TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/20 2006/13/0035

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Veröffentlicht am 20.12.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
23/01 Konkursordnung;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §216;
KO §1;
KO §20 Abs1;
KO §3;
KO §81;
KO §83;
UStG 1994 §16 Abs1;
UStG 1994 §16 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. B. Trefil LL.M., über die Beschwerde des Dr. M, Rechtsanwalt in W, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C GmbH in W, vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mahlerstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 3. Jänner 2006, GZ. RV/1440- W/05, betreffend Rückzahlung und Abrechnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über das Vermögen der C-GmbH wurde am 24. Juli 2002 das Konkursverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt.

Mit Schriftsatz vom 21. April 2004 beantragte der Beschwerdeführer die Überweisung der aus der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 2002 resultierenden Gutschrift in Höhe von 668.629,04 EUR.

Das Finanzamt wies den Rückzahlungsantrag mit Bescheid vom 24. Jänner 2005 mit der Begründung ab, dass auf dem Abgabenkonto kein rückzahlbares Guthaben bestünde, weil das Guthaben aus dem Umsatzsteuerbescheid 2002 mit Konkursforderungen des Finanzamtes gegenverrechnet worden sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Guthaben aus der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 ausschließlich aus Umsatzsteuerkorrekturen entstanden sei, die auf Grund des Ausfalls von Kundenforderungen der C-GmbH vorzunehmen gewesen seien. Ein Teilbetrag von 629.561,49 EUR beträfe die Forderung gegenüber der C-AG. Die Uneinbringlichkeit dieser Forderung sei zumindest zu einem Teil erst nach Konkurseröffnung eingetreten. Dies lasse sich an Hand des zeitlichen Ablaufes der Geschehnisse untermauern:

Am 28. Juni 2002 sei über das Vermögen der C-AG das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Mit Schreiben vom 5. Juli 2002 habe deren Masseverwalter bekundet, dass der vorgeschlagene 40%ige Ausgleich auf Grund der vorliegenden Prognosen erfüllbar erscheine. Erst am 13. März 2003 sei es zur Eröffnung des Anschlusskonkurses gekommen. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der C-GmbH am 24. Juli 2002 habe sich die C-AG bereits im Ausgleich befunden. Zu diesem Zeitpunkt habe die C-GmbH aber noch damit rechnen können, dass zumindest 40% ihrer Forderung gegenüber der C-AG einbringlich wären. Lediglich 60% wären zu diesem Zeitpunkt bereits als uneinbringlich zu betrachten. Hingegen wären die restlichen 40% der Forderung an die C-AG, auf die ein Umsatzsteuerbetrag von 251.824,60 EUR entfallen würde, erst mit der Konkurseröffnung über die C-AG uneinbringlich geworden.

In rechtlicher Hinsicht folge daraus, dass dieser Teilbetrag aus der Umsatzsteuerkorrektur eine Masseforderung der C-GmbH darstellen würde und daher keinesfalls mit Konkursforderungen des Finanzamtes gegenverrechnet werden dürfe. Die C-GmbH habe bis zur Konkurseröffnung sämtliche Umsatzsteuerbeträge, auch jene, die auf die Forderungen an die C-AG entfallen würden, termingerecht entrichtet, sodass eine Rückzahlung an den Masseverwalter auch unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmen sei.

Was die Mehrwertsteuerrückrechnung aus den restlichen Forderungen anlange, sei festzuhalten, dass der Masseverwalter die entsprechenden Forderungen eingemahnt habe und sich dabei deren Uneinbringlichkeit herausgestellt habe. Da sich die Uneinbringlichkeit somit erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens herausgestellt habe, sei auch dieser Betrag in Höhe von 39.067,51 EUR der Masse zurückzuzahlen.

Im Ergebnis seiner Berufungsausführungen beantragte der Beschwerdeführer, den Bescheid des Finanzamtes dahin abzuändern, dass "aus dem Guthaben" aus der Umsatzsteuerveranlagung 2002 in Höhe von 668.629,04 EUR lediglich ein Betrag von 377.736,93 EUR mit Konkursforderungen des Finanzamtes gegenverrechnet werde. Für den Differenzbetrag von 290.892,11 EUR sei dem Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung stattzugeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Nach Wiedergabe verschiedener Bestimmungen der BAO wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dem Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers stehe bereits der Umstand entgegen, dass am Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch derzeit ein rückzahlbares Guthaben im Sinne des § 215 BAO ausgewiesen werde, weil die Gutschrift aus der Festsetzung der Umsatzsteuer 2002 mit den am Abgabenkonto in Höhe von 2,263.492,11 EUR aushaftenden Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin verrechnet worden sei.

In Wahrheit bestünde jedoch ein Streit über die Richtigkeit der vom Finanzamt vorgenommenen Verrechnung. Ein derartiger Streit sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht in einem Verfahren nach § 239 Abs. 1 BAO, sondern in einem solchen nach § 216 BAO auszutragen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1993, 91/15/0103, sei der angefochtene Bescheid des Finanzamtes seinem materiellen Gehalt nach einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO zugänglich.

Da den Aufrechnungsvorschriften von Konkurs- und Ausgleichsordnung Vorrang vor den Verrechnungsbestimmungen des § 214 BAO zukomme, sei zu prüfen, ob eine konkursrechtliche Verrechnungsbestimmung zur Anwendung gelangen könne.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass die Uneinbringlichkeit der Forderungen, die zu einer Umsatzsteuerkorrektur geführt hätten, zumindest zu einem Teil erst nach Konkurseröffnung eingetreten sei, müsse entgegengehalten werden, dass Masseforderungen gemäß § 46 Abs. 1 KO typischerweise auf der Grundlage von Dispositionen und Handlungen des Masseverwalters nach Konkurseröffnung entstünden. Eine umsatzsteuerlich relevante Disposition des Masseverwalters könne jedoch nicht darin bestehen, dass dieser die "Befriedigungsaussichten von vorkonkurslichen Forderungen" auf Grund seiner Ermittlungen während des laufenden Konkursverfahrens mit Null ansetze und daraufhin eine Wertberichtigung bzw. Ausbuchung vornehme. Mit einer solchen Feststellung werde nämlich kein neuer Leistungsaustausch begründet, sondern lediglich das umsatzsteuerliche Schicksal einer noch vom nunmehrigen Gemeinschuldner begründeten Rechtsbeziehung der Höhe nach entschieden.

