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32 SteuerrechtLeitsatz
Keine sachliche Rechtfertigung der Erhöhung der Einkommensteuervorauszahlung für bestimmte Kalenderjahre aufgrund unsachlicher Typisierung infolge fehlender Differenzierung zwischen verschiedenen Einkunftsarten; keine Sanierung durch individuelle HerabsetzungsmöglichkeitSpruch
Die Ziffern 2 und 3 des §121 Abs5 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988) BGBl. Nr. 400, in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2000, waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Gemäß §45 Abs1 EStG 1988 hat der Steuerpflichtige auf die Einkommensteuer Vorauszahlungen zu entrichten. Bei der Berechnung der Vorauszahlungen wird grundsätzlich von der Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr abzüglich der durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge ausgegangen. Dieser Betrag wird, wenn die Vorauszahlung erstmals für das dem Veranlagungszeitraum folgende Kalenderjahr wirkt, um 4 vH, wenn sie erstmals für ein späteres Kalenderjahr wirkt, um weitere 5 vH für jedes weitere Jahr erhöht. Gemäß §45 Abs4 leg.cit. kann das Finanzamt die Vorauszahlung der Steuer anpassen, die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird.
1.2. §121 EStG 1988 enthält - auf Grund verschiedener Novellierungen - Sonderregelungen für die Vorauszahlungen bestimmter Kalenderjahre. So ist etwa nach §121 Abs4 leg.cit. bei den Vorauszahlungen des Jahres 1999 der nach §45 ermittelte Betrag (der - wie dargelegt - bereits jedenfalls um 4 vH erhöht ist) um 5 vH zu erhöhen. §121 Abs5 EStG 1988, eingefügt durch BGBl. I 142/2000 mit Wirkung ab 30. Dezember 2000, hat folgenden Wortlaut:
"(5) Sind die Verhältnisse des Kalenderjahres 2000 oder eines früheren Kalenderjahres für die Festsetzung oder Nichtfestsetzung einer Vorauszahlung für das Kalenderjahr 2001 oder ein späteres Kalenderjahr maßgeblich oder sind Vorauszahlungen für diese Zeiträume vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung erstmalig festgesetzt worden, so gilt Folgendes:
1. Bei der Festsetzung (§45) der Vorauszahlungen ist von jener Einkommensteuerschuld für das letztveranlagte Kalenderjahr auszugehen, die sich bei Anwendung der Bestimmungen des §2 Abs2b ergibt.
2. Der nach §45 unter Beachtung der Z1 ermittelte Betrag an Vorauszahlungen ist zu erhöhen um
-
5 %, wenn die Vorauszahlung nicht mehr als 200 000 S beträgt,
-
10 %, wenn die Vorauszahlung mehr als 200 000 S aber nicht mehr als 500 000 S beträgt,
-
20 %, wenn die Vorauszahlung mehr als 500 000 S beträgt.
Vorauszahlungen auf Grund von Bescheiden, die bei Inkrafttreten dieser Bestimmung bereits wirksam geworden sind, sind anzupassen.
3. Ergibt sich aus den Verhältnissen des letztveranlagten Kalenderjahres keine Festsetzung einer Vorauszahlung, ist die Vorauszahlung in Bezug auf Betätigungen, die im Kalenderjahr 2001 bzw. in den folgenden Kalenderjahren weiterhin ausgeübt werden, für die vorstehend angeführten Zeiträume wie folgt festzusetzen: Der Berechnung der Vorauszahlung ist das arithmetische Mittel der auf Grund von Veranlagungen vorgeschriebenen Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) der letzten fünf Kalenderjahre zu Grunde zu legen. Dabei sind Kalenderjahre, in denen keine Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) angefallen ist, mit Null anzusetzen. Der sich daraus ergebende Betrag ist im Sinne der Z2 zu erhöhen und als Vorauszahlung festzusetzen.
4. Beantragt der Steuerpflichtige, die Vorauszahlung mit einem geringeren als dem sich aus den Z1 bis 3 ergebenden Betrag festzusetzen, so darf diesem Antrag nur stattgegeben werden, wenn die Voraussetzungen dafür an Hand einer konkreten und detaillierten Einschätzung seines voraussichtlichen Einkommens vollständig offengelegt und nachgewiesen werden.
5. Die Z1 bis 4 sind nicht anzuwenden, wenn der Vorauszahlung keine anderen als lohnsteuerpflichtige Einkünfte zu Grunde liegen."
1.3. Mit BGBl. I 59/2001 (Euro-Steuerumstellungsgesetz - EuroStUG 2001) erhielt die Z2 des §121 Abs5 EStG 1988 insofern eine neue Fassung, als die Schillingbeträge durch entsprechende Eurobeträge ersetzt wurden. Die Z2 des §121 Abs5 EStG 1988 hat nunmehr folgenden Wortlaut:
"2. Der nach §45 unter Beachtung der Z1 ermittelte Betrag an Vorauszahlungen ist zu erhöhen um
-
5 %, wenn die Vorauszahlung nicht mehr als 14 600 Euro beträgt,
-
10 %, wenn die Vorauszahlung mehr als 14 600 Euro aber nicht mehr als 36 400 Euro beträgt,
-
20 %, wenn die Vorauszahlung mehr als 36 400 Euro beträgt.
