Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Hasch, Spohn, Richter & Partner, Rechtsanwälte KEG in Linz, wegen Nichtigerklärung eines Vertrags infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2000, GZ 2 R 244/99m-28, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 19. Juli 1999, GZ 5 Cg 209/97y-21, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die klagende Partei betreibt den Handel mit gebrauchten Maschinen. Anfang 1997 waren Manfred S***** mit 10 % und seine Ehegattin Eva S***** mit 90 % am Stammkapital der klagenden Partei beteiligt. Diese war alleinvertretungsbefugte Geschäftsführerin der klagenden Partei. Am 17. 3. 1997 kaufte sie namens der klagenden Partei bei der beklagten Partei zahlreiche technische Geräte zum Preis von S 377.500, den sie bar bezahlte. Von den gekauften Gegenständen übernahm sie lediglich ein Gerät zum Preis von S 5.490; die restlichen Waren befinden sich nach wie vor bei der beklagten Partei. Am 20. 3. 1997 kaufte die Gesellschafterin/Geschäftsführerin abermals namens der klagenden Partei Möbel zum Gesamtpreis von 1,1 Mio S, am 25. 3. 1997 einen PKW um 1,3 Mio S und am 26. 3. 1997 Brillen und Kontaktlinsen um S 27.000.
Die klagende Partei begehrte die Nichtigerklärung des von ihrer Geschäftsführerin für sie mit der beklagten Partei geschlossenen Kaufvertrags vom 17. 3. 1997, mit Ausnahme des zum Preis von S 5.490 übernommenen Geräts, sowie die Rückzahlung des Kaufpreises für die übrigen Waren im Betrag von S 372.010. Die Geschäftsführerin sei manisch-depressiv und in einen wahren Kaufrausch verfallen; sie sei bei Abschluss des Kaufvertrags geschäftsunfähig gewesen. Am 27. 3. 1997 sei ein Sachwalter für sie bestellt worden, dem die gesamte Vermögensverwaltung übertragen worden sei.
Die beklagte Partei wendete ein, die Geschäftsführerin sei geschäftsfähig gewesen, zumindest sei aber die allenfalls bestehende Geschäftsunfähigkeit für die Vertreter der beklagten Partei nicht erkennbar gewesen. Jedenfalls müsse sich die klagende Partei den von der Geschäftsführerin geschlossenen Kaufvertrag zurechnen lassen, habe es doch deren Ehegatte als weiterer Gesellschafter der klagenden Partei trotz Kenntnis der Geschäftsunfähigkeit der Geschäftsführerin schuldhaft unterlassen, wirksame Maßnahmen wie etwa die Bestellung eines Notgeschäftsführers in die Wege zu leiten. Für den Fall der Klagestattgebung wendete die beklagte Partei ferner ein, ihr seien mangels Abholung der gekauften Gegenstände Lagerkosten entstanden, und außerdem sei der Wert der gekauften Ware gemindert, wodurch ihr ein Schaden von insgesamt 80.000 S entstanden sei. Schließlich sei der beklagten Partei ein Verdienstentgang von S 180.000 erwachsen, der ebenso wie der von einem anderen Unternehmen infolge Ankaufs eines PKWs durch die Geschäftsführerin erlittene Schaden von S 180.000 - diese Forderung sei der beklagten Partei abgetreten worden - zur Aufrechnung gegen die Klagsforderung eingewendet werde.
Die klagende Partei replizierte darauf, ihre Geschäftsführerin sei erst Mitte März 1997 in eine manische Phase eingetreten, und sie habe erst ab diesem Zeitpunkt das atypische Kaufverhalten an den Tag gelegt. Der Ehemann der Geschäftsführerin, der weitere Gesellschafter, habe durch die Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters unverzüglich, nämlich am 25. 3. 1997, auf das Verhalten der Geschäftsführerin reagiert. Vor dem 21. 3. 1997 habe der Ehegatte der Geschäftsführerin nicht einmal deren Aufenthaltsort gekannt.
Das Erstgericht wies das auf Nichtigerklärung des Kaufvertrags gerichtete Klagebegehren ab. Die Geschäftsführerin der klagenden Partei sei bei Abschluss des Kaufvertrags nicht geschäftsfähig gewesen. Ihr Ehemann hätte aber bereits ab 21. 2. 1997 den auffälligen psychischen Zustand der Geschäftsführerin erkennen und dieser hätte ihn zur Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG veranlassen müssen. Dadurch hätte der Vertragsabschluss durch die Geschäftsführerin namens der klagenden Partei verhindert werden können. Durch Unterlassung entsprechender Maßnahmen habe der Gesellschafter der klagenden Partei den Anschein geschaffen, dass sich diese die Vertretungshandlungen der an sich geschäftsunfähigen Geschäftsführerin zurechnen lassen wolle.
