TE OGH 2001/1/16 11Os155/00

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2001
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan G***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. September 2000, GZ 21 Bs 378/00-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krische als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stefan G***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach Paragraphen 142, Absatz eins,, 143 zweiter Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. September 2000, GZ 21 Bs 378/00-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 29. September 2000, AZ 21 Bs 378/00 (= ON 49 des Aktes 21 Vr 812/00 des Landesgerichtes St. Pölten), verletzt § 181 Abs 2 Z 1 StPO.Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 29. September 2000, AZ 21 Bs 378/00 (= ON 49 des Aktes 21 römisch fünf r 812/00 des Landesgerichtes St. Pölten), verletzt Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO.

Text

Gründe:

Aus dem Akt 21 Vr 812/00 des Landesgerichtes St. Pölten ergibt sich, dass Stefan G***** am 5. September 2000 wegen Verdachtes des Vergehens nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG von einem Sicherheitswachebeamten gem § 177 Abs 1 iVm § 175 Abs 1 Z 1 StPO festgenommen wurde (S 51/I, 19/II, 13, 29/III).Aus dem Akt 21 römisch fünf r 812/00 des Landesgerichtes St. Pölten ergibt sich, dass Stefan G***** am 5. September 2000 wegen Verdachtes des Vergehens nach Paragraph 27, Absatz eins und Absatz 2, Ziffer 2, erster Fall SMG von einem Sicherheitswachebeamten gem Paragraph 177, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 175, Absatz eins, Ziffer eins, StPO festgenommen wurde (S 51/I, 19/II, 13, 29/III).

Als der Genannte im Zuge der von der BPD St. Pölten zur Aufklärung eines Raubüberfalls geführten Erhebungen auch in den (dringenden) Tatverdacht des Verbrechens des schweren Raubes gem §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB geriet, erließ der Journalrichter des Landesgerichtes St. Pölten am 7. September 2000 gegen ihn einen Haftbefehl gem §§ 175 Abs 1 Z 2 und Z 4, 176 StPO (ON 2), auf Grund dessen der Verdächtige am 7. September 2000 um 18.35 Uhr in den Räumlichkeiten der Kriminalabteilung des BPK Wien-Favoriten festgenommen und anschließend der BPD St. Pölten zur weiteren Amtshandlung überstellt wurde (S 19, 181/I, 23 f/II). Bis zur tatsächlichen Übergabe am 7. September 2000 um 21.15 Uhr, befand sich Stefan G***** (seit 5. September 2000, 23.40 Uhr) ununterbrochen in sicherheitsbehördlicher Gewahrsame.Als der Genannte im Zuge der von der BPD St. Pölten zur Aufklärung eines Raubüberfalls geführten Erhebungen auch in den (dringenden) Tatverdacht des Verbrechens des schweren Raubes gem Paragraphen 142, Absatz eins,, 143 zweiter Fall StGB geriet, erließ der Journalrichter des Landesgerichtes St. Pölten am 7. September 2000 gegen ihn einen Haftbefehl gem Paragraphen 175, Absatz eins, Ziffer 2 und Ziffer 4,, 176 StPO (ON 2), auf Grund dessen der Verdächtige am 7. September 2000 um 18.35 Uhr in den Räumlichkeiten der Kriminalabteilung des BPK Wien-Favoriten festgenommen und anschließend der BPD St. Pölten zur weiteren Amtshandlung überstellt wurde (S 19, 181/I, 23 f/II). Bis zur tatsächlichen Übergabe am 7. September 2000 um 21.15 Uhr, befand sich Stefan G***** (seit 5. September 2000, 23.40 Uhr) ununterbrochen in sicherheitsbehördlicher Gewahrsame.

Nach Vernehmung des Genannten zum Tatverdacht (des schweren Raubes) und zu den Haftgründen (ON 15) leitete der Untersuchungsrichter des Landesgerichts St. Pölten die Voruntersuchung (nur) wegen §§ 142, 143 StGB ein und verhängte über ihn am 9. September 2000 die Untersuchungshaft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO; ON 19).Nach Vernehmung des Genannten zum Tatverdacht (des schweren Raubes) und zu den Haftgründen (ON 15) leitete der Untersuchungsrichter des Landesgerichts St. Pölten die Voruntersuchung (nur) wegen Paragraphen 142,, 143 StGB ein und verhängte über ihn am 9. September 2000 die Untersuchungshaft wegen Flucht- und Tatbegehungsgefahr (Paragraph 180, Absatz 2, Ziffer eins und Ziffer 3, Litera b, StPO; ON 19).

Am 20. September 2000 wurde die (erste) Haftverhandlung durchgeführt und die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO) angeordnet (ON 34, 49).Am 20. September 2000 wurde die (erste) Haftverhandlung durchgeführt und die Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen Tatbegehungsgefahr (Paragraph 180, Absatz 2, Ziffer 3, Litera b, StPO) angeordnet (ON 34, 49).