Vorauszahlungen auf Grund von Bescheiden, die bei Inkrafttreten dieser Bestimmung bereits wirksam geworden sind, sind anzupassen."
Gemäß §124b Z61 EStG 1988, idF BGBl. I 59/2001, ist §121 Abs5 Z2 EStG 1988, idF des Bundesgesetzes BGBl. I 59/2001, erstmals auf die Festsetzung von Vorauszahlungen nach dem 31. Dezember 2001 anzuwenden.
2.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B1363/01 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. August 2001 anhängig, mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers, eines Rechtsanwaltes, die (gemäß §45 Abs1 um 9 vH und gemäß §121 Abs5 Z2 EStG 1988, idF des BudgetbegleitG 2001, BGBl. I 142/2000, um weitere 20 vH erhöhten) Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2001 unter Außerachtlassung der 20-prozentigen Sondererhöhung festzusetzen, keine Folge gegeben wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß die bisher gemäß §45 EStG 1988 festgesetzten Vorauszahlungen den Betrag von ATS 500.000,-- überstiegen hätten, sodaß die Erhöhung der Vorauszahlungen um 20 vH dem §121 Abs5 Z2 leg.cit. entspreche.
2.2. Bei der Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Z2 und Z3 des Abs5 des §121 EStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, entstanden. Der Gerichtshof hat daher das Beschwerdeverfahren mit Beschluß vom 6. Dezember 2001 unterbrochen und von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren hinsichtlich der eben genannten Bestimmungen eingeleitet.
2.3. Die Erwägungen, die den Gerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluß wie folgt dar:
"2.1. Die Einkommensteuer wird nach dem Einkommen des jeweiligen Kalenderjahres bemessen (§2 EStG 1988). Sie wird, sofern nicht aus den im Gesetz geregelten Gründen eine Veranlagung unterbleibt, nach Ablauf des Kalenderjahres
(= Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat (§39 EStG 1988). Für die zu veranlagende Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§4 Abs2 Z2 BAO). Auf die (veranlagte) Einkommensteuer sind Vorauszahlungen zu entrichten (§45 EStG 1988); für diese entsteht der Abgabenanspruch bereits mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind (§4 Abs2 Z1 BAO). Zweck der Vorauszahlungen ist die zeitnahe Steuerentrichtung (Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 4. Auflage, §45 Rz. 1). Es soll in pauschaler und möglichst einfacher Weise die auf das laufende Einkommen entfallende Einkommensteuer ermittelt werden, um dem Steuergläubiger Zahlungen in dieser Höhe bereits während der laufenden Erzielung des Einkommens zuführen zu können (VwGH 29. Juli 1997, Zl. 95/14/0117, VwSlg. 7201 F/1997).
Gemäß §45 Abs4 EStG 1988 kann das Finanzamt die Vorauszahlung jener Steuer anpassen (das heißt somit erhöhen oder vermindern), die sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergeben wird. Auch für den Fall der erstmaligen Festsetzung von Vorauszahlungen (etwa bei Betriebseröffnung) wird in der Kommentarliteratur die Meinung vertreten, daß die Vorauszahlung in Höhe der sich für das laufende Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Steuer festzusetzen ist (Doralt, aaO, §45 Rz. 3; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, §45 Tz. 4). Die Summe der Vorauszahlungen soll somit offenbar jenem Steuerbetrag entsprechen, der sich auf Grund des im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich erzielten Einkommens einerseits und der in diesem Jahr geltenden Rechtslage andererseits errechnet.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Regelung, die bei der Einkommensteuer (und bei der Körperschaftsteuer) Vorauszahlungen in Höhe der voraussichtlich, das heißt bei objektiver Abschätzung der zu erwartenden wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse, im laufenden Kalenderjahr geschuldeten Steuer vorsieht und eine Anpassung der Vorauszahlungen an diese Verhältnisse auch noch während dieses Jahres zuläßt. Unbedenklich erscheint es demnach im allgemeinen auch, wenn der Gesetzgeber eine typischerweise (im Durchschnittsfall) zu erwartende künftige Entwicklung des (steuerpflichtigen) Einkommens oder der Steuerlast zum Anlaß einer generellen Anpassung der Vorauszahlungen nimmt. Vor dem Hintergrund des mit Vorauszahlungen verfolgten - an sich unbedenklichen - Zieles einer zeitnahen Steuerentrichtung dürften aber - so nimmt der Gerichtshof vorläufig an - Regelungen dann unsachlich und daher verfassungsrechtlich bedenklich sein, wenn sie nicht mehr zu einer zeitnahen Steuerentrichtung nach Maßgabe der (voraussichtlichen) tatsächlichen Verhältnisse führen, sondern bewirken, daß Steuerpflichtige Vorauszahlungen zu entrichten haben, die auch bei einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung höher sind als es der zu erwartenden Steuerbelastung entspricht.
