TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/20 2002/12/0161

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Veröffentlicht am 20.12.2006
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
DO Wr 1966 §52 impl;
DO Wr 1994 §19 Abs1;
DO Wr 1994 §68 Abs1 Z2 idF 1998/023;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der O in K, vertreten durch Dr. Michael Gabler und Mag. Dr. Erich Gibel, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Bescheid der gemeinderätlichen Personalkommission der Stadt Wien vom 6. März 2002, Zl. RSa/w/Ref. 560B, betreffend (vorzeitige) Ruhestandsversetzung gemäß § 68 Abs. 2 Z. 1 DO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1947 geborene Beschwerdeführerin steht als Beamtin im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien; sie war bis zu ihrer Ruhestandsversetzung mit Wirkung vom 31. Oktober 1999 im gehobenen medizinisch-technischen Dienst im K-Spital eingesetzt.

Die Beschwerdeführerin wurde nach der Rückkehr von einem Urlaub auf Veranlassung ihrer Dienststelle vom 1. Juli 1998 von einer Ärztin der MA 15 - Gesundheitswesen untersucht und ein amtsärztliches Gutachten unter Verwertung der Aktenlage und nach Einsicht in Vorgutachten mit Datum vom 23. Juli 1998 erstellt. In diesem Gutachten wird auf ein psychiatrisches Gutachten eines Facharztes Dr. B vom 1. Juli 1998 Bezug genommen und weiter ausgeführt, die Beschwerdeführerin gebe subjektiv keine psychischen Probleme und subjektiv volle Dienstfähigkeit an. Die bei der Voruntersuchung 1996 geäußerten paranoiden Ideen seien von der Beschwerdeführerin derzeit nicht in diesem Umfang wiederholt worden, die angebotenen Erklärungen für die Auffälligkeiten erschienen allerdings unrealistisch und wenig überzeugend. Bezüglich der jüngsten Vorfälle und Konflikte an ihrer Dienststelle seien kaum Informationen vorhanden. Der vordergründige Konflikt mit einer Kollegin werde von der Beschwerdeführerin plausibel und nachvollziehbar geschildert. Die anderen Punkte und Anspielungen, die im Gesprächsprotokoll festgehalten seien, könnten in ihrer Bedeutung und in ihrem Zusammenhang mit der Angelegenheit von der Beschwerdeführerin nicht erklärt werden. Sie bemühe sich auch, diese Themen zu vermeiden, sodass Dissimulationstendenzen anzunehmen seien. Insgesamt sei derzeit eine eindeutige paranoide Symptomatik nicht fassbar; es entstehe allerdings der Eindruck, dass die Beschwerdeführerin von den anamnestisch bekannten paranoiden Gedanken nicht ausreichend distanziert sei. Das Ausmaß der daraus resultierenden beruflichen Beeinträchtigung sei aus der Distanz und ohne nähere Kenntnisse über Vorfälle der jüngeren Zeit nicht sicher zu beurteilen. Für den Fall wiederholter Auffälligkeiten oder einer nicht zufrieden stellenden Arbeitsleistung müsste eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung angenommen werden; eine Außerdienststellung und Pensionierung der Beschwerdeführerin wäre in diesem Fall zu empfehlen.

Als "grob psychischer" Befund wird in diesem Gutachten weiter angegeben:

"zunächst angespannt, im Laufe des Gespräches jedoch kooperativer, euthym, Gedankenduktus: weitschweifend, umständlich, jedoch Ziel erreichend, inhaltlich nachvollziehbar, jedoch Themenvermeidung gegeben, keine Wahnideen explorierbar;"

Die Diagnose lautet:

"Sowohl bei der hier amtlichen Untersuchung als auch bei der psychiatrischen Zusatzbegutachtung waren Auffälligkeiten im Sinne von Vorbeireden und paranoider Reaktionsbereitschaft erkennbar. Im Anbetracht der Vorgeschichte, den von der Dienststelle mitgeteilten sich häufenden Konflikten und der reduzierten Arbeitsleistung muss eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung angenommen werden. Die Beschwerdeführerin ist derzeit nicht einsetzbar und eine Besserung des Gesundheitszustandes ist auch hinsichtlich der gegebenen mangelnden Krankheitseinsicht unwahrscheinlich.

Eine deutliche Symptomatik liegt jedoch derzeit nicht vor."

In der beiliegenden "Beurteilung" wird die Beschwerdeführerin von der Amtsärztin - ohne auf die einzelnen formularmäßig vorgegebenen Aspekte der Einsetzbarkeit einzugehen - als "derzeit nicht einsetzbar" und eine Besserung ihres Gesundheitszustandes als unwahrscheinlich bezeichnet.

Mit Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 12. August 1998 wurde die Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt, dass die Voraussetzungen für ihre Ruhestandsversetzung nach § 68 Abs. 1 Z. 2 DO gegeben seien. Sie habe das Recht, innerhalb einer Woche selbst ihre Ruhestandsversetzung zu beantragen bzw. in das amtsärztliche Gutachten Einsicht zu nehmen und dagegen Einwendungen zu erheben.

Dazu teilte der Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 13. August 1998 mit, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar nach ihrer Rückkehr vom Urlaub deshalb dienstfrei gestellt worden sei, weil im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit bei einer Gerinnungsüberprüfung angeblich ein Fibrinogenwert nicht gestimmt haben solle. Sie habe aber die Prüfung ordnungsgemäß vorgenommen und die Daten richtig weitergeleitet. Am nächsten Tag sei bei den angegebenen Werten ein Kommazeichen verändert gewesen. Für diesen Fehler sei die Beschwerdeführerin nicht verantwortlich, sodass es unverständlich sei, dass sie ohne Verteidigungsmöglichkeit vom Dienst freigestellt worden sei.

Am 19. August 1998 erklärte die Beschwerdeführerin niederschriftlich, dass sie mit ihrer Ruhestandsversetzung nicht einverstanden sei. Die Amtsärztin, die das Gutachten vom 23. Juli 1998 erstattet hatte, habe die Beschwerdeführerin nicht einmal untersucht. Es sei aber ein neuerlicher Untersuchungstermin beim Facharzt für Psychiatrie, Dr. B, am 25. August 1998 vereinbart worden. Dieser Termin solle jedenfalls abgewartet werden.

