Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1998 §109 Abs3;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/11/0106 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/11/0150 E 18. Dezember 2006Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerden des Dr. P in W, vertreten durch Mag. Christian Fellner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen die Bescheide des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien 1.) vom 15. Oktober 2003, Zl. B 57/03 (hg. Zl. 2003/11/0292), und 2.) vom 12. Mai 2004, Zl. B 24/04 (hg. Zl. 2004/11/0106), betreffend Festsetzung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 381,90 (insgesamt somit EUR 763,80) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen zur hg. Zl. 2003/11/0292 angefochtenen Bescheid wurde der Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2002 gemäß Abschnitt I der Beitragsordnung mit EUR 14.539,29 festgesetzt.
Mit dem ebenfalls im Instanzenzug ergangenen zur hg. Zl. 2004/11/0106 angefochtenen Bescheid wurde der Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 gemäß Abschnitt I der Beitragsordnung mit EUR 10.917,84 festgesetzt.
Die belangte Behörde begründete diese Bescheide damit, dass die Ansicht des Beschwerdeführers, bei der Berechnung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds seien in die Bemessungsgrundlage zu Unrecht auch Einkünfte aus nichtärztlicher Tätigkeit eingeflossen, unzutreffend sei. Konkret habe der Beschwerdeführer den Standpunkt vertreten, dass seine Honorare als Versicherungsberater ("Risikoprüfer") nicht aus ärztlicher Tätigkeit stammten. Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid beinhalte die Tätigkeit eines Risikoprüfers für ein Versicherungsunternehmen die medizinische Beurteilung des gesundheitlichen Risikos bei Abschluss von Lebensversicherungsverträgen. Da die Beurteilung eines medizinischen Risikos naturgemäß nur von einem Arzt vorgenommen werden könne, handle es sich bei dieser Tätigkeit nach Ansicht der belangten Behörde eindeutig um eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 2 des Ärztegesetzes 1998. Die Honorare des Beschwerdeführers aus dieser Tätigkeit seien daher bei der Berechnung der Fondsbeiträge zu berücksichtigen.
Über die gegen diese Bescheide erhobenen, zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung je einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in seinen Beschwerden gleichlautend geltend, er übe neben seiner ärztlichen Tätigkeit (nach den im Akt befindlichen Einkommensteuerbescheiden als Dienstnehmer der Krankenfürsorgeanstalt Wien) auch eine selbständige Tätigkeit als Risikoprüfer für eine österreichische Versicherungsanstalt aus. Dies erfolge in der Weise, dass ihm vom Versicherungsunternehmen "diverse Akten" vorgelegt würden und er hiezu einen Befund erstatte. Der Beschwerdeführer schätze darin die Risiken für das Versicherungsunternehmen (für den Fall des Abschlusses eines Versicherungsvertrages) ein. Bei dieser Tätigkeit bekomme der Beschwerdeführer den Antragsteller (Versicherungsnehmer) nicht zu Gesicht und habe diesen auch nicht zu untersuchen. Der Beschwerdeführer übe daher im Rahmen der Risikoprüfung keine Tätigkeit unmittelbar am Menschen aus. Die Tätigkeit werde aber auch nicht mittelbar für den Menschen ausgeübt, sondern, wie ausgeführt, für das Versicherungsunternehmen, dessen Risiken der Beschwerdeführer abschätze. Die Beurteilung durch den Beschwerdeführer werde vom Versicherungsunternehmen der Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages zu Grunde gelegt. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beurteilung des gesundheitlichen Risikos naturgemäß nur von einem Arzt vorgenommen werden könne, sei unzutreffend, weil der Beruf des Risikoprüfers grundsätzlich nicht von einem Mediziner ausgeübt werde. Vielmehr gebe es zur Erlernung dieses Berufes, der mehrere Teilbereiche (darunter den medizinischen Teil) der Risikoprüfung umfasse, eigene Lehrveranstaltungen und Seminare. Für diese Ausbildung sei lediglich die Berufserfahrung eines Angestellten eines Versicherungsunternehmens erforderlich. Aus all dem folge, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Risikoprüfer keine ärztliche Tätigkeit darstelle und dass daher die daraus resultierenden Einnahmen des Beschwerdeführers nicht für die Berechnung des Fondsbeitrages heranzuziehen seien.
Die gegenständlich maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes
1998 lauten:
"Der Beruf des Arztes
§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfasst jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;
2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;
3.
die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
4.
die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
5.
die Vorbeugung von Erkrankungen;
6.
die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe;
7. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln;
8. die Vornahme von Leichenöffnungen.
(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
Pflichten und Rechte der Kammerangehörigen
§ 69. (1) Alle Kammerangehörigen sind verpflichtet, die von der Ärztekammer im Rahmen ihres gesetzlichen Wirkungskreises gefassten Beschlüsse zu befolgen sowie die in der Umlagenordnung und in der Beitragsordnung festgesetzten Umlagen und Wohlfahrtsfondsbeiträge zu leisten.
...
§ 92. (1) Für die finanzielle Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds sind unter Berücksichtigung seiner Erfordernisse, seines dauernden Bestandes und seiner Leistungsfähigkeit Wohlfahrtsfondsbeiträge einzuheben.
...
Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. ...
...
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit nicht übersteigen.
(4) ...
(5) ... Die Beitragsordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Wohlfahrtsfondsbeiträge und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Wohlfahrtsfondsbeiträge und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. ..."
§ 109 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1998 und die gemäß § 109 Abs. 5 leg. cit. erlassenen Bestimmungen der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien knüpfen die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds an die Einnahmen des Kammerangehörigen aus der ärztlichen Tätigkeit.
