Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang L*****, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Johannes Hock sen. und Dr. Johannes Hock jun,, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Wiederherstellung und Räumung (Gesamtstreitwert S 80.000,--) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 5. September 2000, GZ 36 R 180/00i-35, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darf das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie bisher unbeachtet ließen und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (1 Ob 356/98d; MietSlg 50.719; SZ 70/199 uva). Eine gerichtliche Handlungspflicht im Sinne des § 182 ZPO besteht aber nur dann, wenn die der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und der jeweilige Prozessgegner demnach keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Gelangt das Berufungsgericht nur zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als das Erstgericht, so kann von einer "Überraschungsentscheidung" keine Rede sein (1 Ob 356/98d; SZ 70/199; SZ 68/135). Nun hat der Kläger bereits in seiner Klage vorgebracht, zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass jedwede Schottergewinnung auf seinem Grundstück die Vereinbarung zur Voraussetzung habe, dass eine hinreichende Wiederverfüllung gewährleistet sei und dafür Vorsorge getroffen werde, dass das Grundstück auch nach einem Schotterabbau wieder landwirtschaftlich genutzt werden könne; solange nicht sichergestellt sei, dass die Wiederverfüllung des Grubenareals nach dem Schotterabbau ordnungsgemäß durchgeführt und behördlich genehmigt werde, habe sich die beklagte Partei des Schotterabbaus zu enthalten (AS 5 f). Das Berufungsgericht erörterte bereits als Rekursgericht im Sicherungsverfahren die Frage der Wirksamkeit der zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung über den Schotterabbau und die Wiederverfüllung (AS 123 ff) und führte dort aus, dass die beklagte Partei mit ihrer vertraglichen Verpflichtung, auch um die behördliche Bewilligung für die Wiederverfüllung anzusuchen, in Verzug sei (AS 131 f). Die beklagte Partei selbst monierte in ihrem Revisionsrekurs, dass das Gericht zweiter Instanz "den Kiesabbau gegen Sinn und Zweck des Vertrags" an den Eintritt der Bedingung der Wiederverfüllung geknüpft habe (AS 150, 156). Angesichts dieser Aktenlage kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht die Parteien mit der Rechtsansicht, sie hätten den Schotterabbauvertrag unter der Bedingung der Wiederverfüllung abgeschlossen, überrascht habe. Es musste ihnen klar sein, dass die Auslegung des Vertrags in seiner Gesamtheit für die Entscheidung bedeutsam sein werde (vgl 6 Ob 620/83). Ob die von der beklagten Partei gewählte Vorgangsweise ein "Vereiteln der vereinbarten Bedingung" darstellt, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die aber nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gerügt werden kann.Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darf das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie bisher unbeachtet ließen und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (1 Ob 356/98d; MietSlg 50.719; SZ 70/199 uva). Eine gerichtliche Handlungspflicht im Sinne des § 182 ZPO besteht aber nur dann, wenn die der Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsansicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde und der jeweilige Prozessgegner demnach keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Gelangt das Berufungsgericht nur zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als das Erstgericht, so kann von einer "Überraschungsentscheidung" keine Rede sein (1 Ob 356/98d; SZ 70/199; SZ 68/135). Nun hat der Kläger bereits in seiner Klage vorgebracht, zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass jedwede Schottergewinnung auf seinem Grundstück die Vereinbarung zur Voraussetzung habe, dass eine hinreichende Wiederverfüllung