Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Patrizia C*****,
2. Mag. Oliver C*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Walter K*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 27. Juli 2000, GZ 4 R 89/00s-62, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 14. Februar 2000, GZ 13 Cg 168/97g-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.512,15 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 3.918,75, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.Gemäß Paragraph 510, Absatz 3, ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (Paragraph 502, Absatz eins, ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Kläger sind die Eltern der am 15. 11. 1996 geborenen Larissa C*****, die seit ihrer Geburt an Trisomie 21, auch Mongolismus oder Down-Syndrom genannt, leidet.
Sie begehren die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für sämtliche Aufwendungen und Vermögensnachteile, die ihnen aufgrund der Existenz ihrer Tochter entstünden. Sie brachten dazu vor, der Beklagte habe die gebotene Aufklärung, nämlich dass bei der Erstklägerin aufgrund ihres Alters ein erhöhtes Risiko (1 : 330) einer genetischen Schädigung ihres noch ungeborenen Kindes bestehe, sowie dass der angebotene Test angesichts ihres Alters keine taugliche Untersuchungsmethode darstelle und dass nur eine Fruchtwasseruntersuchung eine 100 %ige Diagnose zulasse, unterlassen und auch zu vertreten, dass er keine Fruchtwasseruntersuchung vorgenommen oder zumindest nicht empfohlen habe. Bei Durchführung derselben wäre die genannte Störung erkannt worden. Die Erstklägerin hätte dann einen zulässigen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen und wäre die Geburt eines behinderten Kindes unterblieben.
Der Beklagte wendete ein, die Erstklägerin entsprechend aufgeklärt zu haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Beklagte habe seiner Beratungs- und Aufklärungspflicht entsprochen.
Das von den Klägern angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
Das Rekursgericht schloss sich der Ansicht des Erstgerichtes, der Beklagte habe seine Aufklärungspflicht erfüllt, an. Die ordentliche Revision erachtete es für zulässig, weil die Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 2/26 und Wilhelm in ecolex 1999, 593) und die Rechtsprechung (RdM 1999, 177) unterschiedliche Auffassungen zur Haftung des Arztes aus einem unterbliebenen Schwangerschaftsabbruch hätten.
Dagegen richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Arzthaftung infolge unerwünschter Geburt eines Kindes in der Entscheidung 1 Ob 91/99k = JBl 1999, 593 = RdM 1999, 171 = RdW 1999, 781 auseinandergesetzt. Diese Entscheidung wurde in der Folge (auch) in der juristischen Literatur vielfach diskutiert (Hirsch, Arzthaftung infolge unerwünschter Geburt eines Kindes, RdM 1999, 163; Rebhahn, Schadenersatz wegen der Geburt eines nicht gewünschten Kindes? JBl 2000, 265; Fenyves/Hirsch, Zur Deckung der Ansprüche aus "wrongful life" und "wrongful birth" in der Arzthaftpflichtversicherung, RdM 2000, 10; Hochhaltinger, Stellungnahme zur Begründungsweise des OGH in der Entscheidung "Arzthaftung: Geburt eines behinderten Kindes als Schaden der Eltern", JBl 2000, 58; Wilhelm, Die versäumte Abtreibung und die Grenzen des juristischen Denkens, ecolex 1999, 593; Kopetzki, RdM 1999, 190; Engel, JAP 1999, 136). In dieser Entscheidung wurde grundsätzlich die Haftung des Arztes für eine unerwünschte Geburt bei Unterlassung der gebotenen Aufklärung bejaht. Diese Haftung streben auch die Kläger des vorliegenden Verfahrens an. Sie haben daher auch in ihrem Rechtsmittel ausgeführt, dass sie bezüglich der vom Berufungsgericht für erheblich erachteten Rechtsfrage eigentlich nicht beschwert seien. Insoweit liegt daher eine im vorliegenden Fall aufgrund des Rechtsmittels der Kläger zu lösende erhebliche Rechtsfrage nicht vor.