Das Gericht zweiter Instanz hob das Ersturteil auf und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Über das Leistungsbegehren der klagenden Partei sei nicht entschieden worden, sodass es mangels geeigneter Antragstellung aus dem Prozessrechtsverhältnis ausgeschieden sei. Demnach müsse auf die von der beklagten Partei geltend gemachten Gegenforderungen nicht mehr eingegangen werden. An sich sei der von der geschäftsunfähigen Geschäftsführerin geschlossene Kaufvertrag vom 17. 3. 1997 nichtig. Sollte dem Ehegatten der Geschäftsführerin und weiteren Gesellschafter der klagenden Partei bei Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Geschäftsunfähigkeit der Geschäftsführerin erkennbar gewesen sein und sei er dennoch untätig geblieben, so käme die Annahme einer vertraglichen Haftung der Gesellschaft im Sinne einer Bindung an das abgeschlossene Geschäft in Frage. Der Gesellschafter der klagenden Partei hätte nämlich allenfalls die "Vertrauenserwartung" des Vertragspartners vermeiden können. Zu diesem Zweck wäre ihm ein Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers offen gestanden, aber auch die Möglichkeit eröffnet gewesen, mittels einstweiliger Verfügung den vorläufigen Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis seiner Ehegattin zu erreichen. Auch die (rechtzeitige) Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters hätte grundsätzlich die Möglichkeit geboten, den Abschluss des Kaufvertrags durch die Geschäftsführerin für die klagende Partei zu verhindern. Es sei aber zu prüfen, ob die möglichen Maßnahmen vor Abschluss des hier angefochtenen Geschäfts überhaupt noch hätten wirksam werden können. Das Erstgericht habe festgestellt, dass der Ehemann der Geschäftsführerin spätestens am 21. 2. 1997 deren psychischen Zustand habe erkennen können. Diese Feststellung sei aber bekämpft worden und das erstinstanzliche Verfahren sei deshalb mangelhaft geblieben, weil der Ehegatte der früheren Geschäftsführerin und nunmehrige Geschäftsführer der klagenden Partei trotz entsprechender Antragstellung nicht als Zeuge einvernommen worden sei.
Die Rekurse der Streitteile sind zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Verfahrensrechtliches:
Vorweg ist der Umfang des noch zur Entscheidung anstehenden Klagebegehrens zu erörtern: Das Erstgericht hat dem Spruch seiner Entscheidung zufolge ausschließlich über das Begehren der klagenden Partei, den Kaufvertrag vom 17. 3. 1997 als aufgelöst bzw nichtig zu erklären, - abweislich - entschieden; das Rückzahlungsbegehren wurde dagegen im Spruch nicht erwähnt. Aber auch den Entscheidungsgründen, die - gerade, soweit es um die Deutung des Entscheidungswillens des Gerichts geht, - mit dem Spruch eine Einheit bilden, kann nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnommen werden, dass das Erstgericht auch über das auf Rückzahlung von S 372.010 sA gerichtete Leistungsbegehren entscheiden wollte. Das gilt auch für die Ausführungen in den Entscheidungsgründen, " auf Grund des vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens", das die Geschäftsunfähigkeit der Geschäftsführerin der klagenden Partei belegte, sei von weiteren Beweisaufnahmen über die eingewendeten Gegenforderungen abzusehen; auch sie lassen nicht verlässlich daraus schließen, dass sich der Wille des Erstgerichts bei seiner Entscheidung auch auf das Leistungsbegehren erstreckte. Demnach ist dem Gericht zweiter Instanz - entgegen der Auffassung der Streitteile - darin beizupflichten, dass das Leistungsbegehren mangels geeigneter Antragstellung (§ 423 ZPO) bzw Anfechtung in der Berufung (§ 496 Abs 1 Z 1 ZPO) aus dem Prozessrechtsverhältnis ausgeschieden sei.
