TE OGH 2000/10/3 4Ob210/00m

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Veröffentlicht am 03.10.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AS, *****, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H. ***** OEG, 2. Maria W*****, 3. Hermann W*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Stolz, Rechtsanwalt in Radstadt, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung nach Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 450.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 7. Juni 2000, GZ 4 R 78/00v-16, womit der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 9. März 2000, GZ 3 Cg 41/00m-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagten Parteien auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird den beklagten Parteien geboten, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Pullovern zu Zwecken des Wettbewerbs Pullover anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die jenen der klagenden Partei in Klagedauerbeilage ./O verwechselbar ähnlich sind, insbesondere Pullover gemäß Klagedauerbeilage ./P."

Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig, die beklagten Parteien haben die Kosten des Sicherungsverfahrens erster und zweiter Instanz endgültig selbst zu tragen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin produziert Strickwaren, insbesondere rustikale Pullover im "norwegischen Stil", die sie unter anderem auch in Österreich vertreibt. Die Erstbeklagte, deren persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, erzeugt und vertreibt Strickwaren in Österreich.

Unter der Gattungsbezeichnung "norwegische Pullover" sind weltweit Strickwaren bekannt, die sich durch ein besonders ansprechendes Design des Strickmusters auszeichnen. Die bestehende große Designvielfalt in diesem Bereich lässt eine weite Bandbreite unterschiedlicher Gestaltungen und unverwechselbarer Einzelmodelle hervorbringen. Die Klägerin entwickelt mit nicht unwesentlichen Kosten eigenständige Designlinien, darunter ein Pulloverdesign mit der Bezeichnung "G*****". Sie vertreibt Pullover mit diesem Design in Österreich. Die Erstbeklagte produziert und vertreibt Pullover mit einem Design, das jenem des Pullovers "G*****" der Klägerin ähnlich ist. Als gemeinsame Designlinie fallen die Einrahmung des in Karomuster gehaltenen oberen Brustbereichs durch rot-weiß-schwarze Streifen, die ähnlichen rot-weiß-schwarzen Streifen am Kragen und an den Ärmeln sowie ein ähnlicher breiter Bundstreifen ins Auge. Das Grundmuster, das den größeren Teil der Vorder- und Rückseite der Produkte einnimmt, ist bei beiden Produkten in weiß mit eingestricktem schwarzem "V" gehalten, wobei die "V" beim Pullover der Klägerin viel größer sind als jene beim Pullover der Erstbeklagten. Während die Klägerin bei ihrem Modell ein einreihiges Karomuster verwendet, in deren einzelnen Karos Schneesterne eingefügt sind, wird beim Pullover der Erstbeklagten ein Rautenmuster verwendet, wobei sich in den einzelnen Rauten Schneesterne und Rauten abwechseln. Die bei den Pullovern verwendeten Streumuster sind darüber hinaus unterschiedlich. Die aus Streichgarn gefertigten Pullover der Klägerin werden in der sogenannten "Flottjaguard"-Masche gestrickt, während die aus (sich auf der Haut weicher anfühlendem) Kammgarn gestrickten Pullover der Erstbeklagten in der sogenannten "Schlauchjaguard"-Weise hergestellt werden. Während die Klägerin ihre Marke im Kragen- und im Armbereich anbringt, weist die Erstbeklagte durch ein Metallschild im linken oberen Brustbereich auf sich als Erzeugerin hin. Der Pullover der Klägerin ist gefüttert, weist an Bund und Ärmel feine Stulpen auf und wird an Kragen und oberem Brustbereich durch zwei schöne silbrige Verschlüsse zusammengehalten; demgegenüber ist der Pullover der Erstbeklagten im oberen Bereich durch einen Reißverschluss zusammengehalten. Insgesamt erscheint trotz der großen Ähnlichkeit auf den ersten Blick der Pullover der Klägerin von der Qualität her beträchtlich anspruchsvoller als jener der Erstbeklagten.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Pullovern zu Zwecken des Wettbewerbs Pullover anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen, die jenen der Klägerin in Klagedauerbeilage ./O verwechselbar ähnlich sind, insbesondere Pullover gemäß Klagsdauerbeilage ./P.