Aber auch in der Revision der Kläger wird eine andere erhebliche Rechtsfrage nicht dargelegt.
Sie vertreten die Ansicht, die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht entgegen der Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass der Patient die Beweislast für eine fehlende und unzureichende Aufklärung durch den Arzt trage. Die Frage der Beweislast für die Aufklärung stellt sich aber hier nicht, weil das Erstgericht ohnehin Feststellungen über die zwischen den Parteien geführten Gespräche und damit über die vom Beklagten erteilte Aufklärung traf. Fragen der Beweislast stellen sich aber erst, wenn eine tatbestandsrelevante Tatsache unklar bleibt (Rechberger in Rechberger, ZPO**2, Vor § 266, Rz 11). Auch insoweit ist daher eine erhebliche Rechtsfrage hier nicht zu lösen.Sie vertreten die Ansicht, die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht entgegen der Rechtsprechung die Auffassung vertrete, dass der Patient die Beweislast für eine fehlende und unzureichende Aufklärung durch den Arzt trage. Die Frage der Beweislast für die Aufklärung stellt sich aber hier nicht, weil das Erstgericht ohnehin Feststellungen über die zwischen den Parteien geführten Gespräche und damit über die vom Beklagten erteilte Aufklärung traf. Fragen der Beweislast stellen sich aber erst, wenn eine tatbestandsrelevante Tatsache unklar bleibt (Rechberger in Rechberger, ZPO**2, Vor Paragraph 266,, Rz 11). Auch insoweit ist daher eine erhebliche Rechtsfrage hier nicht zu lösen.
Letztlich vertreten die Kläger die Ansicht, die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsfrage, wie weit die Aufklärungspflicht in concreto gehe, unrichtig gelöst habe. In welchem Umfang der Arzt im Einzelfall aber den Patienten aufklären muss, ist eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (SZ 59/18; 1 Ob 303/99m mwN), weshalb auch insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind. Der Beklagte hat die Klägerin nicht im Unklaren gelassen, dass nur die Fruchtwasseruntersuchung ein sicheres Ergebnis erbringen kann. Er hat pflichtgemäß auch auf die damit verbundenen Risken hingewiesen. Bedenkt man aber auch dieses Risiko, so kann eine erhebliche Fehlbeurteilung in der Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe seine Aufklärungspflicht nicht verletzt, nicht erblickt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Entscheidung der Kläger, keine Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen, beruhe auf deren ausreichender Aufklärung, liegt daher im Rahmen der zum Umfang der Aufklärungspflicht ergangenen Rechtsprechung.Letztlich vertreten die Kläger die Ansicht, die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsfrage, wie weit die Aufklärungspflicht in concreto gehe, unrichtig gelöst habe. In welchem Umfang der Arzt im Einzelfall aber den Patienten aufklären muss, ist eine stets anhand der zu den konkreten Umständen des Einzelfalls getroffenen Feststellungen zu beurteilende Rechtsfrage (SZ 59/18; 1 Ob 303/99m mwN), weshalb auch insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht gegeben sind. Der Beklagte hat die Klägerin nicht im Unklaren gelassen, dass nur die Fruchtwasseruntersuchung ein sicheres Ergebnis erbringen kann. Er hat pflichtgemäß auch auf die damit verbundenen Risken hingewiesen. Bedenkt man aber auch dieses Risiko, so kann eine erhebliche Fehlbeurteilung in der Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte habe seine Aufklärungspflicht nicht verletzt, nicht erblickt werden. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Entscheidung der Kläger, keine Fruchtwasseruntersuchung durchführen zu lassen, beruhe auf deren ausreichender Aufklärung, liegt daher im Rahmen der zum Umfang der Aufklärungspflicht ergangenen Rechtsprechung.
Das Rechtsmittel der Kläger war deshalb zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E60112 02A03170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0020OB00317.00G.1207.000Dokumentnummer
JJT_20001207_OGH0002_0020OB00317_00G0000_000