Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §24;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des DI D B in W, geboren 1976, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 15. November 2005, Zl. 139.960/2-III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 15. November 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines russischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Schlüsselkraft - selbständig" gemäß § 14 Abs. 2a und Abs. 3, § 18 Abs. 1a, § 19 Abs. 1 und § 22 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, iVm § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. März 2002 gewesen. Am 20. Februar 2002 habe er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zur Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit gestellt. Dieser Antrag sei auf Grund der Rechtslage nach der Fremdengesetz-Novelle 2002 als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Zweck "Schlüsselkraft - selbständig, § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG" anzusehen. Der Umstand, dass der Antrag bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle gestellt worden sei, könne daran nichts ändern.
In den Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 28. Februar 2003 und vom 1. August 2003 werde die beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführer dargestellt. Demnach beabsichtige der Beschwerdeführer als einer von fünf persönlich haftenden Gesellschaftern der S.-OEG erwerbstätig zu werden. Als einziger der fünf Gesellschafter sei der Beschwerdeführer nicht vertretungsbefugt. Die S.-OEG betreibe das Taxi-Gewerbe. Die Tätigkeiten zur Erzielung des Betriebsergebnisses würden vordringlich durch die fünf Gesellschafter persönlich durchgeführt.
Demgegenüber habe der Beschwerdeführer vorgebracht, Kapital in der Höhe von S 400.000 S nach Österreich gebracht und dem Unternehmen als Darlehen zur Verfügung gestellt zu haben. Weiters habe der Beschwerdeführer vorgebracht, nunmehr die Konzessionsprüfung abgelegt zu haben und daher die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers übernehmen zu können. Im Hinblick auf das Vorhandensein von fünf Fahrzeugen könnte die OEG fünf Arbeitsplätze schaffen.
Auf Grund der Aktenlage sei der Transfer von Investitionskapital in Form eines Darlehens in der Höhe von S 400.000,-- "nicht nachvollziehbar, zumal dieser lediglich durch einen Schriftsatz der S.-OEG belegt ist". Es könne auch nicht angenommen werden, dass durch die Tätigkeit des als Gesellschafter nicht vertretungsbefugten Beschwerdeführers, die primär im Lenken eines Taxis bestehen dürfte, mehrere Arbeitsplätze geschaffen würden.
In der Tätigkeit des Beschwerdeführers könne somit kein gesamtwirtschaftlicher Nutzen im Sinn von § 24 AuslBG erkannt werden. Der Beschwerdeführer sei somit nicht als Schlüsselkraft anzusehen. Bei dieser Beurteilung sei die belangte Behörde an das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice nicht gebunden.
Das der Behörde gemäß § 8 Abs. 3 FrG eingeräumte Ermessen könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers geübt werden, weil den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen absolute Priorität eingeräumt werden müsse, entspreche die beabsichtigte Tätigkeit des Beschwerdeführers doch keinesfalls dem Anforderungsprofil einer Schlüsselkraft.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die - unbedenkliche - Rechtsansicht der belangten Behörde, dass sein Antrag vom 20. Februar 2002 als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck "Schlüsselkraft - selbständig" zu beurteilen ist.
2. Für die - gemäß § 89 FrG von der Niederlassungsbehörde auf Grundlage eines Gutachtens der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu treffende - Beurteilung, ob eine (beabsichtigte) selbständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, ist gemäß § 24 AuslBG der gesamtwirtschaftliche Nutzen maßgeblich. Ob ein derartiger Nutzen vorliegt, hängt insbesondere davon ab, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dient. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/18/0478.)
Der Gesetzgeber stellt also darauf ab, dass ein zusätzlicher Impuls für die Wirtschaft zu erwarten ist. Dieser Impuls muss durch die selbständige Tätigkeit des Fremden bewirkt werden. Dies bedeutet, dass die unternehmerischen Entscheidungen, die diesen zusätzlichen positiven Impuls für die Wirtschaft erwarten lassen, vom Fremden selbst getroffen werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2005/18/0525).
3. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren u. a. Folgendes vorgebracht (siehe insbesondere den ausgefüllten Fragebogen Blatt 137 ff, die Stellungnahmen Blatt 154 und Blatt 155 ff, die Berufung Blatt 193 ff und die Stellungnahme an die belangte Behörde vom 30. September 2005):
Die fünf Gesellschafter der S. OEG seien jeweils selbständig zur Geschäftsführung berechtigt. Jeder Gesellschafter schaffe aus eigenen Mitteln ein Taxifahrzeug an, welches er als Einlage in die Gesellschaft einbringe. Er schließe dazu alle nötigen Verträge (Anmeldung, Versicherungen, Funkzentrale) im Namen der Gesellschaft ab. Jeder Gesellschafter könne selbst Arbeitnehmer (Taxilenker) anstellen. Der einzige Grund für die Auswahl dieser Gesellschaftsform (anstatt der Gründung von fünf Einzelunternehmen) seien die hohen Personalkosten für den gewerberechtlichen Geschäftsführer, der den Befähigungsnachweis für die Taxikonzession besitze und im Unternehmen mit der Hälfte einer normalen Arbeitszeit beschäftigt sei. Weitere Arbeitnehmer seien derzeit nicht beschäftigt. Während des anhängigen Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer die Konzessionsprüfung abgelegt und könne daher in Hinkunft die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers selbst übernehmen. Einen Transfer von Investitionskapital habe der Beschwerdeführer insofern vorgenommen, als er - wie die anderen Gesellschafter - ein Taxifahrzeug samt Funkgerät, Taxameter und andere Taxiausrüstung zum Bruttokaufpreis von S 402.948,-- bzw. EUR 27.300,-- angeschafft und in die Gesellschaft eingebracht habe. Weiters habe er drei weiteren Gesellschaftern ein Darlehen in der Höhe von zusammen S 400.000,-- (EUR 27.100,--) zum Zweck der Anschaffung von Taxifahrzeugen gewährt. Auf Grund des Gesellschaftsvertrages sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich, die anderen Gesellschafter zur Anstellung von Taxilenkern zu zwingen. Er selbst könne jedoch für den Betrieb seines Taxis maximal zwei bis drei weitere Lenker für den Schichtbetrieb anstellen. Die Aufnahme der entsprechenden Arbeitnehmer würde etwa einen Monat in Anspruch nehmen. Falls der Behörde diese Anzahl an Beschäftigten zu gering erscheine, könne er auch ein weiteres Taxi anschaffen und dazu wieder zwei bis drei Arbeitnehmer für den Schichtbetrieb anstellen. Die Gewerbeberechtigung für ein weiteres Taxi sei vorhanden, der Beschwerdeführer verfüge auch über die nötigen finanziellen Mittel für diese Investition.
Dazu hat der Beschwerdeführer u.a. eine Bestätigung von drei weiteren Gesellschaftern der S.-OEG über die Gewährung eines Darlehens von S 400.000,-- (EUR 27.100,--) durch den Beschwerdeführer an diese Gesellschafter vorgelegt (Blatt 165). Weiters befinden sich Rechnungen über die Anschaffung von Taxifahrzeugen bei den Verwaltungsakten (Blatt 127 ff).
4. Die belangte Behörde führte zunächst aus, dass mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers weder die Schaffung noch die Sicherung von Arbeitsplätzen verbunden sei. Diese Ansicht kann im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer mit seinem oben 3. wiedergegebenen Vorbringen im Verwaltungsverfahren nicht dargetan hat, konkrete Schritte für die Einstellung von anderen Arbeitnehmern als dem gewerberechtlichen Geschäftsführer unternommen zu haben, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
5. Wie dargestellt, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zur Frage des von ihm bewirkten Transfers von Investitionskapital vorgebracht, ein Fahrzeug samt Taxiausrüstung mit einem Kaufpreis von S 402.948,-- brutto angeschafft und in die Gesellschaft eingebracht zu haben. Weiters habe er drei anderen Gesellschaftern Darlehen in der Höhe von insgesamt S 400.000,-- zur Anschaffung von Taxifahrzeugen gewährt.
Die belangte Behörde hat dazu lediglich ausgeführt, dass die vorgebrachte Darlehensgewährung "nicht nachvollziehbar" sei, weil sie nur durch ein Schreiben der S.-OEG belegt worden sei. Somit hat sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Darlehensgewährung an die anderen Gesellschafter keinen Glauben geschenkt und diesen Akt der Beweiswürdigung damit begründet, dass nur ein von der S.-OEG ausgestellter Beleg vorgelegt worden sei.
Diese Beweiswürdigung kann im Hinblick darauf nicht als schlüssig angesehen werden, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage im Verwaltungsverfahren niemals aufgefordert worden ist, die Darlehensgewährung durch andere Unterlagen nachzuweisen, und ihm auch die behördlichen Zweifel an der Richtigkeit der Bestätigung nie zur Kenntnis gebracht worden sind. Für den Beschwerdeführer bestand daher keine Veranlassung, die Darlehensgewährung auf andere Weise zu belegen.
Insoweit hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem Verfahrensfehler belastet.
Überdies liegt auch darin ein Verfahrensfehler, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe
S 402.948,-- für den Ankauf des von ihm benützten und in die Gesellschaft eingebrachten Taxifahrzeuges investiert, nicht auseinandergesetzt hat.
6. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Feststellung eines vom Beschwerdeführer bewirkten Transfers von Investitionskapital in der Höhe von insgesamt mehr als S 800.000,-- (EUR 58.138,--) aus dem Ausland nach Österreich - unter Berücksichtigung der oben 2. dargestellten Kriterien - zum Ergebnis gekommen wäre, dass der Beschwerdeführer als selbständige Schlüsselkraft anzusehen ist, kommt diesen Verfahrensmängeln Relevanz für den Verfahrensausgang zu.
7. Schon deshalb war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
8. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 16. Jänner 2007
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Auslegung Diverses VwRallg3/5 Begründung Begründungsmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180006.X00Im RIS seit
27.03.2007