Mit Stellungnahme vom 25. August 1998 beantragte die Beschwerdeführerin, ihr Einsicht in die im amtsärztlichen Gutachten vom 23. Juli 1998 genannten Unterlagen und in die Vorgutachten zu geben sowie die unvollständige Ausfüllung des Formblattes "Beurteilung" durch die amtsärztliche Gutachterin aufzuklären.

Das nächste amtsärztliche Gutachten wurde auf Veranlassung der Dienststelle der Beschwerdeführerin vom 3. August 1998 von der selben Ärztin wie das Gutachten vom 23. Juli 1998 mit Datum vom 31. August 1998 erstattet. In diesem wird auf ein psychiatrisches Gutachten des bereits genannten Facharztes Dr. B vom 26. August 1998 Bezug genommen. Im aktuellen Untersuchungsgespräch hätten sich keine wesentlichen neuen Aspekte ergeben. Diagnostisch sei eine paranoide Persönlichkeitsstörung zu konstatieren, in deren Verlauf offensichtlich überwertige Ideen in unterschiedlicher Intensität auftreten würden. Eine wesentliche Besserung könne seit der Letztuntersuchung nicht berichtet werden; von Seiten der Dienststelle seien zusätzliche Informationen über eine deutlich eingeschränkte Arbeitsleistung sowie diverse Verhaltensauffälligkeiten vorliegend. Als zusammenfassende Stellungnahme wird angegeben, dass seit der Letztuntersuchung "keine wesentliche Besserung des psychischen Gesundheitszustandes" eingetreten sei. Psychiatrischerseits werde eine paranoide Persönlichkeitsstörung festgestellt. Eine Einsetzbarkeit in ihrem derzeitigen Tätigkeitsbereich sei nicht gegeben; eine Besserung des Gesundheitszustandes sei unwahrscheinlich.

Mit Schreiben vom 3. September 1998 übermittelte der Magistrat die von der Beschwerdeführerin am 25. August 1998 zur Einsichtnahme angeforderten Unterlagen (Gedächtnisprotokoll von verschiedenen Kolleginnen bzw. Kollegen über "Vorfälle" mit der Beschwerdeführerin bzw. über eine Besprechung im Sozialraum über die Beschwerdeführerin am 20. November 1996 mit allen facheinschlägigen Bediensteten).

Der Beschwerdevertreter bezeichnete daraufhin in seiner Stellungnahme dazu vom 14. Oktober 1998 die amtsärztlichen Gutachten als untauglich für die Entscheidung über die Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin; es sei in beiden Gutachten festgehalten, dass eine paranoide Symptomatik nicht fassbar sei (wird näher ausgeführt). Nur für den Fall von Auffälligkeiten oder einer nicht zufrieden stellenden Arbeitsleistung werde überhaupt eine Pensionierung empfohlen. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gegeben, sondern es liege lediglich eine Auseinandersetzung mit einigen Kolleginnen vor. Zum zweiten amtsärztlichen Gutachten vom 31. August 1998 wird darauf hingewiesen, dass die Angabe, seitens der Dienststelle lägen zusätzliche Informationen über eine deutlich eingeschränkte Arbeitsleistung sowie diverse Verhaltensauffälligkeiten vor, insbesondere deshalb verwundere, weil die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum gar keinen Dienst verrichtet habe. Entscheidend sei lediglich der Vorfall mit der angeblich falschen Gerinnungsüberprüfung (wird näher ausgeführt). Dieser Vorfall solle objektiv überprüft werden.

Mit Schreiben vom 25. November 1998 legte die Beschwerdeführerin im Nachhang zu ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 1998 einen psychologischen Befund der klinischen Psychologin und Psychotherapeutin Mag. Dr. A vom 15. November 1998 auf Grund vom am 31. Oktober und am 14. November 1998 erhobenen Testdaten vor. In der Zusammenfassung gelangt dieses Gutachten zu folgendem Ergebnis:

"Reaktive subdepressive Verstimmung (ICD-9: 309.0). Keine Symptomatik klinischer Relevanz, die einen vorzeitigen Ruhestand aus psychologischer Sicht rechtfertigen würde, erkennbar:

Ausgehend von einem überdurchschnittlichen Intelligenzpotenzial ist keine Verminderung der Informationsverarbeitungskapazität im Bereich der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit, der psychophysischen Belastbarkeit bzw. kognitiven Grundgeschwindigkeit sowie der Speicher- und Konsolidierungsprozesse festzustellen. Unauffällige, emotional stabile, gelassene, ruhige, selbstbeherrschte, leistungsorientierte, ehrgeizige, belastbare, eher introvertierte, normkonforme, sozial verantwortliche, hilfsbereite, gesundheitsbewusste und lebenszufriedene Persönlichkeit mit überwiegend ambivalenter Affektivität, ausreichend gebremst, bei guter Realitätskontrolle. Ästhetische Empfindsamkeit, Tendenz zur Beherrschung von Stimmungsreaktionen."

Am 28. Dezember 1998 begehrte die Beschwerdeführerin, wieder ihre berufliche Tätigkeit aufnehmen zu können.

Mit Datum vom 22. Jänner 1999 wurde seitens der Behörde neuerlich ein amtsärztliches Gutachten (von einer anderen Ärztin als die vom 23. Juli bzw. 31. August 1998 erstellten) eingeholt.

Diese Ärztin gelangte zu folgender zusammenfassender Stellungnahme:

"Die Nichteinsetzbarkeit der Beschwerdeführerin wurde auf Grund der beruflichen Erfahrung mit paranoiden Persönlichkeitsstörungen des Facharztes Dr. B gestellt. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, wurden außer der Anamnese mit der Klientin auch außenanamnestische Hinweise (Telefonate mit der Vorgesetzten Frau P, ein Telefongespräch mit Herrn Dr. E) über Vorfälle an der Dienststelle herangezogen.

