TE OGH 2000/8/2 2Ob171/00m

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Veröffentlicht am 02.08.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans Joachim J*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Herausgabe eines Nachlasses und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. März 2000, GZ 11 R 221/99x-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1999, GZ 2 Cg 123/98t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird im Umfang der Bestätigung der Abweisung des auf Herausgabe des Nachlasses gerichteten Klagebegehrens bestätigt.

Im Übrigen - sohin im Umfang der Abweisung des auf Feststellung gerichteten Klagebegehrens und hinsichtlich der Kostenentscheidung - wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt mit der als "Erbrechts- und Herausgabeklage" bezeichneten Klage die Feststellung, dass er auf Grund des eigenhändig geschriebenen Testamentes vom 23. 6. 1992 nach dem am 14. 5. 1993 verstorbenen Johann R***** Alleinerbe sei; die beklagte Partei habe ihm den gesamten Nachlass nach dem am 14. 5. 1993 verstorbenen Johann R***** binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution herauszugeben.

Er brachte dazu vor, sein Stiefvater Johann R***** habe am 23. 6. 1992 ein Testament zu seinen Gunsten errichtet. Das Verlassenschaftsgericht habe zwar seine unbedingte Erbserklärung angenommen, habe aber dennoch den Nachlass für heimfällig erklärt. Die Einantwortung sei bis jetzt noch nicht erfolgt. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil eine Erbschaftsklage zu spät käme, da sämtliche Gegenstände zu einem späteren Zeitpunkt bereits veräußert wären und dem Kläger auf Grund seiner Alleinerbenstellung die Verlassenschaftssachen nicht mehr eingeantwortet werden könnten. Des weiteren befänden sich in der Verlassenschaft auch Gegenstände, die für ihn von besonderem ideellen Wert seien. Da er - obwohl er Alleinerbe sei - keine Parteistellung im Verlassenschaftsverfahren mehr habe, liege eine ernstliche Gefährdung seiner Rechtslage vor.

Die beklagte Partei wendete ein, der Erblasser habe den Kläger nicht zum Erben eingesetzt. Sie könne mangels Erbenqualität nicht Partei eines Erbrechtsstreites sein, weshalb sie nicht passiv legitimiert sei. Das Verlassenschaftsverfahren sei noch nicht beendet, sie sei nicht im Besitze des Nachlasses.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es folgende Feststellungen traf:

Der Stiefvater des Klägers starb am 14. 5. 1993. Das Verlassenschaftsverfahren ist noch nicht beendet, es fand noch keine Einantwortung des Nachlasses statt, ebensowenig eine Übergabe an die beklagte Partei.

Am 5. 7. 1993 wurden zwei Testamente des Erblassers kundgemacht. Im "letzten Willen" vom 12. 11. 1994 setzte er seine Ehefrau zur Alleinerbin ein. In der "letztwilligen Verfügung" vom 23. 6. 1992 verfügte er: "Ich widerrufe hiermit jede von mir errichtete letztwillige Verfügung zu gunsten meines Stiefsohnes Hans Joachim J*****".

Das Verlassenschaftsgericht bestellte mit Beschluss vom 27. 12. 1993 einen Verlassenschaftskurator und forderte mit Edikt allfällige Erben nach Johann R***** auf, ihr Erbrecht binnen 6 Monaten dem Gericht bekanntzugeben und nachzuweisen. Der Kurator wurde bisher nicht enthoben, der beklagten Partei wurde auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nicht überlassen.

Der Kläger gab mit Schriftsatz vom 4. 3. 1994 (ON 18), gestützt auf eine letztwillige Verfügung seiner am 14. 9. 1987 vorverstorbenen Mutter (Ehefrau des Erblassers) eine bedingte Erbserklärung ab. Mit Schriftsatz vom 23. 3. 1995 (ON 38) gab er, gestützt auf die letztwillige Verfügung vom 23. 6. 1992, eine unbedingte Erbserklärung ab. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 12. 5. 1995 wurde die bedingte Erbserklärung zurückgewiesen und die unbedingte angenommen.

Am 12. 3. 1996 stellte die beklagte Partei den Antrag auf Heimfälligkeit.

Nach Aufnahme von Beweisen wies das Verlassenschaftsgericht mit Beschluss vom 27. 11. 1996 den Antrag des Klägers auf Einantwortung ab und sprach aus, der Erbrechtsausweis sei nicht als erbracht anzusehen, der Nachlass werde für erblos erklärt. In der Begründung führte es aus, die Prüfung der materiellen Gültigkeit des letzten Willens des Erblassers habe ergeben, dass sein wahrer und subjektiver Wille nicht darauf gerichtet gewesen sei, den Kläger als Erben einzusetzen, sondern im Gegenteil, etwaige frühere letztwillige Verfügungen zu dessen Gunsten außer Kraft zu setzen. Dem dagegen erhobenen Rekurs wurde nicht Folge gegeben, der außerordentliche Revisionsrekurs wurde zurückgewiesen.

