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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 6. September 2004, Zl. 9-DOKS/00, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Heeresdisziplinargesetz 2002 (HDG 2002), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Straf- und Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/09/0029, verwiesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in nichtöffentlicher Sitzung "unter dem Vorsitz von ObstdIntD Mag. jur. K" - wie folgt zu Recht erkannt:
"Nach Kassation des Erstbescheides (GZ 9-DOKS/00 vom 31. August 2000) im Umfang des Straf- und Kostenausspruches und Bestätigung des Schuldspruchs durch den VwGH (Zl. 2001/09/0029-5 vom 30. Juni 2004)
wird der Berufung des Disziplinaranwaltes gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) vom 31. März 2000, GZ 01151-11-DK-1999, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit im Hinblick auf den Strafausspruch
nicht stattgegeben, und
der Berufung des Beschuldigten hinsichtlich des Schuldspruches wegen Gesetzwidrigkeit und der Strafbemessung
teilweise stattgeben.
Vzlt H ist schuldig:
Er hat aus der Kasse der Unteroffiziersmesse der H-Kaserne 1996 bis zur Überprüfung der Kassa durch die Rechnungsprüfer am 26.09.1996 unerlaubt den Betrag von ATS 22.000,-
- (EUR 1.598,80) entnommen.
Durch sein Verhalten hat er vorsätzlich gegen § 43 Abs. 2 Beamten- Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, verstoßen und eine Pflichtverletzung nach § 2 Abs. 1 HDG 2002 begangen.
Über Vzlt H
wird gemäß § 50 Z 3 HDG 2002 die Disziplinarstrafe der
GELDSTRAFE
in der Höhe von 3.400,-- EUR
(in Worten Dreitausendvierhundert Euro) verhängt.
Gemäß § 37 Abs. 1 HDG 2002 hat er dem Bund einen Kostenbeitrag in der Höhe von 10 von Hundert der festgesetzten Strafe, höchstens jedoch EUR 360,--,
das sind 340 EUR (in Worten: Dreihundertvierzig Euro) zu leisten."
Über die gegen diesen Bescheid - nach dem gesamten Vorbringen erkennbar nur im Umfang seines Straf- und Kostenausspruches - erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer macht (mit seinem ergänzenden Schriftsatz) als ("weitere") Rechtswidrigkeit geltend, der angefochtene Bescheid sei unter Mitwirkung eines offensichtlich befangenen Organwalters zustande gekommen. Der Vorsitzende der belangten Behörde, ObstdIntD Mag. jur. K, sei im "erstinstanzlichen Verfahren" (richtig und gemeint wohl: im Berufungsverfahren des ersten Rechtsganges) in der mündlichen Verhandlung als Disziplinaranwalt gegen ihn aufgetreten und habe sich dabei durch ein besonders rigoroses Vorgehen ausgezeichnet. Dass der Vertreter der Anklagebehörde nunmehr als Vorsitzender der belangten Behörde an der Erlassung des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses mitgewirkt habe, stelle einen Befangenheitsgrund dar. Durch diese Beteiligung eines offensichtlich befangenen - wenn nicht sogar ausgeschlossenen - Mitgliedes der belangten Behörde sei er (der Beschwerdeführer) in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden.
Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten trifft es zu, dass in der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde (Disziplinaroberkommission) am 31. August 2000 - also an der Berufungsverhandlung (nicht an der Verhandlung der Disziplinarkommission erster Instanz wie der Beschwerdeführer unrichtig behauptet) als "Disziplinaranwalt" der nunmehrige Vorsitzende der belangten Behörde, Mag. K, anwesend war, an dieser Verhandlung als Disziplinaranwalt teilnahm und ein Plädoyer hielt. Den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. September 2004 hat die belangte Behörde unter dem Vorsitz dieses (im Berufungsverfahren als Disziplinaranwalt beteiligt gewesenen) Mag. K erlassen. Wie das Protokoll über die nichtöffentliche Sitzung der belangten Behörde vom 3. September 2004 zeigt, legte Mag. K in dieser Sitzung den Sachverhalt und seine Rechtsansicht - im Sinne der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Begründung - dar; von den (beiden) anderen Senatsmitgliedern, die sich "der Ansicht des Vorsitzenden anschließen", sind eigenständige Ausführungen im genannten Protokoll nicht festgehalten.
Die (nach § 23 HDG 2002) im vorliegenden Disziplinarverfahren
anzuwendende Bestimmung des § 7 Abs. 1 AVG lautet:
"Befangenheit von Verwaltungsorganen
§ 7. (1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:
1. in Sachen, an denen sie selbst, ihr Ehegatte, ein Verwandter oder Verschwägerter in auf- oder absteigender Linie, ein Geschwisterkind oder eine Person, die noch näher verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, beteiligt sind;
2. in Sachen ihrer Wahl- oder Pflegeeltern, Wahl- oder Pflegekinder, ihres Mündels oder Pflegebefohlenen;
3. in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;
4. wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;
5. im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides in unterer Instanz mitgewirkt haben."
Der Disziplinaranwalt ist (im vorliegenden Disziplinarverfahren nach dem Heeresdisziplinargesetz) zufolge § 19 Abs. 1 HDG 2002 insoferne Partei, als es um die Vertretung (Wahrung) dienstlicher Interessen geht; er ist daher Organpartei. Dass in einem Kommissionsverfahren (wie dem vorliegenden Disziplinarverfahren) der Disziplinaranwalt Partei ist, bestimmt überdies § 27 Abs. 1 HDG 2002 ausdrücklich.
Da Mag. K (der Vorsitzende der belangten Behörde) an der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde (Berufungsverhandlung) als Partei (Disziplinaranwalt und damit die "Gegenpartei" des Disziplinarbeschuldigten) teilnahm, ist in seiner Person ein absoluter Befangenheitsgrund vorgelegen; in diesem Fall gilt ein Verwaltungsorgan jedenfalls als befangen, ohne dass zu prüfen wäre, ob tatsächlich Zweifel an seiner "Unbefangenheit" bestehen (vgl. auch Walter/Mayer, Grundriss des Verwaltungsverfahrensrechts, 8. Auflage 2003, RZ 111). Darauf, ob Umstände vorliegen, die die volle Unbefangenheit von Mag. K in seiner Funktion als Vorsitzender der belangten Behörde tatsächlich zweifelhaft erscheinen lassen, kommt es daher nicht an.
Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seines Strafausspruches und auch hinsichtlich seines gemäß § 37 Abs. 1 HDG 2002 auf der Strafhöhe aufbauenden Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Dezember 2006
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Befangenheit offenbare UnrichtigkeitenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004090172.X00Im RIS seit
25.01.2007Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009