TE Vwgh Beschluss 2006/12/18 2004/05/0209

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Veröffentlicht am 18.12.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;
VwGG §59 Abs2 Z1;
VwGG §59 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über den Antrag des Josef Hinterhölzl in Waizenkirchen, vertreten durch Dr. Longin Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 59 Abs. 2 Z. 1 VwGG, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Wiedereinsetzungsantrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat in seiner zur hg. Zl. 2004/05/0202 protokollierten Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. Juli 2004, GZ. BauR- 013298/2-2004-Ba/Vi, wohl den Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge erkennen, das Land Oberösterreich sei schuldig, die dem Beschwerdeführer durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im verzeichneten Ausmaß zu Handen seines anwaltlichen Vertreters binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen. Dieser Beschwerdeschriftsatz enthielt allerdings kein Kostenverzeichnis.

Im vorliegenden Antrag bringt der Beschwerdeführer vor, er sei durch ein unvorhergesehenes, unabwendbares Ereignis am fristgerechten Verzeichnis des beantragten Kostenersatzes hinsichtlich Schriftsatzaufwand und Pauschalgebühr gehindert, weil eine Kanzleimitarbeiterin in der Kanzlei seines Rechtsanwaltes irrtümlich bei der Durchführung einiger Korrekturen in Bezug auf den Schriftsatz, insbesondere auf dessen letzter Seite, das im Schriftsatz zunächst enthaltene Kostenverzeichnis herausgelöscht habe. Dieses Kostenverzeichnis war in dem Muster, welches bei Verfassung des Schriftsatzes adaptiert worden war, enthalten. Der Rechtsvertreter habe einige Korrekturen, u.a. auf der letzten Seite vorgenommen; in der Folge sollte die Mitarbeiterin diese Korrekturen durchführen, wobei sie versehentlich das im Schriftsatz enthaltene Kostenverzeichnis löschte. Der Rechtsvertreter ging berechtigt davon aus, dass der Schriftsatz samt Kostenverzeichnis von seiner Mitarbeiterin zur Post gegeben wurde. Wie es zur Löschung kam, sei für die Mitarbeiterin nicht mehr nachvollziehbar. Dass das Kostenverzeichnis letztlich fehlte, sei auf einen Irrtum der Mitarbeiterin zurückzuführen, wobei ihr an diesem Versehen nur eine entschuldbare Fehlleistung zur Last zu legen ist. Auf Grund der Zuverlässigkeit der verwendeten Kanzleikraft sei der Rechtsvertreter nicht verpflichtet gewesen, bei Unterfertigung des Schriftsatzes den Schriftsatz nochmals zu korrigieren, zumal er doch schon zuvor durchgesehen und korrigiert worden war, sodass davon ausgegangen werden konnte, dass der Schriftsatz mit Kostenverzeichnis zur Post gegeben werde. Von diesem Umstand habe der Rechtsvertreter erstmals am 30. August 2004 anlässlich der Verfassung eines Schreibens an seinen Klienten erfahren. Unter einem wurde das Kostenverzeichnis nachgeholt.

Dem Antrag angeschlossen waren eine eidesstattliche Erklärung des Beschwerdeführervertreters und der Kanzleikraft N. M. Darin erklärt die Kanzleikraft, sie habe ein Muster nach Textbausteinen verwendet, wobei das Muster auch ein Kostenverzeichnis enthalten habe. Das Muster habe sie nach Diktat durch den Beschwerdeführervertreter entsprechend modifiziert. Zur Realisierung der Korrekturen habe sie den Schriftsatz einer Mitarbeiterin übergeben, die den Schriftsatz zur Post brachte. Die Kanzleikraft N. M. habe im Sinne der Anweisungen des Rechtsvertreters Korrekturen insbesondere auf der letzten Seite des Schriftsatzes vorgenommen; wie sich nachher herausgestellt habe, habe sie offenbar bei Durchführung der Korrekturen das im Schriftsatz vorhandene Kostenverzeichnis irrtümlich unbewusst gelöscht. Dies habe der Beschwerdeführervertreter, wie er angibt, am 30. August 2004 erstmals festgestellt.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Vorweg ist auf die Frage einzugehen, ob der Beschwerdeführer in Anbetracht seiner Fristversäumnis überhaupt einen "Rechtsnachteil" im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesbestimmung erlitten hat, zumal der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2004/05/0202, seine Beschwerde abgewiesen hat. Allerdings kommt es bei dieser Voraussetzung einer Wiedereinsetzung nicht darauf an, ob die Prozesshandlung im Ergebnis von Vorteil ist (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz. 660; hg. Beschluss vom 17. November 1981, Zl. 2551/80). Da der Beschwerdeführer nur den Ersatz der "verzeichneten" Kosten begehrt hat, ein Kostenverzeichnis aber nicht rechtzeitig im Sinne des § 59 Abs. 2 Z. 1 VwGG vorgelegt hat, ist diese Säumnis grundsätzlich geeignet gewesen, einen Rechtsnachteil herbeizuführen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung sowohl zu § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 als auch zu § 46 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei gleichzusetzen ist. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden anzurechnen, wenn der Anwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Der bevollmächtigte Anwalt muss den Aufgaben, die ihm aus dem Bevollmächtigungsvertrag erwachsen, auch insoweit nachkommen, als er sich zu ihrer Wahrnehmung seiner Kanzlei als seines Hilfsapparates bedient.

Der - aus der Zivilprozessordnung in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 übernommene - Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber oder sein Vertreter darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Irrtümer und Fehler der Kanzleiangestellten von Rechtsanwälten sind diesen zuzurechnen und ermöglichen jedenfalls dann eine Wiedereinsetzung, wenn sie trotz der Einhaltung der berufsgebotenen Sorgfaltspflichten des Anwaltes bei der Kontrolle der Termin- und Fristenevidenz und trotz bisheriger objektiver Eignung und Bewährung der Kanzleiangestellten unterlaufen und eine durch die konkreten Umstände des Einzelfalles bedingte entschuldbare Fehlleistung gewesen sind (s beispielsweise den hg. Beschluss vom 28. September 2000, Zl. 2000/16/0571).

Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass der Beschwerdeführervertreter jene Beschwerdeausfertigungen unterfertigt hat, die kein Kostenverzeichnis enthalten haben. Unabhängig vom Fehlverhalten der Kanzleiangestellten ist der anwaltliche Vertreter verpflichtet, vor Unterfertigung des Schriftsatzes dessen Inhalt zu überprüfen (siehe den schon zitierten Beschluss vom 28. September 2000 sowie den hg. Beschluss vom 2. Oktober 1991, Zl. 91/03/0034). Die Unterfertigung des Beschwerdeschriftsatzes ohne Überprüfung seines Inhaltes lässt keinesfalls die Annahme eines minderen Grades des Versehens zu.

Dem Wiedereinsetzungsantrag konnte daher nicht stattgegeben werden.

Wien, am 18. Dezember 2006

Schlagworte

Formelle Voraussetzungen für die Zuerkennung des Aufwandersatzes Rechtzeitigkeit Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004050209.X00

Im RIS seit

07.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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