Die Beschwerdeführerin bietet zu den Vorfällen weitschweifige nicht konkret nachvollziehbare Erklärungen und Beweise ihrer Darstellungen an, wie zum Beispiel, dass Unterschiede in der Beurteilung der Blutbilder auf die Benutzung verschiedener Instrumente (Lichtmikroskop und Elektronenmikroskop) zurückzuführen seien. Ein Elektronenmikroskop existiert an der Dienststelle aber nicht.

Die Beschwerdeführerin zeigt keinerlei Krankheitseinsicht und erhält daher auch keine fachärztliche Behandlung.

Auf Grund der immer wieder auftretenden Beeinträchtigungsideen und der Tatsache, dass im Berufsbild der Beamten des medizinisch technischen Dienstes selbstständiges Arbeiten erforderlich ist und keine dauernden Nachkontrollen durchgeführt werden können, ist die Beschwerdeführerin in ihrem Aufgabenbereich nicht einsetzbar.

Die Tatsache, dass in dem kurzen Zeitraum vom 1.7.1998 bis 10.7.1998 keine besonderen Vorkommnisse eingetreten sind, besagt nicht, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Aufgabenbereich einsetzbar ist, da laufend Nachkontrollen erforderlich sind.

Auch der unauffällige psychologische Testbefund vom 15.11.1998 gibt keine Auskunft über die tatsächliche Konzentrationsfähigkeit und Leistungsfähigkeit der Klientin. Er beweist, dass zum Untersuchungszeitpunkt über den relativ kurzen Zeitraum der Testung die Konzentration und Leistungsfähigkeit aufrecht erhalten werden konnte. Das im Test beschriebene überdurchschnittliche Intelligenzpotenzial schließt eine paranoide Persönlichkeitsstörung nicht aus."

In ihrer Stellungnahme vom 15. Februar 1999 bringt die Beschwerdeführerin dazu vor, auch das weitere amtsärztliche Gutachten sei nicht schlüssig (wird näher ausgeführt); sie bestreitet jede Schuld an den Vorfall "Gerinnungsüberprüfung" im Sommer 1998 und verweist insbesondere auf das von ihr vorgelegte klinisch-psychologische Gutachten. Die Bezugnahme auf die im letzten amtsärztlichen Gutachten verwerteten Telefonate mit der Vorgesetzten der Beschwerdeführerin und einem Dr. E sei ohne Offenlegung des Inhaltes mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Die Mängel der Begutachtung durch den Facharzt für Psychiatrie Dr. B seien bereits mit Schreiben vom 4. Oktober 1998 (Anmerkung: richtig 14. Oktober) aufgezeigt worden. Auch wenn es richtig sei, dass dauernde Nachkontrollen der Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht möglich seien, so sollte doch für einen kurzen Zeitraum eine derartige Kontrolle vorgesehen werden, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu geben, ihre Dienstfähigkeit zu beweisen. Im Übrigen gebe es zahlreiche andere Einsatzmöglichkeiten, allenfalls auch in einer anderen Dienststelle, was auch für die Behörde wesentlich kostengünstiger wäre (wird näher ausgeführt).

Vom Magistrat wurde dann der Inhalt der außenanamnestischen Hinweise erhoben. Demnach habe der psychiatrische Gutachter Dr. B in seinem Gutachten die telefonische Außenanamnese mit der "Dienststellenleiterin" der Beschwerdeführerin am 21. August 1998 mitverwertet. Die Genannte habe dem Gutachter über die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass diese nach verschiedenen Vorfällen nur eingeschränkt einsetzbar sei und ihre Tätigkeit engmaschig supervidiert werden müsse. Es komme überdurchschnittlich häufig zu Fehlern, die die Beschwerdeführerin aber auch nach entsprechenden Hinweisen nicht als solche erkennen könne. Anweisungen würden zum Teil nicht befolgt oder nach sehr kurzer Zeit wieder vergessen. Verschiedene Wahrnehmungen und Interpretationen von Vorgängen im Bereich der Dienststelle durch die Beschwerdeführerin seien von den anderen Mitarbeitern nicht nachvollziehbar; das Verhalten der Beschwerdeführerin erscheine zum Teil skurril und übertrieben misstrauisch. So habe sie z.B. die Übernahme der Dienstkleidung abgelehnt, nachdem diese mit einem neuen Nummernsystem gekennzeichnet worden sei, und habe diesbezüglich in der Wäschestelle telefonische Auskünfte eingeholt. Mehrfach habe sie den Verdacht geäußert, dass Daten oder Zellen in Präparaten von außen verändert oder manipuliert würden. Die Erklärung, die die Beschwerdeführerin im letzten Untersuchungsgespräch dafür mitgeteilt habe (dies sei durch die unterschiedlichen Ergebnisse lichtmikroskopischer und elektronenmikroskopischer Beurteilung entstanden), könne nicht zutreffen, weil im Bereich der Dienststelle der Beschwerdeführerin gar kein Elektronenmikroskop existiere. Über das zweite genannte Telefonat findet sich bei den Akten eine Gesprächsnotiz, nach der ein der Beschwerdeführerin offensichtlich in irgendeiner Weise vorgesetzter Arzt Klagen über "Auftritte" mit der Beschwerdeführerin führt.

In ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 1999 wies die Beschwerdeführerin auf verschiedene (näher dargestellte) Verfahrensmängel hin. Insbesondere verlangte sie die Einholung eines "Übergutachtens", um die Widersprüche zwischen den amtsärztlichen Gutachten und dem von ihr vorgelegten Gutachten aufzuklären. Ferner bestritt sie den schriftlich festgehaltenen Inhalt der Gespräche mit näher genannten Personen in ihrem beruflichen Umfeld und begehrte deren Einvernahme. Mit Schreiben vom 28. Juni 1999 legte sie weiters eine Bestätigung ihres "Gemeindearztes" vom 18. Juni 1999 vor, nach der er nach Untersuchung zum Ergebnis gelangt sei, dass die Beschwerdeführerin ohne Einschränkung arbeitsfähig sei. Weiters teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie durch den aufgezwungenen "Krankenstand" deutliche Einkommensnachteile erleide und am 1. Juli 1999 wieder ihren Dienst antreten werde. Sollte ihre Dienstleistung an einem anderen Spital gewünscht werden, werde sie dem nachkommen.

