TE OGH 2000/6/27 10ObS158/00h

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Veröffentlicht am 27.06.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und DDr. Wolfgang Massl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heinrich M*****, Maurer, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. März 2000, GZ 8 Rs 5/00t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Oktober 1999, GZ 37 Cgs 162/99w-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8. 12. 1943 geborene Kläger war von 1960 bis 1963 Maurerlehrling und in weiterer Folge mit Unterbrechungen bis 1998 als Maurer tätig. Auf Grund verschiedener, im Einzelnen festgestellter gesundheitlicher Veränderungen kann er zum Stichtag 1. 2. 1999 noch leichte und halbtägig auch mittelschwere Arbeiten unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeiten und Ruhebedingungen im Sitzen, Gehen und Stehen, im Freien sowie in geschlossenen Räumen verrichten. Ausgenommen sind Arbeiten in und aus gebückter Körperhaltung sowie in vorgeneigter stehender und sitzender Zwangshaltung, die auf ein Drittel des Arbeitstages beschränkt werden müssen. Arbeiten in kniender und hockender Körperhaltung, ständige Überkopfarbeiten, Arbeiten an exponierten Stellen, Akkord- und Fließbandarbeiten sind nicht zumutbar. Einem forcierten Arbeitstempo ist der Kläger bis zu einem Drittel des Arbeitstages gewachsen. Er ist uneingeschränkt kontaktfähig und in der Lage, sich neue Kenntnisse zu Anlernzwecken anzueignen. Ortswechsel und Pendelverkehr sind zumutbar. Mit Krankenständen von zwei Wochen im Jahr ist zu rechnen.

Nach Ablehnung seines am 19. 1. 1999 gestellten Antrages auf Gewährung der Invaliditätspension mit Bescheid der beklagten Partei vom 15. 4. 1999 begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage die Zuerkennung der Invaliditätspension ab 1. 2. 1999.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass dem Kläger, der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend im erlernten Beruf eines Maurers tätig gewesen sei, Berufsschutz zukomme. Auf Grund des medizinischen Leistungskalküls sei er zwar nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Maurer weiterhin auszuüben, er könne aber die Tätigkeit eines Fachmarktberaters bzw Fachverkäufers mit Schwerpunkt Bauabteilung verrichten. Diese Tätigkeit liege innerhalb seiner Berufsgruppe. Nach den festgestellten Anforderungen im Verweisungsberuf seien die handwerkliche Ausbildung des Klägers als Maurer und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufes. Es handle sich dabei um eine qualifizierte Teiltätigkeit des Lehrberufes Maurer. Eine Verweisung auf Teiltätigkeiten sei zulässig, weil dadurch der Berufsschutz nicht verloren gehe. Die Einschulung eines Maurers in das Bestellwesen, die interne Organisation und EDV eines Fachmarktes sei eine üblicherweise zumutbare Nachschulung, da die Einschulungszeit im Durchschnitt drei Monate nicht überschreite. Infolge ausreichend vorhandener Arbeitsplätze sei der Kläger nicht invalid im Sinne des § 255 Abs 1 und 2 ASGG.Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass dem Kläger, der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend im erlernten Beruf eines Maurers tätig gewesen sei, Berufsschutz zukomme. Auf Grund des medizinischen Leistungskalküls sei er zwar nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als Maurer weiterhin auszuüben, er könne aber die Tätigkeit eines Fachmarktberaters bzw Fachverkäufers mit Schwerpunkt Bauabteilung verrichten. Diese Tätigkeit liege innerhalb seiner Berufsgruppe. Nach den festgestellten Anforderungen im Verweisungsberuf seien die handwerkliche Ausbildung des Klägers als Maurer und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufes. Es handle sich dabei um eine qualifizierte Teiltätigkeit des Lehrberufes Maurer. Eine Verweisung auf Teiltätigkeiten sei zulässig, weil dadurch der Berufsschutz nicht verloren gehe. Die Einschulung eines Maurers in das Bestellwesen, die interne Organisation und EDV eines Fachmarktes sei eine üblicherweise zumutbare Nachschulung, da die Einschulungszeit im Durchschnitt drei Monate nicht überschreite. Infolge ausreichend vorhandener Arbeitsplätze sei der Kläger nicht invalid im Sinne des Paragraph 255, Absatz eins und 2 ASGG.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Rechtlich führte es ergänzend aus, dass im Berufsbild des Maurers auch Fachrechnen, technisches Zeichnen, Baustoffkunde, Lagerhaltung (Lagern von Baustoffen auf Baustellen) und Ähnliches enthalten seien. Dies und die Kombination mit dem Erfahrungswissen (Materialkenntnisse und Materialbedarf) rechtfertigten den Einsatz hochqualifizierter Maurer in dieser Branche der Baumärkte. Daraus ergebe sich aber, dass im Verweisungsberuf wesentliche Kenntnisse und Fähigkeiten des gelernten Berufes weiterhin verwendet würden, so dass der Berufsschutz erhalten bleibe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, ein Maurer sei nicht auf die Tätigkeiten eines Fachmarktberaters bzw Verkaufsberaters in Baumärkten verweisbar. Die Ausbildung und Tätigkeit eines Maurers sei nämlich auf das handwerklich einwandfreie Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaues ausgerichtet, während ein Fachmarktberater Kunden im Wesentlichen Orientierungshilfe zum Auffinden der gewünschten Baustoffe gebe, Informationen über Verwendungszweck, Haltbarkeitsdauer, Menge, Preis und Artikelnummer erteile, Bestellungen aufnehme, Waren verpacke, Lieferscheine ausstelle und Inkassotätigkeiten verrichte. Der Schwerpunkt liege hier in der fachkundigen Beratung und im Verkauf. Die von einem Maurer verlangte oben dargestellte handwerkliche Tätigkeit werde hingegen von einem Fachmarktberater überhaupt nicht ausgeführt.

