Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Univ.Prof.Dr.Ertl als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Univ.Doz.Dr.Bydlinski und Dr.Rechberger in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch W*****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Dr.T*****, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 100.000,-- sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 6.9.2000, 23 Cg 43/00z-11, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Erstgericht eine sachliche Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der beklagten Partei aufgetragen.
Die beklagte Partei hat ihre Rekurskosten gemäß § 154 ZPO selbst zu tragen.Die beklagte Partei hat ihre Rekurskosten gemäß Paragraph 154, ZPO selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Nachdem der Beklagten der antragsgemäß erlassene Wechselzahlungsauftrag am 16.3.2000 durch Hinterlegung zugestellt worden war, erklärte sie in einer am 31.3.2000 (somit verspätet) erstatteten Eingabe, Einspruch gegen den Wechselzahlungsauftrag zu erheben; gleichzeitig beantragte sie die Gewährung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigabe eines Rechtsanwalts. Über Aufforderung des Erstgerichts erklärte sie, innerhalb der ihr dafür eingeräumten Frist, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, da ihr der Brief mit den Einwendungen in ein Seitenfach ihrer Handtasche gerutscht sei, sodass sie nur die übrige Post, nicht aber diesen Brief am 30.3.2000 beim Postamt aufgegeben habe; zugleich wiederholte sie ihren Antrag auf Verfahrenshilfe.
Mit Beschluss vom 25.4.2000 bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe für die Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags sowie das weitere Verfahren; Rechtsanwalt Dr.***** G***** wurde zum Verfahrenshelfer bestellt. Die Zustellung des Bestellungsbeschlusses erfolgte am 23.5.2000. Mit seiner am 7.6.2000 beim Erstgericht eingelangten Eingabe verwies der Verfahrenshelfer namens der Beklagten auf den Inhalt des von ihr persönlich eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages und erhob gleichzeitig Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag. Da auf der Eingabe des Verfahrenshelfers in der gerichtlichen Einlaufstelle nicht festgehalten worden war, ob diese im Postweg eingelangt oder persönlich übergeben worden ist, forderte das Erstgericht den Verfahrenshelfer auf, bekanntzugeben, "wann/wie" der Schriftsatz eingebracht worden ist (Überprüfung der Rechtzeitigkeit); dafür wurde eine Frist von 14 Tagen gesetzt. Nachdem die Frist ergebnislos abgelaufen war, wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurück und führte dazu aus, dass der Nachweis der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels bzw Rechtsbehelfs dem Rechtsmittelwerber obliege. Da die Beklagte die ihr hiezu gesetzte Frist ungenützt habe verstreichen lassen, habe der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurückgewiesen werden müssen. Angesichts der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den Verfahrenshelfer am 23.5.2000 sei die 14-tägige Frist für die Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags am 6.6.2000 abgelaufen. Auch unter der Annahme seiner Rechtzeitigkeit würde eine positive Behandlung des Wiedereinsetzungsantrags daran scheitern, dass entgegen § 149 Abs 1 ZPO unter Außerachtlassung eines diesbezüglichen Hinweises durch das Gericht jegliche Bescheinigung von Wiedereinsetzungsgründen unterblieben sei.Mit Beschluss vom 25.4.2000 bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe für die Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags sowie das weitere Verfahren; Rechtsanwalt Dr.***** G***** wurde zum Verfahrenshelfer bestellt. Die Zustellung des Bestellungsbeschlusses erfolgte am 23.5.2000. Mit seiner am 7.6.2000 beim Erstgericht eingelangten Eingabe verwies der Verfahrenshelfer namens der Beklagten auf den Inhalt des von ihr persönlich eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages und erhob gleichzeitig Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag. Da auf der Eingabe des Verfahrenshelfers in der gerichtlichen Einlaufstelle nicht festgehalten worden war, ob diese im Postweg eingelangt oder persönlich übergeben worden ist, forderte das Erstgericht den Verfahrenshelfer auf, bekanntzugeben, "wann/wie" der Schriftsatz eingebracht worden ist (Überprüfung der Rechtzeitigkeit); dafür wurde eine Frist von 14 Tagen gesetzt. Nachdem die Frist ergebnislos abgelaufen war, wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Wiedereinsetzungsantrag zurück und führte dazu aus, dass der Nachweis der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels bzw Rechtsbehelfs dem Rechtsmittelwerber obliege. Da die Beklagte die ihr hiezu gesetzte Frist ungenützt habe verstreichen lassen, habe der Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurückgewiesen werden müssen. Angesichts der Zustellung des Bestellungsbeschlusses an den Verfahrenshelfer am 23.5.2000 sei die 14-tägige Frist für die Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags am 6.6.2000 abgelaufen. Auch unter der Annahme seiner Rechtzeitigkeit würde eine positive Behandlung des Wiedereinsetzungsantrags daran scheitern, dass entgegen Paragraph 149, Absatz eins, ZPO unter Außerachtlassung eines diesbezüglichen Hinweises durch das Gericht jegliche Bescheinigung von Wiedereinsetzungsgründen unterblieben sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Rekurs ist berechtigt.
Zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass durch den von der Beklagten gleichzeitig mit den (verspäteten) Einwendungen gestellten Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts auch die Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Einwendungsfrist in sinngemäßer Anwendung des § 73 Abs 2 ZPO unterbrochen wurde (siehe dazu nur Fucik in Rechberger2, Rz 2 zu § 73 ZPO, Fasching, Lehrbuch2, Rz 499), sodass mit der Zustellung des Bestellungsbescheides an den zur Vertretung der Beklagten bestellten Verfahrenshelfer die 14-tägige Wiedereinsetzungsfrist neu zu laufen begann und am 6.6.2000 endete.Zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass durch den von der Beklagten gleichzeitig mit den (verspäteten) Einwendungen gestellten Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts auch die Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrags gegen die Versäumung der Einwendungsfrist in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 73, Absatz 2, ZPO unterbrochen wurde (siehe dazu nur Fucik in Rechberger2, Rz 2 zu Paragraph 73, ZPO, Fasching, Lehrbuch2, Rz 499), sodass mit der Zustellung des Bestellungsbescheides an den zur Vertretung der Beklagten bestellten Verfahrenshelfer die 14-tägige Wiedereinsetzungsfrist neu zu laufen begann und am 6.6.2000 endete.
Unklar blieb im vorliegenden Fall allerdings, ob die unter anderem auch den Wiedereinsetzungsantrag enthaltende Eingabe des Verfahrenshelfers, die am 7.6.2000 beim Erstgericht einlangte, erst an diesem Tag persönlich bei Gericht überreicht (dann wäre sie verspätet) oder aber spätestens am Vortag der Post zur Beförderung übergeben worden ist (dann wäre sie rechtzeitig, da gemäß § 89 Abs 1 GOG die Tage des Postlaufes bei der Fristberechnung nicht mitzuberücksichtigen sind). Das Erstgericht hat dazu die Auffassung vertreten, dass der Nachweis der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels bzw Rechtsbehelfs dem Antragsteller obliege. Da die Beklagte dem an ihren Verfahrenshelfer gerichteten Auftrag, binnen 14 Tagen durch geeignete Unterlagen zu bescheinigen, wann und auf welche Weise der Schriftsatz eingebracht wurde, nicht nachgekommen ist, sei von einer Verspätung des Wiedereinsetzungsantrags auszugehen. Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Frage der Rechtzeitigkeit eines Rechtsbehelfs - ebenso wie etwa der Zeitpunkt einer Zustellung - grundsätzlich von Amts wegen zu überprüfen ist, ist nicht einzusehen, dass es der Partei zur Last fallen soll, wenn in der Einlaufstelle bzw der Geschäftsabteilung des Gerichts entgegen den einschlägigen Vorschriften (vgl § 108 Abs 3 Geo) auf dem Schriftsatz kein Vermerk darüber angebracht wurde, auf welchem Wege die Eingabe zu Gericht gelangt ist. Im Übrigen entspricht es der herrschenden Judikatur (vgl dazu nur die ausführliche Darstellung bei Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht, 119 ff), dass im Zweifel von der Rechtzeitigkeit eines fristgebundenen Antrags auszugehen und der Antrag daher sachlich zu behandeln ist. Diese Beweislastverteilung kann das Gericht auch nicht dadurch verschieben, dass es der betroffenen Partei eine Bescheinigung der Rechtzeitigkeit ihrer Eingabe abverlangt, sodass eine darauf folgende Untätigkeit auch nicht zu ihren Lasten gewürdigt werden darf. Es hat somit dabei zu bleiben, dass nicht geklärt werden konnte, ob der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig zur Post gegeben oder verspätet bei Gericht überreicht wurde, sodass im Sinne der dargestellten Beweislastregel der Antrag als rechtzeitig zu behandeln ist. Auf die erst mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden, mit denen die Beklagte die Rechtzeitigkeit der Antragstellung bescheinigen will, muss daher gar nicht eingegangen werden.Unklar blieb im vorliegenden Fall allerdings, ob die unter anderem auch den Wiedereinsetzungsantrag enthaltende Eingabe des Verfahrenshelfers, die am 7.6.2000 beim Erstgericht einlangte, erst an diesem Tag persönlich bei Gericht überreicht (dann wäre sie