TE OGH 2000/11/8 12R197/00d

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch Dr. Weihs als Vorsitzenden sowie Dr. Bydlinski und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien *****mj. I***** Z*****, vertreten durch den Vater M***** Z*****, Angestellter, beide K*****, vertreten durch Dr. R*****, Rechtsanwälte in Stockerau, wider die beklagte Partei Dr. J***** W*****, *****, vertreten durch B***** Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Leistung (S 131.097,10) und Feststellung (S 100.000,--) s.A., infolge der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 2.6.2000, GZ 6 Cg 114/98i-39 (Berufungsinteresse S 21.000,--), mangels Antrags auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Parteien haben die ihnen im Berufungsverfahren entstandenen Kosten selbst zu tragen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die - bei Behandlungsbeginn 8-jährige - Klägerin befand sich ab Juli 1991 in der Ordination des Beklagten in kieferorthopädischer Behandlung, wobei ab 15.7.1991 vorerst ein funktionskieferorthopädisches Gerät zur Behandlung eingesetzt wurde. Dieses wurde am 10.5.1994 durch eine Oberkiefer-Dehnplatte ersetzt, die ab 9.9.1994 durch eine aktive Unterkiefer-Segmentplatte ergänzt wurde. Insgesamt wurden vom Beklagten 45 Behandlungsitzungen durchgeführt; am 15.4.1996 wurde die Behandlung von der Klägerin bzw. deren Eltern abgebrochen, weil sie keinen Erfolg zeitigte. Ein daraufhin konsultierter weiterer Zahnarzt verwies sie auf Grund der Komplizität ihrer Fehlstellung bzw. Anomalie zur weiteren Behandlung an die Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Wien, wo sie seither kieferorthopädisch behandelt wird. Im Berufungsverfahren ist auch nicht mehr strittig, dass die vom Beklagten eingesetzten Zahnspangen zur Behandlung der bestehenden Anomalie nicht geeignet waren und dass die von ihm gewählte Behandlungsmethode unter Verwendung von herausnehmbaren Zahnspangen nicht dem Stand der medizinischen Technik entsprochen hat. Jedenfalls ab dem Ende des zweiten Behandlungsjahres wäre für ihn zu erkennen gewesen, dass die Behandlungsmethode nicht zum Erfolg führen kann und sogar eine Verschlechterung erwarten lasse. Zu diesem Zeitpunkt hätte er die Verwendung einer festsitzenden Zahnspange verordnen müssen. Wäre die Behandlung zu diesem Zeitpunkt (Juli 1993) auf eine festsitzende Apparatur umgestellt worden, wäre sie bei etwa der gleichen Anzahl von Sitzungen erfolgreich beendet worden. Dadurch, dass eine ordnungsgemäße Behandlung jedoch erst im Herbst 1996 (an der Universitätsklinik) einsetzte, wurde deren Dauer um zumindest 30 % verlängert.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten als Schadenersatz für die nachteiligen Folgen der Fehlbehandlung die Zahlung von S 131.097,10 samt Zinsen sowie die Feststellung, dass er für sämtliche künftige Schäden aus der fehlerhaften Kieferbehandlung hafte. An Schmerzengeld - (diese Position bildet allein den Gegenstand des Berufungsverfahrens - begehrte sie die Zahlung von S 100.000,-- und brachte dazu im wesentlichen vor, dass das Tragen der (medizinisch zwecklosen) Zahnspangen mit entsprechenden Beschwerden und Unannehmlichkeiten verbunden gewesen sei. Die zahlreichen Zahnbehandlungen hätten auch immer wieder gewisse Angstzustände und eine psychische Beeinträchtigung der Klägerin verursacht. Aufgrund der Fehlbehandlung müssten nunmehr vier ansonsten bleibende Zähne entfernt werden und sie müsse weiterhin laufende Behandlungen in der Universitätsklinik über sich ergehen lassen, um die Folgen der Fehlbehandlung soweit als möglich auszugleichen. Auch diese neuerlichen, auf die Fehlbehandlung zurückzuführenden Behandlungen verursachten Schmerzen und Unannehmlichkeiten sowie weitere und verstärkte Angstgefühle. Das Selbstwertgefühl und die normale altersgemäße Entwicklung der Kläger seien infolge der weiterhin notwendigen Zahnbehandlungen und der nunmehr auf Dauer fehlenden Zähne beeinträchtigt; sie habe verstärkt Probleme, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, sei immer verschlossener geworden und habe sich zunehmend aus ihrem Freundeskreis zurückgezogen. Zum Schmerzengeldbegehren wandte der Beklagte ein, dass dieses überhöht sei.