Zu diesem Ergebnis scheint aber die bekämpfte Regelung zu führen. Sie sieht für das Kalenderjahr 2001 und spätere Kalenderjahre eine zusätzliche Erhöhung der Vorauszahlungen gegenüber der Einkommensteuerschuld des Kalenderjahres 2000 (oder eines früheren Kalenderjahres) um mindestens 5 vH und maximal 20 vH vor (letzteres, wenn die Vorauszahlung mehr als
S 500.000,-- beträgt). Nach den Materialien (311 BlgNR, 21. GP, 174) trägt die Anhebung der Vorauszahlungen den geänderten Vorschriften bei der Einkünfte- bzw. Einkommensermittlung ab dem Jahr 2001 Rechnung. Die auf die Höhe der Vorauszahlungen abstellende Prozentstaffel der Zuschlagsbeträge berücksichtigt nach den Materialien den Umstand, daß die Änderungen in der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage bei höheren Einkommen tendenziell stärker zum Tragen kommen.
Welche Änderungen bei der Einkünfte- oder Einkommensermittlung gemeint sind, wird in den Materialien im gegebenen Zusammenhang nicht ausgeführt. Betrachtet man jedoch die mit dem Budgetbegleitgesetz 2001 im Bereich der veranlagten Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) getroffenen Steuermaßnahmen insgesamt (sie werden in den zitierten Materialien eingangs überblicksartig dargestellt und quantifiziert; 311 BlgNR, 21. GP, 160 f.) und berücksichtigt man, daß die Einschränkung der Verlustverrechnung (§2 Abs2b EStG 1988, idF des Budgetbegleitgesetzes 2001) bereits bei der Festsetzung der Vorauszahlungen nach §45 leg.cit. zu berücksichtigen ist (vgl. §121 Abs5 Z1 leg.cit.), sind an ins Gewicht fallenden steuererhöhenden Maßnahmen (lediglich) die Verringerung des AfA-Satzes bei Betriebsgebäuden (von 4 vH auf 3 vH), die Kürzung des Rückstellungsausmaßes auf 80 vH und das Auslaufen des Investitionsfreibetrages zu erkennen. Auch die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift nur diese Maßnahmen an.
Nun dürfte es - wie bereits dargelegt - zwar im Prinzip unbedenklich sein, die ins Auge gefaßten steuerbelastenden Maßnahmen zum Anlaß einer Anpassung von Vorauszahlungen zu nehmen. Auch eine gewisse Typisierung ist dabei gewiß unvermeidlich und muß daher in Kauf genommen werden. Es dürfte aber - so nimmt der Gerichtshof vorläufig an - nicht gerechtfertigt sein, die Vorauszahlungen schematisch (lediglich abgestuft nach der Höhe der Vorauszahlungen) grundsätzlich für sämtliche veranlagten Einkommensteuerpflichtigen unabhängig von der Einkunftsart und unabhängig von der Art der Einkünfteermittlung zu erhöhen, da die genannten steuerbelastenden Maßnahmen nur betriebliche Einkunftsarten betreffen und auch dort ihre Auswirkungen vorwiegend in Fällen gewerblicher, durch Betriebsvermögensvergleich ermittelter Einkünfte haben dürften. Der Gerichthof vermag - jedenfalls vorderhand - keinen Grund zu erkennen, der es auf der Basis der dargestellten Rechtsänderungen rechtfertigen könnte, Vorauszahlungen etwa im Bereich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung schematisch um 20 vH zu erhöhen.
Diese Bedenken dürften auch nicht durch den Umstand entkräftet werden, daß der Steuerpflichtige eine Anpassung der Vorauszahlungen beantragen kann. Ist eine Erhöhung von Vorauszahlungen wegen der undifferenzierten Vorgangsweise im Ergebnis sachlich nicht gerechtfertigt, dann dürfte auch die Möglichkeit, im Einzelfall eine Herabsetzung der Vorauszahlungen beantragen zu können, an der Unsachlichkeit nichts ändern. Es ist dem Gerichtshof nämlich zumindest vorderhand nicht einsichtig, warum eine unsachliche Regelung unbedenklich werden könnte, weil der Adressat im Einzelfall ihre Anwendung unter bestimmten Voraussetzungen verhindern oder rückgängig machen kann, wird doch damit ein Aufwand abverlangt, der bei von vornherein sachlicher (differenzierender) Regelung unnötig und vermeidbar sein dürfte. Sollte es sich aber so verhalten, daß eine gezielte (differenzierende) Erhöhung der Vorauszahlungen aus steuertechnischen Gründen nicht möglich sein sollte, dann müßte - so unterstellt der Gerichtshof vorläufig - der Gesetzgeber die Herabsetzungsmöglichkeit derart erleichtern, daß es dem Steuerpflichtigen rasch und ohne erheblichen Aufwand (etwa durch bloße Glaubhaftmachung des Umstandes, daß bei ihm die die Erhöhung der Vorauszahlungen rechtfertigenden Voraussetzungen nicht vorliegen) möglich ist, die Erhöhung abzuwenden.
