TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/19 2005/21/0278

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Mag. Johannes Mühllechner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 21/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. März 2005, Zl. Fr 3889/03-2, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde (im zweiten Rechtsgang) gegen die Beschwerdeführerin, eine aus Nigeria stammende Asylwerberin, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Die Verwirklichung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG begründete die belangte Behörde damit, dass sich die Beschwerdeführerin bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet über den Flughafen Schwechat am 25. Oktober 2003 mit einem fremden Reisepass der Einreisekontrolle gestellt habe. Dabei sei festgestellt worden, dass das in diesem Reisepass der Republik Ghana angebrachte Lichtbild nicht mit ihrer Person übereinstimmte.

Bei § 36 Abs. 1 FrG handle es sich um eine Ermessensbestimmung, Ermessensdeterminanten seien insbesondere die §§ 35 bis 38 FrG. Da die für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und damit ein geordnetes Fremdenwesen für den österreichischen Staat von eminentem Interesse sei, hätte demgegenüber das geringfügige private Interesse eines erst kurz aufhältigen betroffenen Asylwerbers zurückzutreten.

Auch im Hinblick auf § 37 FrG lägen keine gewichtigen schutzwürdigen Umstände vor: Die Beschwerdeführerin sei verwitwet, ihre sechs Kinder sowie ihre Eltern lebten in Nigeria. Darüber hinaus habe sie sich auf Grund der Vorläufigkeit ihrer Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht auf die Dauerhaftigkeit eines Aufenthaltes in Österreich einstellen dürfen. Die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes könne somit nur einen geringen Eingriff in ihr Privatleben bedeuten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass sie den obgenannten Reisepass der Republik Ghana bei ihrer Einreise nach Österreich am 25. Oktober 2003 tatsächlich benützt habe. Nicht sie habe den Beamten am Flughafen Schwechat den Pass vorgezeigt, erst "im Zusammenhang mit ihrem Wunsch auf Asylantrag" sei sie perlustriert worden, wobei der Pass bei ihr gefunden worden sei.

Dem ist zu entgegnen, dass die von der belangten Behörde festgestellte Benützung des Reisepasses nicht nur aus der polizeilichen Anzeige vom 25. Oktober 2003, sondern auch aus der mit der Beschwerdeführerin am 29. Oktober 2003 aufgenommenen Niederschrift hervorgeht. Zumal es wenig plausibel erscheint, dass die Einreise einer nigerianischen Staatsangehörigen am Flughafen Schwechat ohne Vorweisung eines Reisepasses möglich wäre, kann somit keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unrichtigkeit der behördlichen Sachverhaltsfeststellungen erkannt werden.

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z. 2).

Im § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Als solche Tatsache hat gemäß § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2003/21/0175, mwN).

Die rechtliche Argumentation der belangten Behörde, dass die Täuschung von Grenzwachebeamten durch Benützung eines fremden Reisepasses, um die Gestattung der Einreise nach Österreich zu bewirken, den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht, begegnet keinem Einwand. Gerade die Verschleierung der wahren Identität einer Person stellt nämlich eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar, wobei den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden geschaffenen Regelungen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa die zu ähnlichen Täuschungshandlungen ergangenen hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0365, und vom 19. November 2003, Zl. 2002/21/0180, mwN).

Für die Verwirklichung des genannten Tatbestandes ist auch - entgegen der in der Beschwerde im Ergebnis vertretenen Ansicht - die Begehung eines gerichtlich strafbaren Urkundendeliktes keine notwendige Voraussetzung. Der in der Beschwerde angesprochene, nun mit hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2003/18/0353, erledigte Fall betraf ein auch auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG gestütztes Aufenthaltsverbot.

Auch wenn man in Anbetracht der gesamten Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG ausgeht, ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin keine familiären Bindungen in Österreich hat, begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 2 FrG der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegenstehe, keinem Einwand.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005210278.X00

Im RIS seit

25.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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