TE Vwgh Erkenntnis 2007/1/16 2006/18/0432

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Veröffentlicht am 16.01.2007
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des PZ, geboren 1975, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. Oktober 2006, Zl. SD 1223/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ukrainischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2001 erstmals nach Österreich eingereist. Ihm sei vom 18. Oktober 2001 bis zum 30. Juni 2002 eine quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung (Aufenthaltszweck: "vom AuslBG ausgenommen; unselbständiger Erwerb") erteilt worden. Nach einer Ausreise sei er mit einem vom 15. November bis 14. Dezember 2003 gültigen Visum C wieder in das Bundesgebiet eingereist. Eine weitere Einreise sei mit einem vom 31. Dezember 2003 bis 1. März 2004 gültigen Visum C erfolgt. Am 2. März 2004 habe der Beschwerdeführer die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" beantragte. Diese sei ihm für den Zeitraum vom 18. März 2004 bis zum 18. März 2005 erteilt und vom 20. April 2005 bis zum 20. April 2006 verlängert worden.

Am 17. Februar 2004 habe der Beschwerdeführer in Wien die um fünfeinhalb Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin Margarete K. geheiratet. Am 14. November 2005 habe Margarete K. als Zeugin unter anderem zu Protokoll gegeben:

"Tatsächlich stehe ich in einer aufrechten Lebensgemeinschaft mit Eduard R. Das war bereits vor meiner Eheschließung so und wurde in der Ehezeit nicht wirklich unterbrochen. (Den Beschwerdeführer) habe ich kennen gelernt, weil ich mit seiner

Schwester zusammengearbeitet habe. ... sie hat vom Bruder erzählt,

dass er drüben ist und schon in Österreich gearbeitet hat. Angeblich hatte er einen Vertrag für ein Jahr und ist dann wieder zurückgegangen. Es ist dann darum gegangen, dass er wieder her kam und dies über eine Heirat möglich wäre. So ist die Idee entstanden, dass ich das mache. Damals habe ich ihn noch nicht gekannt und es wurde auch nicht sofort über Geld gesprochen, sondern erst später, weil ich ja auch Geld gebraucht habe.

Ausgemacht waren 6.000 Euro, davon habe ich 3.000 Euro gleich nach

der Hochzeit erhalten. Für den Rest waren monatliche Raten

vereinbart. ... Ich habe meinen Gatten schon vor der Hochzeit

kennen gelernt, und zwar im Zuge der behördlichen Anmeldung und

den Amtswegen beim Standesamt. Gewohnt hat er bei seiner Schwester

und angemeldet war er bei mir. ... Ich ersuche um Annullierung der

Ehe ... ."

Der Beschwerdeführer sei kein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil er kein Ehegatte einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Es bestehe kein Grund, der Aussage der Zeugin K. den Glauben zu versagen, zumal der Beschwerdeführer dieser Aussage in substantieller Hinsicht - außer der bloßen Bestreitung - nichts entgegenzusetzen habe. Für eine Aufenthaltsehe sprächen mehrere Anhaltspunkte. Die Ehepartnerin sei nicht ganz unerheblich älter als der Fremde und beziehe seit Monaten Notstandshilfe. Beide würden trotz gemeinsamer Meldung tatsächlich getrennt wohnen. Beide hätten sich vor der Eheschließung kaum gekannt. Der vermittelte Ehepartner lebe weiterhin mit seinem früheren Lebensgefährten zusammen und habe für das Eingehen der Ehe eine namhafte Geldzuwendung erhalten.

Die Annahme des § 86 Abs. 1 FPG sei gerechtfertigt. Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe (noch dazu gegen Entgelt) zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Fremdenswesens dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten, das mit der Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und sich bis zum dadurch bewirkten Erschleichen staatlicher Berechtigungen und Befugnisse fortsetze, stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften und am Recht auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG würden - mit Ausnahme des ca. dreijährigen ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet und einiger im Bundesgebiet wohnender Familienangehöriger - kaum Umstände (zu Gunsten des Beschwerdeführers) ins Gewicht fallen. Eine Integration in Österreich werde in ihrer Bedeutung dadurch gemindert, dass sowohl die Niederlassungsbewilligung als auch die Arbeitsbewilligung nur auf Grund des Eingehens einer Scheinehe erteilt worden seien. Den persönlichen bzw. privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch die rechtsmissbräuchliche Ehe und die Berufung auf diese bei seinem Antrag auf Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Da besonders berücksichtigungswerte Gründe nicht erkannt und auch nicht vorgebracht worden seien, habe auch im Rahmen einer behördlichen Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht Abstand genommen werden können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer nicht freizügigkeitsberechtigten Österreicherin im Sinn des § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Bei der Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0440).

Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

1.2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde zum Vorliegen einer Scheinehe und macht geltend, es sei nicht festgestellt worden, "dass ein derartiges Familienleben nie geführt wurde."

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, mwN) schon in Anbetracht der eindeutigen Aussage der Zeugin Margarete K. und der von der belangten Behörde dargestellten sonstigen Umstände, die für das Vorliegen einer Scheinehe sprechen, keinen Bedenken. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang als Verfahrensmangel rügt, dass er von der belangten Behörde nicht als Partei vernommen worden sei, so ist nicht ersichtlich, inwiefern dem behaupteten Verfahrensmangel Relevanz zukommen soll, legt er doch nicht dar, welches für ihn im gegebenen Zusammenhang günstige Ergebnis seine Einvernahme erbracht hätte.

Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen nicht, sich für seine Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung auf die Ehe berufen zu haben. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (als "Orientierungsmaßstab") verwirklicht sei, keinem Einwand.

1.3. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die im § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich.

2. Bei der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 leg. cit. hat die belangte Behörde den - mehrmals unterbrochenen - inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit ca. fünf Jahren und seine Bindungen zu seinen im Bundesgebiet wohnenden Familienangehörigen (dem Beschwerdevorbringen zufolge seine Mutter und seine Schwester) berücksichtigt. Zutreffend hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass die daraus resultierende Integration in Österreich in ihrer Bedeutung dadurch gemindert wird, dass sowohl die Niederlassungsbewilligung als auch die Arbeitsbewilligung nur auf Grund des Eingehens einer Scheinehe erteilt worden ist. Im Hinblick darauf sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbaren Interessen wesentlich relativiert. Unbestritten hat er außer den genannten Beziehungen zu seinen Familienangehörigen keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Angesichts der diesen - nicht sonderlich schwerwiegenden - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehenden erheblichen Gefährdung öffentlicher Interessen durch das dargestellte rechtsmissbräuchliche Verhalten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Ebenso begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), keinem Einwand.

3. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 86 Abs. 1 FPG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist er ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Bestimmung bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. Jänner 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180432.X00

Im RIS seit

15.02.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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