Diese Argumente sind nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof zu einem Abgehen von seiner wiederholt ausgesprochenen Rechtsansicht zu veranlassen, wonach in vielen Fällen gelernte Handwerker auf den Beruf eines Fachmarktberaters/Fachmarktverkäufers in der jeweiligen Branche verwiesen werden können. So hat der Senat etwa die grundsätzliche Verweisbarkeit eines Tischlers auf Wohn- und Verkaufsberater in Einrichtungshäusern (SSV-NF 10/58; 10 ObS 76/98v; 10 ObS 258/98h), eines Installateurs auf die Tätigkeit eines Baumarktberaters für Installationsbedarf (10 ObS 2339/96k; 10 ObS 369/97f; 10 ObS 17/99v) oder eines Karosseurs auf die Tätigkeit eines Kundendienstberaters (SSV-NF 8/84), aber insbesondere auch die Verweisbarkeit eines gelernten Maurers auf den Beruf eines Fachmarktberaters/Fachmarktverkäufers (SSV-NF 12/25) ausdrücklich bejaht. In der zuletzt genannten Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass ein Maurer für einen Fachmarktberater nach einer durchschnittlich dreimonatigen Einweisung in das Bestellwesen, die interne Organisation und EDV, sohin nach einer üblicherweise zumutbaren Nachschulung qualifiziert sei. Dass diese Einweisung eine Umschulung in einen neuen Beruf bilde, lasse sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Ein Maurer müsse sich daher der von der Rechtsprechung als zumutbar angesehenen Einweisung zur Anpassung an die Berufsanforderungen, die seinem Leistungskalkül entsprechen, unterziehen. Diese Verweisungstätigkeit werde von solchen Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise verrichtet. Unter Zugrundelegung der festgestellten Anforderungen im Verweisungsberuf Fachmarktberater/Fachmarktverkäufer stellten die handwerkliche Ausbildung des Klägers als Maurer und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterium des Verweisungsberufes dar, weshalb es sich bei diesem Verweisungsberuf um eine qualifizierte Teiltätigkeit des Lehrberufes Maurer handle. Die Verweisung auf Teiltätigkeiten sei aber zulässig, weil damit der bereits erworbene Berufsschutz nicht verloren gehe.

Die nunmehr angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes steht mit den dargestellten Grundsätzen, insbesondere mit der zitierten Entscheidung SSV-NF 12/25 völlig im Einklang. Überdies hat der Oberste Gerichtshof mehrmals ausgesprochen, dass der Wechsel eines qualifizierten Facharbeiters in eine Angestelltenposition zu keinem Verlust des Berufsschutzes führt, wenn eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf besteht (SSV-NF 10/58; 10 ObS 258/98h; 10 ObS 311/98b). Diese Nahebeziehung des erlernten und ausgeübten Berufes zu dem genannten Verweisungsberuf ist auch im vorliegenden Fall nicht zu bezweifeln. Das in der Revision betonte weitgehende Fehlen einer handwerklichen Tätigkeit im Verweisungsberuf ist demnach kein Verweisungshindernis.

Zutreffend verweist der Revisionswerber an sich darauf, dass der Gesetz- bzw Verordnungsgeber der qualifizierten Beratung mehr und mehr Rechnung trage, wie sich etwa in der Einführung des Lehrberufes "Gartencenterkaufmann" zeige (vgl dazu die Änderung der Lehrberufsliste durch die Verordnung BGBl II 1998/150 und die Gartencenterkaufmann-Ausbildungsordnung BGBl II 1998/157). Wenngleich auch richtig ist, dass die Ausbildung zum Gartencenterkaufmann drei Jahre dauert und eine Anrechnung der Lehrzeit etwa auf die verwandten Lehrberufe Friedhofs- und Ziergärtner oder Landschaftsgärtner (Garten- und Grünflächengestalter) nur mit einem Lehrjahr vorgesehen ist, zwingt dies nicht zu dem vom Revisionswerber gezogenen Schluss, deshalb dürfe ein Maurer nicht auf Fachberatungstätigkeiten verwiesen werden.Zutreffend verweist der Revisionswerber an sich darauf, dass der Gesetz- bzw Verordnungsgeber der qualifizierten Beratung mehr und mehr Rechnung trage, wie sich etwa in der Einführung des Lehrberufes "Gartencenterkaufmann" zeige vergleiche dazu die Änderung der Lehrberufsliste durch die Verordnung BGBl römisch II 1998/150 und die Gartencenterkaufmann-Ausbildungsordnung BGBl römisch II 1998/157). Wenngleich auch richtig ist, dass die Ausbildung zum Gartencenterkaufmann drei Jahre dauert und eine Anrechnung der Lehrzeit etwa auf die verwandten Lehrberufe Friedhofs- und Ziergärtner oder Landschaftsgärtner (Garten- und Grünflächengestalter) nur mit einem Lehrjahr vorgesehen ist, zwingt dies nicht zu dem vom Revisionswerber gezogenen Schluss, deshalb dürfe ein Maurer nicht auf Fachberatungstätigkeiten verwiesen werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG.

Anmerkung

E58735 10C01580

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:010OBS00158.00H.0627.000

Dokumentnummer

JJT_20000627_OGH0002_010OBS00158_00H0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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