Dies wird aber durch die geltende Rechtslage anscheinend nachgerade ausgeschlossen: §121 Abs5 Z4 EStG 1988 unterwirft nämlich einen auf Herabsetzung gerichteten Antrag in diesem Zusammenhang speziellen, erhöhten Anforderungen (auch die Materialien sprechen von 'qualifizierten Voraussetzungen': 311 BlgNR, 21. GP, 174): Einem diesbezüglichen Antrag des Steuerpflichtigen darf nämlich nach der Gesetzeslage nur stattgegeben werden, 'wenn die Voraussetzungen dafür an Hand einer konkreten und detaillierten Einschätzung seines voraussichtlichen Einkommens vollständig offengelegt und nachgewiesen werden'. Dem Gerichtshof ist vorderhand nicht einsichtig, wie diese Voraussetzungen für die Festsetzung geringerer Vorauszahlungen, die sich nur auf das zu erwartende Einkommen und die damit verbundene Steuerbelastung beziehen können, erfüllt werden können, handelt es sich doch um Einschätzungen künftiger Entwicklungen, die sich schon aus Gründen der Logik sowohl einer vollständigen Offenlegung als auch einem Nachweis im üblichen juristischen Begriffsverständnis entziehen dürften. Aber selbst wenn - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint - die Regelung so zu verstehen wäre, daß nur der im Einzelfall mögliche Nachweis zu führen ist, dürfte es - so nimmt der Gerichtshof vorläufig an - bei der gegebenen schematischen Erhöhung der Vorauszahlungen keine sachliche Rechtfertigung dafür geben, die Herabsetzung qualifizierten Anforderungen zu unterwerfen, führt dies doch anscheinend dazu, daß Steuerpflichtige, bei denen eine Erhöhung der Vorauszahlungen von der Sache her nicht gerechtfertigt wäre, der Weg abgeschnitten wird, die Herabsetzung in der dann erforderlichen (s. oben) vereinfachten Weise zu erlangen. Für diese Ungleichbehandlung von Steuergläubiger (dem die Erhöhung der Vorauszahlungen vom Gesetzgeber ohne weitere Voraussetzungen ermöglicht wird) und Steuerschuldner (dem die Herabsetzung deutlich erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird) ist ein Rechtfertigungsgrund vorläufig nicht zu sehen.
An den Bedenken des Gerichtshofes dürfte auch der Umstand nichts ändern, daß es sich bei der Erhöhung von Vorauszahlungen um ein befristetes Problem handelt, da allfällige Überzahlungen nach Ergehen des Veranlagungsbescheides des betreffenden Kalenderjahres automatisch zu Gutschriften führen und somit korrigiert werden. Daß die Einkommensteuer nach vorgenommener Veranlagung nur nach Maßgabe des im betreffenden Kalenderjahr erzielten Einkommens festgesetzt werden kann, ist eine Selbstverständlichkeit. Bei der in Prüfung zu ziehenden Vorschrift geht es jedoch darum, daß anscheinend keine sachliche Rechtfertigung dafür besteht, bei der Festsetzung von Vorauszahlungen, die lediglich eine zeitnahe Entrichtung der voraussichtlichen Einkommensteuer bewirken sollen, unsachliche Typisierungen vorzunehmen und ihre Widerlegung in unsachlicher Weise zu erschweren. Die Bedenken des Gerichtshofes träfen somit anscheinend selbst dann zu, wenn der Steuerpflichtige für allfällige Zinsnachteile einer überhöhten Vorauszahlung eine Entschädigung etwa in Form von Gutschriftszinsen (vgl. §205 Abs5 BAO, idF BGBl. I 142/2000) erhielte, dürfte es doch mit dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar sein, mit Hilfe der Regelungen über Steuervorauszahlungen dem Staat zwangsweise Kredit zu verschaffen."
3. Die Bundesregierung erstattete im Gesetzesprüfungsverfahren auf Grund ihres Beschlusses vom 26. Februar 2002 eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, die in Prüfung gezogene Regelung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von sechs Monaten bestimmen, um allfällige legistische und EDV-mäßige Anpassungen vornehmen zu können.
3.1. Die Bundesregierung führt dazu im einzelnen aus, daß der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem BudgetbegleitG 2001 in grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise angestrebt habe, bestimmte gesetzliche Änderungen in der steuerlichen Gewinnermittlung bereits ab dem Jahr 2001 budgetwirksam werden zu lassen. Eine Anpassung der Vorauszahlungen gemäß §45 Abs4 EStG 1988 hätte sowohl für die Steuerpflichtigen als auch für die Abgabenbehörden zu unzumutbaren administrativen Belastungen geführt, sodaß nur der vom Gesetzgeber eingeschlagene Weg der pauschalen Anhebung der Vorauszahlungen geblieben sei.
