TE OGH 2000/12/19 10ObS324/00w

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Veröffentlicht am 19.12.2000
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Robert Göstl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heide G*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. September 2000, GZ 8 Rs 226/00i-61, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 27. April 2000, GZ 3 Cgs 47/98t-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass kein Härtefall vorliegt, der eine Abweichung von der medizinischen Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, ist zutreffend und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Danach bildet die sogenannte medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit und ist ein Abweichen von der medizinischen Einschätzung nur unter besonderen Umständen geboten. Der Grad der durch die Unfallsfolgen verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen und in Beziehung zu allen Erwerbsmöglichkeiten - und nicht nur den tatsächlich genützten - zu setzen. Unter dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des § 203 ASVG ist nämlich die Fähigkeit zu verstehen, sich im Wirtschaftsleben einen regelmäßigen Erwerb durch selbständige oder unselbständige Arbeit zu verschaffen. Aufgrund dieses für die Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgebenden Prinzips der abstrakten Schadensberechnung ist es auch bedeutungslos, ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensverlust führt. Die Versehrtenrente wird sowohl dann gewährt, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird, als auch dann, wenn ein Versicherter seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann und damit allenfalls ein Einkommensentfall einhergeht. Da die Unfallversicherung somit keine Berufsversicherung darstellt, kann nach ständiger Rechtsprechung die Unmöglichkeit, den bisherigen Beruf weiterhin ausüben zu können, für sich allein noch keinen Härtefall darstellen. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls, etwa einer spezialisierten Berufsausbildung, die eine anderweitige Verwendung, bezogen auf das gesamte Erwerbsleben, praktisch gar nicht zulässt oder in weit größerem Umfang einschränkt als in durchschnittlichen Fällen mit vergleichbaren Unfallfolgen, könnte von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden (SSV-NF 9/26; 9/93; 7/127; 3/22 jeweils mwN uva; RIS-Justiz RS0088556; 0086442). Dabei ist allerdings im Interesse der Vermeidung einer zu starken Annäherung an die konkrete Schadensberechnung ein strenger Maßstab anzulegen (SSV-NF 9/26 uva).Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass kein Härtefall vorliegt, der eine Abweichung von der medizinischen Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, ist zutreffend und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Danach bildet die sogenannte medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit und ist ein Abweichen von der medizinischen Einschätzung nur unter besonderen Umständen geboten. Der Grad der durch die Unfallsfolgen verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen und in Beziehung zu allen Erwerbsmöglichkeiten - und nicht nur den tatsächlich genützten - zu setzen. Unter dem Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinn des Paragraph 203, ASVG ist nämlich die Fähigkeit zu verstehen, sich im Wirtschaftsleben einen regelmäßigen Erwerb durch selbständige oder unselbständige Arbeit zu verschaffen. Aufgrund dieses für die Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgebenden Prinzips der abstrakten Schadensberechnung ist es auch bedeutungslos, ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensverlust führt. Die Versehrtenrente wird sowohl dann gewährt, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird, als auch dann, wenn ein Versicherter seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann und damit allenfalls ein Einkommensentfall einhergeht. Da die Unfallversicherung somit keine Berufsversicherung darstellt, kann nach ständiger Rechtsprechung die Unmöglichkeit, den bisherigen Beruf weiterhin ausüben zu können, für sich allein noch keinen Härtefall darstellen. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls, etwa einer spezialisierten Berufsausbildung, die eine anderweitige Verwendung, bezogen auf das gesamte Erwerbsleben, praktisch gar nicht zulässt oder in weit größerem Umfang einschränkt als in durchschnittlichen Fällen mit vergleichbaren Unfallfolgen, könnte von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden (SSV-NF 9/26; 9/93; 7/127; 3/22 jeweils mwN uva; RIS-Justiz RS0088556; 0086442). Dabei ist allerdings im Interesse der Vermeidung einer zu starken Annäherung an die konkrete Schadensberechnung ein strenger Maßstab anzulegen (SSV-NF 9/26 uva).

