TE OGH 2000/10/5 8ObA175/00v

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Veröffentlicht am 05.10.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Karl Lewisch und MR Dr. Edith Söllner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sonja M*****, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, wider die beklagte Partei Dr. Reinhard K*****, wegen S 3.007,04 netto sA, infolge der außerordentlichen Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. April 2000, GZ 9 Ra 25/00p-10, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. November 1999, GZ 4 Cga 173/99a-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.031,36 (darin S 338,56 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stand vom 1. 11. 1995 bis 13. 9. 1998 zum Beklagten in einem Lehrverhältnis. An dieses schloss ein befristetes Dienstverhältnis für den Zeitraum 14. 9. 1998 bis 13. 1. 1999 an. Die Klägerin bezog zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von S 10.040,--. Ab 5. 10. 1998 wurde die Klägerin wegen der bestehenden Schwangerschaft bis zum Beginn der gesetzlichen Schutzfrist vom Dienst freigestellt.

Auf das Dienstverhältnis der Klägerin kommt der Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte in Niederösterreich zur Anwendung. Art XII des Kollektivvertrages enthält hinsichtlich der Urlaubs- und Weihnnachtsremuneration (13. und 14. Gehalt) folgende Regelung:Auf das Dienstverhältnis der Klägerin kommt der Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte in Niederösterreich zur Anwendung. Art römisch XII des Kollektivvertrages enthält hinsichtlich der Urlaubs- und Weihnnachtsremuneration (13. und 14. Gehalt) folgende Regelung:

"Am 30. November eines jeden Jahres gebührt den Angestellten eine Weihnnachtsremuneration und bei Antritt des Urlaubes, spätestens jedoch am 1. Juli eines jeden Jahres, eine Urlaubsremuneration in der Höhe eines vollen Monatsgehaltes. Den während des Jahres ein- und austretenden Angestellten wird der aliquote Teil dieser Remuneration bezahlt."

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Differenzbetrages von S 3.007,04 netto mit dem Vorbringen, die Berechnung der Sonderzahlung sei vom Beklagten nicht im Einklang mit Art XII des genannten Kollektivvertrages erfolgt. Ihr stehe Weihnachtsremuneration auf Basis des vollen Monatsgehaltes als Angestellte zu, da sie ihr Dienstverhältnis nicht erst während des Jahres 1998 angetreten habe. Zur Untermauerung ihres Standpunktes stützt sich die Klägerin darauf, dass der anzuwendende Kollektivvertrag keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Höhe der Weihnnachtsremuneration in jenen Fällen aufweise, in denen sich an die Lehrzeit ein Angestelltendienstverhältnis angeschlossen habe. Es habe daher keine Aliquotierung der Weihnachtsremuneration, basierend einerseits auf der Lehrlingsentschädigung für die Dauer der Lehrzeit und andererseits auf dem Gehalt für die Dauer des Angestelltendienstverhältnisses, zu erfolgen.Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Differenzbetrages von S 3.007,04 netto mit dem Vorbringen, die Berechnung der Sonderzahlung sei vom Beklagten nicht im Einklang mit Art römisch XII des genannten Kollektivvertrages erfolgt. Ihr stehe Weihnachtsremuneration auf Basis des vollen Monatsgehaltes als Angestellte zu, da sie ihr Dienstverhältnis nicht erst während des Jahres 1998 angetreten habe. Zur Untermauerung ihres Standpunktes stützt sich die Klägerin darauf, dass der anzuwendende Kollektivvertrag keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Höhe der Weihnnachtsremuneration in jenen Fällen aufweise, in denen sich an die Lehrzeit ein Angestelltendienstverhältnis angeschlossen habe. Es habe daher keine Aliquotierung der Weihnachtsremuneration, basierend einerseits auf der Lehrlingsentschädigung für die Dauer der Lehrzeit und andererseits auf dem Gehalt für die Dauer des Angestelltendienstverhältnisses, zu erfolgen.

Der Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Die von ihm vorgenommene Berechnung der an die Klägerin ausgezahlten Sonderzahlung von S 3.320,80 netto unter Zugrundelegung des Lehrlingsbezuges für den Zeitraum vom 1. 1. 1998 bis 13. 9. 1998 und des Angestelltenbezuges für den Zeitraum vom 14. 9. 1998 bis 4. 10. 1998 entspreche der anzuwendenden kollektivvertraglichen Regelung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kollektivvertrag enthalte eine klare unmissverständliche Regelung. Eine dem Kollektivvertrag für Handelsangestellte entsprechende Aliquotierung der Weihnnachtsremuneration für die Dauer der Lehrzeit und der Angestelltenzeit fehle.

Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Art XII des anzuwendenden Kollektivvertrages sehe eine am 30. November eines jeden Jahres fällige Weihnnachtsremuneration in Höhe eines vollen Monatsgehaltes vor. Der zweite Satz dieser Bestimmung gehe jedoch von einer Aliquotierung dieser Sonderzahlung für den Fall aus, dass das Dienstverhältnis nicht das ganze Jahr gedauert habe. Die Klägerin sei im Jahr 1998 beim Beklagten bis 13. 9. in einem Lehrverhältnis gestanden und erst ab 14. 9. 1998 in einem Angestelltendienstverhältnis beschäftigt gewesen. Das Lehrverhältnis diene nach dem BAG einer völlig anderen Zielsetzung als der Dienstvertrag. Für den Lehrling würden die Bestimmungen des hier in Frage stehenden Kollektivvertrages nicht gelten. Der Lehrling sei nach Ablauf der Lehrzeit im Betrieb im erlernten Beruf vier Monate lang weiterzuverwenden. Auf dieses Dienstverhältnis sei im Rahmen der Behaltepflicht der jeweils entsprechende Kollektivvertrag anzuwenden, im gegenständlichen Fall der Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte in Niederösterreich. Schon nach dem Wortlaut des Art XII des Kollektivvertrages habe eine Aliquotierung der Sonderzahlungen (hier der Weihnnachtsremuneration) zu erfolgen, wenn der Angestellte während des Jahres ein- oder austrete und somit das Dienstverhältnis nur für einen Teil des Jahres bestehe. Es sei daher die Weihnnachtsremuneration nach Art XII des hier anzuwendenden Kollektivvertrages nur anteilig für die Dauer des Dienstverhältnisses als Angestellte auf Basis des Angestelltenbezuges zu ermitteln. Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil mit einer grammatikalischen Auslegung des Kollektivvertrages das Auslangen gefunden werden könne, auch wenn eine Judikatur des Höchstgerichtes zu dieser kollektivvertraglichen Regelung nicht vorliege.Über Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Art römisch XII des anzuwendenden Kollektivvertrages sehe eine am 30. November eines jeden Jahres fällige Weihnnachtsremuneration in Höhe eines vollen Monatsgehaltes vor. Der zweite Satz dieser Bestimmung gehe jedoch von einer Aliquotierung dieser Sonderzahlung für den Fall aus, dass das Dienstverhältnis nicht das ganze Jahr gedauert habe. Die Klägerin sei im Jahr 1998 beim Beklagten bis 13. 9. in einem Lehrverhältnis gestanden und erst ab 14. 9. 1998 in einem Angestelltendienstverhältnis beschäftigt gewesen. Das Lehrverhältnis diene nach dem BAG einer völlig anderen Zielsetzung als der Dienstvertrag. Für den Lehrling würden die Bestimmungen des hier in Frage stehenden Kollektivvertrages nicht gelten. Der Lehrling sei nach Ablauf der Lehrzeit im Betrieb im erlernten Beruf vier Monate lang weiterzuverwenden. Auf dieses Dienstverhältnis sei im Rahmen der Behaltepflicht der jeweils entsprechende Kollektivvertrag anzuwenden, im gegenständlichen Fall der Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte in Niederösterreich. Schon nach dem Wortlaut des Art römisch XII des Kollektivvertrages habe eine Aliquotierung der Sonderzahlungen (hier der Weihnnachtsremuneration) zu erfolgen, wenn der Angestellte während des Jahres ein- oder austrete und somit das Dienstverhältnis nur für einen Teil des Jahres bestehe. Es sei daher die Weihnnachtsremuneration nach Art römisch XII des hier anzuwendenden Kollektivvertrages nur anteilig für die Dauer des Dienstverhältnisses als Angestellte auf Basis des Angestelltenbezuges zu ermitteln. Die Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil mit einer grammatikalischen Auslegung des Kollektivvertrages das Auslangen gefunden werden könne, auch wenn eine Judikatur des Höchstgerichtes zu dieser kollektivvertraglichen Regelung nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil oberstgerichtliche Judikatur zur streitentscheidenden Frage in dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag fehlt, wie die Urlaubs- und Weihnnachtsremuneration zu berechnen ist, wenn sich ein Angestelltendienstverhältnis an das Lehrverhältnis anschließt und der Kollektivvertrag hiezu keine ausdrückliche Regelung (wie zB der Kollektivvertag für Handelsangestellte) enthält, zumal auch höchstgerichtliche Judikatur zu anderen Kollektivverträgen mit gleichartiger Regelung - nämlich zu Kollektivverträgen, die eine Aliquotierung vorsehen, aber des Falles nicht gedenken, dass sich an die Lehrzeit ein Dienstverhältnis als Angestellter (oder Arbeiter) anschließt - fehlt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Klägerin meint, sie sei das gesamte Jahr 1998, wenn auch zum Teil im Rahmen eines Lehrverhältnisses beim Beklagten beschäftigt gewesen und nicht erst während des Jahres 1998 eingetreten, sodass der zweite Satz des Art XII des Kollektivvertrages, der eine Aliquotierung für den Fall vorsieht, dass der Angestellte während des Jahres ein- oder ausgetreten sei, nicht anzuwenden sei. Ihr gebühre daher am 30. November eine Weihnnachtsremuneration in der Höhe eines vollen Monatsgehalts.Die Klägerin meint, sie sei das gesamte Jahr 1998, wenn auch zum Teil im Rahmen eines Lehrverhältnisses beim Beklagten beschäftigt gewesen und nicht erst während des Jahres 1998 eingetreten, sodass der zweite Satz des Art römisch XII des Kollektivvertrages, der eine Aliquotierung für den Fall vorsieht, dass der Angestellte während des Jahres ein- oder ausgetreten sei, nicht anzuwenden sei. Ihr gebühre daher am 30. November eine Weihnnachtsremuneration in der Höhe eines vollen Monatsgehalts.