2. In der Sache selbst:
Vorauszuschicken ist, dass die beiden Rekurse gemeinsam erörtert werden können, weil sie dieselben Rechtsfragen - allerdings mit gegensätzlichen Lösungen - anschneiden:
An sich ist der von einem Geschäftsunfähigen geschlossene Kaufvertrag gemäß § 865 erster Satz ABGB nichtig und auch der Genehmigung nicht zugänglich (SZ 68/161; 3 Ob 2128/96d). Davon ist indes die Frage zu sondern, unter welchen Voraussetzungen sich eine Gesellschaft mbH das Handeln ihres Geschäftsführers zurechnen lassen muss, dessen Organstellung infolge Geschäftsunfähigkeit endete, ohne dass das Ende der Vertretungsmacht im Firmenbuch eingetragen worden wäre.
Gemäß § 15 Abs 1 GmbHG können nur handlungsfähige physische Personen zu Geschäftsführern einer GmbH bestellt werden. Demnach ist bei der Geschäftsführerin der klagenden Partei bei Abschluss des von dieser beanstandeten Geschäfts die persönliche Voraussetzung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit weggefallen und damit ihr Amt als Geschäftsführerin beendet worden. Gemäß § 17 Abs 1 GmbHG ist das Erlöschen oder eine Änderung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers unverzüglich zum Firmenbuch anzumelden. Da die Tatsache, dass das Amt der Geschäftsführerin der klagenden Partei - infolge deren Geschäftsunfähigkeit - erloschen war, weder im Firmenbuch eingetragen noch bekannt gemacht war, als der streitverfangene Kaufvertrag geschlossen wurde, kann die klagende Partei der beklagten Partei gemäß § 15 Abs 1 HGB nicht entgegenhalten, dass ihre Geschäftsführerin dabei der Vertretungsmacht entbehrte (Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 15 Rz 9; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht I4 86 f). § 15 HGB schützt zwar das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Organstellung und damit in die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers, nicht aber auch, dass der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer auch handlungsfähig sei. Eintragungspflichtige - und demgemäß eintragungsfähi- ge - Tatsache ist bloß die Organstellung, nicht aber auch die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht2 I Rz 2/31 FN 20).Gemäß § 15 Abs 1 GmbHG können nur handlungsfähige physische Personen zu Geschäftsführern einer GmbH bestellt werden. Demnach ist bei der Geschäftsführerin der klagenden Partei bei Abschluss des von dieser beanstandeten Geschäfts die persönliche Voraussetzung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit weggefallen und damit ihr Amt als Geschäftsführerin beendet worden. Gemäß § 17 Abs 1 GmbHG ist das Erlöschen oder eine Änderung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers unverzüglich zum Firmenbuch anzumelden. Da die Tatsache, dass das Amt der Geschäftsführerin der klagenden Partei - infolge deren Geschäftsunfähigkeit - erloschen war, weder im Firmenbuch eingetragen noch bekannt gemacht war, als der streitverfangene Kaufvertrag geschlossen wurde, kann die klagende Partei der beklagten Partei gemäß § 15 Abs 1 HGB nicht entgegenhalten, dass ihre Geschäftsführerin dabei der Vertretungsmacht entbehrte (Burgstaller in Jabornegg, HGB, § 15 Rz 9; Hämmerle/Wünsch, Handelsrecht I4 86 f). § 15 HGB schützt zwar das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Organstellung und damit in die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers, nicht aber auch, dass der im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführer auch handlungsfähig sei. Eintragungspflichtige - und demgemäß eintragungsfähi- ge - Tatsache ist bloß die Organstellung, nicht aber auch die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht2 römisch eins Rz 2/31 FN 20).
