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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wurden der nunmehrigen Beschwerdeführerin Einkommensteuervorauszahlungen für das Kalenderjahr 2001 gemäß §45 Abs1 EStG 1988 iVm §121 Abs5 Z2 EStG 1988, idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I 142/2000, in bestimmter Höhe zur Entrichtung vorgeschrieben.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Beschwerdeführerin die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen.
1. Mit Erkenntnis vom 29. Juni 2002, G11/02, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die Ziffern 2 und 3 des §121 Abs5 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. I 142/2000, verfassungswidrig waren.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
4. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 20. Juni 2002. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 11. Oktober 2001 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
5. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offensichtlich, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr iHv € 181,68 und Umsatzsteuer iHv € 327,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1379.2001Dokumentnummer
JFT_09979371_01B01379_00