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht den Beklagten schuldig, der Klägerin S 82.312,-- (darin S 55.500,-- an Schmerzengeld) samt Zinsen zu zahlen, und stellte fest, dass er der Klägerin für sämtliche zukünftigen Schäden aus der fehlerhaften Kieferbehandlung vom Dezember 1991 bis September 1996 hafte; ein Mehrbegehren von weiteren S 48.785,10 samt Zinsen wies es ab. Bei dieser Entscheidung ging das Erstgericht - über den eingangs dargestellten (nunmehr) unstrittigen Sachverhalt hinaus - von den auf den Seiten 4 bis 10 der Urteilsausfertigungen getroffenen Feststellungen aus, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Hervorzuheben ist davon, dass die Klägerin im Zuge der fehlerhaften Behandlung ab Ende des (zu ergänzen: zweiten) Behandlungsjahres bis zum Abbruch der Behandlung beim Beklagten durch die Aktivierungen der Zahnspangen leichte Schmerzen in der Dauer von insgesamt 28 Tagen erlitt, wobei drei Drehungen (Aktivierungen) der ersten Zahnspange und Drehungen der Schrauben an der Oberkiefer-Platte und an der Unterkiefer-Platte an insgesamt 11 Tagen berücksichtigt wurden. Neben den physischen Schmerzen erlitt die Klägerin vor allem im Zuge der Pubertät Angstzustände, die Stimmungslage lag im leicht depressiven Skalenbereich, ohne dass dies Krankheitswert aufwies. Durch das Tragen der Zahnspange wurde sie von Gleichaltrigen gehänselt, das Vorstehen zweier Zähne war sehr auffällig, worunter sie ebenfalls litt. Ebenso stellten die regelmäßigen Zahnarztbesuche eine psychische Belastung der Klägerin dar. Die Klägerin ist durch die Zahnsituation in ihrer schwierigen Entwicklungsphase der Pubertät zusätzlich belastet worden, auch wenn das selbstunsichere und eher introvertierte Persönlichkeitsbild nicht primär von der psychischen Belastung im Zuge der Behandlung verursacht wurde.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, dass bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zusätzlich zu den 28 Tagen physischer leichter Schmerzen auch die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin durch die Fehlbehandlung in einem Gesamtausmaß von weiteren 9 Tagen leichter Schmerzen zu berücksichtigen seien, wobei ein Tag für 25 fehlerhafte Behandlungen, 6 Tage für den Behandlungszeitraum ab dem Ende des zweiten Behandlungsjahres bis September 1996 sowie zwei Tage für die vom Beklagten verursachte Behandlungsmehrdauer von 40 Wochen anzusetzen seien. Diese physischen Schmerzen sowie die psychischen Beeinträchtigungen rechtfertigten einen Schmerzengeldbetrag von S 55.500,--.

Gegen die Abweisung eines Mehrbegehrens von S 21.000,-- samt Zinsen richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass ihr über den bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere S 21.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.5.1998 zugesprochen werden.

Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben. Die Berufung ist nicht berechtigt.

Vor einem näheren Eingehen auf die Berufungsausführungen ist festzuhalten, dass die Klägerin ausschließlich die Fragen, in welchem Ausmaß ihr durch die "zweite und dritte" Zahnspange Schmerzen entstanden sind, sowie, welche Schmerzengeldansprüche daraus resultieren, zum Gegenstand ihres Rechtsmittels macht. Auf alle anderen in erster Instanz strittigen Fragen, etwa auch die Problematik der über die körperlichen Schmerzen hinausgehenden Beeinträchtigungen, ist daher nicht einzugehen.

In ihrer Beweisrüge strebt die Klägerin ersichtlich die Feststellung an, dass sie durch die (sieben) Aktivierungen der "dritten Zahnspange", nämlich der aktiven Unterkiefer-Segmentplatte, - über die vom Erstgericht festgestellten Schmerzen hinaus - weitere leichte Schmerzen in der Dauer von 14 Tagen erlitten habe.

Dabei übersieht sie aber offenbar, dass die Oberkiefer-Dehnplatte ab 10.5.1994 in Verwendung war, jedoch bereits am 9.9.1994 durch die Unterkiefer-Segmentplatte ergänzt wurde, sodass während des größten Teils der Behandlungsdauer beide Teile zugleich in Verwendung waren und bei einer gleichzeitigen Aktivierung des oberen und des unteren Teils die Schmerzperioden nicht summiert werden dürfen, weil die Schmerzen eben gleichzeitig eingetreten sind. Ganz in diesem Sinne hat auch der Sachverständige ***** in der Tagsatzung vom 25.6.1999 (AS 167) ausgeführt, dass angesichts der Angaben in der Krankengeschichte davon auszugehen sei, dass die Oberkieferplatte und die Unterkieferplatte gleichzeitig gedreht wurden, sodass die ursprünglich errechneten Schmerzperioden um 7 Aktivierungen vermindert werden müssten. Genau diesen Ausführungen ist der Erstrichter mit seinen Feststellungen gefolgt, sodass nicht ersichtlich ist, inwieweit ihm hier ein Fehler unterlaufen sein sollte. Dass die von der Klägerin erlittenen Schmerzen während der ersten beiden Behandlungsjahre nicht zu berücksichtigen sind, weil erst mit dem Ende des zweiten Behandlungsjahres die mangelnde Eignung der gewählten Behandlungsart ersichtlich sein musste, zieht die Klägerin in ihrer Berufung gar nicht in Zweifel.

