TE OGH 2000/11/28 1Ob246/00h

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Veröffentlicht am 28.11.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****gesellschaft m. b. H, *****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei B*****, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wegen 684.000 S sA infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. September 2000, GZ 2 R 51/00h-16, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichts Linz vom 7. September 1999, GZ 4 Cg 109/99-2a, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei hat ihr Büro im Gebäude einer oberösterreichischen Bezirkshauptmannschaft und hat in deren Einlaufstelle ein eigenes Postfach, das von dem dort jeweils tätigen Landesbediensteten betreut wird. Dieser übernimmt auch Rückscheinbriefe, ohne über eine vom Obmann der beklagten Partei förmlich erteilte Postvollmacht zu verfügen. Am 1. 7. 1999 übernahm die in der Einlaufstelle tätige Landesbeamtin einen RSa-Brief an die beklagte Partei. Er enthielt eine Gleichschrift der Klage und einen Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung binnen drei Wochen. Am 13. 9. 1999 übernahm die in der Einlaufstelle tätige Landesbeamtin einen RSb-Brief an die beklagte Partei. Dieser enthielt eine Ausfertigung des Versäumungsurteils vom 7. 9. 1999. Die Landesbeamtin versah die Rückscheine zu beiden Sendungen mit einem Abdruck der Stampiglie der Bezirkshauptmannschaft und bestätigte deren Übernahme durch ihre Unterschrift. Ob sie die Briefe in das Postfach der beklagten Partei einlegte oder sie sofort in deren Büro brachte und dort deren Sekretär übergab, ist nicht feststellbar. Die Sendungen kamen aber jedenfalls wenige Tage nach dem Einlangen in der Einlaufstelle dem Sekretär der beklagten Partei, der für die Besorgung der "gesamten Geschäftsabläufe" zuständig ist, zu. Dieser reichte den RSa-Brief nicht an den Obmann der beklagten Partei weiter, weil er wusste, dass die beklagte Partei in der dem Klageanspruch zugrunde liegenden Streitsache bereits einem Rechtsanwalt Prozessvollmacht erteilt hatte. Er nahm deshalb an, der Klageschriftsatz werde ohnehin auch dem Bevollmächtigten zugegangen sein. Er unterließ jedoch eine Nachfrage in der Rechtsanwaltskanzlei. In der gleichen Weise verfuhr er mit der Ausfertigung des Versäumungsurteils vom 7. 9. 1999, die er weder an den Obmann der beklagten Partei noch an deren Prozessbevollmächtigten weiterleitete. Am 25. 11. 1999 berichtete er dem Obmann der beklagten Partei, dass die klagende Partei schon "wegen einer offenen Rechnung" Exekution führe. Am 6. 12. 1999 informierte der Geschäftsführer der klagenden Partei den Obmann der beklagten Partei fernmündlich darüber, dass die klagende Partei gegen die beklagte Partei ein Versäumungsurteil erwirkt habe. In diesem Zeitpunkt hatte deren Sekretär die Gleichschrift der Klage und die Urteilsausfertigung schon an die "Umweltrechtsabteilung" weitergeleitet. Er holte diese Schriftstücke dort jedoch wieder ab und übergab sie am 25. 1. 2000 dem Prozessbevollmächtigten der beklagten Partei, in dessen Kanzlei an diesem Tag eine Besprechung stattfand, an der auch der Obmann der beklagten Partei teilnahm.

Der Obmann der beklagten Partei hatte bis zum 25. 1. 2000 weder deren Sekretär noch Landesbediensteten in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft eine Weisung über die Art und Weise der Empfangnahme von Rückscheinbriefen und die weitere Vorgangsweise nach dem Empfang erteilt. Er hatte sich soweit vielmehr auf den Sekretär der beklagten Partei verlassen, der die "Gepflogenheiten" in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft seinerseits "tolerierte".