Allerdings kommt die Haftung der Gesellschaft mbH nach Rechtsscheingrundsätzen in Betracht, wenn für die (übrigen) Gesellschafter die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers erkennbar war und diese das Handeln für die Gesellschaft hätten verhinder können. Bei vergleichbarer Rechtslage sprach der (deutsche) Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 1. 7. 1991, BGHZ 115, 78 = NJW 1991, 2566 = JZ 1992, 152 = BB 1991, 1584 = ZIP 1991, 1002 dazu aus, sei das Erlöschen der Organstellung nicht im Handelsregister eingetragen, so könne sich der Rechtsverkehr gemäß § 15 Abs 1 HGB zwar auf den Fortbestand, nicht aber auf die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers verlassen, weil deren Erlöschen keine Tatsache sei, die ins Handelsregister einzutragen sei. Dennoch sei es nicht ausgeschlossen, dass die Gesellschaft nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen verhalten sei. Dem stehe der generell anerkannte Ausschluss eines Rechtsscheins im Interesse des Schutzes von Geschäftsunfähigen nicht entgegen, gehe es doch nicht um einen Rechtsschein zu Lasten des geschäftsunfähigen Geschäftsführers, sondern zu Lasten der von diesem vertretenen Gesellschaft. Zwar gehe das Gesetz davon aus, dass der Geschäftsunfähige idR außer Stande sei, in sinnvoller Weise am rechtsgeschäftlichen Verkehr teilzunehmen, sodass er namens eines Dritten rechtsgeschäftliche Erklärungen nicht einmal dann abgeben können solle, wenn dieser daraus Vorteile erlangte und deshalb mit ihnen einverstanden sei. Doch seien Fälle denkbar, in denen das allgemeine Interesse des Rechtsverkehrs an der generellen Nichtigkeit der Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen hinter den handelsrechtlichen Schutz des Vertrauens auf einen zurechenbar veranlassten Rechtsschein zurücktreten müsse. Das Vertrauen des Rechtsverkehrs, dass Rechtsgeschäfte, die mit einer GmbH getätigt werden, wirksam seien, wolle der Gesetzgeber geschützt sehen. Mit dem gesetzgeberischen Zweck des Schutzes Dritter, die mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen eintreten, wäre es unvereinbar, könnte sich diese auch dann auf die Nichtigkeit von Willenserklärungen ihres Geschäftsführers berufen, wenn dessen Geschäftsunfähigkeit für die Gesellschafter erkennbar war und sein Handeln für die Gesellschaft von ihnen hätte verhindert werden können. Gesetzlich sei zwar nur das Vertrauen in die Vertretungsmacht geregelt, weil das Handelsregister über die Geschäftsfähigkeit des Organmitglieds nichts aussage, die Eintragung des Organs in das Handelsregister biete aber eine ausreichende Rechtsscheinbasis dafür, dass es die für dieses Amt erforderlichen persönlichen Voraussetzungen erfülle, also voll geschäftsfähig sei. Der Rechtsverkehr dürfe erwarten, dass die Gesellschafter einen erkennbar Geschäftsunfähigen nicht bestellen oder sofort durch einen geschäftsfähigen Geschäftsführer ersetzen, fällt die Geschäftsfähigkeit des bestellten Geschäftsführers erst später weg. Sei ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen, dessen Amt infolge Geschäftsunfähigkeit endete, so sei der Gesellschaft der Rechtsschein der Geschäftsfähigkeit allerdings nicht unter denselben Voraussetzungen wie die Vertretungsmacht, somit nicht nach § 15 Abs 1 HGB zuzurechnen. Vielmehr müsse die Geschäftsunfähigkeit bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt erkennbar gewesen und die Gesellschafter müssten dennoch untätig geblieben sein. Nur dann bliebe es der Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung versagt, sich auf die Nichtigkeit der Willenserklärung zu berufen. Die Gesellschafter könnten regelmäßig eher und besser als ein außenstehender Dritter erkennen und beurteilen, ob der Geschäftsführer geschäftsunfähig ist.
Die Entscheidung fand im deutschen Schrifttum - zumindest im Ergebnis - weitgehende Zustimmung:
Lutter/Gehling traten ihr in ihrer Glosse (JZ 1992, 154) im Ergebnis bei, meinten indes, maßgeblich sei folgender Ansatz: Die von der Gesellschaft veranlasste Eintragung begründe das Vertrauen, dass ihr ein Amtsfähigkeitsmangel, insbesondere die Geschäftsunfähigkeit, des Geschäftsführers nicht bekannt und auch bei gebotener Sorgfalt nicht erkennbar war.
Auch Karsten Schmidt (JuS 1991, 1002) billigte die Schlussfolgerungen des BGH. Schon Ostheim (AcP 169, 193 ff, 226 f) habe für den Fall, dass der Vertretene die Geschäftsunfähigkeit seines Vertreters gekannt oder infolge Fahrlässigkeit nicht gekannt hat, nicht nur eine culpa-in-contrahendo-Haftung auf das negative Interesse für begründet erachtet, sondern bei Kundmachung der Vertretungsmacht - insbesondere im Falle einer Registerpublizität - auch das Festhalten am Vertrag befürwortet. Genau das sei der Standpunkt der neuen Entscheidung, wobei es der BGH wohl der Theorie überlasse, ob er den Vertrag für wirksam halte oder ob er der Gesellschaft lediglich nach § 242 BGB die Berufung auf die (sich aus § 105 BGB ergebende) Nichtigkeit versage. Im praktischen Ergebnis sei damit der Zurechnungsgedanke der Anscheinsvollmacht auf diesen Fall ausgedehnt: Wer nicht dem Anschein entgegentritt, dass ein Anderer wirksam für ihn handelt, müsse den Anschein nicht nur dann gegen sich gelten lassen, wenn der Mangel des Vertreterhandelns im Fehlen der Vertretungsmacht besteht, sondern auch dann, wenn der Vertreter unfähig wird, eine vorhandene Vertretungsmacht wirksam auszuüben. Diese Erweiterung der Vertretungsmacht leuchte ein.