Mit Beschluss vom 17. 7. 1998 erteilte das Verlassenschaftsgericht die abhandlungsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung, welche im Eigentum der Verlassenschaft nach dem Erblasser stand.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, es sei bereits im Verlassenschaftsverfahren bindend darüber entschieden worden, ob der Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 23. 6. 1992 den Kläger als Erben eingesetzt habe und zwar in dem Sinn, dass der Erblasser den Kläger nicht als Erben einsetzen habe wollen. Das Ergebnis dieses Verfahrens sei der Entscheidung zugrundezulegen. Die Bindungswirkung erstrecke sich auch auf diejenige Partei, die im Vorverfahren Parteistellung und somit rechtliches Gehör gehabt habe. Überdies sei die beklagte Partei nicht passiv legitimiert, weil ihr der Nachlass (noch) nicht überlassen worden sei.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige S 260.000,--, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht führte unter Hinweis auf die im Verlassenschaftsverfahren ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22. 4. 1999, 6 Ob 3/99f, aus, die formelle und materielle Gültigkeit der letztwilligen Verfügung des Johann R***** vom 23. 6. 1992 sei ausschließlich vom Verlassenschaftsgericht zu prüfen gewesen, weil es mangels widersprechender Erbserklärungen zu keinem Erbrechtsstreit hätte kommen können (SZ 43/193). Für den weiteren Fortgang des Abhandlungsverfahrens sei somit bindend festgestellt, dass der Nachlass erblos sei und ein materiell-rechtlicher Erbrechtstitel zu Gunsten des Stiefsohnes nicht vorliege. Der zitierten Entscheidung sei eindeutig zu entnehmen, dass eine bindende Wirkung auch für eine Erbschaftsklage feststehe und daher nicht nur für das Verlassenschaftsverfahren gegeben sei. Somit stehe für den Kläger materiellrechtlich bindend fest, dass der Nachlass erblos sei. Der Kläger habe in der Zeit, in der das Verlassenschaftsgericht die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung vom 23. 6. 1992 geprüft habe, Parteistellung gehabt. Dass er nach dem Beschluss des Erstgerichtes, womit sein Antrag auf Einantwortung abgewiesen und der Nachlass für erblos erklärt worden sei, nun im Verlassenschaftsverfahren keine Parteistellung mehr habe, könne an diesem Ergebnis nichts ändern.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel des Klägers zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die im Verlassenschaftsverfahren ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 3/99f missverstanden hat, sie ist zum Teil auch berechtigt.

Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, er habe im Verlassenschaftsverfahren keine Parteistellung gehabt, weshalb auch keine Bindung an die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung bestehe. Das Erstgericht hätte die Frage, ob der Verstorbene in der letztwilligen Verfügung vom 23. 6. 1992 den Kläger als Erben einsetzen habe wollen, selbständig beurteilen müssen. Mangels Parteiidentität bestehe keine Bindungswirkung der im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Entscheidung für den gegenständlichen Rechtsstreit. Auch die beklagte Partei sei im Verlassenschaftsverfahren nicht beteiligt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Grundsätzlich kommt auch Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit formelle und materielle Rechtskraft zu (RIS-Justiz RS0007171; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3, Rz 52 mwN). Gemäß § 18 Abs 2 AußStrG greift allerdings die Rechtskraft einer außerstreitigen Entscheidung nicht ein, wenn das Gesetz der Partei ein eigenes Klagerecht gewährt. Überall dort, wo im Außerstreitverfahren eine abschließende Klärung bestimmter Rechtsfragen gar nicht vorgesehen ist, bleibt der Rechtsweg eben offen. Es besteht daher für die Erbschaftsklage keine Bindung an den Einantwortungsbeschluss (Klicka/Oberhammer, aaO, Rz 52 und 85) und besteht auch für die vorliegende Feststellungs- und Herausgabeklage, die der Kläger auf ein Erbrecht stützt, keine Bindung an den Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes mit dem sein Antrag, ihm den Nachlass einzuantworten, abgewiesen wurde. Die Frage, wie die letztwillige Verfügung vom 23. 6. 1992 auszulegen ist, stellte für den Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes lediglich eine Vorfrage dar.Grundsätzlich kommt auch Verfügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit formelle und materielle Rechtskraft zu (RIS-Justiz RS0007171; Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3, Rz 52 mwN). Gemäß Paragraph 18, Absatz 2, AußStrG greift allerdings die Rechtskraft einer außerstreitigen Entscheidung nicht ein, wenn das Gesetz der Partei ein eigenes Klagerecht gewährt. Überall dort, wo im Außerstreitverfahren eine abschließende Klärung bestimmter Rechtsfragen gar nicht vorgesehen ist, bleibt der Rechtsweg eben offen. Es besteht daher für die Erbschaftsklage keine Bindung an den Einantwortungsbeschluss (Klicka/Oberhammer, aaO, Rz 52 und 85) und besteht auch für die vorliegende Feststellungs- und Herausgabeklage, die der Kläger auf ein Erbrecht stützt, keine Bindung an den Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes mit dem sein Antrag, ihm den Nachlass einzuantworten, abgewiesen wurde. Die Frage, wie die letztwillige Verfügung vom 23. 6. 1992 auszulegen ist, stellte für den Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes lediglich eine Vorfrage dar.

