TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/19 2006/15/0038

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/01 Handelsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/08 Sonstiges Steuerrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

ABGB §1215;
AVG §9;
BAO §19 Abs2;
BAO §191 Abs3;
BAO §79;
EStG 1967 §19 Abs2 Z2;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §26 Z4;
EStG 1988 §68 Abs5;
EStG 1988 §82;
FamLAG 1967 §41;
FBG 1991 §10 Abs1;
HGB §131;
HGB §145 Abs1;
HGB §157 Abs1;
HGB §161 Abs2;
HGB §17;
HGB §31 Abs2;
UmgrStG 1991 Art3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerden

1. der K & P OEG, 2. des Emil K und 3. des Thomas P, alle in

W und alle vertreten durch Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 21. Juli 2004, GZ. RV/1637- W/02, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997, (hg. Zl. 2006/15/0038), und

4. der K & P GmbH in W, vertreten durch Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Wien, vom 21. Juli 2004, GZ. RV/1636-W/02, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sowie des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1999, (hg. Zl. 2006/15/0039),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers gegen den zu Zl. 2006/15/0038 angefochtenen Bescheid wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen den zur Zl. 2006/15/0038 angefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer zu Zl. 2006/15/0038 haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerdeführerin zu Zl. 2006/15/0039 hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Betrieb der K & P OEG (Erstbeschwerdeführerin zur Zl. 2006/15/0038) wurde mit Einbringungsvertrag vom 13. Mai 1998 gemäß Art. III UmgrStG zum 31. Dezember 1997 in die K & P GmbH (Beschwerdeführerin zur Zl. 2006/15/0039) eingebracht. Die Eintragung dieser Einbringung im Firmenbuch erfolgte am 4. Juni 1998.

Gegenstand des Betriebes bildet die Führung eines Mietwagengewerbes. Anlässlich zweiter Lohnsteuerprüfungen wurde die Feststellung getroffen, dass an die Fahrer von Behindertentransporten Tagesgelder gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 ausbezahlt worden seien. "Da die Dienstreisen innerhalb des Dienstortes Wien" erfolgt seien und keine lohngestaltende Vorschrift iSd § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 bestehe, stellten die bisher steuerfrei bezogenen Tagesgelder steuerpflichtigen Arbeitslohn gemäß § 25 EStG 1988 dar.

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ für den Zeitraum vom 1. November 1993 bis 31. Dezember 1996 einen mit 27. November 1997 datierten Bescheid und für den Zeitraum 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 einen mit 11. August 2000 datierten Bescheid betreffend Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, welche sie jeweils an die K & P OEG (im Folgenden OEG) richtete.

In der namens der OEG erhobenen Berufung vom 12. September 2000 gegen den Nachforderungsbescheid hinsichtlich der genannten Abgaben des Jahres 1997 wurde beantragt, die mit allen Dienstnehmern abgeschlossene Betriebsvereinbarung als lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 - 6 EStG 1988 anzuerkennen und darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der "Vorprüfung ein oberstgerichtliches Verfahren" anhängig sei.

Dieses Vorbringen bezog sich auf die zur hg. Zl. 2000/14/0036 erhobene Beschwerde betreffend den Nachforderungsbescheid für den Zeitraum 1. November 1993 bis 31. Dezember 1996, über welche der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18. November 2003 absprach und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufhob. Die Berufungsentscheidung sei zu Unrecht an die K & P GmbH ergangen, weil im Falle von Einbringungsvorgängen gemäß § Art. III UmgrStG keine Gesamtrechtsnachfolge eintrete. Indem die belangte Behörde die Berufungsentscheidung über die von der OEG erhobene Berufung gegenüber der K & P GmbH erlassen habe, habe sie diese GmbH außerhalb ihrer Zuständigkeit als Abgabenbehörde zweite Instanz erstmalig zu den genannten Abgaben herangezogen.

Mit dem zur Zl. 2006/15/0038 angefochtenen (an die OEG gerichteten) Bescheid wurde die Berufung hinsichtlich der Abgabennachforderungen für das Jahr 1997 als unbegründet abgewiesen. Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern stellten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine lohngestaltenden Vorschriften im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 dar. Die gegenständlich strittigen Fahrten fielen auch nicht unter die Legaldefinition der Dienstreise im Sinne des § 26 Z. 4 EStG 1988, weil das gesamte Ortsgebiet von Wien als einheitlicher Mittelpunkt der Fahrtätigkeit anzusehen sei.

