TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/19 2005/21/0281

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Veröffentlicht am 19.12.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §34 Abs1 Z2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/21/0282 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2005/21/0296 E 19. Dezember 2006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der A, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Juni 2005, Zl. Fr 415/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus:

"Ihnen wurde am 15.09.2004 von der Österreichischen Botschaft in Bukarest eine Erstaufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck 'kurzfristig Kunstausübende selbständig, § 90 Abs. 4 Fremdengesetz 1997' mit einer Gültigkeit vom 15.09.2004 bis 29.09.2004 erteilt. Weiters wurde Ihnen von der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau mit Gültigkeit vom 01.10.2004 bis 12.10.2004 und von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Gültigkeit vom 12.10.2004 bis 26.10.2004 eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck 'kurzfristig Kunstausübende selbständig, § 90 Abs. 4 Fremdengesetz 1997' erteilt. Mit Eingabe vom 20.10.2004 beantragten Sie bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten eine Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck 'selbständig, § 7 Abs. 4 Ziff. 4 Fremdengesetz 1997' (gewertet als Antrag auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck 'kurzfristig Kunstausübende selbständig, § 90 Abs. 4 Fremdengesetz 1997').

Sie haben dem Antrag einen Gastspielvertrag, den Sie mit der Agentur I. für den Gültigkeitszeitraum 30.09.2004 bis 30.12.2004 abgeschlossen haben, beigelegt. Dem Vertrag ist zu entnehmen, dass die Agentur I. die Organisation von Auftritten von selbständigen Showtänzerinnen mit eigenem Programm im Bereich Show und Bühnentanz für Veranstalter übernimmt und sich verpflichtet, sie für derartige Auftritte zu vermitteln. Laut Vertrag sind Sie verpflichtet, den vereinbarten Auftritten nachzukommen. Es würde kein Dienstverhältnis mit dem Veranstalter bzw. der Agentur zustande kommen. Pro Arbeitstag würden Sie von der Vermittlungsagentur eine Gage von EUR 52,-- erhalten. Sie haben Ihrem Antrag weiters beigelegt eine Auftragsbestätigung der D. KEG (Betreiber des Lokales 'Heartbreaker'), welchen diese der Agentur I. über die Vermittlung von drei Show-Tänzerinnen (darunter auch Sie) für den Zeitraum vom 22.10.2004 bis 04.11.2004 erteilt hat. Demnach würden die Veranstaltungen von Montag bis Sonntag stattfinden. Sie hätten fünf Arbeitstage pro Woche. Den Tänzerinnen würde eine kostenlose Unterkunft zur Verfügung gestellt und der Transfer zum Auftrittsort unterliege auch dem Veranstalter. An die Agentur I. würde von der D. KEG ein Betrag von EUR 65,-- plus 20 % Mehrwertsteuer pro Tänzerin und pro Tag bezahlt werden. Intimer Körperkontakt zwischen Show-Tänzerin und Gästen während der Tätigkeit am Auftrittsort sei ausdrücklich verboten.

Einem Bericht des Gendarmeriepostens Amstetten vom 26.11.2004 ist zu entnehmen, dass im Zuge der periodischen Überprüfungen des Lokals 'Heartbreaker' ... Folgendes festgestellt worden ist:

(Es folgt eine Beschreibung der Räumlichkeit und der Tanzdarbietungen u.a. der Beschwerdeführerin.) Während der Tanzpausen setzen sich die Tänzerinnen zu den Gästen, sie sind dabei animierend bekleidet und konsumieren gemeinsam mit den Gästen Getränke, auf die sie von diesen meistens bzw. immer eingeladen werden.

     Mit Schreiben vom 10.01.2005 wurden Sie von der

Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom Ergebnis der Beweisaufnahme

