TE OGH 2000/9/8 2Ob213/00p

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Veröffentlicht am 08.09.2000
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mario M*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska und Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1.) Jürgen P*****, 2.) Manuela G*****, und 3.) ***** Versicherungs-AG, ***** alle vertreten durch Dr. Christian Függer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen S 234.000,-- sA und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 1. März 2000, GZ 14 R 170/99v-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 22. Juni 1999, GZ 4 Cg 164/96k-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der Nacht vom 17. auf den 18. Jänner 1995 hatten der Erstbeklagte und der Kläger gemeinsam von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr früh als Metallarbeiter Nachtdienst. Während dieser Zeit konsumierte der Erstbeklagte um ca 1.00 Uhr einen halben Liter Normalbier, ohne dass dies dem Kläger bekannt war. Nach Ende der Schicht um 5.00 Uhr früh fuhren der Kläger, der Erstbeklagte und eine dritte Person im PKW der Zweitbeklagten, der bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversichert war, in ein Gastlokal. Der Erstbeklagte und der Kläger verließen einmal für ca 45 Minuten das Lokal, um in einen anderen Ort zu fahren und Geld von der Bank abzuheben. Dann kehrten sie in das Gastlokal zurück, wo sie bis etwa 13.30 Uhr blieben. Der Erstbeklagte nahm in dieser Zeit keine Speisen zu sich, trank jedoch eine nicht mehr exakt feststellbare Menge Alkohol. Er hatte beim Verlassen des Lokals einen Blutalkoholspiegel von ca 1,5 %o. Er wusste während der Zeit, dass ihm die Lenkung eines PKW für die Heimfahrt noch bevor stand. Der Kläger wusste, dass der Erstbeklagte während des Aufenthalts im Lokal Alkohol konsumierte. Die exakte Menge war ihm nicht bekannt. Er sah den Erstbeklagten während dieser Zeit zwei Krügel Bier trinken. Das Lokal bestand aus zwei Räumen, nämlich einem Schankraum und einem Billardraum. Der Kläger und der Erstbeklagte waren nicht immer zusammen, weshalb der Kläger den Erstbeklagten nicht während der ganzen Zeit sah. Der Kläger erkundigte sich nicht, ob der Erstbeklagte noch fahrtüchtig war oder wieviel Alkohol er getrunken hatte. Er hielt den Erstbeklagten beim Verlassen des Lokals für fahrtüchtig. Zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr fuhren der Erstbeklagte als Lenker, eine weitere Person am Beifahrersitz und der Kläger am rechten Rücksitz im Fahrzeug der Zweitbeklagten auf der Bundesstraße 20. Der Kläger war nicht angegurtet, weil es auf den Rücksitzen keine Sitzgurte gab.

Vor der Kollision überholte der Erstbeklagte mehrere in seiner Fahrtrichtung fahrende Fahrzeuge. Dabei überschritt er die Mittellinie der Fahrbahn und lenkte nicht mehr auf die rechte Fahrbahnseite zurück. Der Kläger forderte den Erstbeklagten auf, die Gegenfahrbahn zu verlassen und auf die rechte Fahrbahnseite zurückzukehren. Der Beklagte fuhr aber links weiter und äußerte sich dahin, dass er noch immer gut nach Hause gekommen sei und dass auf der B 20 ohnedies 3 Fahrzeuge Platz hätten. Als er einen aus der Gegenrichtung kommenden PKW bemerkte, konnte er keine wirksame Abwehrhandlung mehr setzen, weshalb es zur Kollision mit diesem kam.

Aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt der Kläger die Zahlung von S 234.000,-- und die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für seine zukünftigen Schadenersatzansprüche auf Grund dieses Verkehrsunfalles, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei auf die Haftpflichtsumme des versicherten Fahrzeuges beschränkt sei.

Die beklagten Parteien stellten das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, bestritten es aber dem Grunde nach und wendeten ein, den Kläger treffe ein erhebliches Mitverschulden von 50 %, weil er gemeinsam mit dem Erstbeklagten von 5.00 Uhr früh bis 13.00 Uhr mittags gezecht hätte, weshalb ihm dessen Alkoholisierung erkennbar gewesen sei. Er sei auch nicht angegurtet gewesen.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit S 133.500,-- und dem Feststellungsbegehren mit 75 % statt und wies ein Mehrbegehren von S 100.500,-- und das weitere Feststellungsbegehren ab.

Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht aus, der Kläger habe im konkreten Fall gewusst, dass sich der Erstbeklagte ca 8 Stunden im Lokal aufgehalten habe. Aus dem Verhalten der übrigen Gäste sei klar, dass Alkoholkonsum zumindest im Raum gestanden sei. Der Kläger habe selbst wahrgenommen, dass der Erstbeklagte zumindest zwei Bier getrunken habe. Da er den Erstbeklagten nicht die ganze Zeit beobachtet habe, hätte er nicht ausschließen können, dass dieser eine größere Alkoholmenge konsumiert habe. Auch angesichts der Nachtschicht sei klar gewesen, dass der Erstbeklagte schon 16 Stunden wach gewesen sei. All dies hätte den Kläger veranlassen müssen, die Fahrtauglichkeit des Erstbeklagten zu hinterfragen. Daraus folge ein Mitverschulden von 25 %.

Das gegen den klagsabweisenden Teil dieser Entscheidung vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung, es bewertete des Entscheidungsgegenstand mit insgesamt S 260.000,-- nicht übersteigend und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass eine "Verweildauer" von 8 Stunden im Gasthaus einen ausreichenden Hinweis dafür biete, dass mit einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit infolge Alkoholisierung zu rechnen sei. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Erstbeklagte, der in diesem Zeitraum keine Speisen zu sich genommen habe, nicht alkoholische Getränke in einem Ausmaß konsumiert habe, das die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt habe. Letztendlich sei auch das Verhalten des Erstbeklagten unmittelbar vor dem Unfall, der die linke Fahrbahnhälfte mit dem Hinweis, er sei immer noch gut heimgekommen, nicht verlassen habe, ein Zeichen dafür, dass er seine Alkoholisierung nicht dissimuliert habe. Die jedenfalls mittelschwere Alkoholisierung des Erstbeklagten sei dem Kläger auch unmittelbar vor dem Fahrtantritt erkennbar gewesen. Im Wesentlichen hätten der Kläger und der Erstbeklagte die Zeit im Gasthaus gemeinsam verbracht und gemeinsam gezecht. Auf Grund dieser Umstände hätte der Kläger nicht ohne Prüfung davon ausgehen können, dass der Erstbeklagte fahrtüchtig sei, vielmehr hätte er Erkundigungen darüber einholen müssen, welche Alkoholmengen dieser in den letzten 8 Stunden konsumiert habe. Wenn er trotz des gemeinsamen Aufenthaltes und auch gemeinsamen Trinkens von Alkohols sich nicht in der Lage gesehen habe, die Fahrtüchtigkeit des Erstbeklagten zu beurteilen, wäre er verpflichtet gewesen, etwa beim Gastwirt über die konsumierten Alkoholmengen nachzufragen. Letztlich könne auch nicht ernstlich angenommen werden, der Erstbeklagte hätte gerade immer dann, wenn er sich mit dem Kläger nicht im selben Raum befunden habe, getrunken, dann aber, wenn sie gemeinsam gewesen seien, innerhalb von 8 Stunden nur zwei Krügel Bier konsumiert. Den Kläger treffe daher ein Mitverschulden, welches mit einem Viertel zu bewerten sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Entscheidung darüber vorliege, ob sich ein Mitfahrer vor Antritt der Fahrt über die konsumierte Alkoholmenge des Fahrers, etwa beim Gastwirt, erkundigen müsse, wenn sie 8 Stunden lang gemeinsam gezecht, andererseits aber doch nicht die gesamte Zeit gemeinsam verbracht hätten.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage - der gegenteilige Ausspruch des Berufungsgerichtes ist nicht bindend - nicht zulässig.

Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung, dass der Fahrgast unter Umständen (d.h. also bei Vorliegen eines besonderen Anlasses) verpflichtet sein kann, über die vom Lenker genossene Alkoholmenge nachzuforschen (s die Nachweise bei Apathy, KommzEKHG, Rz 57 zu § 7). Wann solche konkrete Umstände vorliegen, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt. Eine auffallende Fehlbeurteilung kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger hätte auf Grund der hier gegebenen Umstände nachforschen müssen, nicht erblickt werden.Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung, dass der Fahrgast unter Umständen (d.h. also bei Vorliegen eines besonderen Anlasses) verpflichtet sein kann, über die vom Lenker genossene Alkoholmenge nachzuforschen (s die Nachweise bei Apathy, KommzEKHG, Rz 57 zu Paragraph 7,). Wann solche konkrete Umstände vorliegen, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, weshalb insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO vorliegt. Eine auffallende Fehlbeurteilung kann in der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger hätte auf Grund der hier gegebenen Umstände nachforschen müssen, nicht erblickt werden.

Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage liegt daher nicht vor.

Da auch der in der Revision weiters relevierten Frage der Verschuldensteilung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 3 zu § 502 mwN), war die Revision des Klägers zurückzuweisen.Da auch der in der Revision weiters relevierten Frage der Verschuldensteilung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 3 zu Paragraph 502, mwN), war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Da die beklagten Parteien nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben, haben sie die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Anmerkung

E59283 02A02130

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00213.00P.0908.000

Dokumentnummer

JJT_20000908_OGH0002_0020OB00213_00P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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