Der Umstand, dass ein Versicherter von bestimmten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Tätigkeiten ausgeschlossen ist, ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht bereits berücksichtigt. Nach den Feststellungen leidet die als Redakteurin bei einer Tageszeitung beschäftigt gewesene Klägerin an einer beruflich bedingten Schimmelpilzallergie, wobei ihr aufgrund der in den Büroräumen ihres Arbeitgebers bestehenden Schimmelpilzbelastung eine weitere Tätigkeit in diesem Umfeld aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war. Der lungenfachärztliche Sachverständige Dr. V*****, dem das Erstgericht bei seinen Feststellungen gefolgt ist, hat die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus arbeitsmedizinischer Sicht mit 20 vH bewertet, weil die Klägerin dauerhaft von Arbeiten ausgeschlossen ist, welche unter Einwirkung von inhalativen Noxen in Form von Dämpfen, Rauch, Gasen oder Stäuben zu verrichten sind. Der Umstand, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen beenden musste, resultiert somit aus gesundheitlichen Risken ihres konkreten Arbeitsplatzes. Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, dass sie aufgrund ihres Alters praktisch nicht mehr vermittelbar sei, ist ihr zu entgegnen, dass die von ihr relevierte allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu finden aufgrund der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise kein geeignetes Kriterium für die Annahme eines Härtefalles darstellt (vgl SSV-NF 4/3; 3/3).Der Umstand, dass ein Versicherter von bestimmten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Tätigkeiten ausgeschlossen ist, ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aus medizinischer Sicht bereits berücksichtigt. Nach den Feststellungen leidet die als Redakteurin bei einer Tageszeitung beschäftigt gewesene Klägerin an einer beruflich bedingten Schimmelpilzallergie, wobei ihr aufgrund der in den Büroräumen ihres Arbeitgebers bestehenden Schimmelpilzbelastung eine weitere Tätigkeit in diesem Umfeld aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war. Der lungenfachärztliche Sachverständige Dr. V*****, dem das Erstgericht bei seinen Feststellungen gefolgt ist, hat die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit aus arbeitsmedizinischer Sicht mit 20 vH bewertet, weil die Klägerin dauerhaft von Arbeiten ausgeschlossen ist, welche unter Einwirkung von inhalativen Noxen in Form von Dämpfen, Rauch, Gasen oder Stäuben zu verrichten sind. Der Umstand, dass die Klägerin ihre berufliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen beenden musste, resultiert somit aus gesundheitlichen Risken ihres konkreten Arbeitsplatzes. Soweit die Klägerin nunmehr geltend macht, dass sie aufgrund ihres Alters praktisch nicht mehr vermittelbar sei, ist ihr zu entgegnen, dass die von ihr relevierte allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Möglichkeit, einen konkreten Arbeitsplatz zu finden aufgrund der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise kein geeignetes Kriterium für die Annahme eines Härtefalles darstellt vergleiche SSV-NF 4/3; 3/3).

Die Umstände der Klägerin sind auch mit denen in der Entscheidung SSV-NF 9/26 beispielsweise genannten Fällen der Anwendung der Härteklausel (Bewegungseinschränkung der linken Hand bei einem Geiger; Verlust des Geruchssinns bei einem Unternehmer einer Kaffeerösterei; Lärmschwerhörigkeit eines Flugkapitäns) nicht zu vergleichen. Während es sich in den beiden zuerst genannten Beispielen um Fälle mit angeborenen und nicht nur erlernten Fähigkeiten (Musikalität, besonderer Geruchssinn) handelte, wurde im Fall der berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit eines Flugkapitäns, dessen Berufskrankheit trotz ihrer einschneidenden beruflichen Auswirkungen keine medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigter Höhe zur Folge hatte, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände (Ausübung des spezialisierten, hochqualifizierten und auch besonders hoch dotierten Berufes über 20 Jahre lang, Alter des Klägers) ein Härtefall angenommen. Abgesehen davon, dass die berufliche Ausbildung der Klägerin als Redakteurin keine so spezialisierte Berufsausbildung darstellt, die eine anderweitige Verwendung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch gar nicht zulässt oder in weit größerem Umfang einschränkt als in durchschnittlichen Fällen mit vergleichbaren Unfallsfolgen, resultierte die notwendige Aufgabe dieser Tätigkeit, wie bereits dargelegt, bei der Klägerin aus den gesundheitlichen Risken des konkreten Arbeitsplatzes.