Schramm (in MünchK BGB3 § 165 Rz 9a) referiert die Entscheidung des BGH und fügt dem hinzu, damit werde der Zurechnungsgedanke der Anscheinsvollmacht auf den Einwand der Geschäftsunfähigkeit des Vertreters ausgedehnt; diese Erweiterung des Verkehrsschutzes erscheine im Ergebnis überzeugend.
Auch Lieb (in MünchK HGB § 15 Rz 30) billigt augenscheinlich die der zitierten Entscheidung zugrundeliegende, auf die Rechtsscheinlehre gestützte Ansicht des BGH (vgl dazu insbesondere auch seine weiteren Ausführungen in Rz 82 f).Auch Lieb (in MünchK HGB § 15 Rz 30) billigt augenscheinlich die der zitierten Entscheidung zugrundeliegende, auf die Rechtsscheinlehre gestützte Ansicht des BGH vergleiche dazu insbesondere auch seine weiteren Ausführungen in Rz 82 f).
Schließlich tritt auch Canaris (in Handelsrecht23, 71) dieser Auffassung bei: Zwar werde der Mangel der Geschäftsfähigkeit durch § 15 Abs 1 HGB von vornherein nicht erfasst, weil das Handelsregister über die Geschäftsfähigkeit nichts aussage; immerhin würden gutgläubige Dritte aber nach den allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen geschützt, wenn die Geschäftsunfähigkeit nicht erkennbar gewesen sei; dabei kämen vor allem die (ungeschriebenen) Regeln über die Haftung für falsche Erklärungen zum Handelsregister und über die Anscheinsvollmacht in Betracht.
In Österreich hat zu dieser Frage - soweit überblickbar - bloß Reich-Rohrwig (aaO) unter Berufung auf die zitierte Entscheidung des BGH konkret Stellung genommen: Zwar schütze § 15 HGB nicht das Vertrauen des Rechtsverkehrs darauf, dass die im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer handlungsfähig seien, doch komme eine Haftung der GmbH nach Rechtsscheingrundsätzen in Betracht, wenn für deren Gesellschafter die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers erkennbar war und sie sein Handeln für die GmbH hätten verhindern können.
Die vom BGH mit Billigung durch das Schrifttum auf einen dem hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt gleichartigen Fall angewendeten Rechtsscheingrundsätze können bei ähnlicher Rechtslage durchaus auch für den österreichischen Rechtsbereich fruchtbar gemacht werden; soweit die beklagte Partei dagegen ins Treffen führt, die deutsche Rechtslage sei angesichts der § 15 dHGB angefügten Abs 3 und 4 mit der österreichischen Rechtslage nicht (mehr) vergleichbar, übersieht sie, dass die Geschäftsfähigkeit des Geschäftsführers der GmbH überhaupt nicht Gegenstand von Eintragungen in das Firmenbuch (bzw von deren Bekanntmachung) ist. Daher ist auch die "Verstärkung der Rechtsscheinwirkung des Handelsregisters" durch die Anfügung der beiden letzten Absätze im § 15 dHGB (so Hämmerle/Wünsch aaO) im vorliegenden Fall irrelevant.