Die Erstbeklagte ahme die Pullover der Klägerin, insbesondere deren Norweger-Pullover mit der Bezeichnung "G*****", in sittenwidriger Weise nach; sie benütze das Vorbild nicht bloß als Anregung zu eigenem Schaffen, sondern gebe ihrem Produkt ohne ausreichenden Grund die Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses. Damit werde die Gefahr von Verwechslungen hervorgerufen.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Sicherungsantrags. Das Nachahmen eines fremden Produkts, das keinen Sonderschutz genieße, sei an sich nicht wettbewerbswidrig. Es fehle an der Einzigartigkeit des Designs der Klägerin. Eine Herkunftstäuschung sei wegen der bestehenden Unterschiede der zu vergleichenden Pullover sowie infolge der auf den Produkten angebrachten Herstellerbezeichnungen ausgeschlossen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Bei Norweger-Pullovern gäbe es zwar eine Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten, doch wären diese keineswegs unendlich, sondern deutlich begrenzt. Im Hinblick auf die deutlichen Unterschiede der beiden Produkte in ihren Details und ihrer Qualität bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht zulässig sei. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr müsse dem nachgeahmten Produkt eine wettbewerbliche Eigenart zukommen; dies sei dann anzunehmen, wenn das Produkt beim Publikum eine Herkunftsvorstellung auslöse. Hier fehle es an der Verwechslungsgefahr, weil es Norweger-Pullover in unzähligen Variationen und von verschiedenen Herstellern gäbe, deren Produkte auf Grund der immer wieder verwendeten Muster häufig gewisse Ähnlichkeiten aufwiesen. Der Durchschnittskäufer habe deshalb kein bestimmtes Wahrnehmungsbild von einem bestimmten Norweger-Pullover mit charakteristischem Design im Gedächtnis, sondern nur ganz allgemein "den Norweger-Pullover an sich" mit seinen typischen Mustern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Pullovers unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, ihr von den Beklagten nachgeahmter Pullover besitze wettbewerbliche Eigenart, weil er ein individuell gestaltetes Exemplar aus der Gattung der Norwegerpullover sei und sich von anderen Norwegerpullovern abhebe. Das nachgeahmte Produkt der Beklagten sei geeignet, mit dem Original der Klägerin verwechselt zu werden. Den Beklagten sei zumutbar, ihrem Pullover ein anderes Design zu geben. Dem ist zuzustimmen.

Das Nachahmen eines fremden Produkts, das keinen Sonderschutz - etwa

nach dem MSchG, dem UrhG oder als Unternehmenskennzeichen - genießt,

ist an sich nicht wettbewerbswidrig; ein Verstoß gegen § 1 UWG ist

aber dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände

hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt

(stRsp ua ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel; MR 1997, 222 = ÖBl

1998, 17 - Schokobananen mwN). Das ist (ua) dann der Fall, wenn der

Nachahmende das Vorbild nicht nur als Anregung zu eigenem Schaffen

benützt, sondern seinem Produkt ohne ausreichenden Grund die

Gestaltungsform eines fremden Erzeugnisses gibt und dadurch die

Gefahr von Verwechslungen hervorruft. Der Nachahmer muss von dem

nachgeahmten Erzeugnis im Rahmen des Möglichen, vor allem dann, wenn

ihm eine große Anzahl von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung

steht, angemessenen Abstand halten. Eine "vermeidbare

Herkunftstäuschung" setzt voraus, dass eine bewusste Nachahmung

vorliegt, die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird und eine

andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre (ÖBl 1992, 109 -

Prallbrecher; ÖBl 1996, 292 - Hier wohnt, jeweils mwN; MR 1997, 111 =

WBl 1997, 308 = ecolex 1997, 586 = ÖBl 1997, 167 - Astoria mwN).

Verwechslungsgefahr ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn dem nachgeahmten Produkt wettbewerbliche Eigenart und eine gewisse Verkehrsbekanntheit zukommt (ÖBl 1991, 213 - Cartes Classiques; ÖBl 1996, 292 - Hier wohnt; ÖBl 1997, 167 - Astoria). "Wettbewerblich eigenartig" ist ein Erzeugnis dann, wenn es bestimmte Merkmale oder Gestaltungsformen aufweist, die im Geschäftsverkehr seine Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen anderer Herkunft ermöglichen (MR 1997, 222 = ÖBl 1998, 17 - Schokobananen mwN). Ist die wettbewerbliche Eigenart gering, kann nur ein eingeschränkter Schutz in Anspruch genommen werden; in einem solchen Fall können schon geringe Abweichungen die Gefahr von Verwechslungen beseitigen (4 Ob 9/98x; 4 Ob 84/99b; 4 Ob 210/00m).

Richtig ist nun zwar, wie das Rekursgericht ausführt, dass es Norwegerpullover in unzähligen Variationen und von vielen verschiedenen Herstellern gibt, die auf Grund der immer wieder verwendeten Muster häufig gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Dies schließt aber - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - noch nicht zwingend aus, dass der Pullover der Klägerin in seinem Design gegenüber anderen Norwegerpullovern ausgeprägt eigenartig und deshalb geeignet sein kann, im Verkehr einen solchen Grad von Bekanntheit zu erlangen, dass er zu einem Erinnerungsbild im Gedächtnis des Publikums führt (so die Rsp zur Nachahmung von Werbemethoden und -mitteln: ÖBl 1988, 41 - Easy Rider; MR 1995, 117 - Reiseinformation).