Der Gesetzgeber habe sich dabei ausschließlich von sachlichen Kriterien leiten lassen. Die auf Grund von Schätzungen durch das BudgetbegleitG 2001 (Abschaffung des Investitionsfreibetrages, Einschränkungen bei der Bildung von Rückstellungen, Herabsetzung des AfA-Satzes bei der Gebäudeabschreibung, Einschränkungen beim Verlustvortrag und bei der Verlustverrechnung) zu erwartenden Mehreinnahmen von etwa ATS 15 Mrd. seien nicht etwa auf die "Köpfe" der Steuerpflichtigen verteilt und die Vorauszahlungen in diesem Umfang angehoben worden. Ausgangspunkt seien vielmehr die Einkommen (also die Steuerbemessungsgrundlagen) der einzelnen Steuerpflichtigen aus bisher veranlagten Jahren geblieben. Die Vorauszahlungen seien sodann in jenem Umfang angehoben worden, der einer Verteilung des zu erwartenden Mehraufkommens in bezug auf die tatsächlichen Steuerleistungen der Steuerpflichtigen entspreche. Die nach Vorauszahlungshöhe (und damit nach Einkommenshöhe) vorgesehene Staffelung der Prozentsätze nehme dabei typisierend auf die unterschiedlichen Wirkungen der geänderten Rechtslage Rücksicht.
Diese Pauschalbetrachtung sei mindestens so genau wie die erstmalige Festsetzung einer Vorauszahlung aufgrund der Aufnahme einer steuerlich relevanten Betätigung. Bei dieser gebe es nämlich überhaupt keine Anhaltspunkte aus der Vergangenheit, die Festsetzung werde ausschließlich nach einer Einschätzung der zu erwartenden Einkünfte vorgenommen. Dabei seien die für die Festsetzung der Vorauszahlungen maßgeblichen Verhältnisse offenzulegen und allenfalls für die aufgestellten Behauptungen auch Beweise oder zumindest Glaubhaftmachung zu erbringen. Wenn der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß die Auffassung vertrete, daß die in Rede stehende Regelung, die eine derartige Offenlegung und Beweisführung (Glaubhaftmachung) verlange, die richtige Festsetzung einer Vorauszahlung verunmöglichen könne, so müßte er folglich auch die Zulässigkeit der erstmaligen Festsetzung einer Vorauszahlung nach Aufnahme einer steuerrelevanten Betätigung in Zweifel ziehen. Aus dem Beschluß des Verfassungsgerichtshofes lasse sich demgegenüber eher Gegenteiliges ableiten. Die Bemessung der Vorauszahlungen nach §121 Abs5 EStG 1988 komme den zu erwartenden Ergebnissen jedenfalls insofern näher, als die Regelung eine grundsätzliche Ableitung vom letzten Veranlagungsergebnis vorsehe.
Im Hinblick auf den Umfang der im BudgetbegleitG 2001 vorgenommenen Änderungen der für die Einkommensermittlung maßgebenden Bestimmungen komme die Bestimmbarkeit der wahrscheinlichen Höhe der Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) jener Situation nahe, die sich bei der Neuaufnahme einer steuerlich relevanten Betätigung stelle. Wenn sich der Gesetzgeber dabei einer "Schätzungsmethode" bediene, die ausschließlich durch sachliche und in sich schlüssige Kriterien bestimmt sei, müsse er sich damit im verfassungsrechtlich erlaubten Rahmen bewegen. Eine Analyse ergebe folgende Struktur:
"• Ausgangspunkt ist die Einkommensteuer (Körperschaftsteuer) des letztveranlagten Jahres, damit eine auch seitens des Gerichtshofes als unbedenklich eingestufte Kenngröße.
* In der ersten Stufe wird die Steuerschuld insoweit korrigiert, als die Anwendung des §2 Abs2b EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001 angeordnet ist (§121 Abs5 Z1 EStG 1988). Diese Ableitung 'aus den Verhältnissen der Vergangenheit' entspricht jener Logik, wie sie auch der Bezugnahme auf die Steuerschuld des letztveranlagten Jahres zu Grunde liegt.
* Erst in der zweiten Stufe kommt es zu den so genannten Prozentzuschlägen, die sich ihrerseits wiederum an den errechneten Zusatzaufkommenseffekten und deren Verteilung auf die Steuerpflichtigen orientieren. Die Staffelung des Zuschlagsausmaßes entspricht der Erfahrung des täglichen Lebens, dass sich die eingetretenen Änderungen bei der Einkommensermittlung idR bei höheren Einkommen stärker auswirken als bei geringeren. ...
* In einer dritten Stufe ist sodann eine spezielle Anpassung der Vorauszahlungen (§121 Abs5 Z4 EStG 1988) vorgesehen."
Nach Ansicht der Bundesregierung folge dieses Schema für eine Pauschalanhebung der Vorauszahlungen angesichts der Änderung der Rechtslage allein sachlichen Gesichtspunkten.