Der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 35) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 29. September 2000, AZ 21 Bs 378/00 (= ON 49), Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und ordnete die Enthaftung des Stefan G***** an, weil die zwingende (14-tägige) Haftfrist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO überschritten worden sei. Das Beschwerdegericht vertrat - zusammengefasst wiedergegeben - die Auffassung, dass auf die faktische Verhaftung nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung abzustellen sei und bei fortdauernder Anhaltung, selbst wenn neue gravierende Verdachtsmomente hinzuträten, die erst zur Verhängung der Untersuchungshaft führen, keine neuerliche, das Fristensystem der StPO beeinflussende Festnahme fingiert werden dürfe.Der dagegen erhobenen Beschwerde (ON 35) gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 29. September 2000, AZ 21 Bs 378/00 (= ON 49), Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und ordnete die Enthaftung des Stefan G***** an, weil die zwingende (14-tägige) Haftfrist des Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO überschritten worden sei. Das Beschwerdegericht vertrat - zusammengefasst wiedergegeben - die Auffassung, dass auf die faktische Verhaftung nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung abzustellen sei und bei fortdauernder Anhaltung, selbst wenn neue gravierende Verdachtsmomente hinzuträten, die erst zur Verhängung der Untersuchungshaft führen, keine neuerliche, das Fristensystem der StPO beeinflussende Festnahme fingiert werden dürfe.

Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Die Verhängung der Untersuchungshaft setzt unter anderem voraus, dass der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist (§ 180 Abs 1 StPO). Gemäß § 181 Abs 2 Z 1 StPO ist über die Fortsetzung der Untersuchungshaft und damit über das Fortbestehen dieses haftbegründenden Tatverdachtes spätestens mit Ablauf des 14. Tages, gerechnet "ab Festnahme des Beschuldigten" zu entscheiden. Daraus folgt, dass als Festnahme in der Bedeutung des § 181 Abs 2 Z 1 StPO jene zu verstehen ist, die wegen des für die Verhängung der Untersuchungshaft maßgeblichen bestimmten Tatverdachts erfolgt ist. Die "Festnahme des Beschuldigten" kann entweder gem § 177 StPO aus eigenem Antrieb der Sicherheitsbehörde (- der auch die Entscheidung obliegt, ob der Festgenommene freigelassen oder die Staatsanwaltschaft wegen einer allfälligen Einlieferung an das Gericht binnen 48 Stunden nach Festnahme verständigt wird -) oder in Vollziehung eines richterlichen Haftbefehls gem §§ 175, 176 StPO erfolgen, der dem Sicherheitsorgan keinen Entscheidungsspielraum lässt. In Fällen, in denen sowohl zunächst eine sicherheitsbehördliche Festnahme aus eigenem Antrieb gem § 177 StPO erfolgt, als auch sodann - während der vorläufigen Verwahrung - ein richterlicher Haftbefehl gegen den Festgenommenen erlassen wird, ist zu differenzieren: Für die Fristenberechnung der Untersuchungshaft gem § 181 Abs 2 Z 1 StPO ist der Zeitpunkt der Festnahme nach § 177 StPO dann maßgebend, wenn die in der Folge verhängte Untersuchungshaft sich (zumindest zum Teil) auf denselben Sachverhalt bezieht, wenn also die aus eigener Macht durch die Sicherheitsbehörde vorgenommene Festnahme durch die nachfolgende Gerichtshaft bestätigt wird.Die Verhängung der Untersuchungshaft setzt unter anderem voraus, dass der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist (Paragraph 180, Absatz eins, StPO). Gemäß Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO ist über die Fortsetzung der Untersuchungshaft und damit über das Fortbestehen dieses haftbegründenden Tatverdachtes spätestens mit Ablauf des 14. Tages, gerechnet "ab Festnahme des Beschuldigten" zu entscheiden. Daraus folgt, dass als Festnahme in der Bedeutung des Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO jene zu verstehen ist, die wegen des für die Verhängung der Untersuchungshaft maßgeblichen bestimmten Tatverdachts erfolgt ist. Die "Festnahme des Beschuldigten" kann entweder gem Paragraph 177, StPO aus eigenem Antrieb der Sicherheitsbehörde (- der auch die Entscheidung obliegt, ob der Festgenommene freigelassen oder die Staatsanwaltschaft wegen einer allfälligen Einlieferung an das Gericht binnen 48 Stunden nach Festnahme verständigt wird -) oder in Vollziehung eines richterlichen Haftbefehls gem Paragraphen 175,, 176 StPO erfolgen, der dem Sicherheitsorgan keinen Entscheidungsspielraum lässt. In Fällen, in denen sowohl zunächst eine sicherheitsbehördliche Festnahme aus eigenem Antrieb gem Paragraph 177, StPO erfolgt, als auch sodann - während der vorläufigen Verwahrung - ein richterlicher Haftbefehl gegen den Festgenommenen erlassen wird, ist zu differenzieren: Für die Fristenberechnung der Untersuchungshaft gem Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO ist der Zeitpunkt der Festnahme nach Paragraph 177, StPO dann maßgebend, wenn die in der Folge verhängte Untersuchungshaft sich (zumindest zum Teil) auf denselben Sachverhalt bezieht, wenn also die aus eigener Macht durch die Sicherheitsbehörde vorgenommene Festnahme durch die nachfolgende Gerichtshaft bestätigt wird.

Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - der Beschuldigte wegen Verdachtes eines Delikts (hier: eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz) gem § 177 StPO festgenommen, in der Folge jedoch gegen ihn nicht deswegen, sondern allein wegen des (später hinzugetretenen) Verdachtes einer anderen strafbaren Handlung (hier: des Verbrechens des schweren Raubes) in einem abgesondert geführten Verfahren ein richterlicher Haftbefehl erlassen wird, lässt dessen unverzüglicher Vollzug (§ 176 StPO) für die Aufrechterhaltung der bisherigen, aus einem anderen Grunde erfolgten Verwahrung gem § 177 StPO keinen Raum mehr. Mit dem Vollzug des auf einen anderen Sachverhalt abstellenden richterlichen Haftbefehls endet dann die - bis dahin der Entscheidung durch den Untersuchungsrichter entzogene - Anhaltung gem § 177 StPO, sodass allein dieser Zeitpunkt für den Beginn des Fristenlaufs gem § 181 Abs 2 Z 1 StPO maßgeblich ist. Im konkreten Fall begann die 14-Tage-Frist des § 181 Abs 2 Z 1 StPO daher erst mit dem Vollzug des wegen des Verdachts des Raubes erlassenen richterlichen Haftbefehls, somit am 7. September 2000 umWenn aber - wie im vorliegenden Fall - der Beschuldigte wegen Verdachtes eines Delikts (hier: eines Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz) gem Paragraph 177, StPO festgenommen, in der Folge jedoch gegen ihn nicht deswegen, sondern allein wegen des (später hinzugetretenen) Verdachtes einer anderen strafbaren Handlung (hier: des Verbrechens des schweren Raubes) in einem abgesondert geführten Verfahren ein richterlicher Haftbefehl erlassen wird, lässt dessen unverzüglicher Vollzug (Paragraph 176, StPO) für die Aufrechterhaltung der bisherigen, aus einem anderen Grunde erfolgten Verwahrung gem Paragraph 177, StPO keinen Raum mehr. Mit dem Vollzug des auf einen anderen Sachverhalt abstellenden richterlichen Haftbefehls endet dann die - bis dahin der Entscheidung durch den Untersuchungsrichter entzogene - Anhaltung gem Paragraph 177, StPO, sodass allein dieser Zeitpunkt für den Beginn des Fristenlaufs gem Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO maßgeblich ist. Im konkreten Fall begann die 14-Tage-Frist des Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO daher erst mit dem Vollzug des wegen des Verdachts des Raubes erlassenen richterlichen Haftbefehls, somit am 7. September 2000 um

18.35 Uhr. Demnach wurde die Haftverhandlung vom Erstgericht (innerhalb der vierzehntägigen Frist ab "Festnahme", sohin) rechtzeitig durchgeführt.

Die - rechtsirrig die Zeit der nicht den untersuchungshaftrelevanten Sachverhalt betreffenden sicherheitsbehördlichen Verwahrung hinzurechnende und demgemäß von einer Fristüberschreitung ausgehende - Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien verletzt daher § 181 Abs 2 Z 1 StPO.Die - rechtsirrig die Zeit der nicht den untersuchungshaftrelevanten Sachverhalt betreffenden sicherheitsbehördlichen Verwahrung hinzurechnende und demgemäß von einer Fristüberschreitung ausgehende - Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien verletzt daher Paragraph 181, Absatz 2, Ziffer eins, StPO.

Da die Gesetzesverletzung dem Beschuldigten nicht zum Nachteil gereicht, hat es mit ihrer bloßen Feststellung das Bewenden.

Anmerkung

E60362 11d01550

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITR Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ÖJZ-LSK 2001/113 = Jus-Extra OGH-St 3029 = EvBl 2001/108 S 438 - EvBl 2001,438 = AnwBl 2001,348 = JBl 2001,529 (Seiler) = RZ 2001/30 S 283 - RZ 2001,283 = SSt 63/119 XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2001:0110OS00155..0116.000

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten