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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des Mag. Dr. LC in G, vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 8. Juli 2004, Zl. GZ 2-DOKS/04, betreffend Schuldspruch ohne Strafe nach dem Heeresdisziplinargesetz 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Oberstleutnant in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2002 wendete sich der Beschwerdeführer an eine/n Volksanwalt/Volksanwältin und führte unter Darlegung einzelner Sachverhalte aus, er sei Opfer von "Mobbing" an seiner Dienststelle. Der Beschwerdeführer schloss diesem Schreiben insgesamt 19 Beilagen an, darunter auch die Kopie einer gegen ihn gerichteten "Beanstandung" seines Vorgesetzten vom 25. September 2002, wonach er bestimmte, ihm befohlene Aufgaben nicht im ausreichenden Maße erfülle. Dieses Schriftstück trägt die Kennzeichnung "GEHEIM".
Mit Note des Leiters seiner Dienststelle vom 18. April 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 HDG 2002 ein Disziplinarverfahren (Kommandantenverfahren) eingeleitet, weil er im Verdacht stehe, anlässlich einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft vom 2. Oktober 2002 mehrere Kopien von Unterlagen, insbesondere die Kopie einer mit dem Geheimhaltungsvermerk "GEHEIM" (Geheimhaltungsstufe II) versehenen schriftlichen Beanstandung, sowie eine weitere Kopie ohne Aufforderung der Volksanwaltschaft an diese gesandt zu haben. Mit Schreiben vom 30. April 2003 beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 2 HDG 2002 die Einleitung eines Kommissionsverfahrens.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 16. Juli 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer
"wegen des Verdachtes, er habe: Anlässlich einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft mit Schreiben vom 2. Oktober 2002, mehrere Kopien von Unterlagen, insbesondere die Kopie einer mit dem Geheimhaltungsvermerk 'GEHEIM' (Geheimhaltungsstufe II) versehenen schriftlichen Beanstandung, an die Volksanwaltschaft gesandt und dadurch schuldhaft Pflichtverletzungen nach § 2 Abs. 1 Z 1 Heeresdisziplinargesetz 2002 (HDG 2002), BGBl. Nr. 167, begangen, gemäß § 71 Abs. 1 HDG 2002 das Disziplinarverfahren ein(geleitet) und gemäß § 72 Abs. 1 Z 1 leg. cit. die Durchführung der mündlichen Verhandlung an(geordnet)."
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, § 44 Abs. 1 BDG 1979 statuiere, dass der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen habe, und dass auch § 7 Abs. 1 der Verordnung der Bundesregierung über die allgemeinen Dienstvorschriften für das Bundesheer (ADV) lege die Gehorsamspflicht jedes Untergebenen seinem Vorgesetzten gegenüber fest. Gemäß Z. 18 des Erlasses des Bundesministers für Landesverteidigung vom 17. Jänner 1991 ("Verschlusssachenvorschrift") seien Angelegenheiten der Geheimhaltungsstufe II (GEHEIM) (Z. 6 der Verschlusssachenvorschrift) grundsätzlich als Staats- und/oder militärisches Geheimnis anzusehen und dürften daher ohne Genehmigung weder vollinhaltlich noch auszugsweise, weder mündlich, schriftlich noch in anderer Weise an heeresfremde Dienststellen, Institutionen, Firmen und Personen weitergegeben werden und seien grundsätzlich von der Auskunftspflicht sowie der Öffentlichkeitsarbeit ausgenommen. Z. 70 der angeführten Verschlusssachenvorschrift normiere, dass Verschlusssachen der Geheimhaltungsstufe II und III durch die Empfänger nicht kopiert werden dürften und dass, wenn zusätzliche Exemplare benötigt werden, diese bei der ausgebenden Dienststelle anzufordern seien. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, er habe die in § 44 Abs. 1 BDG 1979 normierte Pflicht verletzt, indem er gegen die in Z. 70 der Verschlusssachenvorschrift enthaltene Anordnung, nämlich die Weisung, dass Kopien eines mit dem Verschlussvermerk "GEHEIM" versehenen Schriftstückes nicht herzustellen sind, verstoßen habe, und dadurch Dienstpflichtverletzungen nach § 2 Abs. 1 Z. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 2002 (HDG 2002) begangen.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 2. Februar 2004 wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wie folgt für schuldig erkannt:
"Er hat anlässlich einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft mit Schreiben vom 2. Oktober 2002, mehrere Kopien von Unterlagen, insbesondere die Kopie einer mit dem Geheimhaltungsvermerk 'GEHEIM' (Geheimhaltungsstufe II) versehenen schriftlichen Beanstandung, an die Volksanwaltschaft gesandt.
