Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Redl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Atif Z***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB im Zuständigkeitsstreit zwischen dem Landesgericht Innsbruck (AZ 31 Vr 3.512/99) und dem Landesgericht Wels (AZ 9 Vr 13/00) Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Strafverfahren steht dem Landesgericht Innsbruck zu.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren AZ 31 Vr 3.512/99 des Landesgerichtes Innsbruck gegen den Jugendlichen Atif Z*****, geboren am 11. Dezember 1981, der im Verdacht steht, am 28. Dezember 1999 an seinem Arbeitsplatz im Hotel "W*****", *****, wo er auch wohnte, mit Diebstahlsvorsatz die Glasfüllung der Verbindungstür zwischen Hotelstiegenhaus und Pensionsraum eingeschlagen und nach Einsteigen in den letzteren mehrere Räumlichkeiten durchsucht zu haben, wurde am 30. Dezember 1999 vom Untersuchungsrichter die Voruntersuchung wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach "§§ 15, 127, 129 StGB" (S 55) eingeleitet, die Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO (S 57) verhängt und die Strafsache "gem. § 29 JGG iVm § 10 StPO" dem Landesgericht Wels abgetreten (S 3, 3c), nachdem der Journalrichter am 28. Dezember 1999 die Einlieferung des Genannten in die Justizanstalt Innsbruck angeordnet hatte (S 1; sicherheitsbehördliche Verhaftung ebenfalls am 28. Dezember 1999 [S 5]).Im Strafverfahren AZ 31 Vr 3.512/99 des Landesgerichtes Innsbruck gegen den Jugendlichen Atif Z*****, geboren am 11. Dezember 1981, der im Verdacht steht, am 28. Dezember 1999 an seinem Arbeitsplatz im Hotel "W*****", *****, wo er auch wohnte, mit Diebstahlsvorsatz die Glasfüllung der Verbindungstür zwischen Hotelstiegenhaus und Pensionsraum eingeschlagen und nach Einsteigen in den letzteren mehrere Räumlichkeiten durchsucht zu haben, wurde am 30. Dezember 1999 vom Untersuchungsrichter die Voruntersuchung wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls nach "§§ 15, 127, 129 StGB" (S 55) eingeleitet, die Untersuchungshaft nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO (S 57) verhängt und die Strafsache "gem. § 29 JGG in Verbindung mit § 10 StPO" dem Landesgericht Wels abgetreten (S 3, 3c), nachdem der Journalrichter am 28. Dezember 1999 die Einlieferung des Genannten in die Justizanstalt Innsbruck angeordnet hatte (S 1; sicherheitsbehördliche Verhaftung ebenfalls am 28. Dezember 1999 [S 5]).
Über Antrag der Staatsanwaltschaft Wels beschloss die Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes Wels am 4. Jänner 2000 die "Rückabtretung des Verfahrens an das gemäß § 51 StPO und § 29 JGG zuständige Landesgericht Innsbruck" (S 3c verso und 3e). Der Beschuldigte wurde am 5. Jänner 2000 unter Anordnung gelinderer Mittel aus der U-Haft entlassen (S 57a).
Das vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Innsbruck angerufene Oberlandesgericht Innsbruck beschloss - entgegen der Auffassung der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, die von einem gewöhnlichen Aufenthalt des Beschuldigten in K***** zur Zeit der Verfahrenseinleitung ausging und damit die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck bejahte - am 23. März 2000 zum AZ 7 Ns 1.210/00, dass das Verfahren gemäß § 29 JGG dem Landesgericht Wels zustehe. In seiner Begründung verwies es auf das Ergebnis seiner Rückfrage beim Chef des Hotels "W*****", Johann K*****, wonach das Dienstverhältnis des Jugendlichen "vorerst lediglich auf Probe für die Dauer von vierzehn Tagen vereinbart" gewesen sei, weshalb der Beschuldigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt immer noch bei seinen Eltern in ***** P***** gehabt habe.
Den Ausführungen des Oberlandesgerichtes Linz in seinem die Zuständigkeit des Landesgerichtes Wels verneinenden Beschluss vom 7. April 2000, AZ 7 Ns 20/00, kommt Berechtigung zu:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 29 JGG ist in Jugendstrafsachen jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Gesetz knüpft damit die Zuständigkeit an den Ort des tatsächlichen Schwerpunkts der Lebensführung, wobei sich dieser ausschließlich nach tatsächlichen Umständen bestimmt, welche die dauerhafte Beziehung zwischen dem Jugendlichen und seinem Aufenthaltsort anzeigen, ungeachtet der Freiwilligkeit und Erlaubtheit, aber auch des Willens des Jugendlichen, an einem bestimmten Ort Aufenthalt zu nehmen (vgl 15 Nds 1/98, 8 Nd 2/96, 8 Nd 3/96, jeweils mwN; Jesionek JGG2 § 29 Anm 3 ff; vgl Fasching Komm zu den Zivilprozessgesetzen2 § 66 JN Rz 21 ff).Gemäß § 29 JGG ist in Jugendstrafsachen jenes Gericht örtlich zuständig, in dessen Sprengel der Beschuldigte zur Zeit der Einleitung des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das Gesetz knüpft damit die Zuständigkeit an den Ort des tatsächlichen Schwerpunkts der Lebensführung, wobei sich dieser ausschließlich nach tatsächlichen Umständen bestimmt, welche die dauerhafte Beziehung zwischen dem Jugendlichen und seinem Aufenthaltsort anzeigen, ungeachtet der Freiwilligkeit und Erlaubtheit, aber auch des Willens des Jugendlichen, an einem bestimmten Ort Aufenthalt zu nehmen vergleiche 15 Nds 1/98, 8 Nd 2/96, 8 Nd 3/96, jeweils mwN; Jesionek JGG2 § 29 Anm 3 ff; vergleiche Fasching Komm zu den Zivilprozessgesetzen2 § 66 JN Rz 21 ff).