Demgemäß ist die Haftung der GmbH nach Rechtsscheingrundsätzen auch für den österreichischen Rechtsbereich dann zu bejahen, wenn die Geschäftsunfähigkeit des Geschäftsführers für die (übrigen) Gesellschafter der GmbH erkennbar war und soweit sie das Handeln des geschäftsunfähigen Geschäftsführers für die Gesellschaft hätten verhindern können. Dabei geht es nicht um den Rechtsschein zu Lasten des geschäftsunfähigen Geschäftsführers, sondern zu Lasten der von diesem vertretenen Gesellschaft. Der Gesetzgeber erstrebt den Schutz des Rechtsverkehrs in dessen Vertrauen darauf, dass Rechtsgeschäfte, die mit der GmbH eingegangen werden, auch wirksam sind. Dieses Ziel ist Motiv für § 15 HGB, aber auch für die §§ 15 und 17 GmbHG. Es wäre mit dem gesetzgeberischen Zweck des Schutzes Dritter, die mit der Gesellschaft in Rechtsbeziehungen eintreten, nachgerade unvereinbar, könnte sich diese auch dann auf die Nichtigkeit von Willenserklärungen ihres Geschäftsführers berufen, wenn dessen Geschäftsunfähigkeit für die Gesellschafter erkennbar war und sein Handeln für die Gesellschaft von ihnen hätte verhindert werden können. Der Rechtsverkehr darf erwarten, dass die Gesellschafter einen für sie erkennbar geschäftsunfähigen Geschäftsführer durch einen geschäftsfähigen Organwalter ersetzen, bildet doch die Eintragung des Organwalters eine ausreichende Rechtsscheinbasis dafür, dass er die für dieses Amt erforderlichen persönlichen Voraussetzungen - im vorliegenden Fall die volle Geschäftsfähigkeit - erfüllt, zumindest aber begründet die von der GmbH veranlasste Eintragung des Geschäftsführers das Vertrauen des Rechtsverkehrs darauf, dass der Gesellschaft (deren Gesellschaftern) ein solcher Amtsfähigkeitsmangel nicht bekannt und auch bei Anwendung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar war.
Gerade juristische Personen - wie die GmbH - haben für voll geschäftsfähige Organe Sorge zu tragen; daher ist es durchaus gerechtfertigt, dass ihnen dann, wenn sie trotz der Erkennbarkeit der Geschäftsunfähigkeit des bestellten Geschäftsführers nicht für einen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Organwalter sorgen, den Schutz des Rechtsverkehrs gegen sich gelten lassen müssen. Wer dem Anschein, dass ein Anderer für ihn wirksam handelt, nicht entgegentritt, muss diesen Anschein nicht nur dann auf sich nehmen, wenn der Mangel des Vertreterhandelns im Fehlen der Vertretungsmacht liegt, sondern selbst dann, wenn der Vertreter unfähig ist, die vorhandene Vertretungsmacht wirksam auszuüben.
Ist der Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen, dessen Amt infolge Geschäftsunfähigkeit endete, so ist der Gesellschaft der Rechtsschein der Geschäftsfähigkeit ihres Geschäftsführers zwar nicht unter denselben Voraussetzungen wie die Vertretungsmacht, also nicht schon gemäß § 15 Abs 1 HGB, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung zuzurechnen, dass die Geschäftsunfähigkeit des Organwalters bei Anwendung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt erkennbar war und die Gesellschafter gleichwohl darauf nicht unverzüglich und zielführend reagierten. Nur dann bleibt der Gesellschaft aus dem Blickwinkel der Rechtsscheinhaftung die Berufung auf die Nichtigkeit der Willenserklärung verwehrt.
Von diesen Erwägungen ausgehend wird - wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte - im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob dem Ehegatten der geschäftsunfähig gewordenen Geschäftsführerin als (einzigem weiteren) Gesellschafter der klagenden Partei Maßnahmen möglich gewesen wären, die dazu geführt hätten, dass die beklagte Partei nicht auf die Geschäftsführerstellung der erkrankten Geschäftsführerin hätte vertrauen dürfen. Das Gericht zweiter Instanz zeigte dazu auch mehrere Möglichkeiten auf:
So wäre etwa ein Antrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG eine durchaus geeignete Vorkehrung gewesen (Koppensteiner, GmbH-Gesetz2 § 15a Rz 5; Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 Rz 195, 197 f; Reich-Rohrwig aaO Rz 2/53, 2/55, 2/58 und 2/61). Des Weiteren wäre auch an die Abberufung der Geschäftsführerin zu denken gewesen, wobei der der klagenden Partei abträgliche Rechtsschein wirksamen Vertreterhandelns aber wohl nur mit der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung in Gestalt des vorläufigen Entzugs der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis noch rechtzeitig hätte beseitigt werden können (6 Ob 2088/96v; RdW 1992, 173; SZ 64/103 ua). Letztlich kam gegebenenfalls noch die (frühere) Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters als wirksame Abhilfe in Betracht. Erachtete das Gericht zweiter Instanz auf Grund seiner zutreffenden Rechtsansicht eine Ergänzung des Verfahrens als notwendig, so kann der Oberste Gerichtshof diesem - im Übrigen auch nicht zu beanstandenden - Ergänzungsauftrag nicht entgegentreten.
Den beiden Rekursen ist somit ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
Textnummer
E60092European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00137.00D.1128.000Im RIS seit
28.12.2000Zuletzt aktualisiert am
28.02.2011