 2000/5/23 4Ob17/00d

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Veröffentlicht am 23.05.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofss Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl H*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 149.446,50 S sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Oktober 1999, GZ 17 R 148/99f-39, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Mai 1999, GZ 19 Cg 1/98a-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - unter Einschluss ihrer unbekämpft gebliebenen Teile - insgesamt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger 149.446,50 S samt 4 % Zinsen aus 104.746,50 S vom 21. 1. 1998 bis 8. 4. 1999 und aus 149.446,50 S ab 9. 4. 1999 und die mit 60.453,04 S (einschließlich 6.116,34 S Umsatzsteuer und 23.755 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gattin des Klägers betreibt - gemeinsam mit diesem - eine Gärtnerei in Wien 22. Die Beklagte führte im Frühjahr/Sommer 1997 im Nahbereich der Gärtnerei Tiefbauarbeiten durch. Sie übernahm es durch ihren verantwortlichen Polier gegenüber dem Kläger, eine für die Zufahrt zur Gärntnerei mit LKW bis zu einem Gesamtgewicht von 9 t taugliche Überbrückung der (ua) dort angelegten, mindestens 1,8 m tiefen Baugrube (Künette) herzustellen. Ihr Polier ließ eine Konstruktion aus Stütz- und Holzpfeiler anfertigen, die dem Kläger für das Überfahren mit dem unter 9 t schweren LKW (wegen "Nachgebens der fahrbahnparallelen Holzpfosten") nicht sicher genug erschien, weshalb er mehrmals eine "Stahlplatte" für die Überführung forderte. Der Polier der Beklagten änderte jedoch nichts an der genannten Holzkonstruktion. Am 16. 6. 1997 gegen 0.30 Uhr fuhr der Schwiegervater des Klägers mit dem voll mit Gemüse beladenen, nicht über 9 t schweren LKW über die genannte "Künettenbrücke". Als der LKW mit den vorderen Rädern bereits die Überführung passiert hatte, gaben drei Holzpfosten unter dem rechten (Zwillings-)Hinterrad nach und brachen so ein, dass das rechte Hinterrad des LKWs "in den Pfosten steckte". Der Kläger, der nach dem Passieren der Künettenbrücke als Beifahrer mitfahren hätte sollen, verständigte sofort zum Zwecke der Bergung des LKWs die Feuerwehr. Da er aber wie sein Schwiegervater auch ein weiteres Einbrechen des LKWs befüchtete und um die Ladung besorgt war, entschieden sich beide dazu, das noch über festem Boden befindliche Heck des LKWs mit einer etwa 1 m hohen, 40 bis 50 kg schweren, zum Abstützen und Anheben sehr schwerer Gegenstände geeigneten Winde abzustützen, um so das Gewicht über der Einbruchstelle zu entlasten. Diese Maßnahme war zur Erreichung dieses Zweckes objektiv durchaus geeignet. Nach dem Anbringen der Winde warteten beide auf das Eintreffen der Feuerwehr; dabei stand der Kläger etwa 1,5 m von der Winde entfernt, als nach einigen Minuten ein Pfosten unter dem linken Hinterrad des LKWs nachgab (jedoch nicht einbrach). Dadurch wurde die Winde weggeschleudert und traf den linken Fuß des Klägers. Grund für das Einbrechen der Pfosten unter dem rechten Hinterrad und für das Nachgeben des Pfostens unter dem linken Hinterrad des LKWs war die für die vom Polier der Beklagten zugesagte Tragfähigkeit bis 9 t nicht geeignete Konstruktion der Künettenbrücke. Weder war ein Fahrfehler des LKW-Lenkers (sogenanntes "Schaukeln") Ursache des Einbrechens der Pfosten unter dem rechten Hinterrad des LKWs noch war es feststellbar, dass die Winde wegen einer unsachgemäßen Anbringung unter dem Heck des LKWs weggeschleudert wurde.

Der Kläger, der gemeinsam mit seiner Ehegattin deren Gärtnerei leitet und von deren Ertrag lebt, erlitt bei diesem Unfall einen Trümmerbruch der linken Großzehe. Die Verletzung wurde zunächst ambulant behandelt. Er erhielt einen Unterschenkelgehgips und wurde mit Unterarmstützkrücken mobilisiert. Wegen einer unfallbedingten Gewebsnekrose befand er sich vom 25. 6. bis 14. 7. 1997 in stationärer Krankenhausbehandlung. Nach der Entlassung konnte er sich zunächst weiterhin nur mit Krücken fortbewegen. Erst am 27. 8. 1997 war die Wunde ausgeheilt. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen und deren Behandlung erlitt der Kläger ("gerafft") insgesamt 4 Tage starke, 10 Tage mittelstarke und 50 Tage leichte Schmerzen. In der Zeit zwischen dem Unfall und dem stationären Krankenhausaufenthalt benötigte der Kläger für (näher umschriebene) Besorgungen und Tätigkeiten der Pflege und des täglichen Lebens für mindestens 20 Stunden, in der Zeit nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus bis zum Ausheilen der Wunde für mindestens 35 Stunden Hilfe anderer Personen. Während seiner jedenfalls 11 Wochen währenden Arbeitsunfähigkeit wurden die zuvor vom Kläger erbrachten Arbeitsleistungen für den Gärtnereibetrieb durch (Mehr-)Arbeiten seiner Frau und durch die Mithilfe von Familienangehörigen erledigt, wofür bei Einsatz bezahlter Arbeitskräfte (eine Aushilfskraft für 217 Stunden und ein Gärtnermeister für 66 Stunden) jedenfalls 38.290 S zu zahlen gewesen wären. Für seinen unfallbedingten Krankenhausaufenthalt musste der Kläger 3.160 S als Selbstbehalt tragen. An Kosten für Verbandsmaterial wendete er 856,50 S auf. Seine Frau zedierte ihm weiters ihre Forderung auf Ersatz der LKW-Bergungskosten von 1.140 S.

Der Kläger begehrte zuletzt (nach teilweiser Ausdehnung und Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens von 104.746,50 S, bestehend aus 70.000 S für Schmerzengeld, 14.400 S für Pflegekosten, 15.190 S für Verdienstentgang, 3.160 S für den Selbstbehalt, 856,50 S für Verbandsmaterial und 1.140 S für Bergungskosten) 100.000 S an Schmerzengeld, 6.000 S an Pflegekosten für 55 Stunden a 120 S, 38.290 S an Verdienstentgang, 3.160 S für den Selbstbehalt, 856,50 S für Verbandsmaterial und 1.140 S für Bergungskosten, insgesamt somit 149.446,50 S samt 4 % Zinsen aus 104.746,50 S vom 21. 1. 1998 bis 8. 4. 1999 und aus 149.446,50 S ab 9. 4. 1999 als Schadenersatz aufgrund seiner Verletzungen und den Ersatz der ihm zedierten Bergekosten. Er habe versucht, den auf der von der Beklagten mangelhaft errichteten Künettenbrücke eingebrochenen LKW mit einer Winde abzustützen, um ein weiteres Abrutschen (Einbrechen) und einen dadurch größeren Schaden (am LKW und dessen Ladung) zu verhindern. Durch das weitere Nachgeben der Bretter unter dem linken Hinterrad des LKWs sei die an sich zur Erreichung des beabsichtigten Sicherungsschutzes geeignete Winde schadensstiftend auf seinen linken Fuß geschleudert worden. Daraus, dass er sich nur 1,5 m von der Winde entfernt aufgehalten habe, sei ihm kein (Mit-)Verschulden an seinem Körperschaden anzulasten, weil auch dieses Schadensereignis auf das alleinige Verschulden der Beklagten (die schuldhaft mangelhafte Errichtung der Künettenbrücke) zurückzuführen gewesen sei.

