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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der LH, geboren 1976, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. September 2006, Zl. SD 1719/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 27. September 2006 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei im September 1998 auf Grund eines bis zum 3. Oktober 1998 gültigen Visums C nach Österreich eingereist und habe am 28. September 1998 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet. Seit dem 3. Oktober 2000 verfüge sie über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher". Nach ihrer Scheidung am 26. September 2003 habe sie am 15. Mai 2004 ihren Sohn Andrei M. geboren.
Am 9. Juli 2004 sei sie vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 217 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden. Sie habe im September 2003 zwei rumänische Staatsangehörige durch einen Mittäter von Rumänien nach Wien bringen lassen und sie anschließend zur Ausübung der Prostitution in einem Nachtlokal untergebracht.
Der im § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierte Tatbestand sei verwirklicht. Das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung des Menschenhandels und der Geheimprostitution - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG (auch) im Grund des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.
Die Beschwerdeführerin sei seit ca. acht Jahren im Bundesgebiet aufhältig. Im Inland befinde sich auch ihr minderjähriger Sohn. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art.8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und sohin im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 leg. cit. vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich die Beschwerdeführerin bereits seit ca. acht Jahren im Bundesgebiet aufhalte. Die daraus ableitbare Integration erfahre durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch ihr strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Relativierung. Die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin zu ihrem Sohn seien schon insofern zu relativieren, als dieser auf Grund seines Alters mangels anderer Bezugspersonen mit seiner Mutter aus dem Bundesgebiet ausreisen müsste. Überdies sei die Beschwerdeführerin lediglich vom 1. Jänner 1999 bis zum 31. Dezember 1999 sowie vom 20. März 2000 bis zum 12. September 2000 und vom 1. Juni 2002 bis zum 31. Oktober 2003, somit über einen Zeitraum von weniger als drei Jahren, einer Beschäftigung nachgegangen.
Diesen geschmälerten privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, insbesondere jene an der Bekämpfung des Menschenhandels gegenüber. Die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin (und ihres Sohnes) wögen nicht schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Angesichts des dargestellten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihr zur Last liegenden Straftaten könne auch unter Berücksichtigung ihrer familiären Situation von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht Abstand genommen werden.
Ein Wegfall des für die Erlassung der Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, könne erst nach Ablauf des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde bleibt die auf dem Boden der unstrittigen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung der Beschwerdeführerin u.a. wegen des Verbrechens des Menschenhandels (§ 217 Abs. 1 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft.
1.2. Nach den unbestrittenen Feststellungen hat die Beschwerdeführerin das Verbrechen des Menschenhandels gemäß § 217 Abs. 1 StGB dadurch begangen, dass sie im September 2003 zwei rumänische Staatsangehörige durch einen Mittäter von Rumänien nach Wien hatte bringen lassen und diese anschließend zur Ausübung der Prostitution in einem Nachtlokal untergebracht hat. Dieses der Beschwerdeführerin zur Last liegende Delikt stellt ein gefährliches Verbrechen dar, welchem zudem eine Missachtung der Menschenwürde innewohnt. Die Bestimmung des § 217 StGB entspricht mehreren internationalen Abkommen zur Unterdrückung des Frauen- und Kinderhandels, denen Österreich beigetreten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 99/18/0199, mwN). Der belangte Behörde kann nicht entgegen getreten werden, wenn sie angesichts dieser gravierenden Straftat die Annahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG für gerechtfertigt angesehen hat.
2. Die belangte Behörde hat auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und ihrer Bindung zu ihrem minderjährigen Sohn zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Wenn sie die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 66 Abs. 1 FPG trotzdem bejaht hat, kann dies angesichts der durch das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin bewirkten gravierenden Beeinträchtigung des besonders großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung des der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Deliktes des Menschenhandels im Grund des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Schutz der öffentlichen Ordnung, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral) nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Auf dem Boden dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorgenommenen Interessenabwägung frei von Rechtsirrtum. Die aus der Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihr begangene Delikt des Menschenhandels eine ganz erhebliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch ihr gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf ihre Lebenssituation und die ihrer Familie. Hinweise auf Umstände, die einer gemeinsamen Ausreise der Beschwerdeführerin mit ihrem Kind entgegen stünden, ergeben sich weder aus der Beschwerde noch dem sonstigen Akteninhalt.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 16. Jänner 2007
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006180353.X00Im RIS seit
15.02.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009