Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §22;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Finanzamtes Salzburg-Land gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg vom 26. Juli 2006, RV/0366-S/05, betreffend Investitionszuwachsprämie 2004 (mitbeteiligte Partei: J KEG in 5440 S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte KEG ist im Jahr 2004 gegründet worden.
Zugleich mit der Einreichung der Erklärung zur einheitlichen Feststellung der Einkünfte (§ 43 EStG) für das Jahr 2004 reichte die Mitbeteiligte am 11. Juli 2005 beim Finanzamt eine Beilage zur Geltendmachung von Investitionszuwachsprämie iSd § 108e EStG 1988 (in Höhe von 44.950 EUR) ein.
Nach einer im August 2005 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 12. September 2005 die Investitionszuwachsprämie mit 19.553 EUR fest und begründete dies damit, dass mit der Investitionszuwachsprämie nur "echte" Zusatzinvestitionen gefördert werden sollten. Da bei einem neu gegründeten Unternehmen ein Vergleich mit der durchschnittlichen Investitionshöhe der vorangegangenen Jahre nicht möglich sei, werde eine Investitionszuwachsprämie in einem solchen Fall nur gewährt, wenn die Neugründung nachweislich wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei. Der Gesellschafter A der Mitbeteiligten betreibe ein Transportunternehmen in der Form einer GmbH (Transport GmbH). Die Mitbeteiligte habe Lkw und Hänger erworben und vermiete diese an diese GmbH. Die Auslagerung der Investitionen in die mitbeteiligte KEG sei damit erklärt worden, dass beim Kauf der Wirtschaftsgüter durch die Transport GmbH und der dafür notwendigen Finanzierung eine persönliche Haftung des Gesellschafters für die Finanzierungsverbindlichkeiten vorgesehen gewesen sei. Nach Ansicht des Finanzamtes hätte die finanzierende Bank jedenfalls eine persönliche Haftung für die Finanzierungskredite verlangt, und zwar unabhängig davon, ob der Ankauf der Fahrzeuge durch die Transport GmbH oder die mitbeteiligte KEG erfolge.
Somit verbleibe als Grund für die Auslagerung nur die höhere Investitionszuwachsprämie. Für die Berechnung des "echten Investitionszuwachses" werde eine Gesamtbetrachtung (konsolidierte Betrachtung) der Investitionsvorgänge der beteiligten Unternehmen der Berechnung zu Grunde gelegt (Investitionen der Transport GmbH in den Jahren 2001, 2002 und 2003 im Vergleich zu den Investitionen der Transport GmbH und der Mitbeteiligten im Jahr 2004).
Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung. Sie führte dazu aus, die Transportwirtschaft zähle zu den am meisten gefährdeten Branchen in Österreich. Im Falle eines Ankaufes durch die Transport GmbH hätte die Finanzierung der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter im Jahr 2004 im Hinblick auf den Umstand, dass die Transport GmbH zum 31. Dezember 2004 einen Bilanzverlust von ca 118.000 EUR ausgewiesen habe, nicht nur eine Haftung des Gesellschafters A für die Finanzierungsschulden, sondern eine Haftung auch für die sonstigen Schulden der GmbH bedingt. Die kreditgewährende Bank habe der getroffenen Lösung aufgrund der besseren bankinternen Darstellung durch die Trennung der beiden Unternehmenseinheiten schlussendlich zustimmen können. Damit sei aber eine derartige Trennung betriebswirtschaftlich sinnvoll.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und setzte die Investitionszuwachsprämie mit
44.950 EUR fest. Im Jahr 2004 habe die Transport GmbH die Anschaffung neuer Lkw geplant. Die kreditgebende Bank habe eine persönliche Mithaftung des Gesellschafters A für die Finanzierungskredite verlangt. In weiterer Folge hätten der Gesellschafter A und seine Ehefrau mit Gesellschaftsvertrag vom 1. September 2004 die mitbeteiligte KEG gegründet. Gegenstand der Mitbeteiligten sei die Vermietung von Wirtschaftsgütern sowie die Beteiligung und Übernahme der Geschäftsführung an gleichen oder ähnlichen Unternehmen. Die Mitbeteiligte habe in der Folge im Jahr 2004 vier Zugmaschinen mit entsprechenden Aufbauten fremdfinanziert gekauft und damit 449.500 EUR investiert. Diese Fahrzeuge seien an die Transport GmbH vermietet worden.