verständigt und Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Sie

führten in Ihrer Stellungnahme aus, dass es im gegenständlichen

Fall um die Verlängerung einer erteilten Aufenthaltserlaubnis

gehen würde. Da sich die Voraussetzungen im Hinblick auf die

bisherige Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht geändert

hätten, hätten Sie schon aus diesem Grunde einen Rechtsanspruch

auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nach den einschlägigen

Bestimmungen des Fremdengesetzes. Die D. KEG verfüge über eine von

der NÖ Landesregierung erteilte Bewilligung für Musik-, Gesang-,

Tanz-, Kabarett- und Varieteveranstaltungen, eingeschränkt auf GO-

GO-Tanzvorführungen, aller Arten von Striptease, Erotikshows,

Tabledancevorführungen und 'Oben-ohne-service' ... Die

veranstaltungsrechtlichen Voraussetzungen für Ihre künstlerische

Betätigung seien daher gegeben. ... In der genannten Verständigung

würde die Behauptung aufgestellt, Sie würden keine künstlerische Tätigkeit ausüben. Die Behörde würde für diese Behauptung jedwede Begründung schuldig bleiben. Weshalb die Tanzvorführungen keinen künstlerischen Charakter haben sollten, würde nicht einmal ansatzweise argumentiert und sei die Ansicht der Behörde in keiner Weise nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Behauptung der Erstbehörde, die ausgeübte Tätigkeit sei keine selbständige Erwerbstätigkeit. Auch hierfür würde keine Begründung gegeben. Die Ver-tragsgestaltung zwischen Agentur, Tänzerin und Lokal sei jedenfalls eine solche, dass zweifellos von einer selbständigen Betätigung ausgegangen werden müsse. Faktum sei, dass sie sich künstlerisch betätigen und auch eigenes unternehmerisches Risiko tragen würden, es seien sämtliche Erfordernisse des Selbständigkeitsbegriffes erfüllt. Es gäbe keinen Grund, die Verlängerung des Aufenthaltstitels zu versagen und ein Ausweisungsverfahren einzuleiten. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb beispielsweise Prostituierte eine Aufenthaltserlaubnis für selbständige Tätigkeit ohne feste Niederlassung in Österreich problemlos erhalten würden, während künstlerische Darbietungen wie die gegenständliche, in der die Menschenwürde nicht so herabgesetzt würde wie beispielsweise bei der Prostitution, eine Aufenthaltserlaubnis versagt werden sollte. Die Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltstitel blieben daher vollinhaltlich aufrecht.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nimmt die erkennende Behörde unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung als erwiesen an, dass aufgrund der wirtschaftlichen Gestaltung des von Ihnen mit der Agentur I. abgeschlossenen Vertrages Sie im Lokal 'Heartbreaker' unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer verwendet werden sollen, woraus sich Ihre wirtschaftliche Unselbständigkeit ergibt.

Aus dem Bericht der Gendarmeriebeamten vom 26.11.2004 ergibt sich aus deren eigener dienstlicher Wahrnehmung, dass die dort tätigen Tänzerinnen in den Tanzpausen eine Getränkeanimation durchgeführt haben. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Animation der Gäste zum Getränkekonsum bei den im Lokal tätigen Tänzerinnen allgemein üblich ist. Betrachtet man weiters den von Ihnen vorgelegten Gastspielvertrag mit der Agentur I., den Sie für den Zeitraum vom 22.10.2004 bis 04.11.2004 abgeschlossen haben, so geht daraus hervor, dass Sie zumindest gegenüber der Agentur verpflichtet waren, den vereinbarten Auftritten nachzukommen. Falls Sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wären, hätten Sie eine Konventionalstrafe bezahlen müssen. Aus dem Auftrag des Lokalbetreibers an die Agentur I. ergibt sich, dass eine Tätigkeit ausschließlich im Lokal 'Heartbreaker' vorgesehen gewesen wäre, da der Auftrag über die Vermittlung von drei Showtänzerinnen für denselben Zeitraum erteilt wurde, den Sie als Tätigkeitszeitraum in Ihrem Gastspielvertrag angegeben haben. In diesem Auftrag wurde für die Tänzerinnen außerdem eine Arbeitszeit an fünf Tagen in der Woche sowie die kostenlose Unterkunft vereinbart. Sie wären gegenüber der Agentur verpflichtet, vereinbarten Auftritten bei sonstiger Zahlung einer Konventionalstrafe nachzukommen. Falls Auftritte daher ausschließlich im Lokal 'Heartbreaker' vereinbart wurden, wären Sie verpflichtet, dort aufzutreten. Ein Auftritt in einem anderen Lokal wäre somit einem Vertragsbruch gleichgekommen. Für die Frage, ob Sie in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gemäß § 2 Abs. 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz beschäftigt sind, ist nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (bloße Tanztätigkeit in einem Lokal aufgrund eines Vertrages zwischen Ihnen und einer Vermittlungsagentur sowie eines Auftrages des Lokalbetreibers an diese Vermittlungsagentur) maßgebend, sondern der wahre wirtschaftliche Gehalt der Beschäftigung. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass Sie einen schriftlichen Vertrag lediglich mit der Vermittlungsagentur geschlossen haben. Bei der Ausübung Ihrer Tätigkeit im Lokal (Tanzvorführung, Animation zum Getränkekonsum) sind Sie nicht mehr in der Lage, Ihre Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen, da Sie zumindest gegenüber der Agentur verpflichtet sind, Ihre Aufträge im Lokal 'Heartbreaker' zu absolvieren und daher letztendlich an der freien Verfügung über Ihre Arbeitskraft gehindert sind. Eine Anwesenheitspflicht ergibt sich aus dem Vermittlungsauftrag des Lokalbetreibers an die Agentur, zumal eine Arbeitszeit von fünf Tagen in der Woche vereinbart wurde. Es ist Ihnen daher nur möglich, Ihre Tanz- und Animationstätigkeit im Lokal 'Heartbreaker' auszuüben, nicht jedoch woanders. Sie sollten weiters in einer Wohnung des Lokalbetreibers untergebracht werden. Auch dies ist ein sehr deutliches Indiz für die wirtschaftliche, aber auch schon die persönliche Abhängigkeit vom Lokalbetreiber."

(Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof)

Die Ausübung einer Animiertätigkeit von Ausländerinnen in einem Nachtklub oder in ähnlichen Lokalitäten unter Beteiligung am Umsatz (auch an den verkauften Getränken) sei - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - auf Grund der wirtschaftlichen Gestaltung des abgeschlossenen Vertrages als Verwendung unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer zu qualifizieren. Aus § 2 Abs. 2 und 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG folge, dass der Begriff "Beschäftigung" im AuslBG nicht nur Arbeitsverhältnisse umfasse und dass unter einem Arbeitgeber nicht nur der Partner eines Arbeitsvertrages zu verstehen sei. Die Verpflichtung zur Einholung einer Beschäftigungsbewilligung vor der Beschäftigung eines Ausländers treffe daher nach § 3 Abs. 1 AuslBG auch einen "Werkvertragsgeber", wenn die Grundlage für den Vertrag nicht in gewerberechtlichen oder sonstigen Normen liege und der Werkvertrag so beschaffen sei, dass der "Werkvertragsnehmer" zwar nicht in der Frage seiner persönlichen, aber in der wirtschaftlichen Abhängigkeit einem Arbeitnehmer nahezu gleichkomme. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Betrieb stelle in ihrer Gesamtheit angesichts der starken wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung aller ihrer Aspekte mit dem Betrieb (Bereitstellung der Wohnmöglichkeit, Absolvierung der Tanzauftritte im Lokal) eine Beschäftigung iSd § 2 AuslBG dar.

Bei den vorliegenden Tanzdarbietungen handle es sich um Striptease in einem Lokal der Betriebsart einer Bar, was nach allgemeiner Lebenserfahrung keine künstlerische Tätigkeit begründe; im Einzelfall Entgegenstehendes sei nicht glaubhaft gemacht worden. Auch müsse nicht jede beruflich entfaltete Tätigkeit einer Person, selbst wenn sie "Künstlereigenschaft" aufweise, künstlerisch sein. Das "vorliegende Anforderungsprofil" enthalte keine individuelle Gestaltung und räume der auftretenden Person praktisch keinen Freiraum hinsichtlich des Tanzauftrittes ein.

Es sei daher - so folgerte die belangte Behörde - der Schluss zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer im Lokal "Heartbreaker" beschäftigt sein sollte und somit wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliege. Weiters könne die Tätigkeit nicht als künstlerisch eingestuft werden, weshalb sie dem beantragten Aufenthaltszweck nicht entspreche. Insoweit seien seit Erteilung des erstmaligen Aufenthaltstitels (vom 15. September 2004) Versagungsgründe bekannt geworden, die ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung erforderlich gemacht hätten.

§ 34 Abs. 1 FrG räume - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - Ermessen ein, sodass in Erwägung zu ziehen sei, welche Umstände vor dem Hintergrund des FrG für und gegen die Erlassung der Ausweisung sprächen. Darüber hinaus sei zu prüfen, ob der Erlassung der Ausweisung § 37 FrG entgegenstehe.

