Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Erwin Macho (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz D*****, ohne Beschäftigungsangabe, *****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. April 2000, GZ 12 Rs 107/00t-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Jänner 2000, GZ 7 Cgs 206/98i-21, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 30. 9. 1998 wurde die Lebererkrankung (Hepatitits C), die sich der Kläger beim Blutplasmaspenden zugezogen haben soll, gemäß § 176 Abs 1 Z 2 ASVG iVm § 176 Abs 2 und 177 ASVG nicht als Berufskrankheit anerkannt und ein Anspruch auf Leistungen aus Anlass dieser Erkrankung abgelehnt.Mit Bescheid der beklagten Partei vom 30. 9. 1998 wurde die Lebererkrankung (Hepatitits C), die sich der Kläger beim Blutplasmaspenden zugezogen haben soll, gemäß Paragraph 176, Absatz eins, Ziffer 2, ASVG in Verbindung mit Paragraph 176, Absatz 2 und 177 ASVG nicht als Berufskrankheit anerkannt und ein Anspruch auf Leistungen aus Anlass dieser Erkrankung abgelehnt.
Dem dagegen vom Kläger erhobenen und auf die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß gerichteten Klagebegehren gab das Erstgericht insofern statt, als es mit Zwischenurteil aussprach, dass die chronische Hepatitis C des Klägers, mit der er sich im Zeitraum 1973 bis 1976 auf Grund seiner Blutplasmaspendetätigkeit infiziert habe, als Berufskrankheit im Sinne des ASVG anerkannt werde. Dem Kläger sei der Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen seiner Erkrankung und dem Kontakt mit kontaminiertem Blut bei einer seiner Plasmaspenden gelungen. Die Infektion mit dem Hepatitits-C-Virus sei eine typische Folge der seinerzeitigen Spendertätigkeit und stehe nach dem vom Kläger erbrachten Anscheinsbeweis fest. Die beklagte Partei habe diesen Anschein nicht durch den Nachweis der zumindest gleich hohen Wahrscheinlichkeit einer anderen Infektionsmöglichkeit entkräften können. Die chronische Hepatitis C des Klägers gelte daher gemäß § 176 Abs 1 Z 2 iVm § 176 Abs 2 ASVG als Berufskrankheit iSd § 177Dem dagegen vom Kläger erhobenen und auf die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß gerichteten Klagebegehren gab das Erstgericht insofern statt, als es mit Zwischenurteil aussprach, dass die chronische Hepatitis C des Klägers, mit der er sich im Zeitraum 1973 bis 1976 auf Grund seiner Blutplasmaspendetätigkeit infiziert habe, als Berufskrankheit im Sinne des ASVG anerkannt werde. Dem Kläger sei der Beweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen seiner Erkrankung und dem Kontakt mit kontaminiertem Blut bei einer seiner Plasmaspenden gelungen. Die Infektion mit dem Hepatitits-C-Virus sei eine typische Folge der seinerzeitigen Spendertätigkeit und stehe nach dem vom Kläger erbrachten Anscheinsbeweis fest. Die beklagte Partei habe diesen Anschein nicht durch den Nachweis der zumindest gleich hohen Wahrscheinlichkeit einer anderen Infektionsmöglichkeit entkräften können. Die chronische Hepatitis C des Klägers gelte daher gemäß Paragraph 176, Absatz eins, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraph 176, Absatz 2, ASVG als Berufskrankheit iSd Paragraph 177,
ASVG.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es übernahm die vom Erstgericht nach den Regeln des Anscheinsbeweises getroffene - und von der beklagten Partei in ihrer Berufung ausdrücklich bekämpfte - (positive) Feststellung der Infektion des Klägers bei der Plasmaspende als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung. Auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Erstgericht sei richtig. Es sei lediglich dem Urteilsspruch in Form einer Maßgabebestätigung eine - dem Wesen des Zwischenurteils entsprechende - Fassung zu geben.
In der Revision macht die beklagte Partei Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; sie beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Auf die Frage, ob im gegenständlichen Sozialrechtsverfahren die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteiles überhaupt gegeben waren (vgl Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 519 f mwN; Kuderna, ASGG2 541; Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 12. Erg-Lfg 762 ua), ist nicht einzugehen, weil die prozessuale Unzulässigkeit eines Zwischenurteiles nach einhelliger Rechtsprechung vom Rechtsmittelwerber ausdrücklich gerügt werden muss, um vom Rechtsmittelgericht beachtet werden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0040918). Da hier eine solche Rüge von der Revisionswerberin nicht vorgebracht wurde, ist auf die Frage der Zulässigkeit des vorliegenden Zwischenurteiles nicht einzugehen.Auf die Frage, ob im gegenständlichen Sozialrechtsverfahren die Voraussetzungen für die Fällung eines Zwischenurteiles überhaupt gegeben waren vergleiche Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 519 f mwN; Kuderna, ASGG2 541; Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 12. Erg-Lfg 762 ua), ist nicht einzugehen, weil die prozessuale Unzulässigkeit eines Zwischenurteiles nach einhelliger Rechtsprechung vom Rechtsmittelwerber ausdrücklich gerügt werden muss, um vom Rechtsmittelgericht beachtet werden zu können. Von Amts wegen ist darauf nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0040918). Da hier eine solche Rüge von der Revisionswerberin nicht vorgebracht wurde, ist auf die Frage der Zulässigkeit des vorliegenden Zwischenurteiles nicht einzugehen.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass im Verfahren über einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch aus Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Regeln des sogenannten Anscheinsbeweises modifiziert anzuwenden sind. In diesem Sinne reicht es für den Anscheinsbeweis aus, dass der Beweisbelastete bestimmte Tatsachen beweist, aus denen sich nach der Lebenserfahrung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf andere Tatsachen schließen lässt. Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises liegt dort, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen, also beim Beweis des Kausalzusammenhanges. Der Anscheinsbeweis genügt nur dann nicht, wenn es zumindest gleich wahrscheinlich ist, dass eine andere Ursache die Körperschädigung im selben Ausmaß und etwa zur selben Zeit herbeigeführt hätte und ein solches Ereignis in naher Zukunft auch tatsächlich vorgekommen wäre und die Schädigung ausgelöst hätte (SSV-NF 11/41; 9/17; 4/150; 2/65 mwN uva).
Ob in einem bestimmten Fall ein Anscheinsbeweis zulässig ist, kann als Frage der rechtlichen Beurteilung auch vom Obersten Gerichtshof geprüft werden. Ob der Anscheinsbeweis erbracht oder erschüttert worden ist, ist hingegen eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigungsfrage (SSV-NF 4/150; 2/65 mwN uva).
Die beklagte Partei wendet sich in ihren Revisionsausführungen nicht gegen die Zulässigkeit der Anwendung des Anscheinsbeweises im vorliegenden Fall. Sie vertritt aber den Standpunkt, dass dieser Beweis auf Grund mangelhafter Beweisergebnisse nicht als erbracht angesehen werden könne. Demgegenüber wurde jedoch vom Erstgericht ausdrücklich bejaht, dass die Infektion des Klägers mit dem Hepatitis-C-Virus eine typische Folge seiner seinerzeitigen Spendertätigkeit sei und damit die Erkrankung des Klägers auf den Kontakt mit kontaminiertem Blut bei einer Plasmaspende zurückzuführen sei. Das Berufungsgericht hat sich dem angeschlossen. Damit haben die Tatsacheninstanzen den Anscheinsbeweis als erbracht angesehen und damit eine vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbare Beweiswürdigung vorgenommen. Auch die Frage, ob die Vorinstanzen verpflichtet gewesen wären, weitere Beweise aufzunehmen, betrifft die Beweiswürdigung und ist gleichfalls vom Obersten Gerichtshof nicht zu untersuchen (10 ObS 41/93 mwN ua).
Dass ausgehend von dem von den Vorinstanzen bejahten Kausalzusammenhang die Erkrankung des Klägers gemäß § 176 Abs 1 Z 2 ASVG iVm §§ 176 Abs 2 und 177 ASVG als Berufskrankheit (Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG: "Infektionskrankheiten") zu gelten hat, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Bei der im weiteren Verfahren noch vorzunehmenden Prüfung der Frage, in welchem Ausmaß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Hepatitis-C-Erkrankung gemindert ist, wird auf die vom Obersten Gerichtshof erst jüngst in seiner Entscheidung 10 ObS 122/00i vom 23. 5. 2000 dargelegten Kriterien Bedacht zu nehmen sein.Dass ausgehend von dem von den Vorinstanzen bejahten Kausalzusammenhang die Erkrankung des Klägers gemäß Paragraph 176, Absatz eins, Ziffer 2, ASVG in Verbindung mit Paragraphen 176, Absatz 2 und 177 ASVG als Berufskrankheit (Nr 38 der Anlage 1 zum ASVG: "Infektionskrankheiten") zu gelten hat, wird auch in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Bei der im weiteren Verfahren noch vorzunehmenden Prüfung der Frage, in welchem Ausmaß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Hepatitis-C-Erkrankung gemindert ist, wird auf die vom Obersten Gerichtshof erst jüngst in seiner Entscheidung 10 ObS 122/00i vom 23. 5. 2000 dargelegten Kriterien Bedacht zu nehmen sein.
Die Revision musste somit erfolglos bleiben.
Anmerkung
E59499 10C02270European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:010OBS00227.00F.0919.000Dokumentnummer
JJT_20000919_OGH0002_010OBS00227_00F0000_000