TE OGH 2000/11/28 1Ob263/00h

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Veröffentlicht am 28.11.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. F. X. Berndorfer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Walter S*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt/W., wegen S 176.320,32 sA infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 19. September 2000, GZ 6 R 272/00t-18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mauerkirchen vom 6. Juli 2000, GZ 1 C 421/00b-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte vom Beklagten die Zahlung von S 176.320,32 sA. In der Verhandlungstagsatzung vom 15. 5. 2000 schlossen die Streitteile einen Vergleich, mit dem sich die klagende Partei verpflichtete, dem Beklagten die mit S 14.212,80 verglichenen Prozesskosten zu ersetzen; die Rechtswirksamkeit dieses Vergleichs wurde davon abhängig gemacht, dass er nicht mittels eines spätestens am 30. 5. 2000 zur Post gegebenen Schriftsatzes widerrufen werde.

Mit einem an diesem Tag zur Post gegebenen Schriftsatz widerrief die klagende Partei den Vergleich. Daraufhin beraumte das Erstgericht auf den 21. 6. 2000 eine Verhandlungstagsatzung an, in der nach Erstattung wechselseitigen Vorbringens und nach Vernehmung eines Zeugen abermals ein Vergleich geschlossen wurde, mit dem sich der Beklagte verpflichtete, der klagenden Partei S 176.320,32 sA zu zahlen. Die Rechtswirksamkeit dieses Vergleichs wurde davon abhängig gemacht, dass er nicht mittels eines spätestens am 23. 6. 2000 zur Post gegebenen Schriftsatzes widerrufen werde. Mit einem an diesem Tag zur Post gegebenen Schriftsatz, der als Vergleichswiderruf bezeichnet ist, widerrief die beklagte Partei "in umseits bezeichneter Rechtssache den am 15. 5. 2000 zu 1 C 421/00b geschlossenen Vergleich". Mit Schriftsatz vom 30. 6. 2000 beantragte die beklagte Partei die Einvernahme eines Zeugen. Dieser Schriftsatz wurde ihr vom Erstgericht mit der Aufforderung zurückgestellt, die aktuelle Anschrift dieses Zeugen anzuführen und die Gleichschrift direkt dem Klagevertreter zu übersenden. Am 6. 7. 2000 beantragte die klagende Partei, "dem Vergleich vom 21. 6. 2000 die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung zu erteilen", weil die beklagte Partei zwar den am 15. 5. 2000 geschlossenen Vergleich widerrufen habe, nicht aber den vom 21. 6. 2000.

Das Erstgericht bestätigte die Rechtswirksamkeit des am 21. 6. 2000 geschlossenen Vergleichs und wies den Antrag der klagenden Partei, Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Vergleichs zu bestätigen, ab. Der Schriftsatz der beklagten Partei vom 23. 6. 2000 sei seinem Inhalt nach nicht geeignet gewesen, den Vergleich wirksam zu widerrufen. Der Rechtskraft seien nur Entscheidungen, nicht aber Vergleiche teilhaftig. Eine Bestätigung der Vollstreckbarkeit von Vergleichen sei nicht vorgesehen.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung über Rekurs der beklagten Partei dahin ab, dass es den Antrag der klagenden Partei auf Erteilung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung für den gerichtlichen Vergleich vom 21. 6. 2000 abwies. Es sprach letztlich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die beklagte Partei habe den gerichtlichen Vergleich vom 21. 6. 2000 widerrufen und die hiefür offen stehende Widerrufsfrist auch gewahrt. Die falsche Nennung des Datums des widerrufenen Vergleichs schade nicht, es handle sich dabei weder um ein Formgebrechen noch um einen Inhaltsmangel, vielmehr um einen bloßen Bezeichnungsfehler, der keine weiteren prozessualen Konsequenzen mit sich bringe.

