TE Vwgh Erkenntnis 2006/12/20 2004/08/0036

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Veröffentlicht am 20.12.2006
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des G in G, vertreten durch Dr. Fritz Wintersberger, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Bahnhofsplatz 1A/Stiege 1/TG, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 17. November 2003, Zl. 125.627/6-3/03, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. R Gesellschaft m.b.H., in G;

2.

Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19;

3.

Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; 4. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57; 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Februar 2000 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer beim Dienstgeber R Gesellschaft m.b.H in Wien in der Zeit vom 1. November 1998 bis 30. Juni 1999 der Voll- (Kranken-, Unfall- , Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) nicht unterlegen sei und dass die am 30. Oktober 1998 erstattete Anmeldung abgelehnt werde.

Weiters stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Beschwerdeführer im vorgenannten Zeitraum auch nicht der Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 in Verbindung mit Abs. 4 ASVG unterlegen sei.

Auf Grund des dagegen erhobenen Einspruches des Beschwerdeführers stellte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 21. Juni 2000 die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers im Zeitraum 1. November 1998 bis 30. Juni 1999 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG fest. Gleichzeitig stellte der Landeshauptmann von Wien fest, dass der Beschwerdeführer im vorgenannten Zeitraum nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 14 in Verbindung mit Abs. 4 ASVG unterlegen sei.

Der Landeshauptmann von Wien stützte seine Entscheidung vor allem auf eine Einvernahme des Beschwerdeführers vom 16. Juni 2000, in welcher dieser Folgendes ausgesagt hat:

"Mein Vater, (R), hat im September 1998 die (erstmitbeteiligten R GmbH) gegründet. Diese hat zuerst in der R Gasse (...), 1140 Wien, einen Gastgewerbebetrieb geführt. Gleichzeitig wurde in der K Gasse (...), 1180 Wien, ebenfalls ein Gastgewerbebetrieb begonnen. Ich war Geschäftsführer der (R GmbH) und verfügte darüber hinaus über 1 % der Geschäftsanteile. Die Geschäftsanteile habe ich meinem Vater jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück übertragen. Ich wurde als Geschäftsführer der (R GmbH) tätig. Ich habe den Einkauf und die Abrechnungen gemacht, ich habe mich um die Angelegenheiten beim Finanzamt gekümmert und bin hinter der Schank gestanden. Ich habe diese Tätigkeit in beiden Filialen durchgeführt. Meiner Erinnerung nach waren zwei Angestellte am K Markt beschäftigt. Ich war in der R Gasse alleine tätig, weil dort Renovierungsarbeiten durchgeführt worden sind. Es war geplant, das Lokal in der R Gasse zu verpachten, lediglich gelegentlich ist das Geschäft offen gewesen und der Umsatz war minimal. Ich habe keine bestimmten Arbeitszeiten einzuhalten gehabt, es hat vielmehr eine Art gleitende Arbeitszeit bestanden. Ich habe von meinem Vater, der der Chef der Gesellschaft ist, Weisungen erhalten und musste ich mit ihm jeden Monat die Abrechnung machen. Mein Vater hat mir konkrete Anweisungen erteilt, was ich zu tun hatte. Er hat insbesondere die Einkaufslisten erstellt. Ich wohne in Guntramsdorf und mein Vater wohnt im selben Haus und ist daher über sämtliche Belange der Firma informiert. Ich hätte mich bei meiner Tätigkeit nicht vertreten lassen können. Mein Beschäftigungsverhältnis beruht auf einem mündlichen Vertrag. Dieser Vertrag war ursprünglich auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Am 26.3.1999 wurde meine Funktion als Geschäftsführer gelöscht. Ich bin weiterhin in der Firma als Direktionsassistent geblieben und dann mit 30.6.1999 aus der Firma ausgeschieden. Entgegen der Auffassung der Wiener Gebietskrankenkasse habe ich sehr wohl gearbeitet."

Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Schriftsatz vom 7. Juli 2000 Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und sprach in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien aus, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Beschäftigung als Geschäftsführer beim Dienstgeber R Gesellschaft m.b.H. (erstmitbeteilige Partei) in der Zeit vom 1. November 1998 bis 30. Juni 1999 gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG nicht der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis 30. Juni 1999 als Geschäftsführer der R Gesellschaft m.b.H von dieser zur Pflichtversicherung gemeldet worden sei. Bis 26. März 1999 sei der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen, wobei vom 17. März 1999 bis 24. Oktober 2000 der Vater des Beschwerdeführers auch als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe vom 29. Oktober 1998 bis 21. Februar 2001 1 % des Stammkapitals der Gesellschaft m.b.H, sein Vater - in diesem Zeitraum - hingegen 99 % des Stammkapitals innegehabt. Seitens des Finanzamtes Mödling sei für die Tätigkeit des Beschwerdeführers weder im Jahr 1998 noch im Jahr 1999 Lohnsteuer einbehalten worden. Dem Beschwerdeführer seien weder Weisungen erteilt worden, noch sei er bei seiner Tätigkeit kontrolliert worden. Er habe den Betrieb seines behinderten Vaters selbst geführt. Weiters führte die belangt Behörde aus, dass der Beschwerdeführer den Einkauf, die Abrechnung usw. selbständig durchgeführt habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er eine flexible zeitliche Gestaltung der Arbeitszeit gehabt habe, sei als unglaubwürdig und lebensfremd einzustufen. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er hinter der Schank gearbeitet habe, gleichzeitig aber nicht mit Sicherheit angeben könne, wie viele Angestellte im Lokal am K Markt gearbeitet habe, Zweifel an den Behauptungen des Beschwerdeführers hervorgerufen hätten. Verwunderlich seien darüber hinaus die unterschiedlichen Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Arbeitsintensität, welche er in den verschiedenen Lokalen aufgewandt habe.

