TE OGH 2000/10/20 10R175/98g

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Veröffentlicht am 20.10.2000
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Das Landesgericht St. Pölten als Rekursgericht hat durch seinen Präsidenten HR Dr. Leitzenberger als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Hintermeier und den Richter Dr. Steinhauer in der Rechtssache der am 14.5.1997 geborenen mj. Klägerin Vanessa Susanne D*****, ***** Obergrafendorf, *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, Jugendabteilung, als besondere Sachwalterin, gegen den Beklagten Erich W*****, Fahrradmechaniker, ***** Prinzersdorf, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert, Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung der Vaterschaft und Unterhalt (hier: wegen Bestimmung der Sachverständigengebühren), über den Rekurs des österreichischen Bundesschatzes, vertreten durch den Revisor beim Landesgericht St. Pölten, gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 29.5.1998, 1 C 76/97t-25, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t F o l g e gegeben.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Um ausführliche Wiederholungen zu vermeiden, verweist das Rekursgericht zunächst auf seinen Beschluss vom 29.5.1998, dem die gesamte Vorgeschichte und die aufgeworfenen Rechtsfragen entnommen werden können.

Mit diesem Beschluss hatte das Rekursgericht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwei Fragen zur Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie zur Vorabentscheidung gemäß Art 177 (jetzt: Art 234) EG-Vertrag vorgelegt. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat diese Fragen mittlerweile mit Urteil vom 14.9.2000, C-384/98, beantwortet. Da dieses Urteil nicht nur dem Rekursgericht, sondern auch allen Verfahrensbeteiligten zugestellt wurde, genügt es auch hier, auf dessen Inhalt zu verweisen. Im Lichte dieses Urteils ist der Rekurs des österreichischen Bundesschatzes gegen die Zuerkennung von 20 % Umsatzsteuer im Rahmen der Gebührenbestimmung für die ärztliche Sachverständige Dr. R***** nicht berechtigt.Mit diesem Beschluss hatte das Rekursgericht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwei Fragen zur Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 177, (jetzt: Artikel 234,) EG-Vertrag vorgelegt. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat diese Fragen mittlerweile mit Urteil vom 14.9.2000, C-384/98, beantwortet. Da dieses Urteil nicht nur dem Rekursgericht, sondern auch allen Verfahrensbeteiligten zugestellt wurde, genügt es auch hier, auf dessen Inhalt zu verweisen. Im Lichte dieses Urteils ist der Rekurs des österreichischen Bundesschatzes gegen die Zuerkennung von 20 % Umsatzsteuer im Rahmen der Gebührenbestimmung für die ärztliche Sachverständige Dr. R***** nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist zu entnehmen, dass Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c der "Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage", solche medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht von der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer befreit. Die in der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen sind nämlich eng auszulegen, sodass der Begriff "Heilbehandlungen" nur solche medizinische Eingriffe umfassen kann, die der Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen und somit ein therapeutisches Ziel verfolgen.Den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist zu entnehmen, dass Artikel 13, Teil A Absatz eins, Buchstabe c der "Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage", solche medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht von der Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer befreit. Die in der Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen sind nämlich eng auszulegen, sodass der Begriff "Heilbehandlungen" nur solche medizinische Eingriffe umfassen kann, die der Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen und somit ein therapeutisches Ziel verfolgen.

Für das Rekursgericht ist damit klargestellt, dass jedes ärztliche Sachverständigengutachten, das im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erstattet wird, der Umsatzsteuer unterliegt, weil es nicht der Therapie, sondern der Klärung von Rechtsansprüchen dient. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ärztliche Gutachten regelmäßig eine Diagnose enthalten, weil der Gerichtshof die medizinischen Eingriffe zum Zweck der Diagnose nur in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Behandlung einer Krankheit oder Gesundheitsstörung erwähnt und daher ohne jeden Zweifel nur die Diagnose als Vorstufe zur Behandlung und daher mit einem therapeutischen Ziel im Auge hat.

Es ist daher in diesem und in allen künftigen Fällen § 6 Abs 1 Z 19 Umsatzsteuergesetz 1994 richtlinienkonform so auszulegen, dass in einem Gerichtsverfahren erstattete medizinische Gutachten nicht unter die dort angeführte "Tätigkeit als Arzt" fallen, sodass sie der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Infolge dessen hat die in diesem Verfahren tätig gewordene ärztliche Sachverständige Dr. R***** Anspruch auf den Ersatz der von ihr verzeichneten Umsatzsteuer. Das Bezirksgericht St. Pölten hat ihr - wenn auch mit einer unrichtigen Begründung - zu Recht die Umsatzsteuerbeträge von insgesamt S 14.110,-- zugesprochen. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Revisors konnte nicht Folge gegeben werden.Es ist daher in diesem und in allen künftigen Fällen Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 19, Umsatzsteuergesetz 1994 richtlinienkonform so auszulegen, dass in einem Gerichtsverfahren erstattete medizinische Gutachten nicht unter die dort angeführte "Tätigkeit als Arzt" fallen, sodass sie der Umsatzsteuerpflicht unterliegen. Infolge dessen hat die in diesem Verfahren tätig gewordene ärztliche Sachverständige Dr. R***** Anspruch auf den Ersatz der von ihr verzeichneten Umsatzsteuer. Das Bezirksgericht St. Pölten hat ihr - wenn auch mit einer unrichtigen Begründung - zu Recht die Umsatzsteuerbeträge von insgesamt S 14.110,-- zugesprochen. Dem dagegen erhobenen Rekurs des Revisors konnte nicht Folge gegeben werden.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO ist gegen diese Entscheidung der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.Gemäß Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 5, ZPO ist gegen diese Entscheidung der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6

Anmerkung

ESP00020 10R175.98g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00199:2000:01000R00175.98G.1020.000

Dokumentnummer

JJT_20001020_LG00199_01000R00175_98G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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