TE OGH 2000/6/28 6Ob116/00b

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Veröffentlicht am 28.06.2000
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Baumann, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Patricia E*****, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch die obsorgeberechtigte Mutter Waltraud Franziska W*****, diese vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. November 1999, GZ 44 R 873/99d-91, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. Februar 2000, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 8. Oktober 1999, GZ 1 P 1924/95v-87, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die am 8. 7. 1985 geborene Minderjährige lebt im Haushalt ihrer obsorgeberechtigten Mutter. Der Vater hatte sich im Scheidungsvergleich zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 4.000 S verpflichtet, wobei ein Einkommen von 20.000 S ohne weitere Sorgepflichten als Bemessungsgrundlage diente. Er ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer in der Textilbranche tätigen Handels-GmbH.

Der Vater begehrte die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung auf 2.100 S monatlich ab 1. 6. 1998. Sein monatliches Einkommen betrage nur mehr 14.000 S, die GmbH, deren Geschäftsführer und Gesellschafter er sei, sei fast konkursreif; überdies habe er für zwei weitere, 1991 und 1993 geborene Kinder und eine einkommens- und vermögenslose Ehefrau zu sorgen.

Demgegenüber begehrte die Minderjährige Unterhaltserhöhung auf zunächst 7.000 S monatlich ab 1. 1. 1998. Der Vater verfüge über ein monatliches Durchschnittseinkommen von 40.000 S und führe einen luxuriösen Lebenswandel. Nach Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens beantragte die Minderjährige die genannte Erhöhung schon ab 1. 1. 1996. Die vom Vater betriebene Handelsgesellschaft sei überschuldet, seine Handelsagentur wie auch ein Einzelunternehmen stillgelegt. Auch als selbständig Erwerbstätiger sei er verpflichtet, sein Einkommen in zumutbarer Weise zu maximieren; er könne - soweit sein Unternehmen lange Zeit passiv sei - auf eine zumutbare Nebenbeschäftigung angespannt werden. Des Weiteren treffe ihn die Obliegenheit, die selbständige Beschäftigung aufzugeben und eine zumutbare unselbständige Tätigkeit anzunehmen, deren vorausichtliche Entlohnung der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen sei. Der Vater sei in der Lage, als unselbständig Beschäftigter monatlich bis zu 25.000 S netto zu verdienen; im Übrigen führe er einen luxuriösen Lebensstil, der mit dem angegebenen Einkommen nicht in Einklang zu bringen sei und an der die Unterhaltsberechtigte teilhaben solle.

