Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Musa D***** u.a. wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1996, GZ 1 c EVr 14384/92-244, sowie des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. August 1996, AZ 21 Bs 118/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Schützenhofer, und des Freigesprochenen Musa D***** zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Musa D***** u.a. wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach Paragraphen 15,, 144 Absatz eins, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1996, GZ 1 c EVr 14384/92-244, sowie des Oberlandesgerichtes Wien vom 30. August 1996, AZ 21 Bs 118/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Mag. Schützenhofer, und des Freigesprochenen Musa D***** zu Recht erkannt:
Spruch
Im Strafverfahren gegen Musa D***** ua des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 1 c E Vr 14384/92, wurde durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die vom Genannten nach § 2 Abs 1 lit b StEG geltend gemachten Ersatzansprüche sowie durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des von diesem Gericht am 25. März 1996 gefassten Beschlusses (ON 244) sowie dadurch, dass diese Mängel vom Oberlandesgericht Wien anlässlich der Beschlussfassung vom 30. August 1996 (ON 250) über die Beschwerde des Verurteilten nicht beanstandet oder behoben wurden, das Gesetz in den Bestimmungen des § 6 Abs 3 und Abs 4 StEG iVm Art 6 Abs 1 EMRK verletzt.Im Strafverfahren gegen Musa D***** ua des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, AZ 1 c E römisch fünf r 14384/92, wurde durch die Unterlassung einer öffentlichen Verhandlung über die vom Genannten nach Paragraph 2, Absatz eins, Litera b, StEG geltend gemachten Ersatzansprüche sowie durch die Unterlassung der öffentlichen Verkündung des von diesem Gericht am 25. März 1996 gefassten Beschlusses (ON 244) sowie dadurch, dass diese Mängel vom Oberlandesgericht Wien anlässlich der Beschlussfassung vom 30. August 1996 (ON 250) über die Beschwerde des Verurteilten nicht beanstandet oder behoben wurden, das Gesetz in den Bestimmungen des Paragraph 6, Absatz 3 und Absatz 4, StEG in Verbindung mit Artikel 6, Absatz eins, EMRK verletzt.
Die genannten Beschlüsse werden aufgehoben. Dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird die (an den dargelegten Verfahrensgrundsätzen orientierte) Verfahrenserneuerung aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. März 1995, GZ 1 c E Vr 14384/92-214, wurde ua Musa D***** vom gegen ihn wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung und einer anderen strafbaren Handlung erhobenen Strafantrag gemäß § 259 Z 3 StPO "mangels Schuldbeweis" freigesprochen.Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 31. März 1995, GZ 1 c E römisch fünf r 14384/92-214, wurde ua Musa D***** vom gegen ihn wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung und einer anderen strafbaren Handlung erhobenen Strafantrag gemäß Paragraph 259, Ziffer 3, StPO "mangels Schuldbeweis" freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Mit im zweiten Rechtsgang ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gefassten, öffentlich auch nicht kundgemachten Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1996 (ON 244) wurde dem Genannten eine Entschädigung für die in diesem Verfahren zwischen dem 29. November 1992 und dem 3. August 1993 erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft nicht zuerkannt. Einer dagegen vom Freigesprochenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 30. August 1996, AZ 21 Bs 118/96 (ON 250), nicht Folge, ohne den Umstand der mangelnden Öffentlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens aufzugreifen. Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung wie auch die öffentliche Verkündung der Entscheidung (s § 77 Abs 1 erster Fall StPO) sind jedoch unabdingbare Kriterien eines den Verfahrensgarantien des Art 6 Abs 1 EMRK entsprechenden Entschädigungsverfahrens (vgl 13 Os 150/98 teilw veröff in ÖJZ-LSK 1999/97; 13 Os 154/98 teils veröff in JUS 2648/98; 13 Os 86/99 = EvBl 1999/217).Mit im zweiten Rechtsgang ohne Durchführung einer öffentlichen Verhandlung gefassten, öffentlich auch nicht kundgemachten Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. März 1996 (ON 244) wurde dem Genannten eine Entschädigung für die in diesem Verfahren zwischen dem 29. November 1992 und dem 3. August 1993 erlittene Verwahrungs- und Untersuchungshaft nicht zuerkannt. Einer dagegen vom Freigesprochenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 30. August 1996, AZ 21 Bs 118/96 (ON 250), nicht Folge, ohne den Umstand der mangelnden Öffentlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens aufzugreifen. Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung wie auch die öffentliche Verkündung der Entscheidung (s Paragraph 77, Absatz eins, erster Fall StPO) sind jedoch unabdingbare Kriterien eines den Verfahrensgarantien des Artikel 6, Absatz eins, EMRK entsprechenden Entschädigungsverfahrens vergleiche 13 Os 150/98 teilw veröff in ÖJZ-LSK 1999/97; 13 Os 154/98 teils veröff in JUS 2648/98; 13 Os 86/99 = EvBl 1999/217).
