Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ernst Galutschek und Franz Gansch in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Cinar T*****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland, 1050 Wien, Geigergasse 6-9, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 20.000,--, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2000, GZ 10 Rs 90/00d-29, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei des Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. Jänner 2000, GZ 22 Cgs 175/98f-23, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger war seit 1994 bei der späteren Gemeinschuldnerin, einer GmbH, beschäftigt. Im Oktober 1997 zeichnete sich deren bevorstehender Konkurs ab. Der Kläger hatte bereits seit Juni 1997 kein Entgelt mehr bekommen.
Mitte Oktober 1997 kam Mag. M***** in den Betrieb der späteren Gemeinschuldnerin und sprach als Treuhänder mit den dortigen Mitarbeitern über die Möglichkeit, ein "Darlehen" zu erhalten. Um dieses in Anspruch zu nehmen, sollten sich die Dienstnehmer mit dem Buchhalter der Arbeitgeberin in Verbindung setzen und dort die notwendigen Unterlagen unterschreiben. Gleichzeitig wurde den interessierten Dienstnehmern, wozu auch der Kläger zählte, ein Vertragsvordruck übergeben. Nachdem dem Kläger die Unbedenklichkeit des Vertragsentwurfes bestätigt worden war, füllte er dann diesen mit einem Betrag von S 20.000,-- aus und unterfertigte am 17. 10. 1997 die Beilage ./A, ein an den Treuhänder adressiertes "Ersuchen um Bevorschussung, Treuhandauftrag".
In diesem war zusammengefasst vorgesehen, dass Mag. M***** als Treuhänder dritter Personen aus einem ihm treuhändisch zur freien Verfügung übergebenen Geldbetrag gewisse Nettoentgeltansprüche der Dienstnehmer der späteren Gemeinschuldnerin bevorschussen werde, soweit dieses Ersuchen vom Prokuristen der späteren Gemeinschuldnerin bestätigt werde, weil diese auf Grund mangelnder Liquidität derzeit die fälligen Nettoentgeltansprüche nicht bezahlen könne. Für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sollten die Nettoentgeltansprüche durch den gesetzlichen Anspruch gegen das Bundessozialamt nach Maßgabe der Bestimmungen des Insolvenzsicherungsgesetzes abgesichert sein. In diesem Fall solle sich die Bevorschussung auf das zu beantragende Insolvenz-Ausfallgeld beziehen. Zur Sicherung der aus der Bevorschussung entstehenden Forderung auf Rückersatz des bevorschussten Nettoentgelts beauftrage der Arbeitnehmer den Treuhänder unwiderruflich, seine ihm nach dem IESG zustehenden Ansprüche gegen das Bundessozialamt bzw gegen den Dienstgeber geltend zu machen. Der Treuhänder sollte jene Beträge, die seitens des Bundessozialamts an ihn ausbezahlt würden, und bevorschusst waren, an den Treugeber auszahlen, darüber hinaus gehende Beträge sollten auf das Gehalts- bzw Lohnkonto des Dienstnehmers überwiesen werden.
Nach Übergabe dieser Urkunde am 17. 7. 1997 an den Buchhalter der späteren Gemeinschuldnerin, der in jedem Einzelfall überprüft hatte, ob die Ansprüche nach dem IESG gesichert seien, wurde dieses Ersuchen vom Prokuristen der späteren Gemeinschuldnerin bestätigt und an den Treuhänder weitergeleitet.
Der Treuhänder beabsichtigte, zunächst das Verfahren über das Insolvenz-Ausfallgeld abzuwarten und die Rückzahlung erst nach den Zahlungseingängen von der beklagten Partei auf das Treuhandkonto vorzunehmen. Am 30. 10. 1997 wurde über die Dienstgeberin des Klägers der Konkurs eröffnet. Der Kläger beendete an diesem Tag sein Dienstverhältnis wegen Vorenthaltens des Entgelts. Ebenfalls an diesem Tag veranlasste der Treuhänder die Überweisung des bevorschussten Betrages von S 20.000,-- auf das Konto des Klägers, wo es einige Tage später einlangte. Das dafür notwendige Geld hatte der Treuhänder von den Gesellschaftern der wenige Tage zuvor gegründeten Auffanggesellschaft bzw deren Angehörigen erhalten, die auch in einem engen Naheverhältnis zur späteren Gemeinschuldnerin standen, die sich durch diese Maßnahme die Arbeitskraft des Klägers (und der übrigen Arbeitnehmer) für die Auffanggesellschaft erhalten wollten. Bereits Anfang November begann der Kläger bei der Auffanggesellschaft zu arbeiten. Ansprüche auf Rückzahlung der S 20.000,-- wurden nie an den Kläger gestellt.
