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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des F, vertreten durch Mag. Gregor Kohlbacher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 9/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 3. Juli 2003, Zl. Fr 669/2003, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen behauptetermaßen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 sowie den §§ 37 bis 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf eine dem angefochtenen Bescheid angeschlossene Aufstellung der rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers und stellte sachverhaltsmäßig fest, dass der Beschwerdeführer "in fünf Fällen rechtskräftig vom Bezirksgericht für Strafsachen Graz wegen der Begehung von Eigentumsdelikten (Diebstählen) verurteilt" worden sei. Weiters schloss sie eine Ablichtung der Berufung dem Bescheid an und folgerte, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt sei, weil der Beschwerdeführer von einem inländischen Gericht mehr als ein Mal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei.
Für die Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG sei das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen und es könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden.
Die belangte Behörde erachtete das Aufenthaltsverbot auch als dringend geboten nach § 37 Abs. 1 und als zulässig nach § 37 Abs. 2 FrG, weil Ansätze zu einer beruflichen oder sozialen Integration des Beschwerdeführers nicht in einem solchen Ausmaß erkennbar seien, dass dieser Umstand der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes entgegenstünde. Der Beschwerdeführer halte sich ca. fünf Jahre im Bundesgebiet auf, sein Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden, er habe sich bei der Einreise eines Schleppers bedient und berufe sich auf einen gemeinsamen Wohnsitz mit einer "nicht näher bezeichneten Lebensgefährtin".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).
Die Beschwerde macht mit Erfolg einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides geltend. Die belangte Behörde hat zwar - jedenfalls in der im Verwaltungsakt erliegenden Ausfertigung des angefochtenen Bescheides - die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers (mit Aktenzahl, Datum, Strafnorm und Strafe) wiedergegeben, sie hat es jedoch unterlassen, die diesen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten darzustellen. Insoweit ist die auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers gestützte negative Zukunftsprognose untauglich begründet, wobei die Aufzählung abstrakter Rechtssätze verbunden mit der Zitierung einer Vielzahl von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes nichts an diesem Begründungsmangel ändert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2004, Zl. 2004/21/0112).
Die von der belangten Behörde getroffene Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG ist somit an Hand der Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht überprüfbar, was auch auf die Beurteilung nach § 37 FrG durchschlägt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht - im begehrten Umfang - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Dezember 2006
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelBesondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003210238.X00Im RIS seit
22.01.2007Zuletzt aktualisiert am
19.02.2009