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es trifft zwar zu, dass im Vergleichswiderrufsschriftsatz vom 23. 6. 2000 der 15. 5. 2000 als Datum des in der vorliegenden Rechtssache geschlossenen Vergleichs genannt wurde, aus dem bereits oben wiedergegebenen Prozessverlauf ergibt sich jedoch ganz eindeutig, dass der Beklagte den am 21. 6. 2000 geschlossenen Vergleich widerrufen wollte und damit auch widerrufen hat. Die Rechtswirksamkeit des Vergleichs vom 15. 5. 2000 war nämlich schon durch den von der klagenden Partei erklärten Widerruf beseitigt worden; daraufhin wurde eine Verhandlungstagsatzung anberaumt, in dieser Tagsatzung verhandelt und letztlich abermals ein bedingter Vergleich geschlossen. Es kam also im Zeitpunkt der Widerrufserklärung durch den Beklagten kein zweiter Vergleich in Betracht, der in dem vom Beklagten im Widerrufsschriftsatz bezeichneten Verfahren hätte widerrufen werden können. Die offenkundig unrichtige Datumsangabe schadet nicht; der Vergleichswiderruf des Beklagten ist, wie das Gericht zweiter Instanz zutreffend erkannte, weder mit einem Inhalts- noch mit einem Formmangel behaftet. Ein Inhaltsmangel läge nur vor, wenn dem Vergleichswiderruf der Parteiwille nicht mit Sicherheit zu entnehmen wäre, die Handlungsrichtung in Bezug auf einen bestimmten angestrebten Rechtserfolg also nicht erkennbar zum Ausdruck käme (Würth, Fehlerhafte Schriftsätze, in JBl 1964, 583 [585 f]; Wünsch, Zur Behandlung fehlerhafter Schriftsätze, in JBl 1964, 118 [119, 122]). Es stellt sich also gar nicht erst die Frage, ob inhaltliche Unzulänglichkeiten eines Schriftsatzes im Wege eines Verbesserungsverfahrens überhaupt beseitigt werden könnten (siehe Hule, Nochmals: Fehlerhafte Schriftsätze, in ÖJZ 1964, 507 [509]).

Nimmt weder die fehlende noch die unrichtige Angabe eines Aktenzeichens auf die Zuordnung eines Schriftsatzes zu einer bestimmten Rechtssache Einfluss, sondern ist hiefür allein sein Inhalt maßgeblich (3 Ob 9/96; 3 Ob 90, 91/95; Gitschthaler in Rechberger ZPO2 Rz 8 zu § 85), so erscheint es logisch und einleuchtend, dass eine offensichtlich unrichtige Datumsangabe in der Bezeichnung eines Vergleichs - bei eindeutiger Erkennbarkeit des Parteiwillens - der rechtswirksamen Erklärung dessen Widerrufs keinen Abbruch tun kann. In einem vergleichbaren Fall hatte der Oberste Gerichtshof bereits zu AZ 3 Ob 179/82 zu entscheiden: Dort führte die betreibende Partei im Exekutionsantrag als Titel einen Vergleich an, der vor einem bestimmten Gericht geschlossen worden sei. Bei Überprüfung dieses Vorbringens mit dem vorgelegten Exekutionstitel fiel aber sofort auf, dass die betreibende Partei das Gericht, von dem dieser Titel stammte, offenbar versehentlich unrichtig bezeichnet hatte, weil sich aus dem Vergleich selbst klar ergab, dass er vor einem anderen Gericht geschlossen worden war. Die erkennbar versehentlich unrichtige Angabe des Titelgerichts war nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kein Grund, den Exekutionsantrag wegen unrichtiger Bezeichnung des Exekutionstitels abzuweisen.

Die überaus formalistische Auffassung des Oberlandesgerichts Wien AZ 2 R 41/98h, auf die sich das Erstgericht berief, wird ausdrücklich abgelehnt; der von Wilhelm in ecolex 1998, 678 verfassten Kritik ist im Sinne der obigen Ausführungen beizupflichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 40 und § 52 Abs 1 ZPO. Bei der Entscheidung über die Frage, ob der Vergleich vom 21. 6. 2000 rechtswirksam widerrufen wurde, handelt es sich um einen nunmehr abschließend erledigten Zwischenstreit.

Textnummer

E60332

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00263.00H.1128.000

Im RIS seit

28.12.2000

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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