verspätet) oder aber spätestens am Vortag der Post zur Beförderung übergeben worden ist (dann wäre sie rechtzeitig, da gemäß Paragraph 89, Absatz eins, GOG die Tage des Postlaufes bei der Fristberechnung nicht mitzuberücksichtigen sind). Das Erstgericht hat dazu die Auffassung vertreten, dass der Nachweis der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels bzw Rechtsbehelfs dem Antragsteller obliege. Da die Beklagte dem an ihren Verfahrenshelfer gerichteten Auftrag, binnen 14 Tagen durch geeignete Unterlagen zu bescheinigen, wann und auf welche Weise der Schriftsatz eingebracht wurde, nicht nachgekommen ist, sei von einer Verspätung des Wiedereinsetzungsantrags auszugehen. Dieser Auffassung vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Frage der Rechtzeitigkeit eines Rechtsbehelfs - ebenso wie etwa der Zeitpunkt einer Zustellung - grundsätzlich von Amts wegen zu überprüfen ist, ist nicht einzusehen, dass es der Partei zur Last fallen soll, wenn in der Einlaufstelle bzw der Geschäftsabteilung des Gerichts entgegen den einschlägigen Vorschriften vergleiche Paragraph 108, Absatz 3, Geo) auf dem Schriftsatz kein Vermerk darüber angebracht wurde, auf welchem Wege die Eingabe zu Gericht gelangt ist. Im Übrigen entspricht es der herrschenden Judikatur vergleiche dazu nur die ausführliche Darstellung bei Klicka, Die Beweislastverteilung im Zivilverfahrensrecht, 119 ff), dass im Zweifel von der Rechtzeitigkeit eines fristgebundenen Antrags auszugehen und der Antrag daher sachlich zu behandeln ist. Diese Beweislastverteilung kann das Gericht auch nicht dadurch verschieben, dass es der betroffenen Partei eine Bescheinigung der Rechtzeitigkeit ihrer Eingabe abverlangt, sodass eine darauf folgende Untätigkeit auch nicht zu ihren Lasten gewürdigt werden darf. Es hat somit dabei zu bleiben, dass nicht geklärt werden konnte, ob der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig zur Post gegeben oder verspätet bei Gericht überreicht wurde, sodass im Sinne der dargestellten Beweislastregel der Antrag als rechtzeitig zu behandeln ist. Auf die erst mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden, mit denen die Beklagte die Rechtzeitigkeit der Antragstellung bescheinigen will, muss daher gar nicht eingegangen werden.
Das Erstgericht wird daher den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten im fortgesetzten Verfahren sachlich zu behandeln haben. Entgegen der bereits im angefochtenen Beschluss geäußerten Rechtsansicht wird der Wiedereinsetzungsantrag aber nicht bereits deshalb ohne weiteres abzuweisen sein, weil "jegliche Bescheinigung von Wiedereinsetzungsgründen unterblieben" sei, womit offenbar das Fehlen eines ausdrücklichen Anbots von Bescheinigungsmitteln gemeint ist. Aus dem von der Beklagten persönlich eingebrachten Schriftsatz vom 21.4.2000 (ON 6), auf den der Verfahrenshelfer in seinem (als rechtzeitig zu behandelnden) Wiedereinsetzungsantrag vom 6.6.2000 (ON 9) verweist, ist - in Anbetracht des detailliert geschilderten Wiedereinsetzungsgrundes - mit noch hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass die Beklagte meint, durch ihre eigene Parteienvernehmung zur Bescheinigung des behaupteten Wiedereinsetzungsgrundes beitragen zu können. Mangels anderer ersichtlicher Bescheinigungsmittel wird sich das Erstgericht im fortzusetzenden Verfahren daher auf die Vernehmung der Beklagten zu beschränken und in der Folge über die beantragte Wiedereinsetzung sachlich zu entscheiden haben.
Gegen diesen Beschluss ist in sinngemäßer Anwendung des § 153 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig (SZ 13/167, EvBl 1963/74 ua). Oberlandesgericht WienGegen diesen Beschluss ist in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 153, ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig (SZ 13/167, EvBl 1963/74 ua). Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW00376 15R233-00wEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLGW009:2001:01500R00233.00W.0129.000Dokumentnummer
JJT_20010129_OLGW009_01500R00233_00W0000_000