Am 8. 2. 2000 gab die beklagte Partei eine Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil vom 7. 9. 1999 zur Post, in der sie behauptete, dass ihr weder eine Gleichschrift der Klage noch eine Urteilsausfertigung mit der Post zugestellt worden sei. Diese Schriftstücke seien deren Obmann erst am 25. 1. 2000 tatsächlich zugegangen.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof "jedenfalls zulässig" sei. Der die Klage betreffende Zustellmangel sei erst am 25. 1. 2000 saniert worden. Dagegen sei die Zustellung einer Ausfertigung des Versäumungsurteils rechtswirksam erfolgt. Gemäß § 13 Abs 2 ZustG dürfe bei einer Zustellung durch Post- oder Gemeindeorgane auch an eine gegenüber der Post oder Gemeinde zur Empfangnahme derartiger Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit ein solcher Zustellakt nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen worden sei. Das beziehe sich nicht nur auf die förmliche Postvollmacht gemäß § 150 PostO, sondern auch auf jede andere Bevollmächtigung, die im Verhältnis zur Post bloß bestehen, ihr gegenüber aber nicht erklärt worden sein müsse. Somit genüge es, wenn "der Empfänger als Repräsentant dieser Befugnis einen Postbevollmächtigten als Vertreter erklärt" habe. Der Sekretär der beklagten Partei habe alle ihre "Geschäftsabläufe" zu besorgen gehabt. Deren Obmann habe keinerlei Weisungen zur Empfangnahme von Rückscheinbriefen und zur weiteren Vorgangsweise erteilt, sondern sich soweit auf den Sekretär verlassen, der seinerseits die Gepflogenheiten in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft toleriert habe. Diese Vorgänge entsprächen daher dem Willen des Obmanns der beklagten Partei als deren vertretungsbefugten Organs. Somit sei die Empfangnahme der RSb-Sendung durch eine Landesbeamtin im Sinne des § 13 Abs 2 ZustG der beklagten Partei zuzurechnen. Ungeachtet der Anwendbarkeit des § 13 Abs 2 ZustG sei die Urteilsausfertigung aber jedenfalls im Zeitpunkt der Überbringung des RSb-Briefs an den Sekretär der beklagten Partei rechtswirksam zugestellt worden. Dieser sei ein Arbeitnehmer der beklagten Partei und deshalb auch tauglicher Ersatzempfänger nach § 16 Abs 2 ZustG, sodass ein allfälliger Zustellmangel bei der RSb-Sendung im Zeitpunkt deren Übergabe an den Sekretär der beklagten Partei nach § 7 ZustG geheilt wäre. Die mangelnde Klagezustellung sei mit Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil geltend zu machen. Eine solche Nichigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO werde jedoch mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils geheilt. Die Urteilszustellung sei am 13. 9. 1999 erfolgt, die Nichtigkeitsberufung jedoch erst am 8. 2. 2000 - also lang nach Ablauf der vierwöchigen Berufungsfrist - zur Post gegeben worden. Wäre die Berufungsfrist erst im Zeitpunkt des Zugangs der Urteilsausfertigung an den Sekretär der beklagten Partei wenige Tage nach dem 13. 9. 1999 in Gang gesetzt worden, so wäre die Berufung gleichfalls verspätet.Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof "jedenfalls zulässig" sei. Der die Klage betreffende Zustellmangel sei erst am 25. 1. 2000 saniert worden. Dagegen sei die Zustellung einer Ausfertigung des Versäumungsurteils rechtswirksam erfolgt. Gemäß § 13 Abs 2 ZustG dürfe bei einer Zustellung durch Post- oder Gemeindeorgane auch an eine gegenüber der Post oder Gemeinde zur Empfangnahme derartiger Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit ein solcher Zustellakt nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen worden sei. Das beziehe sich nicht nur auf die förmliche Postvollmacht gemäß Paragraph 150, PostO, sondern auch auf jede andere Bevollmächtigung, die im Verhältnis zur Post bloß bestehen, ihr gegenüber aber nicht erklärt worden sein müsse. Somit genüge es, wenn "der Empfänger als Repräsentant dieser Befugnis einen Postbevollmächtigten als Vertreter erklärt" habe. Der Sekretär der beklagten Partei habe alle ihre "Geschäftsabläufe" zu besorgen gehabt. Deren Obmann habe keinerlei Weisungen zur Empfangnahme von Rückscheinbriefen und zur weiteren Vorgangsweise erteilt, sondern sich soweit auf den Sekretär verlassen, der seinerseits die Gepflogenheiten in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft toleriert habe. Diese Vorgänge entsprächen daher dem Willen des Obmanns der beklagten Partei als deren vertretungsbefugten Organs. Somit sei die Empfangnahme der RSb-Sendung durch eine Landesbeamtin im Sinne des § 13 Abs 2 ZustG der beklagten Partei zuzurechnen. Ungeachtet der Anwendbarkeit des § 13 Abs 2 ZustG sei die Urteilsausfertigung aber jedenfalls im Zeitpunkt der Überbringung des RSb-Briefs an den Sekretär der beklagten Partei rechtswirksam zugestellt worden. Dieser sei ein Arbeitnehmer der beklagten Partei und deshalb auch tauglicher Ersatzempfänger nach § 16 Abs 2 ZustG, sodass ein allfälliger Zustellmangel bei der RSb-Sendung im Zeitpunkt deren Übergabe an den Sekretär der beklagten Partei nach § 7 ZustG geheilt wäre. Die mangelnde Klagezustellung sei mit Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil geltend zu machen. Eine solche Nichigkeit gemäß § 477 Abs 1 Ziffer 4, ZPO werde jedoch mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils geheilt. Die Urteilszustellung sei am 13. 9. 1999 erfolgt, die Nichtigkeitsberufung jedoch erst am 8. 2. 2000 - also lang nach Ablauf der vierwöchigen Berufungsfrist - zur Post gegeben worden. Wäre die Berufungsfrist erst im Zeitpunkt des Zugangs der Urteilsausfertigung an den Sekretär der beklagten Partei wenige Tage nach dem 13. 9. 1999 in Gang gesetzt worden, so wäre die Berufung gleichfalls verspätet.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits in der Entscheidung 5 Ob 2270/96a aus, nach § 13 Abs 2 ZustG dürfe bei Zustellungen durch Organe der Post auch an eine dieser gegenüber zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen worden sei. Die Vorschrift enthalte keinen Verweis auf die förmliche Postvollmacht nach § 150 PostO, die als eine Form der Bevollmächtigung gemäß § 13 Abs 2 ZuStG anzusehen sei. Eine solche Bevollmächtigung könne indes auch auf andere Weise erklärt werden. Das Gesetz verlange auch nicht, dass die Bevollmächtigung gegenüber der Post erklärt worden sei, sie müsse vielmehr dieser gegenüber bloß bestehen. Eine solche Vollmacht könne somit auch dadurch erteilt werden, dass der Vertretene die Befugnis bloß seinem Vertreter erkläre.1. Der Oberste Gerichtshof sprach bereits in der Entscheidung 5 Ob 2270/96a aus, nach § 13 Abs 2 ZustG dürfe bei Zustellungen durch Organe der Post auch an eine dieser gegenüber zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen worden sei. Die Vorschrift enthalte keinen Verweis auf die förmliche Postvollmacht nach Paragraph 150, PostO, die als eine Form der Bevollmächtigung gemäß § 13 Abs 2 ZuStG anzusehen sei. Eine solche Bevollmächtigung könne indes auch auf andere Weise erklärt werden. Das Gesetz verlange auch nicht, dass die Bevollmächtigung gegenüber der Post erklärt worden sei, sie müsse vielmehr dieser gegenüber bloß bestehen. Eine solche Vollmacht könne somit auch dadurch erteilt werden, dass der Vertretene die Befugnis bloß seinem Vertreter erkläre.