Der Pullover der Klägerin weist ein ausgeprägt individuell gestaltetes Design mit einem klar strukturierten dreiteiligen Aufbau an Brust und Ärmeln auf. Der obere Bereich ist durch ein breites, auffälliges Muster aus Rauten und Schneesternen gekennzeichnet und setzt sich deutlich gegenüber dem ruhigeren Mittelteil mit lilienförmigen, blauen Elementen auf weißem Grund ab; ihren Abschluss finden Brustteil und Ärmel an den Bünden jeweils mit einer aus sechseckigen Elementen gestalteten Randstrickerei. In der Mitte unter der Brustöffnung sowie auf den Ärmeln reicht jeweils ein markantes Dreieck mit einem Schneestern in den Mittelteil. Dieses originelle Design ist auf Grund seiner Prägnanz geeignet, beim Publikum eine Herkunftsvorstellung auszulösen. Der beanstandete Pullover der Beklagten übernimmt nun dieses charakteristische Design in seinen ins Auge springenden Elementen glatt; die geringfügigen Unterschiede der beiden Pullover im Detail treten angesichts des übereinstimmenden Gesamteindrucks völlig in den Hintergrund. Es ist deshalb auch die Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Haben demnach die Beklagten ohne technische oder funktionsbedingte Notwendigkeit das wettbewerblich eigenartige Produkt der Klägerin bis auf geringfügige Details nachgeahmt, obwohl ihnen eine Vielzahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten für Norwegerpullover offenstehen, und ist ihr Pullover geeignet, eine vermeidbare Herkunftstäuschung bei den angesprochenen Verkehrskreisen mit dem als Vorbild dienenden Pullover der Klägerin auszulösen, besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu Recht. Ob die Beklagten ihr Produkt unter Zugrundelegung einer eigenen Leistung, also eines eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgangs (etwa durch Unterschiede im Strickmuster, in der Strickart, im Garn oder in der Qualität) eigenständig entwickelt oder ob sie eine fremde Leistung glatt übernommen hat, ist zwar bei Beurteilung der von der Rechtsprechung zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppe "unmittelbare Leistungsübernahme" von Bedeutung; bei der hier vorliegenden Fallgruppe "Herbeiführung von Verwechslungsgefahr"sind diese vom Rekursgericht aufgezählten Kriterien hingegen nicht ausschlaggebend.Haben demnach die Beklagten ohne technische oder funktionsbedingte Notwendigkeit das wettbewerblich eigenartige Produkt der Klägerin bis auf geringfügige Details nachgeahmt, obwohl ihnen eine Vielzahl anderer Gestaltungsmöglichkeiten für Norwegerpullover offenstehen, und ist ihr Pullover geeignet, eine vermeidbare Herkunftstäuschung bei den angesprochenen Verkehrskreisen mit dem als Vorbild dienenden Pullover der Klägerin auszulösen, besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu Recht. Ob die Beklagten ihr Produkt unter Zugrundelegung einer eigenen Leistung, also eines eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgangs (etwa durch Unterschiede im Strickmuster, in der Strickart, im Garn oder in der Qualität) eigenständig entwickelt oder ob sie eine fremde Leistung glatt übernommen hat, ist zwar bei Beurteilung der von der Rechtsprechung zu Paragraph eins, UWG entwickelten Fallgruppe "unmittelbare Leistungsübernahme" von Bedeutung; bei der hier vorliegenden Fallgruppe "Herbeiführung von Verwechslungsgefahr"sind diese vom Rekursgericht aufgezählten Kriterien hingegen nicht ausschlaggebend.

Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsbeantwortung wurde der Kanzlei des Beklagtenvertreters am 22. 8. 2000 zugestellt. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beträgt 14 Tage (§ 402 Abs 3 EO). Der am 19. 9. 2000 zur Post gegebene Schriftsatz der Beklagten ist daher verspätet.Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO, jene über die Kosten der Beklagten auf Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 50 Absatz eins, ZPO. Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsbeantwortung wurde der Kanzlei des Beklagtenvertreters am 22. 8. 2000 zugestellt. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortung beträgt 14 Tage (Paragraph 402, Absatz 3, EO). Der am 19. 9. 2000 zur Post gegebene Schriftsatz der Beklagten ist daher verspätet.

Anmerkung

E59413 04A02100

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0040OB00210.00M.1003.000

Dokumentnummer

JJT_20001003_OGH0002_0040OB00210_00M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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