Mit dem zur Zl. 2006/15/0039 angefochtenen Bescheid wurde die K & P GmbH im Instanzenzug für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1999 herangezogen. Die ausschließlich mit dem Vorliegen einer lohngestaltenden Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 begründete Berufung sei aus denselben Gründen wie der von der OEG erhobene Berufung abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Beschwerde des Zweit- und des Drittbeschwerdeführers gegen den zur Zl. 2006/15/0038 angefochtenen Bescheid:

In der von der OEG und von an der OEG beteiligten Gesellschaftern (Zweit- und Drittbeschwerdeführer) erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, der angefochtene Bescheid sei zu Unrecht gegenüber der OEG ergangen, weil deren Betrieb mit Einbringungsvertrag vom 13. Mai 1998 in die K & P GmbH eingebracht und die OEG noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides im Firmenbuch gelöscht worden sei. Nach § 19 Abs. 2 BAO gingen bei Beendigung von Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter über. Daraus ergebe sich die Beschwerdeberechtigung des Zweit- und Drittbeschwerdeführers.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beeinträchtigt die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und ihre Löschung im Firmenbuch - anders als die Auflösung etwa einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht - so lange ihre Parteifähigkeit nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - also auch gegenüber dem Bund als Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, 99/15/0184, mit weiteren Hinweisen).

Im Hinblick auf den anhängigen Streit (vgl. schon das der hg. Zahl 2000/14/0036 zu Grunde liegende Verwaltungsverfahren) und die eine Einzelrechtsnachfolge bewirkende Einbringung des Betriebes der OEG in die K & P GmbH nach Art. III UmgrStG liegt eine Vollbeendigung der OEG nicht vor, weshalb die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid betreffend die Abgabennachforderung für das Jahr 1997 zu Recht an die erstbeschwerdeführende OEG und nicht an die zuletzt an ihr beteiligten Personen (den Zweit- und Drittbeschwerdeführer) gerichtet hat.

Anders als hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte (§ 191 Abs. 3 BAO) wirkt die Geltendmachung der Lohnsteuerhaftung und die Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen nicht gegenüber den Gesellschaftern der Erstbeschwerdeführerin. Durch die gegenüber der Erstbeschwerdeführerin ergangene Berufungsentscheidung betreffend Lohnsteuer und Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen samt Zuschlägen für das Jahr 1997 konnten der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer in ihren Rechten nicht verletzt werden, sodass die Beschwerde insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war, was der Gerichtshof in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.

2. Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen den zur Zl. 2006/15/0038 angefochtenen Bescheid:

Im Hinblick auf die zum 31. Dezember 1997 erfolgte Einbringung ihres Betriebes in die K & P GmbH rügt die Erstbeschwerdeführerin, im angefochtenen Bescheid würden ihr Beträge an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für die Zeit nach Abschluss des Einbringungsvertrages am 13. Mai 1998 zu Unrecht vorgeschrieben. Für den nach dem 13. Mai 1998 gelegenen Zeitraum dürfe eine Abgabenvorschreibung ausschließlich gegenüber der K & P GmbH erfolgen.

Dieses Vorbringen ist unbegründet. Der zur Zl. 2006/15/0038 angefochtene Bescheid spricht ebenso wie der erstinstanzliche Bescheid vom 11. August 2000 nur über den Zeitraum vom 1. Jänner 1997 bis 31. Dezember 1997 ab. Die Höhe der Abgabennachforderung wurde im Verwaltungsverfahren nicht bekämpft.

In der Sache selbst bringt die Erstbeschwerdeführerin zum einen vor, dass sie mit sämtlichen Fahrern "Betriebsvereinbarungen" getroffen habe, die von der belangten Behörde zu Unrecht nicht als "lohngestaltende Vorschrift" iSd § 68 Abs. 1 bis 6 EStG 1988 anerkannt worden seien. Zum anderen habe die belangte Behörde verkannt, dass nach dem Wortlaut des § 26 Z. 4 EStG 1988 nicht zwingend das Erfordernis des Überschreitens der Grenze einer politischen Gemeinde angenommen werden müsse.

§ 26 EStG 1988 zählt Leistungen des Arbeitgebers auf, die nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.

§ 26 Z. 4 lautet auszugsweise:

"Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers

-

seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder

-

so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz). Enthält eine lohngestaltende Vorschrift im Sinn des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden..."

Die genannten lohngestaltenden Vorschriften des § 68 Abs. 5 EStG 1988 sind:

1.

gesetzliche Vorschriften

2.

von Gebietskörperschaften erlassene Dienstordnungen

3.

aufsichtsbehördlich genehmigte Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts

              4.              die vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegte Arbeitsordnung

              5.              Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen, die aufgrund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind

              6.              Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§ 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden.