Die Beschwerdeführerin befinde sich erst seit September 2004 in Österreich. Dem Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, dass sie in Österreich Verwandte oder sonstige familiäre Beziehungen habe. Somit müssten ihre familiären Beziehungen zu Rumänien "jedenfalls weitaus intensiver sein als eventuelle private Beziehungen in Österreich". Es gebe auch keine Hinweise auf eine nennenswerte Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet. Daher könnten die Auswirkungen einer Ausweisung auf ihre Lebenssituation keinesfalls schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Ausweisung. Insgesamt gebe es keine wesentlichen Elemente, weswegen die Behörde den Ermessensspielraum zu Gunsten der Beschwerdeführerin ausüben müsste. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei als Übertretung des Fremdengesetzes von erheblicher Bedeutung zu werten. Die Ausweisung sei somit insgesamt dringend geboten.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z. 1), oder wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z. 2).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei über Jahre hindurch Praxis der Fremdenbehörden gewesen, Go-Go-Tänzerinnen als Künstlerinnen anzusehen, sodass auch ihr eine Aufenthaltserlaubnis auf Basis selbständiger künstlerischer Tätigkeit erteilt worden sei. Es entspreche nicht der Gesetzeslage, nunmehr, ohne dass sich ihre Tätigkeit geändert hätte, die Erteilung einer entsprechenden weiteren Aufenthaltserlaubnis zu versagen. Die Tätigkeit für die D. KEG sei selbständig und falle nicht in den Anwendungsbereich des AuslBG: Sie habe nur ein Vertragsverhältnis zur Vermittlungsagentur I., nicht aber zur D. KEG, die das Lokal "Heartbreaker" betreibe. Gleichermaßen bestehe zwischen der D. KEG ausschließlich ein Rechtsverhältnis zu dieser Vermittlungsagentur und nicht zu ihr. Die Abwicklung der finanziellen Geldflüsse erfolge ausschließlich im jeweiligen Verhältnis zur Agentur. Der - von ihr bestrittene - Umstand einer "Getränkeanimation" sei für die rechtliche Beurteilung ihrer Darbietungen unerheblich. Hiedurch trete nämlich keine Änderung am Charakter einer selbständigen künstlerischen Tätigkeit ein. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Ausweisungsbescheides lägen nicht vor. Vielmehr hätte eine Aufenthaltserlaubnis, wie sie selbst Prostituierte erhielten, erteilt werden müssen.

Dem ist zunächst zu entgegnen, dass eine "Getränkeanimation" der Beschwerdeführerin durch die erhebenden Sicherheitsbeamten am 25. November 2004 (Bericht vom 26. November 2004) unmittelbar wahrgenommen werden konnte. Die Unrichtigkeit ihrer Ausführungen indizierende Umstände wurden weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konkret dargetan, sodass im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung nach § 41 Abs. 1 VwGG keine Bedenken an der Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen bestehen.

Bei ihrer weiteren, auf die Vertragslage zwischen ihr und der Agentur I. einerseits sowie dieser und der D. KEG andererseits abstellenden Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass es für die Beurteilung der von ihr bestrittenen Arbeitnehmerähnlichkeit gerade nicht auf den formellen Inhalt der Vertragsbeziehung (zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger) ankommt. Entscheidend ist vielmehr die wirtschaftliche Unselbständigkeit der arbeitnehmerähnlichen Person, die darin zu erblicken ist, dass sie unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig ist (vgl. dazu ausführlich die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 2003, Zlen. 2000/09/0057, 0058 und 0065, sowie vom 15. September 2004, Zl. 2001/09/0202).

Im Hinblick auf das sich aus den oben wiedergegebenen Feststellungen der belangten Behörde ergebende Ausmaß der durch Vertragsstrafen abgesicherten Eingliederung der Beschwerdeführerin in das Unternehmen der D. KEG an fünf Arbeitstagen pro Woche, an denen Anwesenheitspflicht besteht, den Ausschluss weitere Tätigkeiten für andere Unternehmen und der kostenlosen Zurverfügungstellung einer Unterkunft im Bereich der D. KEG bestehen keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde die Stellung der Beschwerdeführerin als arbeitnehmerähnlich im Sinn der zitierten Vorjudikatur gewertet hat. Schon von daher stand der von der Beschwerdeführerin beantragten Aufenthaltserlaubnis "kurzfristig Kunstausübende selbständig" ein Versagungsgrund entgegen.

Die Beurteilung der - hier unstrittig nicht vorliegenden - Prostitution in anderen Fällen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/09/0120) ist für dieses Ergebnis ohne Bedeutung. Ebenso kommt es nicht darauf an, dass die Behörde, frühere Zeiten betreffend, Aufenthaltsberechtigungen erteilt hatte, steht doch nicht fest, dass schon damals eine unselbständige Tätigkeit der Beschwerdeführerin vorlag und dies der Behörde bekannt war.

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist (u.a.) eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG, mit der in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 37 Abs. 2 FrG darf (u.a.) eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 FrG jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seine Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang und zur Ermessensübung durch die belangte Behörde zwar Ermittlungs- und Feststellungsmängel geltend, legt aber - wie schon in ihrer Berufung - nicht konkret dar, über welche familiären Bindungen sie in Österreich verfüge oder welches besondere private Interesse sie an einem Verbleib im Bundesgebiet hätte. Eine Relevanz des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels ist daher in keiner Weise zu erkennen. Angesichts des verhältnismäßig kurzen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich durfte die belangte Behörde die Erlassung einer Ausweisung im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens jedenfalls für zulässig erachten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005210281.X00

Im RIS seit

24.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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