Die Beklagte beantragte in erster Instanz die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sich die Verletzung selbst zuzurechnen, weil der Abstützversuch angesichts der ihm - spätestens durch den unmittelbar vorher erfolgten Einbruch der Künettenbrücke - bekannten Gefährlichkeit dieser Konstruktion unzweckmäßig gewesen sowie als gefährlich erkennbar und daher zu unterlassen gewesen wäre. Durch die Behauptung, Vorkehrungen zur Minderung des Schadens getroffen zu haben, stütze der Kläger sein Begehren auf Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall gemäß § 1036 ABGB. Das Einsparen geringer Bergekosten durch gefährliche, nicht fachgerechte Selbsthilfe sei jedoch nicht im Interesse der Beklagten gelegen. Die damit verbundene Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers könne nicht als notwendig und zweckmäßig angesehen werden, zumal der daraus entstandene Schaden die Bergekosten um ein Vielfaches übersteige. Im Übrigen habe der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzengeld, sondern allenfalls auf Ersatz seiner Aufwendungen. Hilfsweise werde das überwiegende Mitverschulden des Klägers eingewendet, weil ein verständiger Durchschnittsmensch die von ihm gewählte Vorgangsweise unterlassen hätte.Die Beklagte beantragte in erster Instanz die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe sich die Verletzung selbst zuzurechnen, weil der Abstützversuch angesichts der ihm - spätestens durch den unmittelbar vorher erfolgten Einbruch der Künettenbrücke - bekannten Gefährlichkeit dieser Konstruktion unzweckmäßig gewesen sowie als gefährlich erkennbar und daher zu unterlassen gewesen wäre. Durch die Behauptung, Vorkehrungen zur Minderung des Schadens getroffen zu haben, stütze der Kläger sein Begehren auf Geschäftsführung ohne Auftrag im Notfall gemäß Paragraph 1036, ABGB. Das Einsparen geringer Bergekosten durch gefährliche, nicht fachgerechte Selbsthilfe sei jedoch nicht im Interesse der Beklagten gelegen. Die damit verbundene Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers könne nicht als notwendig und zweckmäßig angesehen werden, zumal der daraus entstandene Schaden die Bergekosten um ein Vielfaches übersteige. Im Übrigen habe der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzengeld, sondern allenfalls auf Ersatz seiner Aufwendungen. Hilfsweise werde das überwiegende Mitverschulden des Klägers eingewendet, weil ein verständiger Durchschnittsmensch die von ihm gewählte Vorgangsweise unterlassen hätte.