gewährleistet sei und dafür Vorsorge getroffen werde, dass das Grundstück auch nach einem Schotterabbau wieder landwirtschaftlich genutzt werden könne; solange nicht sichergestellt sei, dass die Wiederverfüllung des Grubenareals nach dem Schotterabbau ordnungsgemäß durchgeführt und behördlich genehmigt werde, habe sich die beklagte Partei des Schotterabbaus zu enthalten (AS 5 f). Das Berufungsgericht erörterte bereits als Rekursgericht im Sicherungsverfahren die Frage der Wirksamkeit der zwischen den Streitteilen geschlossenen Vereinbarung über den Schotterabbau und die Wiederverfüllung (AS 123 ff) und führte dort aus, dass die beklagte Partei mit ihrer vertraglichen Verpflichtung, auch um die behördliche Bewilligung für die Wiederverfüllung anzusuchen, in Verzug sei (AS 131 f). Die beklagte Partei selbst monierte in ihrem Revisionsrekurs, dass das Gericht zweiter Instanz "den Kiesabbau gegen Sinn und Zweck des Vertrags" an den Eintritt der Bedingung der Wiederverfüllung geknüpft habe (AS 150, 156). Angesichts dieser Aktenlage kann jedenfalls keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht die Parteien mit der Rechtsansicht, sie hätten den Schotterabbauvertrag unter der Bedingung der Wiederverfüllung abgeschlossen, überrascht habe. Es musste ihnen klar sein, dass die Auslegung des Vertrags in seiner Gesamtheit für die Entscheidung bedeutsam sein werde vergleiche 6 Ob 620/83). Ob die von der beklagten Partei gewählte Vorgangsweise ein "Vereiteln der vereinbarten Bedingung" darstellt, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die aber nicht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gerügt werden kann.
Die beklagte Partei stellt zutreffend dar, dass von einer endgültigen Vereitlung des Eintritts der vertraglichen Bedingung der Genehmigung der Wiederverfüllung noch nicht gesprochen werden könne, zumal der Bedingungseintritt noch immer möglich ist, hat doch die beklagte Partei am 27. 4. 2000 - noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz - einen Antrag auf Genehmigung der Wiederverfüllung bei der Bezirksverwaltungsbehörde eingebracht. Wenngleich daher die Unwirksamkeit des Vertrags ex tunc - wie das Gericht zweiter Instanz anahm - zu verneinen ist, ist damit für die beklagte Partei nichts gewonnen, denn der Kläger war auf Grund des Verhaltens der beklagten Partei zum Vertragsrücktritt berechtigt und hat auch ordnungsgemäß den Rücktritt erklärt (Beilage ./D bzw spätestens mit der Klage, wobei in jedem Fall eine angemessene Nachfrist zumindest tatsächlich gewährt wurde). Ein Abbauvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis, das aus wichtigen Gründen aufgelöst werden kann (MietSlg 48.150; JBl 1975, 145; SZ 45/20; MietSlg 17.203; 15.108). Kommt eine Vertragspartei ihren Verpflichtungen mit der Behauptung, es träfe sie eine solche wesentliche Verpflichtung nicht, nicht nach, so ist dies gewiss ein Umstand, der es der anderen Partei nicht mehr als zumutbar erscheinen lässt, das Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten (SZ 45/20), ging doch damit das Vertrauen in die geschäftliche Korrektheit des Anderen verloren (MietSlg 15.108). War die Wiederverfüllung Bedingung des gesamten Vertrags, bedarf diese Wiederverfüllung der behördlichen Genehmigung, und zog die beklagte Partei ihren Antrag auf behördliche Genehmigung der Wiederverfüllung zurück, und vertrat sie im Übrigen stets die Ansicht, sie sei zur Wiederverfüllung gar nicht verpflichtet, sondern ihr stehe bloß das Recht auf diese Wiederverfüllung zu, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass dadurch das Vertrauen des Klägers in die korrekte geschäftliche Gebarung der beklagten Partei derart erschüttert wurde, dass er berechtigt war, vom Vertrag zurückzutreten (bzw ihn aufzulösen). Die beklagte Partei wäre nämlich verpflichtet gewesen, an der Herbeiführung des Bedingungseintritts mitzuwirken (7 Ob 515, 516/95; MietSlg 36.082; SZ 53/140).
