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66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;Norm
NVG 1972 §14 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Mai 2006, Zl. MA 15-II-2-2074/2006, betreffend Verzugszinsen nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 (mitbeteiligte Partei: Versicherungsanstalt des öffentlichen Notariates, 1080 Wien, Florianigasse 9/6), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Entrichtung von Verzugszinsen gemäß § 15 Abs. 4 Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG) für die Jahre 1997, 1998 und 2001 in näher genannter Höhe vorgeschrieben.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 2006, B 1158/06-3, abgelehnt. Mit demselben Beschluss wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§ 15 Abs. 3 und 4 NVG 1972). Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 13.823/1994) lasse ihr Vorbringen, das überdies die Leistungswirksamkeit auch der Verzugszinsen übersehe (§ 52 iVm § 48 Abs. 3 iVm § 14 Abs. 1 Z. 2 NVG 1972), die behauptete Rechtsverletzung, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlichen gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde legt der Beschwerdeführer dar, die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Verzugszinsen nach § 15 Abs. 4 NVG 1972 seien unangemessen hoch und hätten eindeutig pönalen Charakter. Die angewendete Höhe der Verzugszinsen widerspreche jener der Verzugszinsen nach dem ABGB. Es lägen keine sachlichen Gründe vor, weshalb das ABGB für Verzugszinsen an den Maßstab des Verschuldens anknüpfe, das NVG 1972 jedoch nicht. Die Rechtswidrigkeit der vorgeschriebenen Zinsen sei auch dadurch indiziert, dass bei zu viel entrichteten Beiträgen keinerlei Zinsen anerkannt würden. Ferner seien die Verzugszinsen deshalb rechtswidrig, da sie sich überhaupt nicht an Marktgegebenheiten orientierten.
In dem im oben genannten Ablehnungsbeschluss zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 1994, VfSlg. 13.823, wird unter anderem Folgendes ausgeführt:
"1. Auszugehen ist davon, daß Verzugszinsen auf bereicherungsrechtlichen Gedanken beruhen (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts9, 1992, 224). Sie stellen zunächst keine Sanktion für verspätete Zahlung dar, sondern gleichen nur den Vorteil aus, den der später Zahlende aus dem Umstand zieht, daß ihm die Geldsumme länger zur Verfügung gestanden ist. Verschulden und selbst Kenntnis von der Fälligkeit des Anspruchs ist daher nicht unbedingt erforderlich. Auch die Fälligkeit nach § 58 Abs. 1 ASVG tritt ohne Rücksicht darauf ein, ob der Beitragsschuldner von seiner konkreten Zahlungspflicht Kenntnis hatte. Insbesondere bei periodisch geschuldeten Leistungen wäre nicht einzusehen, warum eine längere Verzögerung der Zustellung einer Vorschreibung, mit der er zu rechnen hat, dem Schuldner eine entsprechende Zahlungsfrist ohne Ausgleich des solcherart eintretenden Vorteils verschaffen sollte.
2. Nach dem zweiten Satz des § 59 Abs. 1 ASVG darf allerdings der die Höhe der Verzugszinsen bestimmende Hundertsatz
'... 8,5 v.H. nicht unterschreiten und 14 v.H. nicht überschreiten und ist innerhalb dieses Rahmens durch Verordnung unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Nominalzinssatz für Bundesanleihen festzusetzen.'
Verzugszinsen dieser Höhe gehen über die Abschöpfung eines allfälligen Nutzens hinaus. Wie das zu VfSlg. 12945/1991 durchgeführte Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung über die Höhe der Verzugszinsen gezeigt hat, sollen die Verzugszinsen nämlich - abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwandes - auch verhindern, daß der Unternehmer durch Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge einen günstigen Kredit ('billiges Geld') erlangt. Insoweit von ihnen ein Druck zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge ausgehen soll, sind sie aber von der Kenntnis oder möglichen Kenntnis der Zahlungspflicht abhängig. Auf den, der von seiner Zahlungspflicht keine Kenntnis haben kann, wird kein Druck ausgeübt.
Gleichwohl tritt der Verfassungsgerichtshof der Einschätzung und Würdigung der angegriffenen Vorschriften durch die Bundesregierung bei. Wie sie zutreffend darlegt, hat auch derjenige, der die Sozialversicherungsbeiträge nicht selbst berechnet, sondern deren Berechnung durch Übersendung der Abrechnungsunterlagen dem Sozialversicherungsträger überläßt, von seiner Zahlungspflicht Kenntnis und grundsätzlich auch die Möglichkeit, ihre Höhe zu ermitteln. Ein die Elftagefrist des § 59 Abs. 1 ausnahmsweise erheblich verkürzender oder gar überschreitender Postweg oder ein gänzliches Scheitern der Zustellung der Vorschreibung durch die Post - das Vorliegen solcher Fälle ist im Anlaßbeschwerdeverfahren offenbar gar nicht behauptet - muß angesichts der Periodizität der Beiträge und ihrer Vorschreibung alsbald auffallen und den Beitragsschuldner im allgemeinen so rechtzeitig zur Anfrage nach § 62 Abs. 1 ASVG veranlassen, daß eine im Einzelfall dennoch eingetretene Verzögerung aus dem Blickwinkel des zweiten Satzes des § 59 Abs. 2 ASVG nachgesehen werden kann und muß."
Im hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2004/08/0232, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Behörde, die Verzugszinsen in dem im NVG 1972 festgesehenen Ausmaß vorgeschrieben hat, keine Rechtswidrigkeit vorzuwerfen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hatte auch im Hinblick auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem dem zitierten hg. Erkenntnis vorangegangenen Ablehnungsbeschluss keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 15 Abs. 3, 4 und 5 NVG 1972 (vgl. zu Verzugszinsen gemäß § 59 ASVG auch das hg. Erkenntnis vom 17. November 1999, Zl. 99/08/0124, mwN). Der Beschwerdeführer kann außerdem von Vornherein seine monatlichen Beiträge den voraussichtlichen Einkünften anpassen und bis 30. Juni des Folgejahres verzugszinsenfrei Nachzahlungen leisten und so den Anfall von Verzugszinsen vermeiden. Darüber hinaus übersieht der Beschwerdeführer, dass die von ihm entrichteten Zinsen in die Beitrags- und Pensionsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind, womit er eine den Beiträgen entsprechende Gegenleistung erhält (§ 52 iVm § 48 Abs. 3 iVm § 14 Abs. 1 Z. 2 NVG 1972).
Daher erweckt das vorliegende Beschwerdevorbringen, das ausschließlich die vom Gesetz festgelegte Höhe der Verzugszinsen rügt, insbesondere auch im Hinblick auf die Darlegungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 26. September 2006, beim Verwaltungsgerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006080279.X00Im RIS seit
06.03.2007