Bereits mit Eingabe vom 11. Juni 1999 hatte die Beschwerdeführerin darüber hinaus die bescheidmäßige Feststellung ihrer Dienstfähigkeit beantragt; dieser Antrag war aber mit Bescheid des Personalamtes vom 21. Juli 1999 als rechtlich unzulässig zurückgewiesen worden.

Am 2. August 1999 erstellte der fachärztliche Gutachter Dr. B nach Untersuchung der Beschwerdeführerin am 26. Juli 1999 ein neuerliches Gutachten unter Verwertung der genannten Vorgutachten und gelangte darin zu folgenden Aussagen:

"Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und in allen Bereichen orientiert. Noopsychisch keine relevanten Beeinträchtigungen fassbar. Antrieb im Normbereich. Stimmung etwas ängstlich und dysphorisch gefärbt. Affektmodulation im Wesentlichen adäquat. Gedankenduktus etwas sprunghaft, gelegentliches Vorbeireden (eher im Sinn einer bewussten Vermeidung prekärer Themen), kein eindeutiger Hinweis auf psychotische Denkstörungen. Bei misstrauischer Grundhaltung finden sich bizarr und paranoid anmutende Inhalte. Schlafstörungen werden nicht berichtet.

Zusammenfassung und Beurteilung:

Die mehrfachen psychiatrischen Begutachtung der Klientin erfolgten auf Grund von Leistungsabfall und gleichzeitig im Bereich der Dienststelle wahrgenommenen psychischen Auffälligkeiten, insbesondere misstrauisch-paranoiden Tendenzen.

Auch bei der heutigen Untersuchung zeigt sich die Beschwerdeführerin zwar vorerst sehr vorsichtig und zurückhaltend, äußert im längeren Gespräch dann aber wiederum Inhalte im Sinne von Beeinträchtigungsideen; dies insbesondere im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit und den technischen Gegebenheiten am Arbeitsplatz. Da die Untersuchte bezüglich der paranoiden Symptomatik nach wie vor nicht distanziert ist, wäre bei einem Wiederantritt des Dienstes mit dem neuerlichen Auftreten von Leistungsbeeinträchtigung und Verhaltensauffälligkeiten zu rechnen."

Das unter Verwertung der Vorgutachten schließlich erstelle amtsärztliche Gutachten vom 3. August 1999 gelangte zu folgender zusammenfassenden Stellungnahme:

"Im Vergleich zum letzten hieramtlichen Gutachten vom Jänner 1999 ist es zu keiner relevanten Veränderung gekommen. Seit 1996 ist eine paranoide Persönlichkeitsstruktur dokumentiert. Die neuerliche fachärztliche Überprüfung erfolgte im Auftrag von der Personalstelle des KES, da die Beschwerdeführerin wieder als MTA arbeiten möchte.

Im alltäglichen Gespräch wirkt die Beschwerdeführerin völlig unauffällig; im Verlauf des längeren fachärztlichen Explorationsgespräches finden sich jedoch wieder bizarre und paranoide Inhalte: Die Beschwerdeführerin gab an, dass Präparate, die sie im Mikroskop zu beurteilen hatte, von außen verfälscht oder verändert wurden, zu unterschiedlichen Tageszeiten seien dadurch völlig verschiedene Befunde entstanden. In Anbetracht dieser wahnhaften Symptomatik ist die Beschwerdeführerin natürlich weiterhin als MTA nicht einsatzfähig. Eine relevante Verbesserung ist auf Grund der Chronifizierung der Symptomatik und der fehlenden Krankheitseinsicht und daher nicht durchgeführten Therapiemaßnahmen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten."

Zu der dazu eingeholten Stellungnahme bestreitet die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit ihrer Angaben im Zuge des Vorfalles mit der "Gerinnungsüberprüfung", die nie objektiviert worden seien, sondern nur zum Vorwurf der Paranoia ihr gegenüber geführt hätten. Zur Klärung der Frage der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin sei daher ein gerichtlich beeideter Sachverständiger zu bestellen. Dem Gutachten des psychiatrischen Facharztes sei im Sinne der von der Behörde eingenommenen Position keine entsprechende Beurteilung zu entnehmen. Weder dieses Gutachten noch das amtsärztliche Gutachten vom 3. August 1999 seien nachvollziehbar (wird näher ausgeführt).

In dieser Angelegenheit befindet sich die Beschwerdeführerin mittlerweile im zweiten Rechtsgang vor dem Verwaltungsgerichtshof. Im ersten Rechtsgang wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 8. Oktober 1999, mit dem die Beschwerdeführerin "in Kenntnis gesetzt" worden war, dass die gemeinderätliche Personalkommission gemäß § 68 Abs. 2 Z. 1 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) ihre Versetzung in den Ruhestand verfügt habe, mit hg. Erkenntnis vom 22. November 2000, Zl. 99/12/0303, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof führte (zusammengefasst) aus, die amtswegige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand nach der genannten Gesetzesstelle setze voraus, dass der Beamte dienstunfähig sei und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ausgeschlossen erscheine. Die Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, könne nicht nur durch körperliche bzw. geistige Gesundheitsstörungen, sondern auch durch habituelle Charaktereigenschaften bedingt sein. "Dienstunfähigkeit" sei ein Rechtsbegriff, dessen Beurteilung der Dienstbehörde insbesondere auf Grund von ärztlichen Sachverständigengutachten obliege. Der Schluss auf die Dienstunfähigkeit sei aber nicht nur auf Grund ärztlicher Feststellungen, sondern - insbesondere bei habituellen Charaktereigenschaften bzw. bestimmten offenkundigen geistigen Mängeln - auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig (mit Hinweis auf das zur Vorgängerbestimmung der Wiener Dienstordnung 1966 ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1990, Zl. 89/12/0143 = Slg. Nr. 13.343/A).

