TE OGH 2000/11/8 9ObA197/00m

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Gerhard Kriegl und Werner Bayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anni S*****, zuletzt Versicherungsangestellte, *****, vertreten durch Dr. Carl-Heinz Gressel, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Werner Steinwender und Dr. Christian Mahringer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 200.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. April 2000, GZ 11 Ra 42/00a-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. November 1999, GZ 20 Cga 333/98t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.900,-- (darin S 1.650,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Frage der Zulässigkeit der Kündigung nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag zutreffend bejaht und die Sozialwidrigkeit der Kündigung zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß Paragraph 503, Ziffer 2, ZPO liegt nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, Satz 3 ZPO). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Frage der Zulässigkeit der Kündigung nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag zutreffend bejaht und die Sozialwidrigkeit der Kündigung zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (Paragraph 510, Absatz 3, Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Das Arbeitsverhältnis der am 19. 2. 1943 geborenen, definitiv gestellten Klägerin, das von der Beklagten zum 31. 3. 1999 gekündigt wurde, unterlag unstrittig dem Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmen Innendienst (im Folgenden kurz KVI) vom 21. 8. 1951 (Beil./3), dessen § 33 Abs 7 und 9 auszugsweise lautete:Das Arbeitsverhältnis der am 19. 2. 1943 geborenen, definitiv gestellten Klägerin, das von der Beklagten zum 31. 3. 1999 gekündigt wurde, unterlag unstrittig dem Kollektivvertrag für Angestellte der Versicherungsunternehmen Innendienst (im Folgenden kurz KVI) vom 21. 8. 1951 (Beil./3), dessen Paragraph 33, Absatz 7 und 9 auszugsweise lautete:

"(7) Das Dienstverhältnis von Angestellten, die nach ihrem Lebensalter, wenn sie in keinem versicherungspflichtigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stünden, ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung hätten, kann von der Direktion im Einvernehmen mit dem Betriebsrat oder vom Angestellten zum Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. In diesen Fällen gebührt dem Angestellten neben der gesetzlichen eine weitere Abfertigung in der Höhe der auf die Kündigungsfrist (§ 33 Abs 5) entfallenden Bezüge."(7) Das Dienstverhältnis von Angestellten, die nach ihrem Lebensalter, wenn sie in keinem versicherungspflichtigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stünden, ohne Nachweis der Berufsunfähigkeit Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung hätten, kann von der Direktion im Einvernehmen mit dem Betriebsrat oder vom Angestellten zum Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. In diesen Fällen gebührt dem Angestellten neben der gesetzlichen eine weitere Abfertigung in der Höhe der auf die Kündigungsfrist (Paragraph 33, Absatz 5,) entfallenden Bezüge.

(8) ........

(9) Das Dienstverhältnis definitiver Angestellter, welche das 25.

Dienstjahr (§ 5 Abs 1) vollendet oder mindestens 300 Beitragsmonate

in der Sozialversicherung (Pensionsversicherung) erworben und bereits

das 55. Lebensjahr (Männer) bzw das 50. Lebensjahr (Frauen)

zurückgelegt haben, jedoch nach Ablauf der Kündigungsfrist und so

vieler Monate, als der Bemessung der Abfertigung, wobei der

gesetzliche Anspruch um 50 % erhöht wird, was eine Verlängerung der

Laufzeit der Abfertigung zur Folge hat, zugrundegelegt wurden, noch

keinen Anspruch auf die Alterspension, Berufsunfähigkeitspension bzw

Invaliditätspension aus der Sozialversicherung besitzen, kann von dem

Unternehmen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gekündigt werden;

............".

