TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/20 2005/08/0041

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Veröffentlicht am 20.12.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1 Z4 idF 2004/I/077;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. Dr. L in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Wilfing, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 15/9, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 25. Februar 2005, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2005-436, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenersatzbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Am 2. Dezember 2004 wurde mit dem im Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Niederschrift aufgenommen. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice aufgefordert wurde, bis zum 31. Jänner 2005 wöchentlich zumindest zwei Bewerbungen glaubhaft zu machen. Er könne sich schriftlich, telefonisch oder persönlich bewerben, müsse allerdings die Bewerbungen z.B. durch Kopien von Bewerbungsschreiben oder durch Bekanntgabe von Personen, bei denen er sich beworben habe, glaubhaft machen. Eine Überprüfung der Bewerbungsaktivitäten erfolge anlässlich der Kontrolltermine, zu denen er die ausgefüllte Bewerbungsliste sowie sonstige Nachweise über seine Bewerbungsaktivitäten mitbringen möge. Der erste Kontrolltermin werde für den 28. Dezember 2004 vorgeschrieben. Die Niederschrift enthält weiters den Hinweis, dass sowohl die mangelnde Eigeninitiative zur Erlangung einer Beschäftigung als auch das Unterlassen einer vorgeschriebenen Kontrollmeldung ohne triftigen Grund den vorübergehenden Verlust des Leistungsanspruches gemäß § 10 bzw. § 49 AlVG zur Folge haben könne.

Laut einer weiteren Niederschrift der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 1. Februar 2005 habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er nicht bereit bzw. nicht in der Lage sei, die vereinbarten Nachweise seiner Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung vorzulegen: Er wolle seine Informationen nicht weiter geben, weil aus seiner subjektiven Sicht ihm ausschließlich "aversiv" gegenüber getreten werde und er seine Arbeitssuche nicht offen legen möchte. Der Beschwerdeführer habe weiter angegeben, er wolle die Leistung weiter beziehen und weise seine Arbeit "Die Auferstehung des Tieres" vor.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftstelle des Arbeitsmarktservice vom 4. Februar 2005 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum vom 1. Februar 2005 bis 14. März 2005 des Anspruches auf Notstandshilfe für verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vereinbarte Nachweise ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nicht vorgelegt.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, es könne von keinen vereinbarten Nachweisen ausgegangen werden. Seine Unterschrift vom 2. Dezember 2004 sei auf Grund ihres Zustandekommens rechtsungültig. Dies werde seit seiner erstmaligen Anzeige des Sachverhaltes in einer Berufung vom 5. Jänner 2005 hartnäckig geleugnet. Ebenso seien auch seine Eingaben vom 25. Jänner 2005 und vom 1. Februar 2005 unberücksichtigt geblieben, in denen er nachgewiesen habe, dass ihm die "vereinbarten" Nachweise zur Erlangung einer Beschäftigung eindeutig nicht zumutbar seien. Er habe dabei auch seine Anstrengungen und Fortschritte auf seinem Weg nachgewiesen, wieder in ein geregeltes bezahltes Arbeitsverhältnis eintreten zu können "(vorläufiger Arbeitsnachweis, 70 Seiten)". In seiner derzeitigen Situation sei es ihm nicht zumutbar und unsinnig, zwei Bewerbungen pro Woche zusammenzustellen und eine Vollzeitbeschäftigung anzustreben. In einem vorbereitenden Schriftsatz vom 1. Februar 2005 für eine Verhandlung am 4. Februar 2005 habe er darauf auch hingewiesen. Auf Grund seiner Situation könne der Beschwerdeführer derzeit nur geringfügige Beschäftigungen annehmen. Er benütze auch diese Gelegenheit erneut, dem Arbeitsmarktservice sein aus der laufenden Praxis und durch laufende Weiterbildung erworbenes Wissen zugänglich zu machen und erneut anzubieten.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei seit 17. Mai 2001 laufend in Vermittlungsvormerkung. Er habe bisher keinen einzigen Stellensuchenachweis erbracht. Er sei Elektrotechniker. Am 24. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer einen Stellenvorschlag als Elektrotechniker erhalten, den er infolge Überqualifikation abgelehnt habe. Der Beschwerdeführer habe die mit ihm am 2. Dezember 2004 vereinbarte Eigeninitiative, nämlich wöchentlich zwei Bewerbungen vorzulegen, nicht erfüllt. Damit habe der Beschwerdeführer den Nachweis ausreichender Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nicht erbracht. Seine Verantwortung, seine Informationen nicht weitergeben zu wollen, könne nicht als berücksichtigungswürdiger Grund gewertet werden, weil er die Vereinbarung unterfertigt habe und der Nachweis der Eigeninitiative Voraussetzung für den Erhalt der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 9 Abs. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden

Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet:

"Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist."

§ 10 AlVG in der hier zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

...

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

...

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Gemäß § 38 AlVG sind die genannten Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Das Arbeitsmarktservice kann einen Arbeitslosen nach § 10 Abs. 1 Z. 4 AlVG auffordern, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen. Wird eine solche Aufforderung dahingehend konkretisiert, dass der Arbeitslose in bestimmter Zeit eine bestimmte Zahl von Bewerbungen nachweisen soll, kann dies aber nichts daran ändern, dass der Arbeitslose dennoch nur nachweisen muss, dass er ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung gemacht hat.

Es ist Aufgabe der Behörde zu beurteilen, ob die nachgewiesenen Anstrengungen unter den konkreten Verhältnissen vor dem Hintergrund des - ebenfalls darzustellenden - Umfeldes auf dem konkret in Frage kommenden Teil des Arbeitsmarktes nach den persönlichen Verhältnissen des Arbeitslosen ausreichend waren oder nicht. Kommt sie zum Ergebnis, die Anstrengungen seien nicht ausreichend, hat sie ihre diesbezüglichen Erwägungen in der Begründung des Bescheides darzulegen. Die Bescheidbegründung hat eine Würdigung der Anstrengungen zu enthalten. Hiebei ist das Gesamtverhalten des Arbeitslosen von der Aufforderung bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu beurteilen (vgl. zu im Wesentlichen gleichlautenden früheren Fassungen der §§ 9 und 10 AlVG die hg. Erkenntnisse vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0241, vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/08/0030, vom 19. Oktober 2001, Zl. 99/02/0155, und vom 20. April 2005, Zl. 2004/08/0169).

Im vorliegenden Fall wurde die Aufforderung des Arbeitsmarktservice dahingehend konkretisiert, dass der Beschwerdeführer zwei Bewerbungen wöchentlich nachweisen müsse. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, schon ein Zuwiderhandeln gegen eine in dieser Weise vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen allein erfülle den Tatbestand des § 10 AlVG. Diese Auffassung ist vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage aber unzutreffend (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. April 2005).

Erwägungen zur Frage der "ausreichenden Anstrengungen" enthält der angefochtene Bescheid, ausgehend von der Rechtsauffassung, ein Zuwiderhandeln gegen die Aufforderung, eine bestimmte Zahl von Bewerbungen in einer bestimmten Zeit nachzuweisen sei für den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe ausreichend, nicht. Die belangte Behörde hat sich in ihrer Bescheidbegründung auch nicht mit den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der Berufung auseinandergesetzt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Das Kostenersatzbegehren war abzuweisen, da der Beschwerdeführer bei der Einbringung der Beschwerde nicht tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG).

Wien, am 20. Dezember 2006

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005080041.X00

Im RIS seit

06.03.2007

Zuletzt aktualisiert am

27.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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