Daraus folge für den Beschwerdefall, dass es Aufgabe der Dienstbehörde sei, unter Verwertung eingeholter Sachverständigengutachten bzw. nach Erhebung und Feststellung von wesentlichen Mängeln in der Dienstleistung die Frage der Dienstunfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am Arbeitsplatz, aber auch unter Berücksichtigung jener Geschäfte, zu deren Verrichtung die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Anstellung und des allgemeinen Geschäftskreises ihrer Beamtengruppe (§ 19 Abs. 1 erster Satz DO) verpflichtet sei, zu lösen. Das setze (bislang fehlende) ordnungsgemäße Feststellungen zu den Beeinträchtigungen in der Sphäre der Beschwerdeführerin als auch solche zu ihrem Aufgabenkreis voraus. Diesen Anforderungen sei bislang nicht Genüge getan worden.

Die belangte Behörde habe - trotz mehrfacher amtsärztlicher Begutachtung der Beschwerdeführerin - zu ihren Beeinträchtigungen keine eigenen Feststellungen getroffen. Ebenso sei keine fachliche Auseinandersetzung mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten einer klinischen Psychologin und Psychotherapeutin erfolgt.

Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, sich mit den Einwendungen, mit denen Gutachten behördlicher Sachverständiger sowohl in Bezug auf die Grundlagen als auch hinsichtlich der Schlüssigkeit bekämpft werden, auch dann auseinander zu setzen, wenn diese Einwendungen nicht sachverständig untermauert seien. Bei einem Widerspruch der Gutachten eines privaten und eines amtlichen Sachverständigen könne nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen, sondern nur der innere Wahrheitswert des Gutachtens den Ausschlag geben. Bei einander widersprechenden Gutachten sei es der Behörde gestattet, sich dem einen oder dem anderen Gutachten anzuschließen; sie habe aber die Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen den höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Bei der Sachlage des Beschwerdefalles wäre es zweckmäßig gewesen, im Sinn der mehrfachen Anträge der Beschwerdeführerin ein so genanntes Obergutachten eines gerichtlich beeideten facheinschlägigen Sachverständigen einzuholen.

Weiters mangle es auch an der konkreten Feststellung zum dienstlichen Aufgabenkreis der Beschwerdeführerin. Selbst wenn sie auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz wegen gewisser Einschränkungen nicht mehr einsetzbar sein sollte, könne mangels entsprechender Feststellung des dienstlichen Aufgabenkreises der Beschwerdeführerin als Bedienstete im gehobenen medizinisch technischen Dienst nicht von vornherein gesagt werden, dass ihr dienstlicher Einsatz nicht auch in einem anderen Bereich in Frage komme.

Im fortgesetzten Verfahren gab der ärztliche Direktor im K-Spital am 11. Jänner 2001 die Stellungnahme ab, die Haupttätigkeit einer medizinisch technischen Analytikerin im Zentrallabor wie der Beschwerdeführerin bestehe in der Untersuchung von - insbesondere hämatologischen und immunhämatologischen - Proben. Da die Ausführung dieser Tätigkeiten ausnahmslos unter Mitwirkung technischer Hilfsmittel geschehe, also u.a. mittels Mikroskop, sei es auf Grund der bekannten Geschehnisse im Zentrallabor unverantwortlich, die Beschwerdeführerin wiederum mit solchen Aufgaben zu beauftragen. Ihre Beschäftigung im Zentrallabor unter Weglassung dieser Tätigkeiten würde nicht nur dem Berufsbild einer dipl. medizinisch technischen Analytikerin widersprechen, sondern wäre auch in der Praxis völlig unvorstellbar.

Die Stellenbeschreibung der Beschwerdeführerin vom 6. März 1997 lautet wie folgt (Anonymisierung in Kursivschrift durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Bezeichnung der Stelle:

Dipl. medizinisch technische Analytikerin im Zentrallabor

STELLUNG INNERHALB DER ORGANISATION:

- Unterstellungsverhältnis:

 

Ärztlicher Direktor

 

Leitende Oberassistentin

 

Abteilungsvorstand

 

Stationsassistentin

 

 

- Überstellungsverhältnis:

 

Studierende der med. techn. Akademien

 

Schüler der MTF-Schulen

 

 

- Nebengeordnete Stellen:

 

alle med. techn. Analytikerlnnen

 

 

- Vertretungsverhältnis:

 

mögliche Vertretung aller med. techn. AnalytikerInnen des Hauses und nach Maßgabe auch anderer Häuser der Gem. Wien

 

 

ZIEL DER STELLE:

 

Die korrekte Erfüllung aller im nächsten Abschnitt definierten Aufgaben unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Aspektes.

 

 

AUFGABEN:

fachliche:

- Probenübernahme

 

- Probenvorbereitung

 

- Routineuntersuchungen:

Aufgrund einer Allergie arbeitet die Beschwerdeführerin dzt. nur an folgenden Arbeitsplätzen:

 

 

lt. Arbeitsplatzbeschreibung (Mindestanforderung)

 

 

Hämatologie

 

 

Gerinnung

 

 

Immunhämatologie

 

- Spezialuntersuchungen

 

- Qualitätskontrolle

 

- Plausibilitätskontrolle

 

- Wartung der Analysengeräte

 

- Einschulung von KollegInnen

 

- Anleitung und Überwachung von SchülerInnen und
Studierenden

- Fortbildung durch Fachliteratur und den Besuch der
entsprechenden Veranstaltungen

 

- Mitarbeit bei der Evaluierung und Erprobung neuer Methoden
und Geräte

 

administrative:

- Dokumentation

 

- Erstellen von Statistiken

 

- Administration der Kranken- und Überweisungsscheine

 

- fallweise Ausfüllen der SD 913

 

 

sonstige:

- Sorge für Hygiene und Ordnung am Arbeitsplatz

 

- Meldung aller erforderlichen Reparaturen und Bestellungen an
die Stat.Ass.

 

- Meldung besonderer Vorkommnisse an die Stationsassistentin

 

KOMPETENZEN:

 

- selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten am jeweiligen
Arbeitsplatz

 

- telefon. Befundauskunft, techn. Freigabe von Befunden (EDV)

 

- Beaufsichtigung und Anweisung von Schülern und Studierenden

 

ANFORDERUNGSPROFIL:

Ausbildung:

Diplom einer med. techn. Akademie

 

Fähigkeiten:

Genauigkeit

 

Flexibilität

 

Verantwortungsbewusstsein

 

Fähigkeit zur Teamarbeit

 

GEHALTSEINSTUFUNG:

 

- nach dem Schema der Gemeinde Wien - K2

 

- Erschwerniszulage

 

- Gefahrenzulage

 

DIENSTZEIT:

 

40 Stundenwoche lt. Diensteinteilung - Turnusdienst

 

Arbeitsplatzwechsel im Rotationsprinzip

 

AUFSTIEGSMÖGLICHKEITEN:

 

- zur Stationsassistentin"

Nach Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13. März 2001 erstattete im fortgesetzten Verfahren der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ein nervenärztliches Sachverständigengutachten (Obergutachten), das auszugsweise folgenden Inhalt aufweist (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"... Psychischer Status

Die Untersuchte befindet sich bei klarem Bewusstsein. Eine Bewusstseinstrübung ist nicht feststellbar. Sie ist persönlich, zeitlich und örtlich vollständig orientiert. Das situative Verhalten ist im ärztlichen Gespräch entsprechend und persönlichkeitsadäquat.

Der Gedankengang ist generell geordnet, von normaler Schnelligkeit, zielgerichtet und kohärent. Bei gezielter Exploration in Zusammenhang mit den Ereignissen an ihrem Arbeitsplatz sind jedoch inhaltliche Denkstörungen erkennbar, die gegen jegliche Argumentation in unkorrigierbarer Weise aufrecht erhalten werden. In diesem Zusammenhang sind Verdrängungen, gestörter Realitätssinn und paralogische Denkinhalte feststellbar.

Die Stimmungslage ist ausgeglichen. Die Affekte sind gut gesteuert. Das Allgemeintempo ist motorisch und psychisch normal schnell.

Es finden sich keine Hinweise auf aktuelle oder früher aufgetretene Halluzinationen. Es besteht eine Tendenz zur Dissimulation, der Realitätssinn ist generell ungestört erhalten, in Bezug auf die Ereignisse an ihrem Arbeitsplatz jedoch teils unscharf, teils erheblich gestört. Die Tendenz, nicht wirklich schlüssige Erklärungen für bestimmte - ihr zum Nachteil gereichende - Vorfälle durch große, undurchschaubare Instanzen (PC-Welt, Internet, neue, nicht nähre beschreibbare, neue technische Entwicklungen) in für sie schuldentlastender Form anzugeben, tritt wiederholt in den Vordergrund.

Dabei ist ein systematisiertes Wahnsystem aufgebaut worden, welches typischerweise in unkorrigierbarer Form aufrecht erhalten wird.

Insbesondere auch aus den vorliegenden schriftlichen Protokollen ist auf - gleichfalls im Wesentlichen auf die Arbeitswelt beschränkte - paranoide Reaktionsweisen zu schließen, ohne dass diese Symptomatik Generalisierungstendenzen aufweist. Es besteht eine schizothyme Persönlichkeitsstruktur.

Bei der klinischen Untersuchung findet sich kein Hinweis auf eine Merkfähigkeitsstörung. Während der Exploration zeigt sich eine normale Konzentrationsfähigkeit. In der Untersuchungssituation sind keine Zeichen abnormer Ermüdbarkeit erkennbar.

Die Spontansprache und auch die Konversationssprache sind

ungestört.

ZUSATZBEFUND

Klinisch-psychologische Untersuchung, durchgeführt von

Herrn Dr. W. (Fachpsychologe ...)

Die testmäßig verifizierten kognitiven Leistungen der Beschwerdeführerin sind in den Bereichen Konzentrationsfähigkeit, Reaktionsverhalten und Belastbarkeit unauffällig und entsprechen alterskorrigierten Normleistungen.

Im Bereich der Persönlichkeit und insbesondere im Denken bestehen Auffälligkeiten: Im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit finden sich bizarre und weitschweifig geschilderte Ideen wahnhaften Inhalts, an welchen im Rahmen eines 'Erklärungssystems' festgehalten wird. Hier ist eine innere Distanzierung unmöglich, es kommt zu Vorbeireden. Die gegebene psychische Störung ist dem Formenkreis F 6 (Persönlichkeits- und Verhaltenstörungen; speziell F 60.0 (paranoide Persönlichkeitsstörung) bzw. F 60.1 (schizoide Persönlichkeitsstörung 9) zuzuordnen.

In welchem Maße Auswirkungen der festgestellten Denkstörung unabhängig von den dokumentierten Vorfällen seit 1996 am Arbeitsplatz (welche Vorfälle auch im Rahmen dieser Untersuchung von der Probandin bestätigt werden) auch im Alltagsleben bestehen, ist im Rahmen dieser Untersuchung aus der Sicht des gegenständlichen Fachgebiets nicht zu klären, eine akute produktive Symptomatik ist jedenfalls nicht festzustellen.

Zum klinisch-psychologischen Vorgutachten (Vorbefund) Dris. A vom 15.11.1988 (richtig: 1998) ergibt sich in der Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit kein Widerspruch, hingegen sehr wohl in der Beurteilung der Persönlichkeit. Im zitierten psychologischen Vorgutachten wird im Persönlichkeitsbereich lediglich eine reaktive subdepressive Verstimmung beschrieben. Eine Symptomatik von klinischer Relevanz, die einen vorzeitigen Ruhestand aus psychologischer Sicht rechtfertigen würde, wird hingegen nicht festgestellt.