Diese - von der Lehre (Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 § 87 [§ 13 ZustG] Rz 2) gebilligte - Auslegung des § 13 Abs 2 ZustG wurde in der Entscheidung 9 ObA 239/99h fortgeschrieben und ausdrücklich dadurch ergänzt, dass eine Vollmacht nach der genannten Gesetzesstelle - so wie andere Vollmachten - auch schlüssig erteilt werden könne. Der erkennende Senat tritt dieser Beurteilung bei.

2. Die Entscheidung 5 Ob 2270/96a beruht in den für die rechtliche Würdigung maßgebenden Elementen auf einem Sachverhalt, der mit dem des Anlassfalls praktisch identisch ist. Im Rekurs wird gegen die auf § 13 Abs 2 ZustG gestützte Argumentation des Berufungsgerichts nur eingewendet, die Landesbeamtin, die den RSb-Brief für die beklagte Partei übernommen habe, sei nicht bevollmächtigt gewesen, solche Postsendungen in Empfang zu nehmen. Die beklagte Partei setzt sich jedoch mit jenen Tatsachen, aus denen das Berufungsgericht die erörterte schlüssige Bevollmächtigung (auch) jener Landesbeamtin herleitete, die ihren Dienst am 13. 9. 1999 in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft versehen hatte, gar nicht auseinander. Der erkennende Senat teilt dagegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Übernahme des hier bedeutsamen RSb-Briefs durch eine Landesbeamtin in der Einlaufstelle der Bezirkshauptmannschaft aufgrund deren schlüssigen Bevollmächtigung "dem Willen des vertretungsbefugten Obmannes der beklagten Partei" entsprach. Somit wurde aber das Versäumungsurteil vom 7. 9. 1999 der beklagten Partei bereits am 13. 9. 1999 rechtswirksam zugestellt. Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts ist daher die erst am 8. 2. 2000 zur Post gegebene Nichtigkeitsberufung verspätet.

Vor dem Hintergrund der voranstehend erläuterten Rechtslage stellen sich nicht mehr die im Rekurs aufgeworfenen und behandelten Fragen nach den Voraussetzungen einer rechtswirksamen Ersatzzustellung und den Erfordernissen einer Heilung von Zustellmängeln.

Dem Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

3. Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 40 und § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.3. Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf § 40 und Paragraph 41, in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E60099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00246.00H.1128.000

Im RIS seit

28.12.2000

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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