Durch sein Verhalten hat (der Beschwerdeführer) gegen den § 44 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333 verstoßen und fahrlässig Pflichtverletzungen nach § 2 Abs. 1 Z 1 Heeresdisziplinargesetz 2002 (HDG 2002), BGBl. Nr. 167, begangen.
Über (den Beschwerdeführer) wird gemäß § 6 Abs. 4 Z 2 HDG 2002 ein Schuldspruch ohne Strafe verhängt."
In der Begründung führte die Behörde erster Instanz nach Darstellung des Verfahrensganges zusammengefasst aus, dass sie den Ausführungen der Verteidigung des Beschwerdeführers insoferne folgen könne, dass an sich personelle Angelegenheiten nach der Verschlusssachenvorschrift keiner besonderen Geheimhaltungsstufe unterlägen. Hiezu sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer gegen die Klassifizierung des Schriftstückes, dessen Kopie er an die Volksanwaltschaft gesendet habe, hätte remonstrieren können. Dies habe er jedoch nicht getan. Er habe die als "GEHEIM" klassifizierte Beanstandung mit Unterschrift am Original übernommen, zur Kenntnis genommen und hätte somit nach der Z. 70 der Verschlusssachenvorschrift vorgehen müssen. Diese ordne an, dass als "GEHEIM" klassifizierte Schriftstücke vom Empfänger nicht kopiert werden dürfen, und dass dann, wenn zusätzliche Exemplare benötigt werden, diese bei der ausgebenden Dienststelle anzufordern seien. Hätte der Beschwerdeführer remonstriert, so wäre auch das Bedürfnis nach besonderen Sicherheitsmaßnahmen durch den Vorgesetzten in einem Aktenvermerk festgelegt worden. Ein hochrangiger Offizier wie der Beschwerdeführer dürfe sich nicht so leicht über eindeutige Bestimmungen der Verschlusssachenvorschrift hinwegsetzen und ohne Wissen seiner Vorgesetzten als "GEHEIM" gekennzeichnete Schriftstücke kopieren. Der Beschwerdeführer habe daher den Tatbestand des § 44 Abs. 1 BDG 1979 verwirklicht und ihm sei eine Dienstpflichtverletzung nach § 2 Abs. 1 Z 1 HDG 2002 vorzuwerfen.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 2004 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung keine Folge gegeben, das erstinstanzliche Erkenntnis hinsichtlich des Spruchs abgeändert und der Schuld- und Strafausspruch bestätigt. Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:
"(Der Beschwerdeführer) ist schuldig: Er hat in seiner Beschwerde vom 2. Oktober 2002 an die Volksanwaltschaft zumindest eine Kopie eines klassifizierten Schriftstücks mit dem Vermerk 'GEHEIM' gesandt.
Dadurch hat er fahrlässig gegen die Bestimmung des § 44 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979) (Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten) verstoßen und eine Pflichtverletzung im Sinne des § 2 (1) HDG 2002 begangen.
Über (den Beschwerdeführer) wird gemäß § 6 Abs. 3 HDG 2002 ein Schuldspruch ohne Strafe verhängt.