Die Diskrepanz zwischen dem Vorgutachten Dris. A vom 15.11.1988 und dem eigenen Gutachten ist in der (bei der Voruntersuchung in keiner Weise festgestellten) ausgeprägten Dissimulationstendenz begründet, wobei die Gesamtheit aller übrigen Testverfahren, insbesondere der besonders auffällige Rorschach-Test und weitere Informationen aus Anamnese, Gespräch und Verhaltensbeobachtung sowie die in den vorliegenden Protokollen genau dokumentierten Verhaltensauffälligkeiten im Arbeitsbereich zu berücksichtigen sind. Diese wichtigen Unterlagen waren Frau Dr. A offensichtlich nicht zugänglich, sodass in ihrem Befund jegliche diesbezügliche erklärende Stellungnahme fehlt.

Aufgrund des ermittelten psychologischen Gesamtprofils ist die Beschwerdeführerin aus psychologischer Sicht für eine verantwortungsvolle geistige Tätigkeit, wie sie eine Tätigkeit als Beamtin der gehobenen medizinischen technischen Dienste mit Notwendigkeit zu selbstständigem und eigenverantwortlichem Arbeiten darstellt (Tätigkeitsbeschreibung im Bescheid der Gemeindeärztlichen Personalkommission vom 8.10.1999), nicht geeignet.

Im Übrigen sei auf den beiliegenden Originalbefund verwiesen. BEURTEILUNG

Der Auftrag des gegenständlichen Gutachtens bezieht sich auf die Fragestellung, ob die Beschwerdeführerin in der Lage ist, ihre Dienstpflichten zu erfüllen, und ob sie auf ihrem Arbeitsplatz eingesetzt werden kann.

Dazu ist zunächst festzuhalten: Aus der persönlichen Anamnese ergeben sich keine Hinweise auf Erkrankungen seitens des nervenärztlichen Fachgebietes. Aus der Familienanamnese ist auf die 'Nervenkrankheit' eines Bruders der Untersuchten hinzuweisen.

Die Beschwerdeführerin selbst war niemals in ambulanter oder in stationärer neurologischer oder psychiatrischer Behandlung, sie hat niemals psychotrope Medikamente (Antidepressiva, Sedativa, Hypnotika oder Neuroleptika) eingenommen. Sie fühlt sich im psychischen Bereich - wie im Übrigen auch ganz allgemein - derzeit beschwerdefrei, und sie gibt auch für die letzten Jahre keine maßgeblichen eigenen Beschwerden im psychischen Bereich an.

In den vorliegenden Unterlagen seitens ihrer Dienststelle sind nun Auffälligkeiten im Verhalten beziehungsweise in den Aussagen der Beschwerdeführerin dokumentiert, welche im Jahr 1996 erstmals in einem Umfang aufgetreten sind, dass diesbezüglich Protokolle angefertigt wurden. Im Wesentlichen

handelte es sich damals um Fehler, welche ... bei der Befundung

von Laboranalysen, namentlich bei Blutbefunden unter mikroskopischer Betrachtung, aufgetreten sind.

Die Beschwerdeführerin, mit diesen Tatsachen konfrontiert, stritt diese Fehler zunächst ab. Schließlich bot sie als Ursache dieser Fehler Erklärungen an, welche aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht oder wenigstens nicht in der von ihr angegebenen Form nachvollziehbar waren, wie dies aus den dazu eingeholten Berichten ihrer dienstlichen Vorgesetzten hervorgeht.

Sie sprach davon, dass Zellen in das von ihr untersuchte mikroskopische Präparat 'hinein projiziert' wurden, erklärte dies einerseits durch eine Videokassette einer Firma, andererseits durch einen Eingriff einer EDV-Anlage in das Mikroskop. Auch meinte sie, dass das optische Bild, welches sich ihr im Mikroskop bot, einen Computerspiel ähnlich wäre. Als man ihr vor Augen führte, dass ihre Behauptungen technisch nicht möglich und nicht wissenschaftlich erklärbar seien, lehnte sie diese Argumentation strikt ab und blieb bei ihren eigenen Aussagen.

Hinsichtlich ihres Verhaltens am Arbeitsplatz wurde dokumentiert, dass sie ihre Arbeit übergenau ausführte, sich von

Kolleginnen ... zurückzog und sich seit langer Zeit verfolgt

fühlte, woraus Angstzustände resultierten.

Im Jahr 1997 wurden abermals Probleme festgestellt: Die Beschwerdeführerin meinte, die EDV-Abteilung drehe das Licht an ihrem Mikroskop ab, offenbar um ihre Arbeit zu stören, und wollte diesbezüglich Erkundungen einholen. Sie gratulierte einer Kollegin zu deren beruflichen Beförderung, welche jedoch schon viele Jahre vorher stattgefunden hatte. Wiederholt traten Fehler in der Befundung von Blutbildern auf, wobei sie etwa angab, dass der am Vormittag erhobene Befund, etwa eines Patienten mit einer Leukämie, durch verschiedene Färbungen des Präparats und durch Manipulationen, welche ihr nicht genau bekannt waren, bei der Befundung am Nachmittag desselben Tages einen normalen Befund ergeben hätte. Auch sind Fehler beim Setzen von Kommastellen aufgetreten.

In Zusammenhang mit diesen unterschiedlichen Ergebnissen in der Befundung von Laborpräparaten gab sie auch eine Einwirkung des Internets an, ohne dies jedoch genauer präzisieren zu können.

Schließlich meinte die Beschwerdeführerin, dass die von ihr untersuchten Präparate bei der Befundung durch das Elektronmikroskop andere Ergebnisse erbracht hätten und aus dieser Tatsache erklärbar sei, warum ihre Befunde von anderen Befundungen unterschiedlich wären. Auch in diesem Fall hat sie ihre Aussage durch die Konfrontation mit der Realität, namentlich mit der Tatsache, dass im Krankenhaus, wo sie arbeitete, kein Elektronenmikroskop vorhanden war, nicht korrigiert.