§ 222 Abs 2 Z 1 ASVG unterscheidet bei den Leistungen der Pensionsversicherung aus den Versicherungsfällen des Alters die Alterspension (§§ 253, 270 ASVG), die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (§§ 253a, 270 ASVG), die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§ 253b, 270 ASVG), die Gleitpension (§§ 253c, 270 ASVG) und die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (§§ 253d, 270 ASVG; Teschner in Tomandl, SV-System 359 ff). Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass auch die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§ 253b, 270 ASVG) unter den in § 33 Abs 7 KVI genannten "Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung" zu subsumieren ist. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof indirekt bereits in der Entscheidung 8 ObA 276/94 = ZAS 1996/2 (Kürner) bejaht, in der ebenfalls die gleichlautende Bestimmung des § 33 Abs 7 KVI (allerdings einer jüngeren Fassung vom 1. 1. 1983) anzuwenden war. Die dortige Klägerin war ebenfalls vor dem 60. Lebensjahr gekündigt worden und konnte demzufolge zum Kündigungstermin mangels Vollendung des Regelpensionsalters noch keinen Anspruch auf eine "normale" Alterspension gemäß §§ 253, 270 ASVG haben. Die der Klage auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses stattgebenden Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz wurden vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückverwiesen, weil die Vorinstanzen nicht geprüft hatten, ob die in § 33 Abs 7 und 9 KVI normierten materiellen Voraussetzungen für eine Kündigung, insbesondere in Gestalt eines Anspruchs auf "eine Alterspension aus der Sozialversicherung" zum Kündigungstermin vorgelegt seien. Eine Aufhebung aus diesem Grund wäre nicht notwendig gewesen, wenn in § 33 Abs 7 KVI unter dem Anspruch auf "eine Alterspension aus der Sozialversicherung" nur die "normale" Alterspension gemäß §§ 253, 270 ASVG gemeint wäre, weil diese (auch) im Verfahren 8 ObA 276/94 zum Zeitpunkt des Kündigungstermins schon mangels Erfüllung der Voraussetzung des 60. Lebensjahres von Vornherein nicht in Betracht kam.Paragraph 222, Absatz 2, Ziffer eins, ASVG unterscheidet bei den Leistungen der Pensionsversicherung aus den Versicherungsfällen des Alters die Alterspension (Paragraphen 253,, 270 ASVG), die vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit (Paragraphen 253 a,, 270 ASVG), die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Paragraphen 253 b,, 270 ASVG), die Gleitpension (Paragraphen 253 c,, 270 ASVG) und die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (Paragraphen 253 d,, 270 ASVG; Teschner in Tomandl, SV-System 359 ff). Zutreffend gingen die Vorinstanzen davon aus, dass auch die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Paragraphen 253 b,, 270 ASVG) unter den in Paragraph 33, Absatz 7, KVI genannten "Anspruch auf eine Alterspension aus der Sozialversicherung" zu subsumieren ist. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof indirekt bereits in der Entscheidung 8 ObA 276/94 = ZAS 1996/2 (Kürner) bejaht, in der ebenfalls die gleichlautende Bestimmung des Paragraph 33, Absatz 7, KVI (allerdings einer jüngeren Fassung vom 1. 1. 1983) anzuwenden war. Die dortige Klägerin war ebenfalls vor dem 60. Lebensjahr gekündigt worden und konnte demzufolge zum Kündigungstermin mangels Vollendung des Regelpensionsalters noch keinen Anspruch auf eine "normale" Alterspension gemäß Paragraphen 253,, 270 ASVG haben. Die der Klage auf Feststellung des aufrechten Arbeitsverhältnisses stattgebenden Entscheidungen der ersten und zweiten Instanz wurden vom Obersten Gerichtshof aufgehoben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückverwiesen, weil die Vorinstanzen nicht geprüft hatten, ob die in Paragraph 33, Absatz 7 und 9 KVI normierten materiellen Voraussetzungen für eine Kündigung, insbesondere in Gestalt eines Anspruchs auf "eine Alterspension aus der Sozialversicherung" zum Kündigungstermin vorgelegt seien. Eine Aufhebung aus diesem Grund wäre nicht notwendig gewesen, wenn in Paragraph 33, Absatz 7, KVI unter dem Anspruch auf "eine Alterspension aus der Sozialversicherung" nur die "normale" Alterspension gemäß Paragraphen 253,, 270 ASVG gemeint wäre, weil diese (auch) im Verfahren 8 ObA 276/94 zum Zeitpunkt des Kündigungstermins schon mangels Erfüllung der Voraussetzung des 60. Lebensjahres von Vornherein nicht in Betracht kam.