Gewöhnlich ist ein Aufenthalt dann nicht, wenn sich die betreffende Person bloß vorübergehend (etwa nur zur Durchreise, zu Urlaubszwecken, für eine Operation oder nur zu einem kurzen Besuch von Freunden und Verwandten) an dem bestimmten Ort aufhält (vgl Fasching aaO § 66 JN Rz 26, § 67 JN Rz 3).Gewöhnlich ist ein Aufenthalt dann nicht, wenn sich die betreffende Person bloß vorübergehend (etwa nur zur Durchreise, zu Urlaubszwecken, für eine Operation oder nur zu einem kurzen Besuch von Freunden und Verwandten) an dem bestimmten Ort aufhält vergleiche Fasching aaO § 66 JN Rz 26, § 67 JN Rz 3).
Dass der Ort erst kurze Zeit vor dem maßgeblichen Zeitbezug (Verfahrenseinleitung) zum Schwerpunkt der Lebensführung wurde, ist für die Zuständigkeitsfrage ebensowenig bedeutsam wie der - angesichts erforderlicher objektiver ex-ante-Betrachtung irrelevante - Umstand, dass nach dem prüfungsrelevanten Zeitpunkt die Lebensführung an einen anderen Ort verlegt wurde und der Aufenthalt ex-post betrachtet nur sehr kurz währte.
Nach der Aktenlage begann der Beschuldigte am 26. Dezember 1999 als Kellnergehilfe im Hotel "W*****" in K***** zu arbeiten, wobei er dort in einem Personalzimmer wohnte (S 25 = 147; vgl auch die Adressangabe des Beschuldigten vor der Gendarmerie S 17). Das Beschäftigungsverhältnis und der damit verbundene Aufenthalt in K***** waren nicht von vornherein bloß auf eine bestimmte Zeit beschränkt, sondern - ungeachtet der vereinbarten 14tägigen Probezeit, die keinen Aufschluss über die tatsächliche Dauer des Dienstverhältnisses zu geben vermag, vielmehr nur die Möglichkeit einer formlosen Beendigung desselben eröffnet - auf unbestimmte Dauer angelegt. Die Arbeitsstelle in K***** (Tirol) war so weit vom Wohnort der Eltern des Beschuldigten in A***** (OÖ) entfernt, dass eine tägliche Rückkehr dorthin nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte.Nach der Aktenlage begann der Beschuldigte am 26. Dezember 1999 als Kellnergehilfe im Hotel "W*****" in K***** zu arbeiten, wobei er dort in einem Personalzimmer wohnte (S 25 = 147; vergleiche auch die Adressangabe des Beschuldigten vor der Gendarmerie S 17). Das Beschäftigungsverhältnis und der damit verbundene Aufenthalt in K***** waren nicht von vornherein bloß auf eine bestimmte Zeit beschränkt, sondern - ungeachtet der vereinbarten 14tägigen Probezeit, die keinen Aufschluss über die tatsächliche Dauer des Dienstverhältnisses zu geben vermag, vielmehr nur die Möglichkeit einer formlosen Beendigung desselben eröffnet - auf unbestimmte Dauer angelegt. Die Arbeitsstelle in K***** (Tirol) war so weit vom Wohnort der Eltern des Beschuldigten in A***** (OÖ) entfernt, dass eine tägliche Rückkehr dorthin nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte.
Unter Zugrundelegung dieser tatsächlichen Umstände hatte der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens (Verfügung des Journalrichters vom 28. Dezember 1999, S 1) den Schwerpunkt seiner Lebensführung, also seinen gewöhnlichen Aufenthalt, in K*****.
Dass sich der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt bereits in polizeilichem Gewahrsam befand, vermag nach den angeführten Beurteilungskriterien an seinem gewöhnlichen Aufenthalt ebensowenig zu ändern, wie dass sein Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt allenfalls bereits von einem bestehenden Verdacht wusste.
Aus diesem gewöhnlichen Aufenthalt des Beschuldigten zum Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens in K***** ergibt sich nach § 29 JGG für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens die Zuständigkeit des Landesgerichtes Innsbruck.
Textnummer
E58595European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:014NDS00024..0620.000Im RIS seit
20.07.2000Zuletzt aktualisiert am
12.10.2010