Gemäß § 2 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, wobei in dieser Gesetzesbestimmung ärztliche Tätigkeiten demonstrativ aufgezählt werden.
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid in Verbindung mit den diesbezüglich ergänzenden Beschwerdeausführungen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Risikoprüfer die Beurteilung des gesundheitlichen Risikos eines (potenziellen) Versicherungsnehmers vorzunehmen hat, um dem Versicherungsunternehmen eine Grundlage für die Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos beim Abschluss von Versicherungsverträgen zu geben. Dass der Beschwerdeführer den Versicherungsnehmer zum Zwecke dieser Beurteilung nicht persönlich untersucht, ist für die Frage des Vorliegens einer ärztlichen Tätigkeit nicht relevant. So hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem Einleitungshalbsatz des § 2 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 abgeleitet, dass die ärztliche Tätigkeit nicht zwingend unmittelbar am Menschen erfolgen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2004, Zl. 2003/11/0275, mwN). Dies ergibt sich auch aus der Z 2 der letztgenannten Bestimmung, nach der zur ärztlichen Tätigkeit auch die Beurteilung der dort angesprochenen Zustände bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel (somit nicht zwingend auf Grund einer Untersuchung im Sinne der Z 1 des § 2 Abs. 2 leg. cit.) zu zählen ist. Der Einwand des Beschwerdeführers, im Rahmen seiner Tätigkeit als Risikoprüfer erstatte er den "Befund" über den Versicherungsnehmer ausschließlich auf Grund der ihm vorgelegten Akten, ist daher nicht zielführend.
Im zitierten Erkenntnis Zl. 2003/11/0275 hat sich der Verwaltungsgerichtshof (im Rahmen der Berechnung der Kammerumlage) u. a. näher mit der Frage, ob Gutachterhonorare als Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit anzusehen seien, auseinander gesetzt und hat unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt:
"Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Aus § 91 Abs. 3 ÄrzteG, im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 der hier anzuwendenden Umlagenordnung ergibt sich, dass in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kammerumlage sämtliche Einnahmen des Kammermitgliedes aus ärztlicher Tätigkeit einzubeziehen sind. Die Summe der ärztlichen Tätigkeiten, welche den Ärzten für die Ausübung ihres Berufes vorbehalten sind, ist im § 2 Abs. 2 und 3 ÄrzteG umschrieben. Diese ist nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Grundlage für die Festsetzung der Beiträge für die Kammerumlage. Auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung im § 2 Abs. 3 ÄrzteG ist jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt befugt, ärztliche Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten. Hierbei handelt es sich um einen direkten Ausfluss der ärztlichen Berufsbefugnis; die Erstellung von Zeugnissen und Gutachten auf Grund dieser Gesetzesstelle gehört demnach zu den ärztlichen Tätigkeiten im engeren Sinne (vgl. § 55 ÄrzteG 1998). Wie diese Leistungen steuerrechtlich zu behandeln sind, ist für die Frage der Qualifikation als zur Ausübung des ärztlichen Berufes zugehörige Tätigkeiten unerheblich. Einnahmen aus diesen Tätigkeiten sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kammerumlage einzubeziehen."
Die Aussagen dieses Erkenntnisses, auf die der Verwaltungsgerichtshof in seiner folgenden Rechtsprechung verwiesen hat (vgl. die Erkenntnisse jeweils vom 14. September 2004, Zlen. 2003/11/0206, 2003/11/0273, 2003/11/0274 und 2003/11/0276) sind auf den vorliegenden Beschwerdefall, in dem die Frage des Vorliegens einer ärztlichen Tätigkeit im Rahmen der Bemessung der Fondsbeiträge zu beantworten ist, übertragbar:
Wie erwähnt kommt dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Tätigkeit als Risikoprüfer für eine Versicherungsanstalt die Aufgabe zu, mit Hilfe der ihm vorgelegten Unterlagen eine Beurteilung über das gesundheitliche Risiko des Versicherungsnehmers zu treffen, auf Grund der das Versicherungsunternehmen die Entscheidung über den Abschluss (bzw. Weiterbestand) eines Versicherungsvertrages fällt. Diese Beurteilung stellt nichts anderes als ein ärztliches Gutachten über das gesundheitliche Risiko eines Menschen dar und ist daher gemäß § 2 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 eine ärztliche Tätigkeit im engeren Sinne. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die in der Beschwerde angesprochene Frage einzugehen, zu wessen Vorteil der Beschwerdeführer im Rahmen der Risikoprüfung tätig wird.
Schließlich ist für den Beschwerdeführer auch mit dem Hinweis, dass die Risikoprüfung im Rahmen von Versicherungsunternehmen nicht ausschließlich Ärzten vorbehalten ist und im Rahmen von Lehrveranstaltungen und Seminaren erlernt werden könne, nichts zu gewinnen. Einerseits führt die Beschwerde nämlich selbst aus, dass die Risikoprüfung ein aus mehreren Teilbereichen bestehendes (und damit nicht bloß auf medizinische Fragen beschränktes) Berufsbild umfasst. Andererseits schließt der Umstand, dass den Versicherungsunternehmen in zahlreichen (standardisierten; vgl. dazu den im Akt befindlichen Aktenvermerk vom 26. Juni 2003) Fällen eine oberflächliche medizinische Beurteilung genügt und sie sich daher in diesen Fällen bei der Einschätzung des gesundheitlichen Risikos nicht der Mithilfe von Ärzten bedienen, nicht aus, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers in jenen (besonderen) Fällen, in denen das Unternehmen eine Risikobeurteilung durch einen Arzt für notwendig erachtet, eine ärztliche Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 darstellt.
Nach dem Gesagten waren daher die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 18. Dezember 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003110292.X00Im RIS seit
16.01.2007