Gegenteiliges ergibt sich - entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht - auch nicht aus der Entscheidung 6 Ob 3/99f. In dieser Entscheidung wurde lediglich ausgeführt, es sei für den weiteren Fortgang des Abhandlungsverfahrens bindend festgestellt, dass der Nachlass erblos sei. Die Formulierung des letzten Satzes dieser Entscheidung, wonach "vor einer rechtskräftigen Klagsstattgebung (zu denken ist an eine gegen den Staat gerichtete Erbschaftsklage) die schon angeführte Bindungswirkung des Beschlusses zu beachten ist, wonach der Nachlass erblos ist", ist so zu verstehen, dass im Verlassenschaftsverfahren bis zu einer rechtskräftigen Klagsstattgebung (also zeitlich vor einer solchen) die Bindungswirkung des Beschlusses, wonach der Nachlass erblos ist, zu beachten ist.

Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht besteht daher keine Bindung an die Feststellungen im Beschluss des Abhandlungsgerichtes in denen ausgeführt wurde, der Erblasser habe in der letztwilligen Verfügung vom 23. 6. 1992 den Kläger nicht als Erben einsetzen, sondern im Gegenteil, etwaige frühere letztwillige Verfügungen zu dessen Gunsten außer Kraft setzen wollen.

Dessen ungeachtet besteht aber, wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat (jedenfalls derzeit), kein Herausgabeanspruch gegenüber der beklagten Partei. Der auf Grund eines Heimfallsrechtes mit der Erbschaftsklage in Anspruch genommene Staat ist erst dann passiv legitimiert, wenn ihm der Nachlass überlassen wurde, also erst dann, wenn er diesen besitzt (Welser in Rummel2, Rz 10 zu §§ 823, 824; Eccher in Schwimann, ABGB2, Rz 6 zu § 823; siehe auch NZ 1981, 108). Da dies nicht der Fall ist, haben die Vorinstanzen zu Recht das gegen den beklagten Staat gerichtete Herausgabebegehren abgewiesen.Dessen ungeachtet besteht aber, wie schon das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat (jedenfalls derzeit), kein Herausgabeanspruch gegenüber der beklagten Partei. Der auf Grund eines Heimfallsrechtes mit der Erbschaftsklage in Anspruch genommene Staat ist erst dann passiv legitimiert, wenn ihm der Nachlass überlassen wurde, also erst dann, wenn er diesen besitzt (Welser in Rummel2, Rz 10 zu Paragraphen 823,, 824; Eccher in Schwimann, ABGB2, Rz 6 zu Paragraph 823 ;, siehe auch NZ 1981, 108). Da dies nicht der Fall ist, haben die Vorinstanzen zu Recht das gegen den beklagten Staat gerichtete Herausgabebegehren abgewiesen.

Es kann aber dem Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, er sei auf Grund des Testamentes vom 23. 6. 1992 nach dem am 14. 5. 1993 verstorbenen Johann R***** Alleinerbe, nicht abgesprochen werden. Wenngleich mangels widerstreitender Erbserklärungen eine Erbrechtsklage nicht möglich ist (vgl SZ 43/193) besteht ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung der strittigen Frage ob der Kläger Erbe des Verstorbenen ist, weil er, wenn dies bejaht wird, danach im Verlassenschaftsverfahren wieder Beteiligtenstellung hat (6 Ob 3/99f).Es kann aber dem Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, er sei auf Grund des Testamentes vom 23. 6. 1992 nach dem am 14. 5. 1993 verstorbenen Johann R***** Alleinerbe, nicht abgesprochen werden. Wenngleich mangels widerstreitender Erbserklärungen eine Erbrechtsklage nicht möglich ist vergleiche SZ 43/193) besteht ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung der strittigen Frage ob der Kläger Erbe des Verstorbenen ist, weil er, wenn dies bejaht wird, danach im Verlassenschaftsverfahren wieder Beteiligtenstellung hat (6 Ob 3/99f).

Es waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben und wird das Erstgericht - ohne Bindung an den im Verlassenschaftsverfahren ergangenen Beschluss - die Erbenstellung des Klägers zu prüfen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E58780

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00171.00M.0802.000

Im RIS seit

01.09.2000

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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