Mit Erkenntnis vom 22. Juni 2006, G 147/05 ua, hat der Verfassungsgerichtshof den vierten Satz in § 26 Z. 4 EStG 1988, BGBl. Nr. 400 idF BGBl. Nr. 888/1993, als verfassungswidrig aufgehoben und gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2007 in Kraft tritt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem Begriff der Reise im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 bereits in einer Vielzahl von Erkenntnissen auseinandergesetzt und in diesen daran festgehalten, dass der Aufenthalt an einem Ort, der als Mittelpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen angesehen werden muss, keine Reise darstellt, wobei zu einem (weiteren) Mittelpunkt der Tätigkeit ein Ort aufgrund längeren Aufenthaltes des Steuerpflichtigen (länger als eine Woche) wird. (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, 94/13/0101).

Im Erkenntnis vom 20. September 1995, 94/13/0253, 0254, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass für die Frage der Steuerfreiheit der vom Arbeitgeber nach § 26 Z. 4 (erster Fall) EStG 1988 geleisteten Ersätze für den Verpflegungsmehraufwand in gleicher Weise wie bei Reisen im Sinn des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 darauf abzustellen ist, ob noch ein kurzfristiger oder bereits ein längerer Aufenthalt am neuen Tätigkeitsort vorliegt, "sodass Tagesgelder für eine Dienstreise im Sinne des § 26 Z. 4 erster Fall EStG 1988 dann nicht steuerfrei bezahlt werden, wenn der Einsatz des Arbeitnehmers am betroffenen Ort als Dienstreise in diesem Sinn gar nicht beurteilt werden durfte, weil der betroffene Ort in Wahrheit als weiterer Mittelpunkt seiner Tätigkeit anzusehen war". In dem genannten Erkenntnis wird auch zum Ausdruck gebracht, dass diese Ausführungen nicht für den besonders gelagerten Fall des Vorliegens einer lohngestaltenden Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 gelten.

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof dazu klargestellt, dass lohngestaltende Vorschriften - für steuerliche Zwecke - eine Dienstreise nicht anders festlegen können als durch das Abstellen auf das Verlassen des tatsächlichen Dienstortes. Modifiziert werden könnten lediglich einzelne Merkmale des in § 26 Z. 4 EStG festgelegten Dienstreisebegriffes, so etwa das Erfordernis des Arbeitgeberauftrages (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. November 1996, 96/15/0097, und vom 20. Juni 2000, 98/15/0066).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde schon das Vorliegen lohngestaltender Vorschriften im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG 1988 verneint. Diese Beurteilung begegnet keinen Bedenken. Dass Vereinbarungen zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer keine Betriebsvereinbarungen darstellen, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem (schon im angefochtenen Bescheid angeführten) Erkenntnis 96/15/0097 ausgesprochen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin mit allen Arbeitnehmern die "Betriebsvereinbarung" geschlossen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass in der Z. 7 des § 68 Abs. 5 EStG 1988 gerade diese Fallkonstellation angesprochen wird ("innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" gewährte Zulagen), die Bestimmung des § 26 Z. 4 leg.cit. aber nur auf die Z. 1 bis 6 des § 68 Abs. 5 EStG 1988 und nicht auch auf die Z. 7 verweist. Auf das Bestehen einer "Lohnordnung", der zufolge "Dienstort der Betriebsstandort" ist und es als vereinbart gilt, dass "bei Verlassen des Dienstortes, entsprechend der geleisteten Arbeitszeit, die entsprechenden Tagesgelder zur Auszahlung gelangen", konnte die Erstbeschwerdeführerin die Behandlung der Tagesgelder gemäß § 26 Z. 4 EStG 1988 daher nicht stützen.

Das Vorliegen einer Dienstreise setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Dienstort über Auftrag des Arbeitgebers zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt. In der Regel wird der Dienstort mit dem Betriebsort des Arbeitgebers zusammenfallen. Wird jedoch der Arbeitnehmer an diesem Betriebsort dienstlich nicht tätig, weil seine tatsächliche ständige Arbeitsstelle außerhalb des Betriebsortes liegt, ist jene regelmäßige Einsatzstelle und nicht der Betriebsort als Dienstort des Arbeitnehmers anzusehen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Tz. 2 zu § 26 Z. 4).