Der Kläger begehrt S 20.000,-- Insolvenz-Ausfallgeld mit der Begründung, er habe diesen Betrag als Bevorschussung seiner ausständigen Nettoentgeltansprüche gegen seine ehemaligen Dienstnehmerin von einem Treuhänder dritter Personen erhalten, an die er via Treuhänder seinen Insolvenz-Ausfallgeldanspruch abgetreten habe. Die Überbrückungshilfe sei ihm in Hinblick auf seine künftige Tätigkeit in einem anderen Unternehmen gewährt worden.
Der Klagsanspruch wurde von den Vorinstanzen verneint. Das Berufungsgericht ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil zwar oberstgerichtliche Judikatur zu ähnlichen Fällen, aber noch nicht zu der hier streitgegenständlichen Konstruktion vorlägen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig, weil es sich vorliegendenfalls nur um eine geringfügig abweichende Variante zu bereits Gegenstand von OGH-Entscheidungen bildenden Vereinbarungen handelt, mit denen versucht wird, die Kosten des Fortbetriebes auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu verlagern.
Der Sachverhalt ist mit dem der Entscheidung vom 20. 10. 1999, 8 ObS 314/99f (= RdW 2000, 751), zugrunde liegenden durchaus vergleichbar. Auch hier liegt keine Darlehensgewährung seitens der Drittfinanzierer an den Kläger, sondern eine endgültige Lohnbefriedigung mittels des Treuhänders vor, weil der Kläger nicht zur Rückzahlung des als "Darlehen" bezeichneten Vorschussbetrages der Drittfinanzierer verpflichtet ist, soweit der Vorschuss nicht vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (bzw von seiner ehemaligen Arbeitgeberin) zu erlangen ist. Nur für den Fall, dass der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (bzw seine ehemalige Arbeitgeberin) die bevorschussten Entgelte via Treuhänder an den Kläger zahlt, wurde vereinbart, dass dieses Geld via Treuhänder an den Treugeber rückzuerstatten ist. Es macht keinen Unterschied, ob der bevorschusste Betrag von der Buchhalterin der späteren Gemeinschuldnerin, oder wie hier vom Treuhänder unter Mitteilung, dass es sich um eine von Dritten finanzierte Bevorschussung handle, ausgezahlt bzw angewiesen wird. Auch hier wurde der Kläger endgültig lohnbefriedigt.
Im Übrigen gehen die Vorinstanzen zu Recht davon aus, dass Zweck der Vorfinanzierung durch die Gesellschafter der Auffanggesellschaft bzw deren nahen Angehörige war, einerseits den Betrieb der späteren Gemeinschuldnerin kurze Zeit fortzuführen, um die Arbeitskraft des Klägers (und der übrigen Mitarbeiter der späteren Gemeinschuldnerin) zu Gunsten der eigens hiezu gegründeten Auffanggesellschaft zu erhalten, andererseits die hiefür notwendigen Kosten möglichst gering zu halten. Die Kosten für den einstweiligen Fortbetrieb sollten nämlich durch diese Konstruktion der "Vorfinanzierungsvereinbarung" auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds verlagert werden. Dies ist als besonders krasser Fall der sittenwidrigen und daher gegenüber dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds unwirksamen Überwälzung der Lohnzahlungspflicht anzusehen. Dass die Treugeber am dauernden Fortbetrieb des gemeinschuldnerischen Unternehmens auf Dauer kein Interesse hatten, ändert nichts daran; waren sie doch daran interessiert, das Unternehmen der Gemeinschuldnerin in einer für sie möglichst günstigen Art weiter zu führen, wozu einerseits gehört hätte, mit dem bereits erprobten Arbeitskräften weiter zu arbeiten, andererseits sich die Kosten des zwischenzeitigen Fortbetriebs zu ersparen und diese auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zu überwälzen.
Anmerkung
E60611 08C02690European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2001:008OBS00269.00T.0111.000Dokumentnummer
JJT_20010111_OGH0002_008OBS00269_00T0000_000