Die Auslegung der Vorinstanzen, dass eine Arbeitgeberkündigung gemäß § 33 Abs 7 KVI auch bei Bestehen eines Anspruchs auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§ 253b, 270 ASVG) möglich sei, räumt im Übrigen nicht nur die Revisionswerberin selbst als zumindest möglich ein; sie wird auch durch die in § 33 Abs 9 KVI eingeräumte weitere Kündigungsmöglichkeit indirekt bestätigt. Nach dieser Bestimmung ist nämlich die Kündigung beim Vorliegen einer bestimmten Zahl von Beitragsmonaten und eines bestimmten Alters selbst dann zulässig, wenn noch kein Anspruch auf Alterspension besteht.Die Auslegung der Vorinstanzen, dass eine Arbeitgeberkündigung gemäß Paragraph 33, Absatz 7, KVI auch bei Bestehen eines Anspruchs auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Paragraphen 253 b,, 270 ASVG) möglich sei, räumt im Übrigen nicht nur die Revisionswerberin selbst als zumindest möglich ein; sie wird auch durch die in Paragraph 33, Absatz 9, KVI eingeräumte weitere Kündigungsmöglichkeit indirekt bestätigt. Nach dieser Bestimmung ist nämlich die Kündigung beim Vorliegen einer bestimmten Zahl von Beitragsmonaten und eines bestimmten Alters selbst dann zulässig, wenn noch kein Anspruch auf Alterspension besteht.

Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung bereits einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (§§ 253b, 270 ASVG) hatte, ist unstrittig. Die Kündigung der Klägerin zum 31. 3. 1999 war daher gemäß § 33 Abs 7 KVI grundsätzlich wirksam.Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung bereits einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Paragraphen 253 b,, 270 ASVG) hatte, ist unstrittig. Die Kündigung der Klägerin zum 31. 3. 1999 war daher gemäß Paragraph 33, Absatz 7, KVI grundsätzlich wirksam.

Bei der Lösung der zweiten strittigen Frage, ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt war (§ 105 Abs 3 ArbVG), muss vorerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen geprüft werden, ob durch sie wesentliche Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beeinträchtigt werden (Arb 10.771; RIS-Justiz RS0051640). Für diese Umstände ist die anfechtende Klägerin behauptungs- und beweispflichtig (Arb 10874; RIS-Justiz RS0051640). Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen; ihre erstmals in der Revision mit neuen Zahlen angestellten Berechnungen machen deutlich, dass die Klägerin in erster Instanz ihrer Behauptungslast nur unzureichend nachkam.Bei der Lösung der zweiten strittigen Frage, ob die Kündigung sozial ungerechtfertigt war (Paragraph 105, Absatz 3, ArbVG), muss vorerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen oder Tatbestandsmerkmalen geprüft werden, ob durch sie wesentliche Interessen der betroffenen Arbeitnehmer beeinträchtigt werden (Arb 10.771; RIS-Justiz RS0051640). Für diese Umstände ist die anfechtende Klägerin behauptungs- und beweispflichtig (Arb 10874; RIS-Justiz RS0051640). Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen; ihre erstmals in der Revision mit neuen Zahlen angestellten Berechnungen machen deutlich, dass die Klägerin in erster Instanz ihrer Behauptungslast nur unzureichend nachkam.

In die Untersuchung, ob wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen, sodass im vorliegenden Fall neben der Veränderung der Einkommensverhältnisse auch das Fehlen von Sorgepflichten, die Möglichkeit der fruchtbringenden Veranlagung einer Abfertigung (DRdA 1992/53 ((Mosler)), der Anfall einer von der Beklagten für die Klägerin angesparten Lebensversicherung und eine Betriebspension zu berücksichtigen sind (RIS-Justiz RS0051741). Schwankungen in der Einkommenslage muss prinzipiell jeder Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitslebens hinnehmen (ARD 5001/13/99).

Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist nur dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, dass sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne dass aber eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müsste (DRdA 1992/53 ((Mosler)). Da jede Kündigung die Interessen eines Arbeitnehmers beeinträchtigt und damit soziale Nachteile verbunden sind, müssen Umstände vorliegen, die über das normale Maß hinaus eine Kündigung für den Arbeitnehmer nachteilig machen (RIS-Justiz RS0051727, RS0051753). Derartige Gründe liegen unter Bedachtnahme auf die festgestellte wirtschaftliche und soziale Gesamtsituation der Klägerin nach der zutreffenden Begründung des Berufungsgerichts, auf die verwiesen werden kann, nicht vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E60022 09B01970

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:009OBA00197.00M.1108.000

Dokumentnummer

JJT_20001108_OGH0002_009OBA00197_00M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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