Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Alexander H*****, geboren am *****, infolge ordentlichen Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch Dr. Roland Gabl & Dr. Josef Kogler & Mag. Harald Papesch, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 8. September 1999, GZ 14 R 312/99x-78, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 24. März 1999, GZ 5 P 1836/95d-64, teilweise als nichtig aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts, der in der Abweisung des Begehrens des Minderjährigen auf Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung seines Vaters in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Ausspruch über das Begehren des Minderjährigen auf Zuerkennung von Verzugszinsen aus verspätet geleisteten und aus rückständigen Unterhaltszahlungen seines Vaters (Aufhebung wegen Nichtigkeit und Auftrag an das Erstgericht, das Begehren auf den streitigen Rechtsweg zu überweisen) aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die meritorische Entscheidung über den Rekurs des Minderjährigen gegen die Abweisung dieses Begehrens aufgetragen.
Text
Begründung:
Der unehelich geborene Minderjährige beantragte am 25. Februar 1999 (ON 60), den bisherigen Unterhaltsbeitrag seines Vaters von 3.500 S monatlich ab 1. Februar 1998 auf 4.000 S monatlich ab 1. März 1999 zu erhöhen und "den Kindesvater beschlussmäßig zu verpflichten, aus den verspätet geleisteten Unterhaltsteilbeträgen und aus den rückständigen Unterhaltsbeträgen jeweils 4 % Zinsen zu bezahlen", weil er mit der Bezahlung des aufgrund des bisherigen Exekutionstitels zu leistenden Unterhalts in Verzug geraten sei und für Zinsen kein Exekutionstitel bestehe. Das beziehe sich auf die Monate November 1998 bis einschließlich Februar 1999. Der Vater habe am 17. November 1998 nur 2.000 S, am 19. Dezember 1998 nur 2.500 S sowie am 14. Jänner und am 15. Februar 1999 gleichfalls nur 2.500 S geleistet. Der Vater schulde somit Verzugszinsen "aus den rückständigen Unterhaltsbeträgen bzw aus den verspätet beglichenen Unterhaltsteilbeträgen". Der Antrag auf Unterhaltserhöhung stütze sich auf eine wesentliche Änderung der Umstände. Das Einkommen des Vaters habe sich erhöht und der Unterhaltsgläubiger sei "wiederum ein Jahr älter geworden".
Der Vater sprach sich gegen den Erhöhungsantrag aus.
Das Erstgericht wies das Erhöhungs- und das Zinsenbegehren ab. Nach seiner Ansicht rechtfertigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters keine Unterhaltserhöhung. Verspätet bezahlte oder rückständige Unterhaltsleistungen unterlägen keiner "nachträglichen Verzinsung".
Das Gericht zweiter Instanz hob den angefochtenen Beschluss aus Anlass des Rekurses im "Ausspruch über das Zinsenbegehren als nichtig" auf und trug dem Erstgericht "die Verweisung des Begehrens auf den streitigen Rechtsweg" auf. Dagegen bestätigte es die Abweisung des Erhöhungsbegehrens und sprach ferner aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Zinsenpunkt zulässig, sonst dagegen unzulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 6 Ob 540/94 ausgesprochen, dass die §§ 1333, 1334 ABGB über Verzugszinsen auch auf gesetzliche Unterhaltsansprüche anzuwenden seien. Die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen könne jedoch "nur im Zusammenhang mit der Formulierung des Leistungsbefehls" ausgesprochen werden. Dort sei allerdings "eine rückwirkende Unterhaltserhöhung samt 4 % Zinsen begehrt" worden. Dagegen fehle es im Anlassfall an einem Zusammenhang zwischen der Unterhaltsbemessung und den begehrten Verzugszinsen, weil sich der Zinsenanspruch auf Unterhaltsrückstände und verspätet geleistete Unterhaltsbeträge beziehe. Einen solchen Anspruch, der entweder dem Schadenersatz- oder dem Bereicherungsrecht zuzuordnen sei, könne auch ein minderjähriger Unterhaltsgläubiger nur im streitigen Verfahren geltend machen. Die Klage bedürfe der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Der Antrag des Minderjährigen auf Zuerkennung von Verzugszinsen sei daher im Lichte der nach § 40a JN maßgebenden Grundsätze "in eine Klage umzudeuten und im streitigen Verfahren zu behandeln". Der die Abweisung des Zinsenbegehrens betreffende Teil des angefochtenen Beschlusses sei somit aus Anlass des Rekurses als nichtig aufzuheben. Dem Erstgericht sei überdies "die Überweisung in das streitige Verfahren aufzutragen".