3.2. Dem vom Verfassungsgerichtshof ins Treffen geführten Einwand, von den geänderten Bestimmungen betreffend die Einkommensermittlung seien schwerpunktmäßig "Gewerbetreibende mit Betriebsvermögensvergleich" betroffen, hält die Bundesregierung wörtlich folgendes entgegen:
"Die Abschaffung des Investitionsfreibetrages trifft z.B. auch freiberuflich tätige Personen. Tätigt z.B. ein Röntgenarzt Investitionen, so wird der Wegfall des Investitionsfreibetrages vergleichsweise stärker steuererhöhend wirken als bei einem lediglich einen Büroraum nutzenden gewerblichen Konsulenten. Auch (gewerbliche) Einnahmen-Ausgaben-Rechner können einen Investitionsfreibetrag geltend machen, auch bei ihnen wirkt - wenn sie gewerblich tätig sind - die Zurücknahme des AfA-Satzes gemäß §8 Abs1 EStG 1988 von 4 % auf 3 %. Überdies ist - insbesondere auch im Hinblick auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - festzuhalten, dass sich das Einkommen vielfach aus mehreren Einkunftsquellen zusammensetzt. Sind daher im Einkommen - auch - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung enthalten, daneben aber z.B. solche aus Gewerbebetrieb, rechtfertigt diese Konstellation sehr wohl eine Anhebung der Vorauszahlungen, und zwar ungeachtet dessen, dass es bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keine Änderungen in der die Einkunftsermittlung betreffenden Gesetzesbestimmungen gegeben hat. Hier steht überdies jedenfalls eine Antragsmöglichkeit nach §121 Abs5 Z4 EStG 1988 offen."
Die Bundesregierung kommt zum Schluß, daß aufgrund der Masse der Vorauszahlungsbescheide (ca. 862.000 im Jahr 2001) der Gesetzgeber nur eine Pauschalregelung vorsehen konnte. Angesichts der Komplexität der Einzeleinflüsse auf die Höhe der Vorauszahlungen erscheine die Pauschalregelung des §121 Abs5 EStG 1988 im Wechselspiel der Anforderungen nach Sachgerechtigkeit einerseits und nach administrativer Bewältigbarkeit andererseits ausgewogen und damit verfassungsrechtlich unbedenklich.
3.3. Wörtlich führt die Bundesregierung weiters folgendes aus:
"• Bei den Vorauszahlungen handelt es sich nach §121 Abs5 EStG 1988 keinesfalls um einen Zwangskredit, sondern lediglich um Schätzungsunschärfen, die durch eine Gutschriftsverzinsung ausgeglichen werden.
• Diese Schätzungsunschärfen sind jedenfalls bei weitem weniger bedeutsam als jene, die auch nach §184 BAO in Kauf genommen werden. Angemerkt sei, dass es nach höchstgerichtlicher Judikatur neben den naturgemäßen Schätzungsunschärfen auch zulässig ist, Sicherheitszuschläge anzusetzen. Der Verfassungsgerichtshof hat je nach Sachlage keine Bedenken, diese mit einem Ausmaß von beispielsweise 100 % anzunehmen (VfGH 29.11.1974, B61/74; ebenso z.B. VwGH 24.4.1998, 95/13/0191). Nochmals zu betonen ist, dass aus Schätzungen gem. §184 BAO eine definitive Steuerbelastung resultiert. Ist dies gerechtfertigt, so kann es nicht unsachlich sein, eine bloß vorläufige Schätzungsunschärfe in derselben Höhe hinzunehmen, die sodann ohnedies mit einer angemessenen Verzinsung (Gutschriftsverzinsung nach §205 BAO) bereinigt wird.
Schließlich besteht die Möglichkeit, die pauschal festgesetzten Vorauszahlungen durch einen Anpassungsantrag nach §121 Abs5 Z4 EStG zu 'korrigieren'. Die dafür im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen führen keineswegs zu 'unüberwindlichen Hindernissen' einer Anpassung. Es handelt sich dabei lediglich um jene Voraussetzungen, die etwa auch bei der erstmaligen Festsetzung einer Vorauszahlung gegeben sein müssen oder in einer Berufung gegen einen Bescheid, dem eine Schätzung gemäß §184 BAO zu Grunde liegt, erbracht werden müssen. In diesem Zusammenhang darf die Bundesregierung den Durchführungserlass vom 25.1.2001 zu §121 Abs5 EStG 1988 vorlegen. Aus diesem ergibt sich zunächst abstrakt, dass eine Erfüllung der erwähnten Voraussetzungen in keinster Weise besonders erschwert oder gar verunmöglicht wird. Der Erlass zeigt vielmehr, dass die Anforderungen an Anpassungsanträge vom Bundesministerium für Finanzen nach den Möglichkeiten des Steuerpflichtigen ausgerichtet worden sind (Rz. 6.3. ff.). Insofern kann keinesfalls von derart strengen Voraussetzungen gesprochen werden, die eine Herabsetzung praktisch verunmöglichen. Zumindest kann dem einfachen Gesetzgeber im Hinblick auf diesen Erlass attestiert werden, dass §121 Abs5 Z4 EStG 1988 jedenfalls einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich ist (vgl. Einleitungsbeschluss S. 10 oben)."
