TE OGH 2000/8/30 6Ob291/99h

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Veröffentlicht am 30.08.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula S*****, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagte Partei S***** GesellschaftmbH, ***** vertreten durch Dr. Reinhard Kraler, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterlassung von Geruchsimmissionen (Streitwert 120.000 S), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Mai 1999, GZ 1 R 153/99b-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Lienz vom 8. Februar 1999, GZ 2 C 202/98s-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei hat auf ihrem Grundstück Nr 933 der KatGem L***** eine Lagerhalle errichtet, in der sie mit gewerbebehördlicher Genehmigung Felle und Häute einlagert und konserviert. Die Klägerin ist Mieterin einer nahegelegenen Wohnung.

Mit der Behauptung, dass sich die beklagte Partei nicht an die in der Klage näher beschriebenen Bescheidauflagen halte, wodurch die Luft im umliegenden Ortsteil "bestialisch" verpestet werde, begehrte die Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "Geruchseinwirkungen aus tierischen Abfällen auf ihrer Grundparzelle 933 KatGem L*****" auf die Wohnung der Klägerin zu unterlassen.

Das Erstgericht gab diesem Unterlassungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, die beklagte Partei sei schuldig, Geruchseinwirkungen aus tierischen Abfällen von ihrem Grundstück Nr 993 Grundbuch L***** durch Verstoß gegen die Auflagen Punkte 28.), 29.), 30.), 32.) und 33.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 30. 6. 1981, Zl II-600/24, und des weiteren Bescheides derselben vom 22. 7. 1983, Zl II-839/35, die über das ortsübliche Maß hinausgingen und eine wesentliche Beeinträchtigung darstellten, sohin unzumutbar seien, auf die - näher bezeichnete - Wohnung der Klägerin zu unterlassen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Fassung des Begehrens auf Unterlassung von Geruchsimmissionen fehle. Hiezu vertrat die zweite Instanz die Ansicht, dem Klagevorbringen sei ausreichend deutlich zu entnehmen, dass mit dem Unterlassungsbegehren Gerüche gemeint seien, die infolge bescheidwidrigen Verhaltens der klagenden Partei entstünden und weder in Bezug auf die zeitliche Dauer noch die Intensität geringfügig, sondern im Gegenteil unzumutbar seien. Dem Urteilsbegehren sei daher durch Aufnahme dieser Kriterien eine deutlichere Fassung zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch der Berufungsinstanz mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.Die Revision der beklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch der Berufungsinstanz mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO unzulässig.

Die Revision wendet sich ausschließlich dagegen, dass das Berufungsgericht den Wortlaut des Spruches gegenüber dem Klagebegehren und dem Ersturteil geändert habe, anstatt das Klagebegehren wegen dessen Unbestimmtheit und Unschlüssigkeit abzuweisen. Diese Vorgangsweise verstoße gegen § 405 ZPO und stelle entweder eine unrichtige rechtliche Beurteilung oder eine Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit des Berufungsverfahrens dar.Die Revision wendet sich ausschließlich dagegen, dass das Berufungsgericht den Wortlaut des Spruches gegenüber dem Klagebegehren und dem Ersturteil geändert habe, anstatt das Klagebegehren wegen dessen Unbestimmtheit und Unschlüssigkeit abzuweisen. Diese Vorgangsweise verstoße gegen Paragraph 405, ZPO und stelle entweder eine unrichtige rechtliche Beurteilung oder eine Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit des Berufungsverfahrens dar.

Dem ist zu erwidern:

Gemäß § 405 erster Satz ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Unter "Antrag" im Sinn dieser Bestimmung ist aber nicht nur das Klagebegehren allein zu verstehen, sondern auch der Inhalt der Klage zu beachten (Rechberger in Rechberger ZPO2, Rz 2 zu § 405 ZPO mwN). Das Gericht darf dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, wenn sich das Wesen des Begehrens aus dem übrigen Klagevorbringen ergibt. Es darf nur nicht über das aus dem Sachverhalt abzuleitende Begehren hinausgehen und weder ein "plus" noch ein "aliud" zusprechen (stRspr; vgl RIS-Justiz RS0039357). Eine deutlichere, dem tatsächlichen Begehren des Klägers entsprechende Fassung des beantragten Spruches der Entscheidung durch das Gericht ist auch noch anlässlich eines Rechtsmittels des Beklagten zulässig (RIS-Justiz RS0041254). Das Gericht hat erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren des Klägers anzupassen (1 Ob 239/97x ua), insbesondere wenn sonst die Vollstreckbarkeit des Urteils gefährdet wäre (5 Ob 520/87 = SZ 60/47).Gemäß Paragraph 405, erster Satz ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Unter "Antrag" im Sinn dieser Bestimmung ist aber nicht nur das Klagebegehren allein zu verstehen, sondern auch der Inhalt der Klage zu beachten (Rechberger in Rechberger ZPO2, Rz 2 zu Paragraph 405, ZPO mwN). Das Gericht darf dem Urteilsspruch eine klare und deutlichere, vom Begehren abweichende Fassung geben, wenn sich das Wesen des Begehrens aus dem übrigen Klagevorbringen ergibt. Es darf nur nicht über das aus dem Sachverhalt abzuleitende Begehren hinausgehen und weder ein "plus" noch ein "aliud" zusprechen (stRspr; vergleiche RIS-Justiz RS0039357). Eine deutlichere, dem tatsächlichen Begehren des Klägers entsprechende Fassung des beantragten Spruches der Entscheidung durch das Gericht ist auch noch anlässlich eines Rechtsmittels des Beklagten zulässig (RIS-Justiz RS0041254). Das Gericht hat erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren des Klägers anzupassen (1 Ob 239/97x ua), insbesondere wenn sonst die Vollstreckbarkeit des Urteils gefährdet wäre (5 Ob 520/87 = SZ 60/47).