Zur Frage, "in welcher Verfahrensart ein Zinsenbegehren auf vollstreckbare Unterhaltsrückstände ohne Zusammenhang mit einem Unterhaltsleistungsbegehren zu behandeln" sei, fehle es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. "Betreffend den bestätigenden Beschlußteil" hänge die Entscheidung dagegen nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG ab, weil sich das Rekursgericht an der "vorhandenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert" habe.
Aufgrund des Beschlusses des erkennenden Senats vom 25. 1. 2000 (1 Ob 345/99p) und eines im Verbesserungsverfahren nachgeholten Abänderungsantrags des Minderjährigen nach § 14a Abs 1 AußStrG wurde dessen ordentlicher Revisionsrekurs, mit dem - neben der Abweisung des Verzugszinsenbegehrens - auch die Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens angefochten wurde, dem Gericht zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt. Dieses sprach daraufhin mit Beschluss vom 8. 6. 2000 aus, dass "der Antrag nach § 14a AußStrG und der ordentliche Revisionsrekurs hinsichtlich der Bestätigung der Abweisung des Unterhaltserhöhungsbegehrens zurückgewiesen" werden.
Der Revisionsrekurs ist im Zinsenpunkt aus den vom Gericht zweiter Instanz angeführten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Überweisung einer Rechtssache in ein anderes zivilgerichtliches Verfahren ist der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gleichzuhalten (1 Ob 2117/96x; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 519 Rz 3 und § 528 Rz 3). Bei Überweisung der Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ohne Klagezurückweisung wurde die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die Versagung der im ordentlichen Rechtsweg angestrebten Sachentscheidung durch das Gericht zweiter Instanz vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejaht. Schließlich wurde ausgesprochen, § 40a JN verdeutliche, dass die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen ins außerstreitige Verfahren ein zweiaktiger Vorgang sei. Der erste Akt der Entscheidung beende das spezifisch nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung begründete Prozessrechtsverhältnis und sei deshalb in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aF anfechtbar. Daran wurde in einer Reihe von Entscheidungen festgehalten. Seither vertritt der Oberste Gerichtshof überwiegend die Ansicht, dass gegen eine solche Überweisung der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen und die Höhe des Entscheidungsgegenstands zulässig sei (1 Ob 2386/96f mzwN; Mayr in Rechberger aaO § 40a JN Rz 6).1. Die Überweisung einer Rechtssache in ein anderes zivilgerichtliches Verfahren ist der Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nach § 528 Absatz 2, Z 2 ZPO gleichzuhalten (1 Ob 2117/96x; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 519 Rz 3 und § 528 Rz 3). Bei Überweisung der Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren ohne Klagezurückweisung wurde die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen die Versagung der im ordentlichen Rechtsweg angestrebten Sachentscheidung durch das Gericht zweiter Instanz vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejaht. Schließlich wurde ausgesprochen, § 40a JN verdeutliche, dass die Überweisung einer Rechtssache vom streitigen ins außerstreitige Verfahren ein zweiaktiger Vorgang sei. Der erste Akt der Entscheidung beende das spezifisch nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung begründete Prozessrechtsverhältnis und sei deshalb in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 2 ZPO aF anfechtbar. Daran wurde in einer Reihe von Entscheidungen festgehalten. Seither vertritt der Oberste Gerichtshof überwiegend die Ansicht, dass gegen eine solche Überweisung der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne Rücksicht auf das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen und die Höhe des Entscheidungsgegenstands zulässig sei (1 Ob 2386/96f mzwN; Mayr in Rechberger aaO § 40a JN Rz 6).