Nach Bezugnahme auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gelangte die belangte Behörde zu der Feststellung, dass keine Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Beschwerdeführer persönlich und wirtschaftlich abhängig gewesen sei, und verneinte das Vorliegen der Versicherungspflicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens (teilweise) vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und erklärte - ebenso wie die mitbeteiligte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt -, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Berufung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. November 2000 verspätet erhoben worden sei, da nach dem (im angefochtenen Bescheid enthaltenen) "behördeninternen Vermerk" diese erst am 26. Juli 2000 bei der belangten Behörde eingelangt sei.

Gemäß § 415 Abs. 2 ASVG hat der Versicherungsträger, der den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, die Berufung beim Landeshauptmann einzubringen. Wie sich aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt, wurde der Einspruchsbescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 4. Juli 2000 zugestellt; die dagegen erhobene Berufung ist beim Landeshauptmann von Wien am 18. Juli 2000 eingelangt. Die vom Beschwerdeführer vermutete Verspätung der Berufung liegt daher nicht vor.

2. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Für die Beurteilung der rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit eines geschäftsführenden Gesellschafters einer GmbH von der Gesellschaft ist zunächst (d.h. der nach § 4 Abs. 2 ASVG vorzunehmenden Prüfung, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit jene der Unabhängigkeit überwiegen, gedanklich vorgelagert) zu prüfen, ob und inwieweit der Geschäftsführer aufgrund der getroffenen Vereinbarungen einen beherrschenden Einfluss auf die GmbH hat. Im Falle der Verneinung eines beherrschenden Einflusses des geschäftsführenden Gesellschafters auf die Gestion der Gesellschaft ist die Frage der persönlichen Abhängigkeit - im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG - des Geschäftsführers vor allem im Lichte der ständigen hg. Rechtsprechung zu überprüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall verfügte der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Zeitraum lediglich über einen Anteil von 1 % am Stammkapital der R GmbH, sodass er allein auf Grund der Beteiligung keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben konnte. Die belangte Behörde hat auch nicht ausdrücklich festgestellt, dass der Beschwerdeführer dadurch beherrschenden Einfluss genommen hätte, dass er mehr Rechte in Anspruch genommen habe, als ihm aufgrund der Beteiligungsverhältnisse zugestanden wären. Sie ist vielmehr aufgrund der - gedanklich nachgelagerten - Prüfung, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit jene der Unabhängigkeit überwiegen, zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer persönlich und wirtschaftlich unabhängig sei und somit nicht der Vollversicherungspflicht unterliege.

Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob im konkreten Fall auf Grund der (geringfügigen) Beteiligung des Beschwerdeführers an der R GmbH (an der die restlichen Anteile vom Vater des Beschwerdeführers gehalten wurden) in Verbindung mit allenfalls zumindest faktisch umfassenderen Einflussmöglichkeiten, wie sie sonst nur einem Mehrheitseigentümer zukommen, bereits von einem beherrschenden Einfluss des Beschwerdeführers auf die R GmbH ausgegangen werden könnte, da die belangte Behörde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses schon mangels persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Beschwerdeführers im Ergebnis zutreffend verneint hat (vgl. auch das denselben Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/08/0041).

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Beurteilung der belangten Behörde wendet, er habe den Einkauf, die Abrechnung usw. nicht auf unselbständiger, sondern auf selbständiger Basis durchgeführt, so vermag er damit keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung zu begründen. Die belangte Behörde ist auf Grund einer nicht als unschlüssig zu beurteilenden Beweiswürdigung, in die unter anderem die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers ebenso Eingang gefunden hat, wie dessen widersprüchliches Vorbringen (auch in einem Parallelverfahren), zur Feststellung gelangt, dass dem Beschwerdeführer keine Weisungen erteilt wurden und man ihn in Ausübung seiner Tätigkeit auch nicht kontrolliert hat, sondern er vielmehr den verfahrensgegenständlichen Betrieb selbst geführt hat.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde für die Beantwortung der Frage, wer Dienstnehmer sei, § 4 Abs. 2 ASVG mit § 47 EStG "gekoppelt" und dabei übersehen habe, dass nicht die Lohnsteuerpflicht alleine, sondern der Anspruch des Dienstnehmers auf Lohn maßgeblich sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde die Dienstnehmereigenschaft des Beschwerdeführers nicht alleine aufgrund der Tatsache, dass in den Jahren 1998 und 1999 keine Lohnsteuer einbehalten wurde, verneint hat, sondern dass sie sich primär darauf gestützt hat, dass keine für die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers sprechenden Anhaltspunkte festgestellt werden konnten. Das Fehlen der Anmeldung beim Finanzamt (die vom Beschwerdeführer als Geschäftsführer hätte vorgenommen werden können) und das Unterlassen der Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer wurde von der belangte Behörde jedoch zutreffend im Rahmen der Beweiswürdigung als weiteres Indiz für das Fehlen einer abhängigen Beschäftigung als Dienstnehmer gewertet.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sein Vertrags- bzw. Beschäftigungsverhältnis bei der R GmbH bereits beendet sei und er deshalb seiner Mitwirkungspflicht nicht - wie von der Behörde verlangt - durch Vorlage von Bilanzen und Lohnkonten habe nachkommen können, lässt die von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung nicht als unschlüssig erscheinen, zumal der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein diesbezügliches Vorbringen erstattet, sondern auf die entsprechenden Ersuchen der belangten Behörde überhaupt nicht reagiert hat.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. Dezember 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Handelsrecht Gesellschaftsrecht Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080036.X00

Im RIS seit

19.02.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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