Das Erstgericht wies den Erhöhungsantrag des Kindes ab; dem Herabsetzungsantrag des Vaters gab es Folge und setzte den Unterhalt auf monatlich 2.100 S ab 1. 7. 1998 herab. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters und eines weiteren Gutachtens eines berufskundlichen Sachverständigen über seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt stellte es noch fest, das Unternehmen des Vaters sei insolvent, ein Konkursverfahren nunmehr anhängig, der Geschäftsbetrieb sei schon vor Konkurseröffnung eingestellt worden. Die finanzielle Situation sei bereits seit 1996 angespannt gewesen. Abgesehen von der negativen Entwicklung in der Textilbranche sei die Insolvenz insbesondere auf die Nichteinhaltung eines Handelsvertretervertrages durch den Hauptlieferanten zurückzuführen. Der Vater habe Alles unternommen und seine Kraft zur Gänze eingesetzt, um sein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Er lasse auch jetzt nichts unversucht, um die finanzielle Absicherung für sich und seine Familie zu gewährleisten. Er führe kein aufwendiges oder luxuriöses Leben. Auf Grund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters und der vorliegenden exekutionsfähigen Firmenschulden (für die er einzustehen habe) in Gesamthöhe von etwa 4 Mio S seien seine Chancen, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, derzeit nicht intakt. Er sei derzeit als Handelsvertreter geringfügig in der seit März 1999 bestehenden Handelsagentur seiner Ehefrau beschäftigt und beziehe daraus ein monatliches Einkommen von 3.830 S. Im Zuge der Konkursabwicklung setze er seine Arbeitskraft nach wie vor voll ein.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Leistungsfähigkeit des Vaters sei derzeit eingeschränkt. Eine Anwendung des Anspannungsgrundsatzes komme nicht in Betracht. Schuldhaftes Verhalten könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Er habe sich weder vorsätzlich noch fahrlässig seiner Unterhaltspflicht entziehen wollen, seine derzeit schlechte finanzielle Situation treffe die bei ihm lebenden Kinder wie auch die Unterhaltsberechtigte in gleichem Maß.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen nicht Folge. Angesichts der weiteren Sorgepflichten des Vaters komme eine Erhöhung über die bisherige Unterhaltsleistung von 4.000 S auch bei Anspannung auf das nach dem berufskundlichen Sachverständigengutachten als erzielbar angenommene monatliche Einkommen von 25.000 S nicht in Betracht. Der Vater wäre angesichts des negativen Betriebsergebnisses in den Jahren 1996 und 1997 (das ihm nur ein Einkommen von etwa 10.000 S monatlich verschafft hätte) verpflichtet gewesen, sinnvolle Anstrengungen zu unternehmen, um wieder einen Arbeitsplatz mit entsprechender Verdienstmöglichkeit zu finden. Die Anspannung dürfe aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern müsse auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage erzielen könne. Das berufskundliche Sachverständigengutachten habe ergeben, dass der Vater auf Grund seines Alters, Ausbildungs- und Berufsverlaufes Verdienstmöglichkeiten zwischen 22.000 bis 25.000 S netto erreichen könne, der hohe Schuldenstand und/oder eine mögliche Verurteilung wegen fahrlässiger Krida seine Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, jedoch erheblich erschwerten bzw sogar unmöglich machten. Es stehe somit fest, dass der Vater mit diesen Belastungen und auf Grund seines Lebensalters keine Chance auf dem Arbeitsmarkt habe. Eine Anspannung scheide daher aus. Ob der Vater im Unternehmen seiner Gattin ein höheres Einkommen erzielen könne, brauche im Hinblick auf die gerichtsbekannte Erfahrung, dass Unternehmen in der Anlaufphase keine Gewinne abwerfen, nicht geprüft zu werden.