Soweit die Klägerin den Standpunkt vertritt, ihr stehe ein voller Angestelltenbezug als Weihnachtsremuneration zu, weil sie das gesamte Jahr 1998 beschäftigt gewesen sei, weicht sie damit unzulässigerweise von ihrem in erster Instanz erhobenen Begehren ab, bei dem sie die Freistellung ab 5. 10. 1998 berücksichtigte und lediglich die Zugrundelegung des Angestelltenbezuges als Bemessungsgrundlage für den gesamten für die Berechnung der aliquoten Sonderzahlung herangezogenen Zeitraumes vom 1. 1. 1998 bis 4. 10. 1998 forderte.

Aber auch der Rechtsauffassung, der Angestelltenbezug sei der Berechnung der aliquoten Weihnachtsremuneration auch für die als Lehrling zurückgelegten Zeiten zu Grunde zu legen, kann nicht gefolgt werden.

Die Klägerin war zwar das ganze Jahr beim selben Dienstnehmer beschäftigt, jedoch nur die letzte Zeit als Angestellte, davor als Lehrling. Der Anspruch auf Weihnachtsremuneration nach dem hier maßgeblichen Kollektivvertrag für Rechtsanwaltsangestellte sieht eine Aliquotierung dieser Sonderzahlung vor, wenn das Dienstverhältnis nicht das ganze Jahr gedauert hat, erwähnt jedoch - anders als manche anderen Kollektivverträge, zB der Kollektivvertrag für Handelsangestellte - nicht ausdrücklich, dass eine Aliquotierung auch dann zu erfolgen hat, wenn der bisher als Lehrling Beschäftigte während des Jahres ausgelernt hat und nunmehr als Angestellter weiterbeschäftigt wird.

Auch wenn ein Kollektivvertrag eines solchen Falles ausdrücklich gedenkt und expressis verbis eine Aliquotierung für diesen Fall vorsieht, dient dies nur der Klarstellung, eignet sich aber nicht dafür, daraus den Umkehrschluss zu ziehen, dass in allen Fällen, in denen ein Kollektivvertrag wie hier ganz allgemein eine Aliquotierung vorsieht, wenn der Angestellte während des Jahres ein- oder austritt, eine ausdrückliche Regelung für den Übergang vom Lehrlings- auf das Angestelltenverhältnis während des Jahres aber fehlt, die Aliquotierung nicht beabsichtigt gewesen wäre. Auch ohne eine solche ausdrückliche Erwähnung ergibt eine vernünftige und zweckentsprechende, den gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer beabsichtigende Auslegung (SZ 62/135 ua), dass auch in diesem Fall zu aliquotieren ist. Anderes könnte nur dann gelten, wenn der Kollektivvertrag entweder überhaupt keine Aliquotierung vorsieht oder ausdrücklich vorsieht, dass eine Aliquotierung dann nicht stattzufinden hat, wenn ein Lehrlingsverhältnis während des Jahres in ein Angestelltendienstverhältnis übergeht.

Dies ist aber hier nicht der Fall. Die Klägerin war nur während eines Teiles des Jahres als Angestellte beim Beklagten tätig; sie ist erst während des Jahres nach Beendigung der Lehrzeit "als Angestellte eingetreten", sodass ihr nur für die Zeit ihrer Angestelltentätigkeit eine aliqoute Weihnachtsremuneration auf Basis ihres Angestelltenbezuges zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E59449 08B01750

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:008OBA00175.00V.1005.000

Dokumentnummer

JJT_20001005_OGH0002_008OBA00175_00V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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