Aufgrund dieser Gegebenheiten erfolgte eine Untersuchung durch den Amtsarzt, und in diesem Rahmen wurde eine psychiatrische Begutachtung durch Herrn Dr. B, der Befund ist per 27.8.1998 datiert, eingeleitet. Letzterer verwertete den selbst erhobenen psychischen Status, und gleichzeitig holte er außenanamnestische Daten von der Dienststelle der Untersuchten ein. Neben einer ängstlich gefärbten Stimmung und einer eher misstrauischen Grundhaltung wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin von ihren anamnestisch bereits bekannten psychischen Beeinträchtigungsideen nicht ganz distanziert war, aktuell jedoch paranoide Inhalte nicht erhoben werden konnten.

Damals wurden keine wesentlichen neuen Aspekte im Vergleich zu einer früheren Begutachtung festgestellt. Die Erstbegutachtung war gleichfalls von Hr. Dr. B - und zwar im Jahr 1996 - vorgenommen worden, wobei dieser Befund allerdings nicht vorliegt. Als Diagnosen sind eine paranoide Persönlichkeitsstörung, überwertige Ideen in unterschiedlichem Ausmaß und Auffälligkeiten im Verhalten angeführt.

Auf Grund dieses psychiatrischen Gutachtens wurde im amtsärztlichen Gutachten vom 23.07.1998 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Beruf nicht einsetzbar wäre und eine Besserung ihres Gesundheitszustandes auch zukünftig nicht erwartet werden könne. Als Diagnose sind Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur mit paranoiden Episoden festgehalten.

Das amtsärztliche Gutachten vom 31.8.1998 weist im Wesentlichen denselben Inhalt wie das Vorgutachten auf und stellt eine paranoide Persönlichkeitsstörung fest, die eine Verwendung der Beschwerdeführerin an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz unmöglich macht.

Von der Beschwerdeführerin selbst veranlasst, wurde am 15.11.1998 eine klinisch-psychologische Untersuchung von Frau Mag. Dr. A durchgeführt und dieser Befund vorgelegt. In dieser Untersuchung wurde eine reaktive, subdepressive Verstimmung gefunden bei einer sonst völlig unauffälligen Persönlichkeitsstruktur, eine Störung im kognitiven Bereich wurde nicht festgestellt, die Kontrolle der Realität als gut befunden, und weitere Auffälligkeiten, insbesondere paranoider Art, haben sich nicht ergeben.

In gleicher Weise bescheinigt der Befund des Hausarztes der Beschwerdeführerin, Hr. Dr. H, vom 18.6.1999 einen unauffälligen medizinischen Status mit Fehlen von jeglichen Zeichen einer Krankheit, insbesondere im psychischen Bereich.

Im Rahmen der eigenen Begutachtung hat sich - wie bereits erwähnt - eine unauffällige Individualanamnese ergeben, die Beschwerdeführerin hat niemals in nervenärztlicher Behandlung gestanden, sie gibt auch im psychischen Bereich keinerlei Beschwerden an. Maßgebliche Probleme im privaten Bereich werden gleichfalls negiert.

...

Die Beschwerdeführerin gibt an, dass eine neue, ihr im Einzelnen nicht gänzlich erklärbare, jedoch ausreichend bekannte Methode entwickelt wurde, mit welcher Blutzellen in mikroskopischen Präparaten von außen her verändert werden können. Dadurch würden sich im Rahmen der Befundung dieser Präparate unterschiedliche Ergebnisse einstellen, je nachdem zu welchem Zeitpunkt die Untersuchung durchgeführt werde. Jedenfalls sei es ein Prinzip dieser Methode, dass die Präparate immer nur zum besseren, das heißt, für den betroffenen Patienten zu einem günstigeren Ergebnis hin, verändert würden. Der Name dieses, ihr nunmehr besser bekannt gewordenen Systems sei 'Funken'.

In diesem Zusammenhang wird von ihr - in einer nicht genau zu definierenden Weise - auch der Einfluss des Internets und der daraus ermöglichten Vernetzung verschiedener Labors untereinander auf elektronischem Weg angegeben. Sie weist diesbezüglich den Prospekt eines kürzlich abgehaltenen Kongresses über elektronische Kommunikation von Laboratorien vor, den sie als Beweis für ihre Erklärungen ansieht.

Auch die spätere Untersuchung der Präparate mittels eines Elektronenmikroskops spielt eine große Rolle und erklärt, warum ein und dasselbe Präparate bei verschiedenen Befundungen unterschiedlich bewertet werde. Die Tatsache, dass im eigenen Labor kein Elektronenmikroskop zur Verfügung stehe, ändere an dieser Feststellung nichts.

In ähnlicher Weise werden von ihr Fehler erklärt, die ihr beim Setzen des Kommas zur Last gelegt wurden, nämlich dass diese Fehler seitens der elektronischen Anlage und nicht von ihr begangen wurden.

Im Rahmen der heutigen Untersuchung besteht bei der Untersuchten auf neurologischem Gebiet ein normaler Befund. Es ergeben sich insbesondere keine Hinweise auf eine organisch begründbare psychische Störung.

Auf psychischem Gebiet sind bei der Beschwerdeführerin untersuchungsmäßig schwere, inhaltliche Denkstörungen festzustellen, die zu einem systematisierten Wahn gefügt wurden, welcher - soweit dies im Rahmen der jetzigen Untersuchung analysiert werden konnte - ausschließlich auf den Bereich ihrer beruflichen Tätigkeit zentriert und auf diesen beschränkt ist.

Die Inhalte dieses Systems werden in nicht korrigierbarer Weise aufrechterhalten, insbesondere auch gegenüber jenen Argumenten, welche ihnen auf dem Boden der naturwissenschaftlich belegbaren Tatsachen entgegen gehalten werden. Es kommt dann häufig zu Vorbeireden der Untersuchten, zum Ausweichen in ungenaue Angaben und insbesondere zur Übertragung von Tatsachen (etwa von eigenen Fehlern) in einer nicht näher fixierbaren Form auf große, im Detail von der Beschwerdeführerin nicht überschaubare, komplexe Systeme, wie etwa 'die Elektronik'

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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