TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/19 2003/21/0072

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des X, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 31. März 2003, Zl. Fr-571/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen "jugoslawischen" Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 iVm § 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Maßnahme legte sie folgenden Sachverhalt zu Grunde:

Der Beschwerdeführer sei am 19. März 1993 wegen schwerer Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Demnach habe er am 13. Dezember 1992 jemanden durch Versetzen mehrerer Fußtritte ins Gesicht, gegen den Kopf und den Oberkörper vorsätzlich am Körper verletzt.

Am 19. Oktober 1994 sei er wegen einer Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am 11. August 1998 wegen teils vollendeter, teils versuchter geschlechtlicher Nötigung nach § 202 Abs. 1, teilweise iVm § 15 StGB, und wegen versuchter Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon acht Monate bedingt nachgesehen, erfolgt. Demnach habe er am 18. Juni 1998 in Villach einer damals 17-jährigen Schülerin einen Arm um ihre Schulter gelegt, sie auf diese Weise festgehalten, ihre Hand gegen ihren Willen zu seinem erregten Glied geführt, sie über der Bekleidung darauf gepresst und sie unter der Bekleidung im Bereich der Brüste bei weiterhin andauerndem Festhalten zu betasten versucht. Er habe sie somit mit Gewalt zur Vornahme und Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt bzw. zu nötigen versucht. Weiters habe er sie dadurch mit gefährlicher Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper oder an der Freiheit zu einem Rendezvous zu nötigen versucht, indem er sie aufforderte, sie müsse sich mit ihm an einem bestimmten Platz treffen, sonst würde etwas passieren, er würde schon herausbekommen, wo sie wohne.

Einer weiteren rechtskräftigen Verurteilung vom 26. Juni 2000 wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten sei die Äußerung zu Grunde gelegen: "Du bald tot, ihr seid alle tot; kommt in mein Land, ihr alle tot!"

Weiters sei der Beschwerdeführer am 12. Mai 1998 nach § 5 Abs. 1 StVO (Lenken eines Kfz in alkoholisiertem Zustand; Lenken eines Kfz, obwohl der Führerschein wegen Beeinträchtigung durch Alkohol oder Suchtmittel vorläufig abgenommen wurde) zwei Mal rechtskräftig bestraft worden.

Auf Grund des Gesamtfehlverhaltens komme die belangte Behörde zum Schluss, dass der Beschwerdeführer gegenüber den zum Schutz der Gesundheit bzw. der körperlichen Integrität anderer Personen erlassenen Vorschriften bzw. "gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt" negativ eingestellt sei und sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. andere im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen - insbesondere den Schutz der Gesundheit anderer - gefährde.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1989 in Österreich auf, sei nicht verheiratet, habe aber mit einer namentlich genannten Person ein am 17. Juli 2000 geborenes Kind und habe die Vaterschaft anerkannt. Mit der Mutter habe er keinen gemeinsamen Wohnsitz oder eine Lebensgemeinschaft, jedoch regelmäßigen Kontakt. Zuvor sei er zwei Mal mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen. Ein Cousin und seine Schwester würden in anderen Orten in Österreich leben. Die zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung sei mit 18. Oktober 1998 abgelaufen und er stehe zur Zeit in keinem Beschäftigungsverhältnis. In Bezug auf die nicht mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Verwandten stelle die beabsichtigte Maßnahme keinen Eingriff in das Privat- oder Familienleben dar. Auf das Fehlen von Bindungen außerhalb Österreichs könne nicht Bedacht genommen werden. Die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration werde durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gemindert. Dennoch nehme die belangte Behörde wegen des langjährigen Aufenthaltes, der Unterhaltspflicht und der Beziehung zu seinem Kind und dessen Mutter ein gewisses Maß an Integration und somit einen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers an. Im Blick auf das beschriebene Gesamtfehlverhalten sei aber die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit, Rechte und Freiheiten anderer im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich seien nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Seiner Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt könne er auch vom Ausland aus nachkommen und es könne im Ausland der Kontakt zu seinem Kind und dessen Mutter aufrecht erhalten werden.

Da sich das Fehlverhalten doch über einen längeren Zeitraum erstreckt habe, der Beschwerdeführer trotz der Verurteilungen immer wieder straffällig geworden sei und auch schwerwiegende verwaltungsrechtliche Fehlverhalten gesetzt habe, könne ein Entfall der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht vor Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren gesehen werden.

Ein bereits mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 verhängtes unbefristetes Aufenthaltsverbot sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 2001 aufgehoben worden. Diese Aufhebung sei allein darin begründet gewesen, dass in erster Instanz eine örtlich unzuständige Behörde entschieden habe. Zum damaligen Sachverhalt sei jetzt zusätzlich noch die Verurteilung wegen gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten hinzugekommen.