Eine Änderung der Bemessungsgrundlage - und als solche sei auch die Entgeltskorrektur zufolge Uneinbringlichkeit zu verstehen - könne die bereits erbrachte Lieferung oder sonstige Leistung keinesfalls wieder rückgängig machen. Diesfalls werde lediglich die Gegenleistung betragsmäßig korrigiert, was jedoch auf den Steuergegenstand als solchen ohne Einfluss bleibe.

Für die insolvenzrechtliche Beurteilung des Rückforderungsanspruches der Konkursmasse auf Grund einer Umsatzsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 UStG komme es daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht darauf an, wann die Rechnungsforderung uneinbringlich geworden sei, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt der Ausführung der seinerzeitigen Lieferung oder sonstigen Leistung (Hinweis auf Werndl, Insolvenz und Umsatzsteuer, ÖStZ 1983, 88).

Auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entstünden Abgabenansprüche im engeren Sinn und auch Rückforderungsansprüche jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbinde, verwirklicht werde. Das bedeute, dass es sich bei dem Rückforderungsanspruch des Abgabenpflichtigen um nichts anderes handle, als um einen "negativen Abgabenanspruch" der Abgabenbehörde. Somit entstehe der Rückforderungsanspruch aus der Umsatzsteuer mit der Ausführung der jeweiligen Lieferung oder sonstigen Leistung.

Grundsätzlich sei zwar die Berichtigung der Umsatzsteuer wegen der Uneinbringlichkeit von Forderungen des Gemeinschuldners in der Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat vorzunehmen, in dem der Berichtigungstatbestand eingetreten sei. Jedoch lasse sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die Aufrechnung gemäß § 20 Abs. 1 KO unzulässig gewesen sei, weil zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der C-GmbH die Forderungen gegenüber der C-AG lediglich zu 60% uneinbringlich gewesen seien, für den Beschwerdeführer nichts gewinnen, weil bei der konkursrechtlichen Beurteilung einer Umsatzsteuergutschrift, die auf Grund einer Berichtigung gemäß § 16 Abs. 1 UStG entstanden sei, der dafür maßgebliche Sachverhalt im seinerzeitigen Leistungsaustausch liege. Werde somit eine Umsatzsteuer berichtigt, welche Konkursforderungen betreffe, könne das durch die Berichtigung entstehende Guthaben bzw. die sonstige Gutschrift nur mit Konkursforderungen kompensiert werden. Da die Abgabenbehörde hinsichtlich des strittigen Rückforderungsanspruches nicht erst nach Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden sei, stehe der Aufrechnung dieses Anspruches mit der bestehenden Konkursforderung kein sich aus abgabenrechtlichen oder konkursrechtlichen Vorschriften ergebendes Aufrechnungsverbot entgegen. Das Finanzamt habe daher zu Recht die sich aus der Forderungsberichtigung ergebende Umsatzsteuergutschrift zur Tilgung bereits vor der Eröffnung des Konkurses entstandener Abgabenschulden verwendet.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerde ausdrücklich die Gemeinschuldnerin als Beschwerdeführerin bezeichnet und die Erklärung enthält, die Beschwerdeführerin werde durch den Masseverwalter und dieser durch eine bevollmächtigte Rechtsanwälte GmbH vertreten. Da die vorliegende Bezeichnung der beschwerdeführenden Partei als der sogenannten "Vertretertheorie" folgende, zulässige Bezeichnung des Masseverwalters im Prozess gedeutet werden kann, ist die Beschwerde als solche des Masseverwalters zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 2005, 2002/15/0065).

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung einer Gutschrift aus der Festsetzung der Umsatzsteuer 2002 und den darüber absprechenden Bescheid des Finanzamtes zu Recht dem materiellen Gehalt nach als Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der Gemeinschuldnerin beurteilt und die Auseinandersetzung darüber einer inhaltlichen Behandlung im Sinne des § 216 BAO zugeführt. Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, dass für den Beschwerdefall entscheidend ist, ob die gegenständlichen Umsatzsteuerrückforderungen der Gemeinschuldnerin aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor oder nach Konkurseröffnung fallen, weil sie je nach dem mit den Konkursforderungen des Finanzamtes aufrechenbar sind oder nicht.

Die im angefochtenen Bescheid dazu vertretene Rechtsansicht, der für die gegenständliche Berichtigung gemäß § 16 Abs. 1 und 3 UStG 1994 maßgebliche Sachverhalt liege im seinerzeitigen Leistungsaustausch, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. September 2006, 2006/15/0072, allerdings nicht geteilt. Auf die Gründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Daraus ergibt sich, dass im Falle von Umsatzsteuerberichtigungen wegen Uneinbringlichkeit des Entgelts der die Forderung des Gemeinschuldners unmittelbar auslösende Sachverhalt mit dem Eintritt der Uneinbringlichkeit der Leistungsentgelte verwirklicht wird.

In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht mit den Einwendungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, wonach die Leistungsentgelte der Gemeinschuldnerin teilweise erst nach Konkurseröffnung uneinbringlich geworden seien. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Dezember 2006

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006130035.X00

Im RIS seit

30.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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