Das Berufungsgericht übernimmt somit die erstgerichtlichen Feststellungen über die von der Klägerin erlittenen Schmerzen im Zusammenhang mit den Aktivierungen der Ober- und Unterkieferplatte als Ergebnis einer unbedenklichen, weil auf den auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des Sachverständigen beruhenden, Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zu Grunde.

Damit versagt aber auch die Rechtsrüge, weil hier ausschließlich geltend gemacht wird, dass der Erstrichter bei der Bemessung des ihr zustehenden Schmerzengeldes weitere sieben Aktivierungen nicht berücksichtigt habe, die durchschnittlich zwei Tage leichte Schmerzen nach sich gezogen hätten. Dass dieser Vorwurf unberechtigt ist, wurde bereits dargelegt. Im Übrigen kann bei Behandlung der Rechtsrüge nur auf Erwägungen eingegangen werden, die von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehen (vgl dazu nur Kodek in Rechberger² Rz 9 zu § 471 ZPO mwN). Dass das Erstgericht aus anderen Gründen ein unzutreffendes Schmerzengeld ausgemessen hätte, macht die Klägerin gar nicht geltend, sodass ihrem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben muss.Damit versagt aber auch die Rechtsrüge, weil hier ausschließlich geltend gemacht wird, dass der Erstrichter bei der Bemessung des ihr zustehenden Schmerzengeldes weitere sieben Aktivierungen nicht berücksichtigt habe, die durchschnittlich zwei Tage leichte Schmerzen nach sich gezogen hätten. Dass dieser Vorwurf unberechtigt ist, wurde bereits dargelegt. Im Übrigen kann bei Behandlung der Rechtsrüge nur auf Erwägungen eingegangen werden, die von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgehen vergleiche dazu nur Kodek in Rechberger² Rz 9 zu Paragraph 471, ZPO mwN). Dass das Erstgericht aus anderen Gründen ein unzutreffendes Schmerzengeld ausgemessen hätte, macht die Klägerin gar nicht geltend, sodass ihrem Rechtsmittel ein Erfolg versagt bleiben muss.

Mangels Rechtsmittelerfolgs hat die Klägerin die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen (§ 40 ZPO). Auch dem Beklagten steht jedoch für seine Berufungsbeantwortung kein Kostenersatz zu, weil sich sein Schriftsatz angesichts der inhaltlichen Dürftigkeit als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich (§ 41 ZPO) darstellt. Die Ausführungen der Berufungs- beantwortung erschöpfen sich in allgemeinen und nichtssagenden Floskeln, ohne auf die konkreten Vorwürfe in der Berufung einzugehen oder sich mit der Begründung des Erstgerichts oder dem Inhalt des Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen. Da somit die Berufungsbeantwortung der Rechtsverteidigung des Beklagten in keiner Weise förderlich war, kommt auch ein Kostenersatzanspruch nicht in Betracht (vgl dazu nur M. Bydlinski, Prozesskostenersatz 17; OLG Linz, ZVR 1984, 251; 60b 701/82 ua).Mangels Rechtsmittelerfolgs hat die Klägerin die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen (Paragraph 40, ZPO). Auch dem Beklagten steht jedoch für seine Berufungsbeantwortung kein Kostenersatz zu, weil sich sein Schriftsatz angesichts der inhaltlichen Dürftigkeit als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich (Paragraph 41, ZPO) darstellt. Die Ausführungen der Berufungs- beantwortung erschöpfen sich in allgemeinen und nichtssagenden Floskeln, ohne auf die konkreten Vorwürfe in der Berufung einzugehen oder sich mit der Begründung des Erstgerichts oder dem Inhalt des Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen. Da somit die Berufungsbeantwortung der Rechtsverteidigung des Beklagten in keiner Weise förderlich war, kommt auch ein Kostenersatzanspruch nicht in Betracht vergleiche dazu nur M. Bydlinski, Prozesskostenersatz 17; OLG Linz, ZVR 1984, 251; 60b 701/82 ua).

Da das Berufungsgericht nur über einen Entscheidungsgegenstand von S 21.000,-- abzusprechen hatte - im Übrigen ist die Entscheidung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen -, ist eine Revision jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).Da das Berufungsgericht nur über einen Entscheidungsgegenstand von S 21.000,-- abzusprechen hatte - im Übrigen ist die Entscheidung mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen -, ist eine Revision jedenfalls unzulässig (Paragraph 502, Absatz 2, ZPO).

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW00364 12R197-00d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLGW009:2000:01200R00197.00D.1108.000

Dokumentnummer

JJT_20001108_OLGW009_01200R00197_00D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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