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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer nicht mehr in Geltung stehenden Satzung und einer ebensolchen Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer wegen nicht gehöriger Kundmachung zur GänzeSpruch
Die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt" 5a/99 vom Mai 1999, war gesetzwidrig.
Die Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung der Kundmachung in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt" 5a/99 vom Mai 1999, war gesetzwidrig.
Die Wiener Landesregierung ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen B1087/99, B1358/99, B1493/99, B1503/99 und B777/00 fünf Beschwerden nach Art144 B-VG von Ärzten und Ärztinnen anhängig, die als Angehörige der Ärztekammer für Wien nach §6 iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig sind. Mit den in Beschwerde gezogenen Berufungsbescheiden hatte der Beschwerdeausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die Berufungen der Beschwerdeführer(innen) über die jeweiligen erstinstanzlichen Vorschreibungen des Fondsbeitrages für das Jahr 1998 abgewiesen.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 4. März 2002 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien und der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung "Wiener Arzt" 5a/99 vom Mai 1999 von Amts wegen zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof ging vorläufig davon aus, daß die Beschwerden zulässig sind und er bei seiner Entscheidung die Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds und der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der genannten Fassung anzuwenden hätte.
Die Pflicht zur Leistung des Beitrages zum Wohlfahrtsfonds ergibt sich aus §4 Abs2 iVm §6 lita der Satzung; die Höhe des Fondsbeitrages bestimmt sich nach Abschnitt I der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien.
4. Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluß folgende Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Satzung des Wohlfahrtsfonds und der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der oben erwähnten Fassung:
"1. In den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer im Heft 'Wiener Arzt' 5a/99, datierend vom Mai 1999, wurden der Text der Satzung sowie - unter Berufung auf entsprechende Beschlüsse der Vollversammlung - die Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zur Gänze neu kundgemacht.
2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu vergleichbaren Kundmachungen führt das Fehlen jeglichen Hinweises darauf, durch welches Organ und wann eine Verordnung erlassen wurde, dazu, daß diese Kundmachungen als nicht gehörige Kundmachungen anzusehen sind. In VfSlg. 15.741/2000 führte der Verfassungsgerichtshof wörtlich aus:
'Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu vergleichbaren Kundmachungsvorgängen ist die Nennung des verordnungserlassenden Organes ein Essentiale einer ordnungsgemäßen Kundmachung einer Verordnung (vgl. bereits VfSlg. 7281/1974, 7903/1976). Dies gilt auch dann, wenn bestehende besondere gesetzliche Kundmachungsvorschriften dieses Erfordernis nicht ausdrücklich enthalten. Es muß nämlich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit dem Normunterworfenen auf Grund der Kundmachung einer Verordnung möglich sein, die Einhaltung der Zuständigkeitsvorschriften zu kontrollieren (vgl. VfSlg. 6555/1971).
Der Verfassungsgerichtshof nimmt daher vorläufig an, daß der Bestimmung des §195 Abs2 Ärztegesetz 1998, nach der 'die genehmigten Akte ... kundzumachen' sind, in verfassungskonformer Interpretation unterstellt werden muß, daß sie mit der Kundmachung der 'genehmigten Akte' auch eine Nennung des genehmigten Aktes selbst, mindestens also des beschlußfassenden Organs in dieser Kundmachung verlangt. Eine diese Verpflichtung vernachlässigende Kundmachung einer in §195 Abs2 Ärztegesetz 1998 genannten Verordnung scheint daher dem Gesetz zu widersprechen.
In der Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Heft 2b/1999 fehlt es an einer Berufung auf den zugrunde liegenden Beschluß oder die zugrunde liegenden Beschlüsse der Vollversammlung und an einer Nennung der Vollversammlung als verordnungserlassendes Organ. Nach der vorerwähnten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfte schon deswegen die Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, Nr. 2b/1999 gesetzwidrig und dürften daher (auch) die in Prüfung gezogenen Bestimmungen in gesetzwidriger Weise kundgemacht sein.'
Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 15.620/1999 aus gegebenem Zusammenhang zum Inkrafttretenszeitpunkt der damals maßgeblichen Fassung des 'Wiener Arzt' 2b/1999 zudem wörtlich ausgeführt:
'Hinsichtlich der Satzung in der Fassung der Kundmachung vom 'Wiener Arzt' 2b/1999 wird über das Inkrafttreten nichts besonderes bestimmt. Diese Fassung konnte daher - ungeachtet der Frage der Gesetzmäßigkeit ihrer Kundmachung - gemäß §195 Abs2 Ärztegesetz 1998 frühestens mit dem Zeitpunkt der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde in Kraft treten. Der Bescheid der Wiener Landesregierung, mit dem diese Genehmigung erteilt wurde, wurde der Ärztekammer für Wien, wie sich aus den in einem anderen Verfahren vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, am 29. März 1999 zugestellt. Die Satzung des Wohlfahrtsfonds war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (noch) nicht in der Fassung des 'Wiener Arzt' 2b/1999 anzuwenden.'
Somit wird auch deutlich, daß der für den Inkrafttretenszeitpunkt der Verordnungen jeweils maßgebliche Beschluß- bzw. Genehmigungszeitpunkt ebenso aus der Kundmachung ersichtlich sein muß.
