TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/19 2003/06/0169

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO Innsbruck 1896 §15a;
BauO Innsbruck 1896 §7a;
BauO Tir 1974 §56 Abs1;
BauO Tir 1989;
BauO Tir 2001 §26;
BauO Tir 2001 §37 Abs1;
BauO Tir 2001 §59;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khozouei, über die Beschwerde des CM in I, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 7. Juli 2003, Zl. II-AL-084e/2003, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: MT, G-Straße, I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Hohe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 2000/06/0159, verwiesen. Darin hat der Verwaltungsgerichtshof den dort angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, weil die Baubehörde der Mitbeteiligten für ein mit dem gegenständlichen Vorhaben weitgehend übereinstimmendes Projekt eine Baubewilligung für einen "Anbau an den bereits bewilligten Geräteschuppen" erteilte, obwohl der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für einen "Anbau zum Gartenhaus" gelautet hatte.

Die Mitbeteiligte beantragte nunmehr mit dem am 2. Oktober 2002 im Stadtmagistrat Innsbruck eingelangten Bauansuchen vom 30. Juli 2002 die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die "teilweise Änderung des Verwendungszweckes" sowie einen Umbau und einen Zubau hinsichtlich des bestehenden Wohnhauses in Holzbauweise mit Blechdach auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück im Gebiet der Stadtgemeinde Innsbruck. Mit Bescheid des Stadtmagistrates Innsbruck vom 9. April 2003 wurde ihr die nachträgliche Baubewilligung für diese baulichen Maßnahmen (Zu- und Umbauten, sowie teilweise Änderung des Verwendungszweckes) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erteilt, die dagegen vom Beschwerdeführer wegen Verletzung des gesetzlichen Mindestabstandes erhobenen Einwendungen wurden abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer als Nachbar Berufung und brachte zusammengefasst vor, dass seine im Ermittlungsverfahren getätigten Einwendungen nicht beachtet worden seien, es handle sich um ein unzulässiges Bauvorhaben, bei welchem der Grenzabstand zu seiner Grundparzelle nicht eingehalten werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Nach zusammenfassender Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde begründend aus, dass entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers die gegenständliche Änderung des Verwendungszwecks des ursprünglich als Geräteschuppen genützten westlichen Teiles des Objektes sowie die Um- und Zubauten durchaus im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen stünden. Der geltende Flächenwidmungsplan weise für den Bauplatz die Widmung "Wohngebiet" auf. Der in Form eines "L" um das Nordosteck der Wohnküche des Objektes projektierte Abstellraum reiche geringfügig in den 4,0 Meter Abstandsbereich zur Grundparzelle des Beschwerdeführers hinein und habe eine Wandhöhe von 2,30 m. Er sei der Bestimmung des § 6 Abs. 3 lit. a Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) zu subsumieren und innerhalb des Mindestabstandsbereichs von 3,0 bis 4,0 m zulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Einhaltung der Abstandsvorschriften sowie in seinem Recht auf Abweisung des Bauansuchens wegen Nichterfüllung der an einen Bauplatz gestellten gesetzlichen Anforderungen und dadurch verletzt, dass ein nicht bewilligter Gebäudeteil teilweise umgewidmet und ein als Neubau aufgeführter Anbau bewilligt worden sei, obwohl das zu Grunde liegende Bauansuchen abgewiesen hätte werden müssen. Es liege hinsichtlich des Bauansuchens entschiedene Sache im Hinblick darauf vor, dass sich das Bauvorhaben von früheren, letztlich nicht als rechtmäßig befundenen Bewilligungen nicht wesentlich unterscheide. Der Altbestand des Gebäudes sei ein "Schwarzbau", für den es nur eine Bewilligung auf Widerruf und Abbruchbescheide gebe.

Für das gegenständliche Bauverfahren kam im Hinblick auf das dieses einleitende Bauansuchen vom November 2001 die Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001, LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung der Tiroler Bauordnung 1998 in der im Zeitpunkt der Wiederverlautbarung geltenden Fassung LGBl. Nr. 74/2001), deren Kundmachung am 23. Oktober 2001 im Landesgesetzblatt Tirol erfolgte, zur Anwendung.

Gemäß § 25 Abs. 3 TBO 2001 sind Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

     "a)        der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit

damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

     b)        der Bestimmungen über den Brandschutz;

     c)        der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich

der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

d) der Abstandsbestimmungen des § 6."

§ 6 Abs. 1 TBO 2001 betreffend die Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen lautet wie folgt:

     "(1) Sofern nicht auf Grund der in einem Bebauungsplan

festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder auf Grund

von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein

anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der

Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des

Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen

horizontalen Abstand aufweisen, der

     a)        im Gewerbe- und Industriegebiet, im Kerngebiet, auf

Sonderflächen ...

     b)        im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den

§§ 48, 49 und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter, beträgt. ..."

Gemäß § 6 Abs. 3 TBO 2001 dürfen folgende bauliche Anlagen oder Bauteile in die Mindestabstandsflächen von 3 m bzw. 4 m ragen oder innerhalb dieser errichtet werden:

"a) oberirdische bauliche Anlagen, die ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienen und deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Grundstücksgrenze zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, wenn sie in den Mindestabstandsflächen keine Rauchfang-, Abgasfang- oder Abluftfangmündungen aufweisen, einschließlich der Zufahrten;

..."