Mit der Frage, welcher Ort bei Taxilenkern als Dienstort anzusehen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 18. Februar 1976, 67/75, Slg. Nr. 4940/F, auseinandergesetzt und dazu die Ansicht vertreten, dass die schon in § 19 Abs. 2 Z. 2 EStG 1967 (einer Vorgängerbestimmung des § 26 Z. 4 EStG 1988) angeführten Beispiele ("Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw."), erkennen lassen, dass als Dienstort der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers anzusehen ist. Werden Taxichauffeure ausschließlich von einem bestimmten Standort aus tätig (im damaligen Beschwerdefall beim Flughafen Schwechat), stellt diese ständige Einsatzstelle "den zentralen Mittelpunkt ihres tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens" dar. Ob die einzelnen Fahrten der Chauffeure von Schwechat aus und zurück zum Flughafen als Dienstreise iSd § 19 Abs. 2 Z. 2 EStG 1967 aufzufassen sein könnten, hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis ausdrücklich dahingestellt sein lassen, weil auf Grund der von der belangten Behörde aus den Aufzeichnungen des damaligen Beschwerdeführers für den in Frage stehenden Zeitraum getroffenen Sachverhaltsfeststellungen die einzelne Reisebewegung nie länger als drei Stunden gedauert hat und daher auch schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für die steuerfreie Auszahlung von Tagesgeldern an die Taxichauffeure nicht gegeben waren.

In jüngeren Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Beurteilung eines Ortes als (weiterer) Mittelpunkt der Tätigkeit eines Arbeitnehmers nicht vom Vorhandensein fester örtlicher Einrichtungen des Arbeitgebers an einem solchen Ort abhängt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, 94/13/0253). Im Erkenntnis vom 19. März 2002, 99/14/0317, hat der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde zugestimmt, wonach das gesamte Ortsgebiet von Wien als einheitlicher Mittelpunkt der Tätigkeit angesehen werden kann und hier nicht eine weitere Einengung vorgenommen werden muss. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ein mehrmals täglich befahrenes "Gebiet der ständigen Patrouillentätigkeit" als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit beurteilt (vgl. das schon angeführte Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, 94/13/0101, sowie mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz. 31 und 32 zu § 26).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall einer Fahrtätigkeit, die in der Durchführung von Behindertentransporten im Gemeindegebiet von Wien bestanden hat, Wien als regelmäßigen Mittelpunkt der Tätigkeit und damit als Dienstort im Sinne des § 26 Z. 4 EStG 1988 angesehen hat.

Gegen das Neuerungsverbot verstößt das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin zum Vorliegen von Fahrten in den Bereich Wien-Umgebung. Da in sämtlichen Berichten über das Ergebnis der Lohnsteuerprüfungen ausdrücklich festhalten wurde, dass "die Dienstreisen innerhalb des Dienstortes Wien" durchgeführt wurden, war es Sache der Steuer- und Haftungspflichtigen, schon im Verwaltungsverfahren den diesbezüglichen Sachverhaltsfeststellungen der Abgabenbehörde entgegen zu treten.

Aus Erlässen der Finanzverwaltung, die Erstbeschwerdeführerin verweist auf Rz. 774 der Vereinsrichtlinien 2001, ist für die Beschwerde schon deswegen nichts zu gewinnen, weil Erlässe keine den Verwaltungsgerichtshof bindende Rechtsquelle darstellen.

Zuzustimmen ist der Erstbeschwerdeführerin allerdings darin, dass für das Vorliegen einer Dienstreise iSd § 26 Z. 4 EStG 1988 anders als für das Vorliegen einer Reise im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 nicht das Zurücklegen bestimmter Mindestentfernungen vom Mittelpunkt der Tätigkeit erforderlich ist, sondern bereits jedes Verlassen des Dienstortes genügt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz. 79 zu § 16, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Von einem Verlassen des Dienstortes war im Beschwerdefall - wie oben ausgeführt - aber nicht auszugehen.

              3.              Beschwerde gegen den zur Zl. 2006/15/0039 angefochtenen Bescheid:

Die Beschwerde der K & P GmbH (viertgenannte Beschwerdeführerin) enthält kein nicht bereits unter Pkt. 2 behandeltes Vorbringen, insbesondere wird auch nicht behauptet, dass mit dem angefochtenen über den Prüfungszeitraum vom 1. Jänner 1997 bis zum 31. Dezember 1999 absprechenden Bescheid der beschwerdeführenden GmbH tatsächlich Abgaben eines anderen Steuerpflichtigen (der Erstbeschwerdeführerin) vorgeschrieben worden wären. Es genügt daher auf die unter Pkt. 2 getroffenen Ausführungen zu verweisen.

Insgesamt waren somit die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen den zur Zl. 2006/15/0038 protokollierten Bescheid sowie die Beschwerde gegen den zur Zl. 2006/15/0039 protokollierten Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Finanzverwaltung Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit juristische Person Personengesellschaft des Handelsrechts

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006150038.X00

Im RIS seit

26.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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