Somit könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen über seine Verurteilungen, den diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalt und die Bestrafungen wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand. Der Beschwerdeführer hat somit den von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG verwirklicht. Zur zweimaligen Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO bringt die Beschwerde vor, dass es sich "de facto um einen Sachverhalt" gehandelt habe, weil der Beschwerdeführer nach Abnahme des Führerscheins nochmals das Kraftfahrzeug gestartet habe. Ob nun die Bestrafungen vom selben Tag auch den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 2 FrG erfüllen oder im Sinn der zu § 36 Abs. 2 Z 1 vierter Fall FrG ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013) erforderlich wäre, dass nach einer erfolgten Bestrafung erneut ein gleichartiges Delikt gesetzt wird und dementgegen vorliegend die Bestrafungen gleichzeitig ausgesprochen wurden, braucht nicht geprüft zu werden. Der Beschwerdeführer tritt nämlich den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, dass Grundlage der (zweiten) Bestrafung war, dass er trotz der wegen Beeinträchtigung durch Alkohol oder Suchtmittel erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheins das Fahrzeug - "kurz darauf … ein zweites Mal" (so die Beschwerde) - alkoholisiert in Betrieb genommen hat. Somit spielt es für die Prüfung der Gefährlichkeitsprognose keine Rolle, ob dieses schwerwiegende - die Prognose maßgeblich tragende - Fehlverhalten zusätzlich dem genannten Tatbestand zuzuordnen ist.

Wegen des vielfältigen, von einer Unbelehrbarkeit zeugenden strafbaren Handelns des Beschwerdeführers und der damit verbundenen Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen, am Schutz der körperlichen Integrität anderer Personen und an der Aufrechterhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr hegt der Gerichtshof keinen Zweifel, dass die Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG zu seinen Lasten ausfallen muss. Diese Annahme wird dadurch erhärtet, dass der Beschwerdeführer auch nach einer - aus dem Akteninhalt ersichtlichen - fremdenbehördlichen Ermahnung vom 29. August 1995 straffällig geworden ist und ihn nicht einmal die Erlassung des "ersten" Aufenthaltsverbotes im Jahr 1998 davon hat abhalten können, wieder einschlägig straffällig zu werden. Somit kann zu seinen Gunsten nicht maßgeblich veranschlagt werden, dass das strafbare Verhalten teilweise schon mehrere Jahre zurückliegt. Diese Gefährlichkeitsprognose wird auch nicht dadurch hinfällig, dass seiner Ansicht nach die Strafen "im untersten Bereich des Strafrahmens" angesetzt wurden und bei der Verurteilung im Jahr 2000 die bedingte Strafnachsicht eines Teiles der aus der Verurteilung im Jahr 1998 stammenden Freiheitsstrafe nicht widerrufen wurde.

Die Behörde ist aber auch im Recht, wenn sie das Aufenthaltsverbot als dringend geboten nach § 37 Abs. 1 FrG und nach Vornahme einer Interessenabwägung als zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG gewertet hat. Die belangte Behörde berücksichtigte zu Gunsten des Beschwerdeführers, dass er sich seit 1989 in Österreich aufhalte, hier ein uneheliches Kind habe, zwei Mal mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei und im Bundesgebiet ein Cousin und eine Schwester lebten. Zum anderen übte der Beschwerdeführer zuletzt keine Beschäftigung aus. Deswegen und wegen des Fehlens einer Lebens- und Wohngemeinschaft mit seinem Kind und dessen Mutter kann der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene relevante Eingriff in sein Privat- und Familienleben nicht so schwer gewichtet werden, dass sein Interesse an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen würde. Dass der Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen zu seinem Heimatland keine Bindungen mehr hat, hat er im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen und bewirkt keine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes.

Da somit eine maßgebliche familiäre Integration des Beschwerdeführers nicht behauptet wurde, ist der Verfahrensrüge der Boden entzogen, die belangte Behörde hätte die Mutter seines Kindes vernehmen müssen. Erfolglos bleibt auch die - teils aktenwidrige - weitere Verfahrensrüge, dass die belangte Behörde nicht "die Strafakten und nicht einmal die Urteile der Strafakte beigezogen" habe, sind doch die Verurteilungen und die strafbaren Handlungen aus den Verwaltungsakten ersichtlich.

Letztlich liegt entgegen der Beschwerdemeinung auch kein Umstand vor, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. In diesem Zusammenhang sei nochmals erwähnt, dass weder eine fremdenbehördliche Ermahnung noch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes den Beschwerdeführer abhalten konnte, seine strafbaren Handlungen fortzusetzen.

Da somit dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Ein Fall des § 125 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003210072.X00

Im RIS seit

26.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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