Strittig sei, ob eine Investitionszuwachsprämie vom Gesamtvolumen der Investitionen der Mitbeteiligten und der Transport GmbH im Jahr 2004 unter Berücksichtigung der Investitionen der Transport GmbH in den Jahren 2001 bis 2003 zu erfolgen habe oder ob die Mitbeteiligte als eigenständige Neugründung zu sehen sei, deren gesamte Investitionen im Jahr 2004 Investitionszuwachs im Sinne des § 108e EStG 1988 darstelle. Nach Ansicht der belangten Behörde biete das EStG für eine derartige Zusammenrechnung von Investitionen von nahe stehenden Unternehmen keine Grundlage. Für die Bemessung des Investitionszuwachses sei jedes Unternehmen für sich zu betrachten.
Es liege auch kein Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die kreditgebende Bank habe bestätigt, dass bei Finanzierung des Ankaufes in der GmbH eine Haftung des Gesellschafters A für alle Kredite der GmbH notwendig gewesen wäre. Die Mitbeteiligte habe auf eine dem Umfang nach geringere Haftung bei Auslagerung der Investitionen in eine neue Gesellschaft, bei der sich eine unbeschränkte, persönliche Haftung des Gesellschafters A für bloß diese Kredite bereits aus der Gesellschaftsform ergebe, verweisen können. Da die belangte Behörde außerhalb der Grenzen des Missbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten dem Gesetz keine weiteren Einschränkungen der Anspruchvoraussetzungen des § 108e EStG entnehmen könne und die Voraussetzungen für Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten nach dem Ergebnis des Verfahrens nicht vorlägen, sei der Berufung stattzugeben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 292 BAO gestützte Beschwerde des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Das Finanzamt bringt in seiner Beschwerde vor, die mitbeteiligte KEG sei im Jahr 2004 neu gegründet worden. In Fällen, in denen als Folge einer Betriebseröffnung kein vollständiger Vergleichszeitraum von drei Jahren vorliege, komme eine Investitionszuwachsprämie mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen eines tatsächlichen Vergleichszeitraumes grundsätzlich nicht in Betracht. Mit der Investitionszuwachsprämie sollten Unternehmen zu einem "Mehr" an Investitionen motiviert werden. Gefördert werden sollten Unternehmen, die sich besonders anstrengten. Im Beschwerdefall sei das Unternehmen erst im Jahr 2004 gegründet worden und verfüge daher über keinen dreijährigen Vergleichszeitraum. Die belangte Behörde habe § 108e EStG dennoch analog auf den Beschwerdefall angewandt. Die Voraussetzungen für eine Analogie lägen aber nicht vor. Bei der Auslegung der belangten Behörde würden im ersten Investitionsjahr sämtliche Investitionen gefördert. Tatsächlich dürften aber Neugründungen nicht mit bereits bestehenden Unternehmen verglichen werden. Eine analoge Anwendung des § 108e EStG sei nach Ansicht des Finanzamtes nur dann zulässig, wenn der "Neugründungsunternehmer" nachweisen könne, dass die Neugründung - unter Wegdenken der Investitionszuwachsprämie - eindeutig betriebswirtschaftlich sinnvoll sei. Das sei insbesondere dann nicht der Fall, wenn Neuinvestitionen in einer neu gegründeten Gesellschaft vorgenommen und die Neuinvestitionen an eine bestehende Gesellschaft vermietet würden.