Die beklagte Partei meint, sie habe "immer wieder" eingewendet, dass die vom Kläger begehrte Wiederverfüllung rechtlich unmöglich sei. Dem ist Folgendes zu erwidern:
Erstmals in der Berufung wies die beklagte Partei darauf hin, dass das Aufbringen von Kies und Humus als Maßnahme der Wiederverfüllung der vorherigen Genehmigung durch die Naturschutzbehörde bedürfe und daher die vom Kläger geforderte Wiederverfüllung nicht durchführbar sei, zumal der Urteilsantrag zwingenden Bestimmungen des Verwaltungsrechts widerspräche. In ihrer Revision machte die beklagte Partei erstmals geltend, die Wiederverfüllung habe vereinbarungsgemäß mit Aushubmaterial, nicht aber mit Kies und Humus zu erfolgen und die Verfüllung mit Kies und Humus sei nicht genehmigungsfähig, was sich aus einem der Revision beigeschlossenen Gutachten ergebe. In erster Instanz hat die beklagte Partei - entgegen ihrer Behauptung in der Revision - keine dementsprechenden Einwendungen erstattet. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, die Wiederverfüllung könne auch ohne behördliche Bewilligung durchgeführt werden (S 7 des Revisionsrekurses = AS 153) und sei bestenfalls anzeigepflichtig (S 14 des Revisionsrekurses = AS 160). Schließlich brachte sie in der Verhandlungstagsatzung vom 27. 4. 2000 vor, die Wiederverfüllung werde von der Bergbehörde vorgeschrieben (S 3 dieses Protokolls = AS 281), ohne darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger geforderte Wiederverfüllung einer behördlichen Bewilligung nicht zugänglich sein könnte. Das Vorbringen der beklagten Partei zur rechtlichen Unmöglichkeit der begehrten Wiederverfüllung widerspricht demnach dem Neuerungsverbot. Im Übrigen bot das Urteilsbegehren des Klägers keinen Anlass, an der rechtlichen Möglichkeit des Wiederverfüllungsbegehrens zu zweifeln, ist es doch so gefasst, dass die Rückgängigmachung der vorgenommenen Arbeiten und das Wiederaufbringen von Kies und Humus gefordert wird. Ob aus naturschutzrechtlichen Überlegungen zusätzlich zu Kies und Humus bestimmtes Material in die Schottergrube eingebracht werden muss, ist ein Umstand, der die Erfüllung des Urteilsbegehrens keinesfalls unmöglich macht, weil selbst in einem solchen Fall weder das Einbringen von Kies noch das Aufbringen von Humus und die Rückgängigmachung der vorgenommenen Arbeiten verhindert wird.
Die Vorinstanzen haben ihren Entscheidungen unterstellt, die Zusage der Wiederverfüllung sei Grundlage des Kiesabbauvertrags gewesen. Dabei handelt es sich um einen Schluss auf die Parteienabsicht unter Bedachtnahme auf den gesamten Geschäftszweck (EFSlg 78.360; 8 Ob 542/87), also um eine Vertragsauslegung gemäß § 914 ABGB, nicht aber um eine ergänzende Auslegung, weil kein hypothetischer Parteiwille festgestellt wurde (SZ 69/178; EFSlg 84.391; SZ 60/216, 7 Ob 657/87). Die Ausführungen der beklagten Partei, eine ergänzende Vertragsauslegung sei unstatthaft gewesen, sind demnach unbeachtlich. Ob die beklagte Partei bereits vor behördlicher Genehmigung der Wiederverfüllung mit dem Schotterabbau hätte beginnen dürfen, ist rechtlich irrelevant, weil infolge der von ihr gewählten Vorgangsweise der Vertragsrücktritt des Klägers jedenfalls berechtigt war. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Vertragsauslegung ist logisch einwandfrei, es liegt daher kein unvertretbares Auslegungsergebnis vor; damit ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen (7 Ob 322/98y uva).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.
Textnummer
E60402European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2000:0010OB00283.00Z.1219.000Im RIS seit
18.01.2001Zuletzt aktualisiert am
02.03.2011