3.4. Schließlich verweist die Bundesregierung darauf, daß in bezug auf die im Jahr 2001 ergangenen Vorauszahlungsbescheide etwa 154.000 Anpassungen (einschließlich Berufungen) beantragt worden seien. Derartigen Anträgen sei in ca. 115.000 Fällen stattgegeben worden. Daraus sei ersichtlich, daß der Vollzug des §121 Abs5 Z4 EStG 1988 in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle zu absolut sachgerechten Ergebnissen geführt habe. Eine Verfassungswidrigkeit des §121 Abs5 Z2 und Z3 EStG 1988, idF BGBl. I 142/2000, liege daher nicht vor, da jedenfalls eine verfassungskonforme Interpretation möglich sei.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Gesetzesprüfungsverfahren hat nicht ergeben, daß die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die in Prüfung gezogenen Normen haben sich als zutreffend erwiesen und konnten von den Argumenten der Bundesregierung nicht zerstreut werden:
2.1. Der Gerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluß nicht bezweifelt, daß die durch das BudgetbegleitG 2001 getroffenen einschränkenden Maßnahmen auf dem Gebiet der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung (Beseitigung des Investitionsfreibetrages, Verringerung der Gebäude-AfA, Einschränkungen des Rückstellungsausmaßes) es rechtfertigen, die Vorauszahlungen im Bereich der Einkommen- und Körperschaftsteuer anzuheben, um eine zeitnahe Steuerentrichtung zu erreichen. Er hat jedoch die vorgenommene Typisierung beanstandet, weil er nicht erkennen konnte, daß diese - auch bei Anerkennung unvermeidlicher Unschärfen - den sachlichen Gegebenheiten entspricht.
Wenn die Bundesregierung in diesem Zusammenhang einwendet, daß die Präzision dieser Anhebung zumindest so genau sei wie jene bei der erstmaligen Festsetzung von Vorauszahlungen, so vergleicht sie damit Fallkonstellationen, die jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang nicht vergleichbar sind. Bei der erstmaligen Festsetzung von Vorauszahlungen muß eine individuelle Einkommensprognose erstellt werden, der notwendigerweise eine erhebliche Unschärfe zuzubilligen ist. Sind aber bereits Veranlagungen erfolgt, so ergeben sich nach der gesetzlichen Lage die Vorauszahlungen aus den bisher geleisteten oder geschuldeten Steuerbeträgen; eine Veränderung dieser Beträge ist dann nur zulässig, wenn sich dafür im Rechts- oder im Tatsachenbereich hinreichende Gründe finden und die vorgenommene Erhöhung diesen Gründen entspricht.
2.2. Der Gerichtshof hat auch nicht bezweifelt, daß die Regelung über die Vorauszahlungserhöhung sich an den geschätzten Aufkommenseffekten der mit dem BudgetbegleitG 2001 getroffenen Steuermaßnahmen orientiert hat. Die Bundesregierung weist aber selbst darauf hin, daß der Gesetzgeber sich bei der Anhebung der Vorauszahlungen ausschließlich an den bisherigen tatsächlichen Steuerleistungen der Steuerpflichtigen orientiert und eine Staffelung lediglich nach der Höhe der Vorauszahlungen vorgenommen hat. Nun hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang im Prüfungsbeschluß (vorläufig) die Auffassung vertreten, daß von den genannten Bestimmungen, die die Vorauszahlungserhöhung rechtfertigen sollten, anscheinend schwerpunktmäßig Gewerbetreibende mit Betriebsvermögensvergleich betroffen seien. Die Bundesregierung weist demgegenüber darauf hin, daß die Abschaffung des Investitionsfreibetrages auch freiberuflich tätige Personen betreffen könne und nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft einen Röntgenarzt. Dem Gerichtshof ist durchaus geläufig, daß der Anwendungsbereich der Regelungen über den Investitionsfreibetrag und die Gebäude-AfA auch nicht-gewerbliche (betriebliche) Einkünfte erfaßt, gerade das von der Bundesregierung gewählte Beispiel zeigt aber, daß die praktische Bedeutung des Investitionsfreibetrages im Bereich der typischerweise auf persönlichem Arbeitseinsatz beruhenden Einkünfte aus selbständiger Arbeit offensichtlich viel geringer ist als im Bereich der typischerweise (auch) auf Sachkapitaleinsatz beruhenden gewerblichen Einkünfte. Gleiches gilt aber offenbar auch für die Bedeutung der Betriebsgebäude als Grundlage der Einkünfteerzielung. Daß die Einschränkungen der Rückstellungsbildung auch rechtlich gesehen nur bei Gewinnermittlung durch Bilanzierung relevant sind und diese Ermittlungsform sich praktisch auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb konzentriert, bestreitet auch die Bundesregierung nicht.