Das Rekursgericht sprach - nach Abänderung seines Zulässigkeitsausspruches im Sinn des § 14a Abs 1 AußStrG - aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Revisionsrekurswerberin habe in ihrem Antrag auf Abänderung des Ausspruches zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vater schon dann zur Annahme einer unselbständigen Beschäftigung verpflichtet gewesen wäre, wenn er aus seiner selbständigen Tätigkeit keine entsprechenden Einnahmen hätte zu erwarten gehabt und die Fortsetzung eines rechtzeitig begründeten Dienstverhältnisses möglich gewesen wäre, sodass exekutionsfähige Schulden oder sogar ein Verfahren wegen fahrlässiger Krida kein Anstellungshindernis dargestellt hätten. Tatsächlich seien die Exekutionstitel gegen den Vater erst im Oktober 1998 und im April 1999 geschaffen worden. Die Verweigerung einer Anspannung ab 1. 7. 1998 widerspreche somit der ständigen Rechtsprechung zum Anspannungsgrundsatz.Das Rekursgericht sprach - nach Abänderung seines Zulässigkeitsausspruches im Sinn des Paragraph 14 a, Absatz eins, AußStrG - aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Revisionsrekurswerberin habe in ihrem Antrag auf Abänderung des Ausspruches zutreffend darauf hingewiesen, dass der Vater schon dann zur Annahme einer unselbständigen Beschäftigung verpflichtet gewesen wäre, wenn er aus seiner selbständigen Tätigkeit keine entsprechenden Einnahmen hätte zu erwarten gehabt und die Fortsetzung eines rechtzeitig begründeten Dienstverhältnisses möglich gewesen wäre, sodass exekutionsfähige Schulden oder sogar ein Verfahren wegen fahrlässiger Krida kein Anstellungshindernis dargestellt hätten. Tatsächlich seien die Exekutionstitel gegen den Vater erst im Oktober 1998 und im April 1999 geschaffen worden. Die Verweigerung einer Anspannung ab 1. 7. 1998 widerspreche somit der ständigen Rechtsprechung zum Anspannungsgrundsatz.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Minderjährige geltend, der Vater setze seine beruflichen Möglichkeiten nicht unter gehöriger Anspannung seiner Kräfte ein, der Unterhaltsbemessung sei jenes Einkommen zugrunde zu legen, das er durch eine zumutbare unselbständige Beschäftigung erzielen könnte. Er wäre schon 1996 verpflichtet gewesen, eine zumutbare Nebenbeschäftigung zu suchen und in weiterer Folge eine unselbständige Tätigkeit aufzunehmen, um seine Unterhaltspflichten erfüllen zu können; er hätte nicht bis zur Konkurseröffnung zuwarten dürfen. Das berufskundliche Sachverständigengutachten habe auch ein erzielbares monatliches Nettoeinkommen von 22.000 bis 25.000 S ergeben, auf das der Vater anzuspannen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Kindes ist entgegen den - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit im Interesse seiner Kinder, alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74; 4 Ob 2236/96v; ÖA 1999, 12; ÖA 1999, 33; Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 60 zu § 140 mwN; Pichler in Rummel ABGB2 § 140 Rz 6 mwN; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 246 ff mwN). Die Rechtsprechung setzt diesen sogenannten Anspannungsgrundsatz als eine Art Missbrauchsvorbehalt in Fällen ein, in denen schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird. Die Anspannung darf aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muss immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (1 Ob 597/95; 4 Ob 2330/97v; EFSlg 77.069; ÖA 1997, 159/U 182). Das potentielle Einkommen aus der Anspannung wird nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden und dem Unterhaltsverpflichteten zumutbaren Erwerbstätigkeit gemessen. Subjektive Fähigkeiten sowie Zumutbarkeit werden im Wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt. In diesem Rahmen sind die konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend (ÖA 1997, 159/U 182; ÖA 1999, 12, ÖA 1999, 33 uva).Gemäß Paragraph 140, Absatz eins, ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit im Interesse seiner Kinder, alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74; 4 Ob 2236/96v; ÖA 1999, 12; ÖA 1999, 33; Schwimann in Schwimann ABGB2 Rz 60 zu Paragraph 140, mwN; Pichler in Rummel ABGB2 Paragraph 140, Rz 6 mwN; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 246 ff mwN). Die Rechtsprechung setzt diesen sogenannten Anspannungsgrundsatz als eine Art Missbrauchsvorbehalt in Fällen ein, in denen schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird. Die Anspannung darf aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muss immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (1 Ob 597/95; 4 Ob 2330/97v; EFSlg 77.069; ÖA 1997, 159/U 182). Das potentielle Einkommen aus der Anspannung wird nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden und dem Unterhaltsverpflichteten zumutbaren Erwerbstätigkeit gemessen. Subjektive Fähigkeiten sowie Zumutbarkeit werden im Wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt. In diesem Rahmen sind die konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend (ÖA 1997, 159/U 182; ÖA 1999, 12, ÖA 1999, 33 uva).

Der Gesetzgeber macht bei der Anwendung des Anspannungsgrundsatzes keinen Unterschied zwischen selbständig und unselbständig Erwerbstätigen (RZ 1991/259). Wer diese Obliegenheit missachtet, muss sich als Unterhaltspflichtiger das bei wirtschaftlicher Sorgfalt erzielbare Einkommen zurechnen lassen (Purtscheller/Salzmann aaO Rz 246). Ist ein Unternehmen lange Zeit passiv, ist der Unterhaltspflichtige als Unternehmer zunächst auf eine zumutbare Nebenbeschäftigung anzuspannen, in weiterer Folge trifft ihn die Obliegenheit, die selbständige Beschäftigung aufzugeben und eine zumutbare unselbständige Betätigung anzunehmen, deren voraussichtliche Entlohnung seinen Unterhaltspflichten gerecht wird (Schwimann, Unterhaltsrecht2 71; 6 Ob 2319/96i).

Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes richtet sich jeweils nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles (Schwimann aaO 65 f; 6 Ob 2319/96i). Dabei ist die für die Ausmittlung des konkreten Unterhaltsbedarfes zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen danach zu messen, wie ein pflichtbewusster Familienvater in der konkreten Lage des Unterhaltspflichtigen die diesem zur Erzielung von Einkommen zur Verfügung stehenden Mittel an Arbeitskraft und Vermögen vernünftigerweise einsetzen würde. Die vom unterhaltspflichtigen selbständig Erwerbstätigen tatsächlich getroffenen unternehmerischen Entscheidungen oder auch Entscheidungen über die Wahl des Arbeitsplatzes sind grundsätzlich danach zu beurteilen, ob sie nach der subjektiven Kenntnis und Einsicht des Unterhaltspflichtigen im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung zu billigen waren. Dabei ist nicht maßgebend, ob die zu beurteilende Entscheidung des Unterhaltspflichtigen in rückblickender Betrachtung sich als bestmöglich erweist; maßgebend ist vielmehr, ob sie nach den jeweils gegebenen konkreten Umständen im Entscheidungszeitpunkt als vertretbar anzuerkennen ist (EFSlg 70.898).

Die Entscheidung der Vorinstanzen - diese haben angesichts der Ergebnisse des berufskundlichen Sachverständigengutachtens eine Anspannung verneint - stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung ist nicht zu erkennen. Nicht schon jedes Herabsinken des Betriebsergebnisses seines Unternehmens verpflichtete den Vater im vorliegenden Fall zur sofortigen Annahme einer Nebenbeschäftigung oder einer unselbständigen Tätigkeit. Dazu ist er erst dann verpflichtet, wenn sein Unternehmen über lange Zeit passiv ist (6 Ob 2319/96i). Welcher Beobachtungszeitraum dem Vater aber für seine Entscheidung zur Verfügung steht und ab welchem Zeitpunkt er auf durch unselbständige Tätigkeit oder durch Nebentätigkeit erzielbares Einkommen anzuspannen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. In jedem Fall stellt sich aber die Frage der Anspannung erst dann, wenn der Unterhalt des Berechtigten nicht mehr gewährleistet ist, somit erst bei Verletzung des angemessenen Unterhalts (EvBl 1998/109; Schwimann aaO 63). Im vorliegenden Fall hat der Vater die vereinbarten, dem Alter des Kindes entsprechenden Unterhaltsleistungen ungeachtet der schlechten wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens bis Mitte 1998 erbracht und Herabsetzung erst ab 1. 7. 1998 begehrt. Dass er daher schon vor diesem Zeitpunkt verpflichtet gewesen wäre, eine Nebenbeschäftigung aufzunehmen, ist nicht zu erkennen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Vater angesichts seiner - bereits 1998 bestehenden - exorbitanten Schulden und des drohenden Kridaverfahrens nicht mehr vermittelbar. Ein (nur) ohne diese Erschwernisse erzielbares Einkommen kann daher als reine Fiktion nicht Grundlage einer Anspannung sein.

Die vom Rekursgericht im Beschluss über die Abänderung seines Zulässigkeitsausspruches angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 659/95 (ÖA 1997, 91) steht der Entscheidung der Vorinstanzen nicht entgegen. Dort wurde eine Anspannung bis zur Höhe des Wochengeldes deshalb bejaht, weil die Mutter es zuvor unterlassen hatte, einer zumutbaren Beschäftigung nachzugehen, die ihr das Wochengeld gesichert hätte. Im vorliegenden Fall kann jedoch von einer Obliegenheit des Vaters, eine unselbständige Beschäftigung oder Nebentätigkeit aufzunehmen, nicht schon zu einem Zeitpunkt ausgegangen werden, zu dem seine Chancen auf einen Arbeitsplatz noch intakt gewesen wären.

Soweit sich der Revisionsrekurs durch Mängel des Verfahrens erster Instanz beschwert erachtet, übersieht er, dass es dem Obersten Gerichtshof verwehrt ist, vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmängel erster Instanz wahrzunehmen (EFSlg 85.723).

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Anmerkung

E58321 06A01160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0060OB00116.00B.0628.000

Dokumentnummer

JJT_20000628_OGH0002_0060OB00116_00B0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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