Die Tatsache, dass ein Verletzter vor dem schädigenden Ereignis einen über dem Durchschnitt liegenden Verdienst erzielte, findet zwar in der Höhe der Bemessungsgrundlage und damit im betraglichen Ausmaß der Rente ihren Niederschlag, bildet aber ebenso wie ganz allgemein der Umstand, dass der Versicherte seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann und damit einen Einkommensentfall erleidet, für sich allein noch keine Grundlage für die Annahme eines Härtefalles (SSV-NF 9/81; 10 ObS 259/88 ua). Auch allfällige künftige Schäden, wie zB der Verlust von Aufstiegsmöglichkeiten oder von vorhersehbaren Gehaltserhöhungen, können dabei nicht berücksichtigt werden. Die Vorgangsweise der Klägerin, die die Höhe ihres zuletzt bezogenen Gehaltes ihrem nunmehrigen Pensionsbezug gegenüberstellt, entspricht einer konkreten Schadensberechnung, die jedoch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zur Anwendung zu kommen hat. Im Übrigen hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass im Sozialversicherungsrecht ganz allgemein schon im Hinblick auf die im Beitragswesen geltende Höchstbeitragsgrundlage (§ 45 ASVG) auch die Geldleistungen, die der Versicherte erhält, begrenzt sind und somit durch das Sozialversicherungsrecht nur eine gewisse Mindestsicherung gewährleistet sein soll. Es vermag daher auch der durch die Pensionierung der Klägerin eingetretene Einkommensverlust die Annahme eines Härtefalles, der ein Abgehen von der medizinischen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen würde, nicht zu begründen. Weitere Erhebungen über berufsspezifische Fragen waren daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erforderlich. Die von den Vorinstanzen unter Einbeziehung eines weiteren Arbeitsunfalles vorgenommene Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit insgesamt 40 vH entspricht den dargelegten Grundsätzen.Die Tatsache, dass ein Verletzter vor dem schädigenden Ereignis einen über dem Durchschnitt liegenden Verdienst erzielte, findet zwar in der Höhe der Bemessungsgrundlage und damit im betraglichen Ausmaß der Rente ihren Niederschlag, bildet aber ebenso wie ganz allgemein der Umstand, dass der Versicherte seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann und damit einen Einkommensentfall erleidet, für sich allein noch keine Grundlage für die Annahme eines Härtefalles (SSV-NF 9/81; 10 ObS 259/88 ua). Auch allfällige künftige Schäden, wie zB der Verlust von Aufstiegsmöglichkeiten oder von vorhersehbaren Gehaltserhöhungen, können dabei nicht berücksichtigt werden. Die Vorgangsweise der Klägerin, die die Höhe ihres zuletzt bezogenen Gehaltes ihrem nunmehrigen Pensionsbezug gegenüberstellt, entspricht einer konkreten Schadensberechnung, die jedoch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zur Anwendung zu kommen hat. Im Übrigen hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass im Sozialversicherungsrecht ganz allgemein schon im Hinblick auf die im Beitragswesen geltende Höchstbeitragsgrundlage (Paragraph 45, ASVG) auch die Geldleistungen, die der Versicherte erhält, begrenzt sind und somit durch das Sozialversicherungsrecht nur eine gewisse Mindestsicherung gewährleistet sein soll. Es vermag daher auch der durch die Pensionierung der Klägerin eingetretene Einkommensverlust die Annahme eines Härtefalles, der ein Abgehen von der medizinischen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen würde, nicht zu begründen. Weitere Erhebungen über berufsspezifische Fragen waren daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erforderlich. Die von den Vorinstanzen unter Einbeziehung eines weiteren Arbeitsunfalles vorgenommene Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit insgesamt 40 vH entspricht den dargelegten Grundsätzen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera b, ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.

Anmerkung

E60323 10C03240

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2000:010OBS00324.00W.1219.000

Dokumentnummer

JJT_20001219_OGH0002_010OBS00324_00W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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