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, u. v.a.). Dies gilt auch für die Parteien, die gemäß § 42 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung beibehalten haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2004, Zl. 2002/06/0149, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil das im nordöstlichen Zubau bestehende WC näher als 4 m an seine Grundstücksgrenze herangebaut sei. Dies widerspreche § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2001, weil es sich dabei um einen dem Aufenthalt von Menschen und nicht ausschließlich dem Schutz von Sachen oder Tieren dienenden Raum handle.

Mit diesem Einwand zeigt der Beschwerdeführer deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil nach den für die Beurteilung der angefochtenen Baubewilligung maßgeblichen Planunterlagen das WC im nordöstlichen Anbau mehr als 4 m von der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers entfernt ist. Der Umstand, dass sich das WC der Mitbeteiligten tatsächlich in geringerer Entfernung als 4 m von der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers befinden könnte, würde daran nichts ändern, weil mit dem angefochtenen Bescheid ein von der Mitbeteiligten beantragtes Projekt, nicht aber ein allenfalls davon abweichender, bestehender Realzustand genehmigt worden ist.

Im Übrigen hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf ausreichend nachvollziehbare Weise begründet, dass es sich bei dem in den viermetrigen Mindestabstand des § 6 Abs. 3 lit. a TBO 2001 hineinreichenden Gebäudeteil um einen "Abstellraum" handelt, der laut den dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Planunterlagen eine Höhe von 2,30 m aufweist. Aus den vorgelegten Bauplänen und dem angefochtenen Bescheid geht hervor, dass der gegenständliche Raum L-förmig mit einer Raumbreite von etwa 1 m um das Nordosteck der Wohnküche gelegen ist und von der Wohnküche über einen WC- bzw. Duscheanbau, sowie über einen vom Freien begehbaren Zugang erreichbar ist. Hier kann an Hand der bewilligten Pläne der Beurteilung der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, dass "der Abstellraum allein auf Grund seiner Konfiguration, Raumgröße und -höhe nur geeignet ist, als Abstellraum genutzt zu werden und keinesfalls zu Aufenthaltszwecken von Menschen dient".

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer auch darin, dass der westliche Altbestand des gegenständlichen Gebäudes, dessen Umwidmung und Umbau mit dem angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, nur eine auf der Grundlage des § 15a und § 7a der Bauordnung für Innsbruck, LGBl. Nr. 31/1896, zuletzt geändert durch das LGBl. Nr. 10/1972, gegen jederzeit zulässigen Widerruf erteilte Genehmigung vom 31. Juli 1970 aufweise. Eine solche Baubewilligung könne nur als "bauliche Anlage vorübergehenden Bestandes" in das Normengefüge der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974 (§ 33 leg. cit.) übergeleitet worden sein, Zubauten und Umbauten zu und von solchen Anlagen seien nicht bewilligbar.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die nach dieser Vorschrift gegen jederzeitigen Widerruf erteilten Baubewilligungen gemäß § 56 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974 (wiederverlautbart als Tiroler Bauordnung 1989, LGBl. Nr. 33) in ihrem rechtlichen Bestand unberührt blieben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1982, Zl. 82/06/0095, m.w.N.). Dasselbe geht auch aus § 59 TBO 2001 hervor. Dass aber die für das Objekt vom Beschwerdeführer angeführte Baubewilligung vom 31. Juli 1970 widerrufen worden wäre, wird nicht behauptet. Es ist daher nicht zu ersehen, weshalb hinsichtlich dieses konsentierten Objektes die Änderung des Verwendungszwecks sowie ein Zu- und Umbau nicht hätte bewilligt werden dürfen.

Eine vom Beschwerdeführer gerügte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Grunde des Prinzips der entschiedenen Sache ("res iudicata") ist nicht zu ersehen, zumal auch der Beschwerdeführer nicht aufzeigt, mit welcher Entscheidung bereits über die selbe Sache rechtskräftig abgesprochen worden wäre. Hingewiesen wird im Übrigen darauf, dass die Rechtskraft eines Bescheides nicht einen Sachverhalt erfasst, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat. Eine Änderung liegt auch bereits bei Änderung des Antrages vor, es sei denn, dass sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 98/06/0219, m.w.N.). Bei einem Beseitigungsauftrag einerseits und einer Baubewilligung anderseits handelt es sich nicht um dieselbe Sache, auch wenn sich beide auf dasselbe Bauwerk beziehen, weil die Sache einmal der behördliche Befehl zur Beseitigung, das andere Mal aber die Erteilung einer verwaltungsbehördlichen Erlaubnis ist.

Relevante Verfahrensmängel zeigt der Beschwerdeführer im Übrigen nicht auf, zumal von ihm angesprochene "Tekturen" mit dem angefochtenen Bescheid nicht genehmigt wurden.

Insoweit sich die Bedenken des Beschwerdeführers gegen die Person der Bürgermeisterin sowohl als Vorstand der Behörde erster Instanz, des Magistrats der Landeshauptstadt Innsbruck, als auch als Vorsitzende der Behörde zweiter Instanz richten, wird auf § 52 TBO 2001 sowie gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im den Beschwerdeführer betreffenden bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2000, Zl. 98/06/0219, verwiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmung der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Besondere Rechtsgebiete Baurecht Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003060169.X00

Im RIS seit

31.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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