Das Erstgericht sprach dem Kläger, ausgehend vom gleichteiligen Verschulden beider Parteien, 75.293,25 S (darin die Bergekosten von 1.140 S zur Gänze) zu und wies das Mehrbegehren von 74.153,25 S samt Zinsen ab. Die Beklagte habe grundsätzlich für die für das Einbrechen des LKWs ursächliche Mangelhaftigkeit der Überbrückungskonstruktion einzustehen, weil sie diese Gefahrenquelle geschaffen und daher dafür Sorge zu tragen gehabt habe, dass durch sie (den davon betroffenen Personen und Sachen) kein Schaden entstehe. Die Fehleinschätzung ihres Baupoliers über die Tragfähigkeit dieser Holzkonstruktion habe sie zu verantworten. Damit habe sie jedenfalls die Bergungskosten des LKWs zur Gänze zu ersetzen. Aber auch hinsichtlich der aus der Verletzung des Klägers entstandenen Schäden treffe sie im Grunde diese Verschuldenshaftung, weil die Mangelhaftigkeit der Holzkonstruktion auch für diese, anlässlich der versuchten Rettungsmaßnahmen des Klägers erfolgte Körperbeschädigung ursächlich waren und in einem solchen Fall nicht nur mit der Beschädigung von Sachen, sondern auch mit der Verletzung von Personen zwingend gerechnet habe werden müssen. Der Mitverschuldenseinwand der Beklagten sei jedoch teilweise berechtigt. Dieser Einwand setze eine Sorglosigkeit des Geschädigten gegenüber seinen eigenen Gütern (körperliche Unversehrtheit) voraus, die für den Schadenseintritt "adäquat kausal" sein müsse. Zwar könne das Anbringen der Winde grundsätzlich sinnvoll und dafür zweckmäßig gewesen sein, um das auf der Einbruchsstelle lastende Gewicht des LKWs zu vermindern und so dessen weiteres durchaus mögliche Einbrechen zu verhindern. Aufgrund der von ihm bereits vorher wahrgenommenen Instabilität der Überführung habe der Kläger aber nicht mehr damit rechnen können, dass nicht doch weitere Pfosten unter dem auf der Brücke stehenden LKW nachgeben oder einbrechen könnten. Er hätte sich daher nicht im Nahbereich der Winde aufhalten dürfen. Schon im Hantieren mit der Winde am "eingebrochenen LKW" liege eine Sorgfaltsverletzung des Klägers gegenüber eigenen Gütern, weil er die Instabilität der Überführung kennen hätte müssen. Die beiderseitigen Schuldanteile seien gleich hoch zu bewerten. Unabhängig von der Verschuldensteilung sei für die vom Kläger beim Unfall erlittenen Verletzungen und Schmerzen ein Schmerzengeld von 100.000 S angemessen, weiters seien für Pflegekosten für 55 Stunden auch 6.000 S angemessen. Auch die Forderung des Klägers für Verdienstentgang sei in der begehrten Höhe berechtigt, wobei § 273 ZPO anzuwenden sei.Das Erstgericht sprach dem Kläger, ausgehend vom gleichteiligen Verschulden beider Parteien, 75.293,25 S (darin die Bergekosten von 1.140 S zur Gänze) zu und wies das Mehrbegehren von 74.153,25 S samt Zinsen ab. Die Beklagte habe grundsätzlich für die für das Einbrechen des LKWs ursächliche Mangelhaftigkeit der Überbrückungskonstruktion einzustehen, weil sie diese Gefahrenquelle geschaffen und daher dafür Sorge zu tragen gehabt habe, dass durch sie (den davon betroffenen Personen und Sachen) kein Schaden entstehe. Die Fehleinschätzung ihres Baupoliers über die Tragfähigkeit dieser Holzkonstruktion habe sie zu verantworten. Damit habe sie jedenfalls die Bergungskosten des LKWs zur Gänze zu ersetzen. Aber auch hinsichtlich der aus der Verletzung des Klägers entstandenen Schäden treffe sie im Grunde diese Verschuldenshaftung, weil die Mangelhaftigkeit der Holzkonstruktion auch für diese, anlässlich der versuchten Rettungsmaßnahmen des Klägers erfolgte Körperbeschädigung ursächlich waren und in einem solchen Fall nicht nur mit der Beschädigung von Sachen, sondern auch mit der Verletzung von Personen zwingend gerechnet habe werden müssen. Der Mitverschuldenseinwand der Beklagten sei jedoch teilweise berechtigt. Dieser Einwand setze eine Sorglosigkeit des Geschädigten gegenüber seinen eigenen Gütern (körperliche Unversehrtheit) voraus, die für den Schadenseintritt "adäquat kausal" sein müsse. Zwar könne das Anbringen der Winde grundsätzlich sinnvoll und dafür zweckmäßig gewesen sein, um das auf der Einbruchsstelle lastende Gewicht des LKWs zu vermindern und so dessen weiteres durchaus mögliche Einbrechen zu verhindern. Aufgrund der von ihm bereits vorher wahrgenommenen Instabilität der Überführung habe der Kläger aber nicht mehr damit rechnen können, dass nicht doch weitere Pfosten unter dem auf der Brücke stehenden LKW nachgeben oder einbrechen könnten. Er hätte sich daher nicht im Nahbereich der Winde aufhalten dürfen. Schon im Hantieren mit der Winde am "eingebrochenen LKW" liege eine Sorgfaltsverletzung des Klägers gegenüber eigenen Gütern, weil er die Instabilität der Überführung kennen hätte müssen. Die beiderseitigen Schuldanteile seien gleich hoch zu bewerten. Unabhängig von der Verschuldensteilung sei für die vom Kläger beim Unfall erlittenen Verletzungen und Schmerzen ein Schmerzengeld von 100.000 S angemessen, weiters seien für Pflegekosten für 55 Stunden auch 6.000 S angemessen. Auch die Forderung des Klägers für Verdienstentgang sei in der begehrten Höhe berechtigt, wobei Paragraph 273, ZPO anzuwenden sei.

Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Schädiger hafte nicht nur für den von ihm primär verschuldeten Schaden am LKW, sondern auch für jenen Schaden, den ein Dritter bei seinem schadensbegrenzenden Einsatz (Rettungshandlung) erleide. Dies sei im vorliegenden Fall davon unabhängig, ob ein weiteres Nachgeben der Künettenabdeckung unmittelbarer Anlass für das Wegschleudern der vom Kläger angebrachten Winde gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof habe ein Mitverschulden des Retters in einem Fall verneint, in welchem der Beifahrer eines LKWs beim Versuch, den Brand des Reifens mit Hilfe von Fetzen zu ersticken, durch den explodierenden Reifen verletzt worden sei; denn der Rettungsversuch sei keineswegs untauglich und im Hinblick auf den Inhalt des Sattelanhängers (Öl) auch nicht vorwerfbar gewesen. Beim Einsatz der Winde handle es sich nach den Feststellungen zwar nicht um einen von vornherein untauglichen Rettungsversuch, doch sei keine derart gefährliche Situation vorgelegen, die den sofortigen Einsatz der Winde noch vor dem Eintreffen der Feuerwehr zur Abwehr eines unabsehbaren Schadens verlangt hätte, auch wenn für den Kläger insbesondere die Sicherung der heiklen Gemüseladung bis zum Eintreffen der Feuerwehr ein den Einsatz der Winde rechtfertigender Anlass gewesen sei. Stelle man einerseits die trotz der warnenden Hinweise des Klägers und seines Schwiegervaters belassene mangelhafte Künettenabdeckung dem Aufenthalt des Klägers im Nahebereich der das LKW-Heck abstützenden Winde gegenüber, dann sei die Verschuldensteilung des Erstgerichtes zutreffend. Über die Beurteilung des Mitverschuldens eines Retters liege keine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revision des Klägers ist berechtigt.

Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass die Beklagte aufgrund des ihr zurechenbaren Verschuldens (ihres Poliers) bei der Errichtung der für die vorgesehenen Zwecke nicht tauglichen Künettenbrücke nicht nur für die durch den Einbruch der Überführung eingetretene Beschädigung des LKWs, sondern grundsätzlich auch für bei der Rettung, aber auch bei nicht von vornherein untauglichen Rettungsversuchen zur Verhinderung weiteren Schadens (in Verfolgung der Pflicht des Geschädigten zur Schadensbegrenzung) eintretenden weiteren Beschädigungen von Sachen und/oder Personen haftet, wenn solche Schäden nicht völlig außerhalb jeder objektiven Lebenserfahrung (Vorhersehbarkeit) liegen. Die Pflicht zum Ersatz auch des Schadens des Retters (Schadensbegrenzers) folgt dabei aus der psychischen Kausalität des primär schadenersatzpflichtigen Verhaltens des Täters für die auf Rettung/Schadensminderung/-verhinderung gerichtete Willensbetätigung des Geschädigten/Retters durch Einsatz oder Gefährdung eigener oder fremder Güter (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/16 und Rz 8/43 je mwN). Dabei ist zwischen den Interessen des Schädigers und des (meist auch zu dessen Gunsten tätig werdenden) Retters/Schadensbegrenzers abzuwägen, weil grundsätzlich der Willensentschluss des Letzteren in Bezug auf die Gefahren und Risken, die er mit der geplanten Rettungshandlung auf sich nehmen will, frei ist und vom (Erst-)Täter meist nicht beeinflusst werden kann. Je höher dabei die mit der Rettungshandlung abzuwendende Gefahr oder Beeinträchtigung ist, umso eher wird die Willensbetätigung des Retters durch das schädigende Verhalten des Ersttäters veranlasst sein, sodass dem Retter etwa in echten Notsituationen der Rechtfertigungsgrund echten Notstandes oder doch ein Schuldausschließungsgrund wegen der Abwendung eines unmittelbar drohenden erheblichen Schadens zustatten kommt (Koziol aaO Rz 5/4). Gerade weil den Geschädigten nach allgemeiner Auffassung die Pflicht zur Schadensminderung trifft, deren Verletzung ihn zur Schadens-(mit)tragung verpflichtet (Reischauer in Rummel2 § 1304 Rz 37 f mwN), muss zur Rechtfertigung des Einsatzes grundsätzlich objektiv geeigneter Rettungsmaßnahmen nicht schon eine notstandsähnliche Situation vorliegen, sondern reicht hiefür bereits die mit dem Rettungseinsatz beabsichtigte und objektiv nicht mit größeren Risken verbundene Verhinderung eines größeren/weiteren Schadens hin.Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass die Beklagte aufgrund des ihr zurechenbaren Verschuldens (ihres Poliers) bei der Errichtung der für die vorgesehenen Zwecke nicht tauglichen Künettenbrücke nicht nur für die durch den Einbruch der Überführung eingetretene Beschädigung des LKWs, sondern grundsätzlich auch für bei der Rettung, aber auch bei nicht von vornherein untauglichen Rettungsversuchen zur Verhinderung weiteren Schadens (in Verfolgung der Pflicht des Geschädigten zur Schadensbegrenzung) eintretenden weiteren Beschädigungen von Sachen und/oder Personen haftet, wenn solche Schäden nicht völlig außerhalb jeder objektiven Lebenserfahrung (Vorhersehbarkeit) liegen. Die Pflicht zum Ersatz auch des Schadens des Retters (Schadensbegrenzers) folgt dabei aus der psychischen Kausalität des primär schadenersatzpflichtigen Verhaltens des Täters für die auf Rettung/Schadensminderung/-verhinderung gerichtete Willensbetätigung des Geschädigten/Retters durch Einsatz oder Gefährdung eigener oder fremder Güter (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 3/16 und Rz 8/43 je mwN). Dabei ist zwischen den Interessen des Schädigers und des (meist auch zu dessen Gunsten tätig werdenden) Retters/Schadensbegrenzers abzuwägen, weil grundsätzlich der Willensentschluss des Letzteren in Bezug auf die Gefahren und Risken, die er mit der geplanten Rettungshandlung auf sich nehmen will, frei ist und vom (Erst-)Täter meist nicht beeinflusst werden kann. Je höher dabei die mit der Rettungshandlung abzuwendende Gefahr oder Beeinträchtigung ist, umso eher wird die Willensbetätigung des Retters durch das schädigende Verhalten des Ersttäters veranlasst sein, sodass dem Retter etwa in echten Notsituationen der Rechtfertigungsgrund echten Notstandes oder doch ein Schuldausschließungsgrund wegen der Abwendung eines unmittelbar drohenden erheblichen Schadens zustatten kommt (Koziol aaO Rz 5/4). Gerade weil den Geschädigten nach allgemeiner Auffassung die Pflicht zur Schadensminderung trifft, deren Verletzung ihn zur Schadens-(mit)tragung verpflichtet (Reischauer in Rummel2 Paragraph 1304, Rz 37 f mwN), muss zur Rechtfertigung des Einsatzes grundsätzlich objektiv geeigneter Rettungsmaßnahmen nicht schon eine notstandsähnliche Situation vorliegen, sondern reicht hiefür bereits die mit dem Rettungseinsatz beabsichtigte und objektiv nicht mit größeren Risken verbundene Verhinderung eines größeren/weiteren Schadens hin.