Wenn die Bundesregierung hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - für die die erwähnten restriktiven Steuermaßnahmen überhaupt keine Auswirkung haben - darauf hinweist, daß diese Einkünfte häufig gemeinsam mit anderen Einkünften bezogen würden und die pauschale Anhebung der Vorauszahlungen deswegen gerechtfertig sei, so vermag ihr der Gerichtshof nicht zu folgen. Selbst wenn dies der typische Fall wäre und im Einkommen neben Vermietungseinkünften in der Regel Einkünfte enthalten wären, bei denen eine Erhöhung der Vorauszahlungen im Hinblick auf das oben Dargelegte begründbar ist, könnte dies keine Erhöhung der Vorauszahlungen für die im Einkommen enthaltenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, für die die getroffenen Maßnahmen gar nicht wirken, rechtfertigen.
2.3. Der Gerichtshof teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß eine individuelle Berechnung (Schätzung) der angemessenen Erhöhung der Vorauszahlungen im Einzelfall aus administrativen Gründen im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich ist. Er vermag aber nicht zu erkennen, warum es im Zeitalter der EDV-unterstützten Erstellung von Steuerbescheiden unmöglich sein sollte, bei einer pauschalen Anhebung der Vorauszahlungen die Zusammensetzung des Einkommens (d.h. die "Betroffenheit" der einzelnen Einkunftsarten von den beschlossenen Erhöhungsmaßnahmen) zu berücksichtigen und eine dementsprechend differenzierende Regelung zu treffen. Daß solches ausgeschlossen wäre, bringt auch die Bundesregierung nicht vor.
2.4. Der Gerichtshof bezweifelt auch nicht, daß es im Zusammenhang mit Schätzungen nach §184 BAO zu Unschärfen kommen kann, die gewichtiger sind als diejenigen, die im Zusammenhang mit der Regelung des §121 Abs5 Z2 EStG 1988 auftauchen können. Daß daraus freilich etwas zur Rechtfertigung der in Prüfung stehenden Regelung gewonnen werden kann, kann der Gerichtshof nicht finden. Bei der Schätzung geht es um die vergangenheitsbezogene Ermittlung von Steuerbemessungsgrundlagen in Fällen, in denen die Behörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, insbesondere der Steuerpflichtige selbst keine hinreichende Aufklärung über den verwirklichten Sachverhalt gibt. Auch dabei hat aber die Behörde nach der expliziten Anordnung des §184 Abs1 BAO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind; Ziel der Schätzung ist es, der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen (vgl. Stoll, BAO - Kommentar, Wien 1994, 1905 mwN). Anderes hat der Gerichtshof aber auch für die Festsetzung von Vorauszahlungen nicht gefordert. Bei ihnen geht es um die wahrscheinliche Entwicklung der Bemessungsgrundlagen, wobei die Wahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall an Hand der rechtlichen Änderungen, die voraussichtlich Einfluß auf diese Bemessungsgrundlage haben werden, beurteilt werden muß. Daß dabei gewisse Unschärfen und Typisierungen unvermeidlich und daher zulässig sind, hat der Gerichtshof bereits im Prüfungsbeschluß eingeräumt. Dessen ungeachtet geht der Gesetzgeber auch in diesem Zusammenhang nur dann sachlich - und somit verfassungsrechtlich unbedenklich - vor, wenn er versucht, der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen.
2.5. Da somit bereits das Bedenken des Gerichtshofes zutrifft, daß die in Prüfung gezogene Regelung des §121 Abs5 Z2 EStG 1988 (mit der die Z3 leg.cit. in untrennbarem Zusammenhang steht) wegen der fehlenden Differenzierung zwischen verschiedenen Einkunftsarten zu einer unsachlichen Typisierung bei der Festsetzung erhöhter Vorauszahlungen führt, sind die in Prüfung gezogenen Vorschriften schon aus diesem Grund verfassungswidrig. Ist nämlich bereits die Festsetzung erhöhter Vorauszahlungen in der undifferenzierten Form inhaltlich gesehen nicht gerechtfertigt und auch aus technischen Gründen nicht erforderlich, kann - wie der Gerichtshof im Prüfungsbeschluß ausgeführt hat - die Unsachlichkeit einer solchen Regelung auch nicht durch die Einräumung einer individuellen Herabsetzungsmöglichkeit "saniert" werden. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich daher ein Eingehen auf die Argumentation der Bundesregierung, daß der nach §121 Abs5 Z4 EStG 1988 mögliche Anpassungsantrag geeignet sei, die verfassungsrechtlichen Bedenken des Gerichtshofes zu zerstreuen.
3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich daher als zutreffend erwiesen. Da der Abs5 des §121 EStG 1988 durch das Euro-Steuerumstellungsgesetz, BGBl. I 59/2001, mit Wirkung ab 1. Jänner 2002 eine neue Fassung erhalten hat, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, daß die Z2 und Z3 des §121 Abs5 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. I 142/2000, verfassungswidrig waren.
4. Im Hinblick darauf war auch die Setzung einer Frist im Sinne des Art140 Abs5 B-VG entbehrlich.
5. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung des Ausspruchs im Bundesgesetzblatt I erfließt aus Art140 Abs5 B-VG.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Einkommensteuer, Vorauszahlungen, Finanzverfahren, SchätzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:G11.2002Dokumentnummer
JFT_09979371_02G00011_00