Im umgekehrten Fall der Überweisung vom außerstreitigen in das streitige Verfahren ist der Revisionsrekurs nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig (Mayr in Rechberger aaO), ist doch unter Revisionsrekurs im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG jeder Rekurs gegen eine Entscheidung der zweiten Instanz als Rekursgericht - abgesehen von der Sonderregelung für rekursgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse - zu verstehen, gleichviel, ob die Entscheidung bestätigend, abändernd oder zurückweisend ist (EFSlg 73.527; EFSlg 67.427; EFSlg 64.647 ua). Einem solchen Überweisungsbeschluss entspricht der Sache nach der selbständig anfechtbare Beschluss des Rekursgerichts gemäß § 40a JN, mit dem dem Erstgericht aufgetragen wurde, die Rechtssache in Erledigung des im Verfahren außer Streitsachen geltend gemachten Verzugszinsenanspruchs in das streitige Verfahren zu überweisen.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 1 AußStrG gehören Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder doch wenigstens unzweifelhaft schlüssig ins Außerstreitverfahren verwiesen sind, auf den streitigen Rechtsweg (MietSlg 50.280; SZ 60/18; SZ 54/129). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen (MietSlg 50.280; 1 Ob 2117/96x; SZ 63/135; SZ 60/18; MietSlg XL/10; SZ 55/184 uva). Dabei ist vor allem der innere Zusammenhang des jeweils geltend gemachten Anspruchs mit einer entweder in die streitige oder in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verwiesenen Materie von Bedeutung (SZ 60/18).
3. Der erkennende Senat sprach - unter Berufung auf die Entscheidung 6 Ob 540/94 (= RZ 1995/18 = EFSlg 75.454 = AnwBl 1994, 709 [Butschek]) - bereits in der Vorentscheidung 1 Ob 345/99p aus, dass der im Anlassfall geltend gemachte Anspruch auf Verzugszinsen, der sich einerseits auf vollstreckbare Unterhaltsrückstände und andererseits auf "verspätet beglichene Unterhaltsteilbeträge" bezieht, auf den §§ 1333, 1334 ABGB beruht und dessen Durchsetzung den Nachweis des behaupteten Zahlungsverzugs voraussetzt.
Eine solcher Verzugszinsenanspruch ist als Nebenforderung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs eines Minderjährigen zu behandeln, wenn er in Verbindung mit dem Hauptanspruch im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht wird (6 Ob 540/94).
Zwischen dem Anspruch auf Zahlung eines bestimmten monatlichen Unterhaltsbeitrags und dem Verzugszinsenanspruch besteht überdies ein gesetzlicher Sachzusammenhang, der für die Bestimmung der Rechtsnatur beider Ansprüche ausschlaggebend ist. Das verdeutlicht § 291b Abs 1 Z 4 EO. Danach fallen unter den Begriff der gesetzlichen Unterhaltsansprüche auch Zinsen, die "durch die Durchsetzung eines Anspruchs nach Z 1 bis 3 entstanden sind", wozu auch Zinsen für Unterhaltsrückstände gehören (Zechner, Forderungsexekution § 291b Rz 4). Ist aber ein derartiger Verzugszinsenanspruch eines Minderjährigen dem Anspruch auf gesetzlichen Unterhalt gleichzuhalten, wenngleich er auch eine schadenersatzrechtliche Wurzel hat (grundsätzlich dazu SZ 71/56 [verstärkter Senat]), so ist er auch dann im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen, wenn zwar schon ein Exekutionstitel über den monatlichen Unterhaltsanspruch, aber noch keiner über den Anspruch auf Verzugszinsen aus bereits titulierten Unterhaltsbeiträgen, die - wie hier - erst nach Ergehen des Exekutionstitels über die Grundleistung fällig wurden, besteht.
Die gegenteilige Lösung des Rekursgerichts nimmt auf die soeben erläuterte Rechtsnatur des erörterten Verzugszinsenanspruchs nicht Bedacht. Gerade weil er in seinem unterhaltsrechtlichen Wesenskern mit dem monatlichen Unterhaltsbeitrag übereinstimmt, wird vermieden, dass ein Minderjähriger einen solchen selbständigen Verzugszinsenanspruch als gesetzlichen Unterhaltsanspruch im streitigen Verfahren geltend machen muss.
4. Vor dem Hintergrund der voranstehenden Erwägungen erweist sich der Ausspruch des Rekursgerichts gemäß § 40a JN über die anzuwendende Verfahrensart und die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses im Zinsenpunkt wegen Nichtigkeit als unzutreffend.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückzuverweisen, das über den Rekurs des Minderjährigen gegen die Abweisung des Verzugszinsenanspruchs eine Sachentscheidung zu treffen haben wird.
Textnummer
E59011European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00202.00P.0829.000Im RIS seit
28.09.2000Zuletzt aktualisiert am
02.03.2011