Die Beschwerde vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0236, zu Recht erkannt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Investitionszuwachsprämie für jedes Steuersubjekt (bzw die Mitunternehmerschaft als Gewinnermittlungssubjekt) getrennt zu beurteilen sind. In jenem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch (konzernmäßig verbundene) Kapitalgesellschaften nicht für Zwecke der Berechnung der Investitionszuwachsprämie als Einheit betrachtet werden dürfen, zumal das Gesetz keine Handhabe für eine "Konzernbetrachtung" biete. Nichts anderes kann aber gelten, wenn zu den verbundenen Gesellschaften auch Mitunternehmerschaften gehören.
Der Verwaltungsgerichthof hegt auch keine Bedenken dagegen, dass auch Betriebe bzw betrieblich tätige Gesellschaften, die erst im Investitionsjahr gegründet worden sind, Investitionsprämie nach § 108e EStG ansprechen können. Das Gesetz enthält einen Ausschluss für "Neugründungen" nicht (vgl Hofstätter/Reichel, Tz 3 zu § 108e EStG; Doralt, RdW 2004/289). Zum einen können diese Investitionen in prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter tätigen. Zum anderen definiert der Abs. 3 des § 108e EStG den Investitionszuwachs als Differenz zwischen den Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des Investitions-Kalenderjahres und dem Durchschnitt der Anschaffungs- und Herstellungskosten der letzten drei Wirtschaftsjahre, und steht es einer solchen Differenzrechnung nicht entgegen, dass der Subtrahend den Betrag von Null aufweist. In all jenen Fällen, in denen bestehende betriebliche Einheiten in den letzten drei Wirtschaftsjahren keine Investitionen in prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter getätigt haben, ist die Berechnung in gleicher Weise anzustellen.
Auch neu gegründete betriebliche Einheiten können somit die Voraussetzungen des § 108e EStG unmittelbar erfüllen. Einer analogen Anwendung bedarf es dazu nicht.
In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichthof auch im Erkenntnis vom 25. Oktober 2006, 2006/15/0152, betreffend Investitionszuwachsprämie für 2004 für eine im März 2004 gegründete Gesellschaft den die Prämie im Instanzenzug versagenden Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil die belangte Behörde ausgeschlossen hatte, dass Mieterinvestitionen prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter sind. Diesem aufhebenden Erkenntnis liegt bereits die Auffassung zugrunde, dass Neugründungen nicht von vornherein von der Investitionsprämie ausgeschlossen sind.
Im Übrigen anerkennt das Finanzamt selbst, dass die Mitbeteiligte als im Jahr 2004 neu gegründete Gesellschaft die Voraussetzungen des § 108e EStG erfüllen kann, geht doch das Finanzamt davon aus, dass für die zwischen der Mitbeteiligten und der Transport GmbH konsolidierte Bemessungsgrundlage die Investitionsprämie zusteht. Dass das Gesetz keine Handhabe für eine konsolidierte Betrachtung bietet, wurde bereits oben ausgeführt.
Auch der mit der Investitionszuwachsprämie verfolgte Zweck der Investitionsförderung steht einer Gewährung im Fall von Neugründungen nicht entgegen. Ist es vom Zweck der Bestimmung erfasst, in der Vergangenheit nicht investierende betriebliche Einheiten zur Investitionstätigkeit anzuregen, so entspricht es umso mehr dem Zweck der Bestimmung, Personen zur Gründung von Unternehmen und der damit verbundenen Investitionstätigkeit anzuregen.
Schließlich kann der belangten Behörde auch nicht entgegen getreten werden, wenn sie Gestaltungen mit einer - Wirtschaftsgüter überlassenden - Besitzgesellschaft einerseits und einer Betriebsgesellschaft vor dem Hintergrund des § 108e EStG nicht als unangemessen iSd § 22 BAO beurteilt hat.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Dezember 2006
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006150275.X00Im RIS seit
24.01.2007