Demnach muss unter den hier festgestellten Umständen des Eintritts des "Erstschadens" (Einbrechen des LKWs auf der Künettenbrücke knapp nach Mitternacht) dem Kläger zugestanden werden, zur Verhinderung des weiteren (völligen) Einbrechens oder gar Absturzes des LKWs samt Ladung in die Künette bis zum Eintreffen der bereits alarmierten Feuerwehr eine objektiv geeignete und nicht von vorneherein aussichtslose oder übermäßig gefährliche Sicherung des LKWs auf die hier festgestellte Weise vorzunehmen (oder zu versuchen). Diese Handlung war auch noch durch das schuldhaft schädigende Verhalten der Beklagten mitveranlasst und stand zu dem erwarteten Erfolg auch in keinem übermäßigen Risikoverhältnis. Infolge des für den Kläger wohl nicht oder nur schwer vorhersehbaren Unfallsablaufs (Wegschleudern der Winde über 1,5 m vom Aufstellungsort wegen des Nachgebens eines anderen Holzbalkens der mangelhaft errichteten Künettenbrücke) kann sein Vorgehen weder als auffällig riskant noch zur Begründung eines messbaren Mitverschuldens an seinem letztlich eingetretenen eigenen Körperschaden angesehen werden. Vielmehr hat die Beklagte auch für diese hier geltend gemachten Schäden des Klägers voll zu haften.

Da die Höhe und Zuordnung der einzelnen Schadensbeträge im Revisionsverfahren nicht mehr strittig sind und nach der Aktenlage auch keinen rechtlichen Bedenken begegnen, sind die Urteile der Vorinstanzen sogleich im Sinne der gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 41, ZPO, für das Rechtsmittelverfahren in Verbindung mit Paragraph 50, ZPO.

Anmerkung

E58113 04A00170

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0040OB00017.00D.0523.000

Dokumentnummer

JJT_20000523_OGH0002_0040OB00017_00D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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