Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. November 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Krüger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heimo S***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinstrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Gmunden als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 25. Mai 2000, GZ 13 Vr 723/99-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Sageder, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Beck zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB sowie wegen § 114 Abs 1 und 2 ASVG enthält, wurde Heimo S***** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe zwischen 15. Februar und 15. September 1997 in Gmunden als Eigentümer der Einzelfirma Heimo S***** (Steuer-Nummer *****) sowie als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Firma S***** WohnwagenvertriebGmbH (richtig: S***** Handels GesmbH) (Steuer-Nummer *****) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von 1,546.677 S an Umsatzsteuer dadurch bewirkt, dass er für die Zeit von Dezember 1996 bis Juli 1997 weder Umsatzsteuervorauszahlungen leistete noch Umsatzsteuervoranmeldungen einreichte, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hatte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den wesentlichen (zusammengefasst wiedergegebenen) Feststellungen des Erstgerichtes erzielte der Angeklagte mit seinem Einzelunternehmen und mit der von ihm vertretenen GmbH Umsätze, die eine Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen oder die Leistung von Umsatzsteuervorauszahlungen erforderlich gemacht hätten. Da er wegen finanzieller Schwierigkeiten sein Geld zur Bezahlung anderer Verbindlichkeiten benötigte, unterließ er vorsätzlich die Abfuhr der Steuer, Voranmeldungen brachte er nicht ein. Dadurch bewirkte er wissentlich für das Einzelunternehmen einen Verkürzungsbetrag von 806.736 S und für die GmbH einen solchen von 739.941 S.
Nachdem das Verhalten des Angeklagten beim zuständigen Finanzamt Gmunden aufgefallen war, ordnete der Vorstand dieses Finanzamtes ohne formelle Einleitung eines Finanzstrafverfahrens eine Betriebsprüfung gemäß § 99 Abs 2 FinStrG an. Diese wurde dem Angeklagten vom zuständigen Prüfer am 15. (für das Einzelunternehmen) und 16. September 1997 (für die GmbH) für den 23. September 1997 angekündigt. Auf dem dafür verwendeten Formblatt wurde als Begründung "die Nichtabgabe der UVAs bzw Nichtentrichtung der Vorauszahlungen 12/96 bis 6/97" angeführt. Für das Finanzamt bestand der Verdacht eines Finanzvergehens lediglich auf Grund der Nichtabgabe der Voranmeldungen und der Nichtabführung der Vorauszahlungen. "Weitere Hinweise tatsächlicher Natur für eine Abgabenverkürzung" hatte das Finanzamt Gmunden nicht.
Auf Grund der Ankündigung der bevorstehenden Prüfung suchte der Angeklagte am 18. September 1997 den Vorstand des Finanzamtes Gmunden auf, legte offen, dass er die Vorauszahlungen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht erbracht hatte und reichte inhaltlich richtige Voranmeldungen nach. Nachdem er über Aufforderung des Vorstandes des Finanzamtes schriftliche Ratengesuche gestellt hatte, über die teilweise abschlägig beschieden wurde, zahlte der Angeklagte am 31. Oktober 1997 den verkürzten Betrag nach, sodass der Schaden zur Gänze gutgemacht wurde.
Gegen den Freispruch richtet sich eine auf die Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Gmunden. Ihr kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerdeführerin geht in ihrem Rechtsmittel davon aus, dass die vom Angeklagten am 18. September 1997 nachgereichte, inhaltlich richtigen Umsatzsteuervoranmeldungen als Selbstanzeige nach § 29 Abs 1 FinStrG zu werten sind. Sie macht jedoch geltend, die Selbstanzeige sei für eine strafbefreiende Wirkung zu spät erfolgt, weil die Verständigung von der bevorstehenden Prüfung nach § 99 Abs 2 FinStrG bereits eine Verfolgungshandlung gemäß § 14 Abs 3 FinStrG darstelle.
Verfolgungshandlungen im Sinne dieser Gesetzesstelle sind nur solche Akte, die nach ihrer Art und Bedeutung die Absicht des Gerichtes oder der Finanzstrafbehörde erkennen lassen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden konkreten Verdacht auf eine in den Verfahrensvorschriften vorgesehene Weise zu prüfen. Dem behördlichen Akt muss insbesondere zu entnehmen sein, welche Tat der betreffenden Person zur Last gelegt wird. Die Verfolgungshandlung muss sich auf alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (VwGH 17. Februar 1983, 81/16/0187 in AnwBl 1983/1776; SSt 57/33 = EvBl 1987/12).
Die dem Angeklagten im eigenen Namen und namens der S***** GmbH zugestellten Verständigungen enthalten lediglich die Mitteilung, dass die Prüfung der Buchhaltung und der steuerlichen Aufzeichnungen des Einzelunternehmens bzw der Gesellschaft auf Grund der Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw Nichtentrichtung der Vorauszahlungen erfolgen wird. Daraus ergibt sich keine Absicht der Finanzstrafbehörde, eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat zu verfolgen. Die Verpflichtung zur Einreichung einer Umsatzsteuervoranmeldung besteht andererseits insbesondere dann nicht, wenn sich für einen Vorauszahlungszeitraum keine Abgabenschuld ergibt. Aus der bloßen Nichtabgabe einer Voranmeldung alleine oder dem Unterbleiben einer Umsatzsteuervorauszahlung kann somit die Verwirklichung eines Finanzvergehens noch nicht erschlossen werden und von einer auch nur teilweisen Tatentdeckung keine Rede sein. Das tatsächlich wahrgenommene Geschehen nötigt daher noch nicht zum Schluss auf ein im Finanzstrafgesetz vertyptes Vergehen, sondern lässt noch andere Deutungsmöglichkeiten offen (EvBl 1999/28). Die angeordnete Prüfung diente sachverhaltsgemäß vielmehr dazu, zunächst zu ermitteln, ob und gegen welche Person eine Verfolgung wegen eines Vergehens nach dem Finanzstrafgesetz eingeleitet werden könnte. Solche Ermittlungen stellen aber noch keine Verfolgungshandlung nach § 14 Abs 3 FinStrG dar.
Die vom Angeklagten erstattete Selbstanzeige ist daher rechtzeitig im Sinne des § 29 Abs 3 lit a FinStrG erfolgt.
Auch der weitere Einwand der Nichtigkeitswerberin, der Angeklagte hätte nicht "unverzüglich" nach Ablehnung seiner Ratengesuche die erforderlichen Nachzahlungen geleistet, ist nicht im Recht. Er übergeht zunächst die Urteilskonstatierungen, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob über das Zahlungserleichterungsansuchen namens der GmbH überhaupt entschieden bzw wann ein solcher Bescheid dem Angeklagten zugestellt worden wäre (US 16). Bei dem eine Zahlungserleichterung abweisenden Bescheid hinsichtlich des Einzelunternehmens wurde entgegen der zwingenden Bestimmung des § 218 Abs 2 BAO ("ist ... zu setzen") keine Zahlungsfrist festgesetzt, sondern bloß angeordnet, dass die Abgaben "unverzüglich" zu begleichen seien. Die Zahlung am 15. Tag nach Zustellung des Bescheides erfolgte jedenfalls innerhalb der allgemeinen Fälligkeitsfrist des § 210 BAO, sodass die Tatrichter zutreffend von einer die Strafbefreiung bewirkenden Rechtzeitigkeit ausgegangen sind.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Gmunden war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.
Textnummer
E59968European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0150OS00121..1109.000Im RIS seit
09.02.2001Zuletzt aktualisiert am
13.04.2011