3. In der Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in den Mitteilungen der Wiener Ärztekammer, 'Wiener Arzt' 5a/99, vom Mai 1999, welche laut einem unter die Bezeichnung der Verordnung gesetzten Klammerausdruck per 1. Jänner 1998 gelten soll, fehlt es einerseits an der Nennung der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien als verordnungserlassendes Organ, andererseits an einer Berufung auf den zugrundeliegenden Beschluß der Vollversammlung sowohl hinsichtlich der Erlassung der Satzung als solcher als auch des von der Vollversammlung bestimmten Zeitpunktes des Inkrafttretens.
Das Fehlen dieser Hinweise läßt die Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung 'Wiener Arzt' 5a/99 vorerst als nicht gehörig erscheinen.
4. In der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung 'Wiener Arzt' 5a/99, welche laut Klammerausdruck anscheinend ebenfalls per 1. Jänner 1998 gelten soll, findet sich ein Hinweis auf Beschlüsse der Vollversammlung aus dem Jahr 1995, die die Beitragsordnung mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 in Kraft gesetzt haben. Der Hinweis auf diese Beschlüsse, gerade in Kombination mit dem Klammerausdruck 'in der Fassung 1. Jänner 1998', scheint aber nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Kundmachung der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der Fassung 'Wiener Arzt' 5a/99 zu tragen."
5.1. Die Wiener Landesregierung hat als Aufsichtsbehörde die Verwaltungsakten vorgelegt und mitgeteilt, von der Erstattung einer Äußerung Abstand zu nehmen.
5.2. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat ebenfalls auf die Abgabe einer Äußerung verzichtet.
5.3. Eine der beteiligten Parteien hat einen Schriftsatz übermittelt, in dem sie den vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken beitritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die dem Prüfungsbeschluß zugrundeliegenden Beschwerden sind zulässig. Bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide hat die belangte Behörde die in Prüfung gezogenen Verordnungen angewendet; es sind auch keine Zweifel daran entstanden, daß der Verfassungsgerichtshof bei seiner Kontrolle der angefochtenen Bescheide diese Verordnungen anzuwenden hätte.
1.2. Da im übrigen alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, erweist sich das Verordungsprüfungsverfahren als zulässig.
2. Die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken haben sich als zutreffend erwiesen:
2.1. Der Kundmachung der Satzung des Wohlfahrtsfonds in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt" 5a/99 vom Mai 1999, ist nicht zu entnehmen, welches Organ den Beschluß gefaßt hat, die Satzung zu erlassen; auch fehlt der Hinweis auf den vom verordnungserlassenden Organ bestimmten Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Das Fehlen dieser Hinweise wird in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - wie im Prüfungsbeschluß dargelegt - als nicht gehörige Kundmachung qualifiziert (vgl. VfSlg. 15.741/2000).
2.2. Auch die vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß hinsichtlich der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds in der Fassung "Wiener Arzt" 5a/99 geäußerten Bedenken wurden im Verordnungsprüfungsverfahren nicht ausgeräumt. Der Hinweis darauf, daß die "Vollversammlung der Ärztekammer für Wien [...] in ihren Sitzungen vom 27. Juni 1995 und 12. Dezember 1995 [...] die mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 in Kraft tretende Beitragsordnung beschlossen [hat]" (in Kombination mit dem unter der Bezeichnung der Verordnung ["Beitragsordnung ..."] angeführten Klammerausdruck "in der Fassung per 1. Jänner 1998"), ist nicht geeignet, in einer den Anforderungen an eine gehörige Kundmachung entsprechenden hinlänglichen Klarheit den der Verordnung zugrundeliegenden Beschluß des verordnungserlassenden Organs zu bezeichnen; dies wäre zur Beantwortung der Frage, wann die Verordnung in Kraft treten soll, jedoch unabdingbar.
Auch diese Kundmachung war somit gesetzwidrig.
2.3. Nach Art139 Abs3 litc bzw. Abs4 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof, wenn er zur Auffassung gelangt, daß die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, die ganze Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben oder - falls die Verordnung im Zeitpunkt der Fällung des Erkenntnisses nicht mehr in Geltung steht - auszusprechen, daß sie gesetzwidrig war.
2.4. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat bereits in ihrer Sitzung vom 14. Dezember 1999 gemäß §96 Abs2 iVm §66 Abs2 Z6 des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, eine (mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft getretene) neue Satzung des Wohlfahrtsfonds sowie in ihrer Sitzung am selben Tag gemäß §80 Z7 iVm §66 Abs2 Z6 und §92 des Ärztegesetzes 1998 eine (gleichfalls mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft getretene) neue Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen.
Diese Verordnungen wurden in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt" 7/8a 2000 vom Juli 2000, kundgemacht.
2.5. Da somit die in Prüfung gezogenen Verordnungen nicht mehr in Geltung stehen, war nicht mit ihrer Aufhebung vorzugehen, sondern auszusprechen, daß sie gesetzwidrig waren.
3. Der Ausspruch über die Kundmachungspflicht stützt sich auf Art139 Abs5 erster und zweiter Satz B-VG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht, Verordnung, KundmachungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:V31.2002Dokumentnummer
JFT_09979371_02V00031_00