Gerade in der letztzitierten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass die grundrechtskonforme Auslegung der Verfahrensbestimmungen des § 6 StEG (vgl Urteil des EGMR vom 24. November 1997, Werner gegen Österreich = ÖJZ-MRK 1998/12, sowie zuleztt vom 21. März 2000, Asan Rushiti gegen Österreich = News letter 2000, S 55 f, NL 00/2/4) die Durchführung öffentlicher Verhandlung und Entscheidungsverkündung verlangt.Gerade in der letztzitierten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass die grundrechtskonforme Auslegung der Verfahrensbestimmungen des Paragraph 6, StEG vergleiche Urteil des EGMR vom 24. November 1997, Werner gegen Österreich = ÖJZ-MRK 1998/12, sowie zuleztt vom 21. März 2000, Asan Rushiti gegen Österreich = News letter 2000, S 55 f, NL 00/2/4) die Durchführung öffentlicher Verhandlung und Entscheidungsverkündung verlangt.
Dieser gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch den Obersten Gerichtshof steht auch die Tatsache, dass nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1999 (G 259/98, 262/98, 8/99, 24/99, 39/99) angesichts des österreichischen Vorbehaltes zu Art 6 MRK das gesetzliche Kundmachungsverbot des § 6 Abs 4 StEG nicht als verfassungswidrig zu beurteilen ist, nicht entgegen. Besteht nämlich der Zweck öffentlicher Verhandlungen vornehmlich in der dadurch gewährleisteten Kontrolle der gerichtlichen Tätigkeit durch die Öffentlichkeit, würde ein gleichzeitiges Verbot öffentlicher Entscheidungsverkündung dem Sinn des Öffentlichkeitsgebotes widerstreiten, weshalb die Behebung der nachträglich (vgl Vorläuferbestimmungen in den Gesetzen vom 18. August 1918, RGBl Nr 318, über die Entschädigung für Untersuchungshaft und vom 2. August 1932, BGBl Nr 242, über die Entschädigung ungerechtfertigt verurteilter Personen), und zwar durch Aufnahme des Art 6 MRK in die österreichische Rechtsordnung, entstandenen Planwidrigkeit durch teleologische Reduktion des § 6 Abs 4 StEG um die Worte "nicht kundzumachende" zu bewerkstelligen ist.Dieser gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung durch den Obersten Gerichtshof steht auch die Tatsache, dass nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1999 (G 259/98, 262/98, 8/99, 24/99, 39/99) angesichts des österreichischen Vorbehaltes zu Artikel 6, MRK das gesetzliche Kundmachungsverbot des Paragraph 6, Absatz 4, StEG nicht als verfassungswidrig zu beurteilen ist, nicht entgegen. Besteht nämlich der Zweck öffentlicher Verhandlungen vornehmlich in der dadurch gewährleisteten Kontrolle der gerichtlichen Tätigkeit durch die Öffentlichkeit, würde ein gleichzeitiges Verbot öffentlicher Entscheidungsverkündung dem Sinn des Öffentlichkeitsgebotes widerstreiten, weshalb die Behebung der nachträglich vergleiche Vorläuferbestimmungen in den Gesetzen vom 18. August 1918, RGBl Nr 318, über die Entschädigung für Untersuchungshaft und vom 2. August 1932, Bundesgesetzblatt Nr 242, über die Entschädigung ungerechtfertigt verurteilter Personen), und zwar durch Aufnahme des Artikel 6, MRK in die österreichische Rechtsordnung, entstandenen Planwidrigkeit durch teleologische Reduktion des Paragraph 6, Absatz 4, StEG um die Worte "nicht kundzumachende" zu bewerkstelligen ist.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E58341 13D00540European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0130OS00054..0607.000Dokumentnummer
JJT_20000607_OGH0002_0130OS00054_0000000_000