In der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass aus dem Begehren im Zusammenhang mit der Klageerzählung der hier maßgebende Streitgegenstand - nämlich die Abwehr von Immissionen, soweit sie dadurch hervorgerufen werden, dass sich die beklagte Partei als Inhaberin der genehmigten Anlage nicht an die von der Gewerbebehörde

erteilten Auflagen hält (vgl 6 Ob 772/79; 1 Ob 658/82 = EvBl 1983/82;erteilten Auflagen hält vergleiche 6 Ob 772/79; 1 Ob 658/82 = EvBl 1983/82;

1 Ob 742/83 = SZ 56/158 ua) und im Übrigen die Kriterien des § 364 Abs 2 ABGB erfüllen - mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, kann eine zur näheren Befassung mit dieser Rechtsfrage Anlass gebende falsche Anwendung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze nicht erblickt werden. Dies gilt auch für die Bejahung der Schlüssigkeit der Klage, deren Vorbringen und Begehren sich hier zwar nicht am Gesetzeswortlaut des § 364 Abs 2 ABGB orientieren, in der aber die Verbreitung eines als "bestialisch" bezeichneten Gestankes behauptet wird, der ein Öffnen der Fenster insbesondere in der warmen Jahreszeit unmöglich mache und gesundheitsschädliche Auswirkungen befürchten lasse, wobei auch die Ursachen dieser Immissionen detailliert beschrieben werden. Es wurde daher die Quelle der Geruchseinwirkungen dargelegt (vgl 3 Ob 507/93), und es wurden auch Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die die rechtliche Qualifikation der Immissionen als ortsunüblich und die ortsübliche Benützung (insbesondere zu Wohnzwecken) im Sinn des § 364 Abs 2 ABGB beeinträchtigend durchaus rechtfertigen.1 Ob 742/83 = SZ 56/158 ua) und im Übrigen die Kriterien des Paragraph 364, Absatz 2, ABGB erfüllen - mit hinreichender Deutlichkeit hervorgeht, kann eine zur näheren Befassung mit dieser Rechtsfrage Anlass gebende falsche Anwendung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze nicht erblickt werden. Dies gilt auch für die Bejahung der Schlüssigkeit der Klage, deren Vorbringen und Begehren sich hier zwar nicht am Gesetzeswortlaut des Paragraph 364, Absatz 2, ABGB orientieren, in der aber die Verbreitung eines als "bestialisch" bezeichneten Gestankes behauptet wird, der ein Öffnen der Fenster insbesondere in der warmen Jahreszeit unmöglich mache und gesundheitsschädliche Auswirkungen befürchten lasse, wobei auch die Ursachen dieser Immissionen detailliert beschrieben werden. Es wurde daher die Quelle der Geruchseinwirkungen dargelegt vergleiche 3 Ob 507/93), und es wurden auch Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die die rechtliche Qualifikation der Immissionen als ortsunüblich und die ortsübliche Benützung (insbesondere zu Wohnzwecken) im Sinn des Paragraph 364, Absatz 2, ABGB beeinträchtigend durchaus rechtfertigen.

Das Berufungsgericht hat auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes darauf hingewiesen, nicht die Klägerin, sondern die beklagte Partei als Störer treffe die Beweislast dafür, dass ihre Eingriffe die gesetzlichen Grenzen nicht überschritten (SZ 44/140, SZ 50/99, SZ 55/30 ua; RIS-Justiz RS0010474).

Darin, dass das Berufungsgericht dem Spruch eine präzisere Fassung verlieh und damit das Unterlassungsgebot insbesondere auf Immissionen, die durch einen Verstoß gegen bestimmte, in den Gründen des Berufungsurteiles detailliert angeführte Bescheidauflagen hervorgerufen werden, einengte, könnte allenfalls der Zuspruch eines "minus", nicht aber Zuspruch eines "plus" oder "aliud" erblickt werden. Allein durch die durchaus dem Klageinhalt entsprechende, das Begehren weder überschreitende noch ändernde, sondern dieses höchstens mindernde Fassung des Unterlassungsgebotes durch das Berufungsgericht kann sich die beklagte Partei nicht beschwert erachten.

Da die in der Revision beanstandende Vorgangsweise des Berufungsgerichtes der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht, ist die Revision mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mit ausführlicher Begründung hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zu honorieren ist.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mit ausführlicher Begründung hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zu honorieren ist.

Anmerkung

E59118 06A02919

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0060OB00291.99H.0830.000

Dokumentnummer

JJT_20000830_OGH0002_0060OB00291_99H0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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