Gem. § 34 Abs. 4 HDG 2002 werden zum Schutz der nationalen Sicherheit folgender Seiten dieses Disziplinarerkenntnisses von der Veröffentlichung ausgeschlossen: 3, 4, 5, 12, 13, 26"
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid nach Darstellung des Verfahrensganges und ausführlicher Wiedergabe von Rechtsvorschriften sowie der Verschlusssachenvorschrift im Wesentlichen damit, dass die Tatsache, dass der Beschwerdeführer im Zuge einer Beschwerde an die Volksanwaltschaft auf einen der Amtsverschwiegenheit unterliegenden Umstand hingewiesen habe, für sich allein keine Dienstpflichtverletzung darstelle. Sie betonte, der gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf "ist die Vorlage einer Kopie eines als 'GEHEIM' klassifizierten Schriftstücks an die VA". Das vom Beschwerdeführer der Volksanwaltschaft übermittelte Schriftstück erfülle alle Anforderungen im Hinblick auf die Amtsverschwiegenheit, weil der Inhalt über seine Tätigkeit innerhalb eines Bereiches Auskunft gebe, welcher der nationalen Sicherheit und umfassenden Landesverteidigung zuzurechnen sei. Nach der einschlägigen Verwaltungsweisung des Bundesministeriums für Landesverteidigung (der "Verschlusssachenvorschrift") sei bei verständiger Bewertung der Randziffern 6 und 11, nicht nur auf Grund der erfolgten Klassifizierung, sondern insbesondere in Beurteilung auf den materiellen Inhalt die Geheimhaltungsstufe "GEHEIM" zu verfügen gewesen. Nach § 1 Abs. 2 des Informationssicherheitsgesetzes unterliege die Weitergabe von klassifizierten Informationen an den Rechnungshof und die Volksanwaltschaft keinen Beschränkungen nach diesem Bundesgesetz. Ob eine von der Volksanwaltschaft verlangte Auskunft "erforderlich" sei, sei primär von ihr selbst zu beurteilen. Die gesamte Verschlusssachenvorschrift regle "abschließend und überaus detailverliebt" den dienstlichen Umgang mit klassifizierten Schriftstücken. Sie normiere verschiedenste Dienstpflichten der im Rahmen der manipulativen Verwaltung eingesetzten Organwalter. Daraus sei unschwer erkennbar, dass der Erlassgeber dem Beamten keinen Spielraum lasse und ihn überaus eng an die Vorschrift binde. Es finde sich auch kein Hinweis, der das Handeln des Beschwerdeführers auch nur ansatzweise rechtfertige oder einen Entschuldigungsgrund darstellen könnte.
Die Zielsetzung der Einhaltung der Verschlusssachenvorschrift sei kein Selbstzweck, sondern unabdingbare Notwendigkeit zum Schutz von Vorgängen und Sachverhalten, die aus Staatsinteressen und/oder militärischen Interessen gegen Kenntnisnahme und Zugriff durch Unbefugte, sowie zur Sicherstellung der Geheimhaltung bedeutender Tatsachen diene. Ein wesentliches Element der Nachweisbarkeit der einzelnen Schriftstücke und deren Inhalte seien die Regelungen über den Versand von Verschlusssachen. Lediglich der Dienststellenleiter sei berechtigt, den Versand von Verschlusssachen anzuordnen, wobei er bei "GEHEIM" zu beurteilen habe, ob der Versand mittels Post und Einhaltung bestimmter Verpackungsvorschriften durchzuführen sei, oder die Übermittlung mittels Kurier zu erfolgen habe.
Der Beschwerdeführer habe durch die Begehung der dem verfahrensgegenständlichen Vorwurf entsprechenden Dienstpflichtverletzung den Schutzzweck und die Zielbestimmung der Norm unterlaufen und es zu vertreten, dass durch die Tathandlung militärische Interessen, die eines besonderen Schutzes bedürften, Unbefugten, welche sich nicht im gesicherten Innenverhältnis der Amtsverschwiegenheit befänden, zur Kenntnis hätten gelangen können. Das Recht des Beschwerdeführers, Beschwerde bei der Volksanwaltschaft zu erheben, sei "in keinster Weise eingeschränkt", weil er durch einen lapidaren Hinweis in seiner Beschwerde an die Volksanwaltschaft auf eine mit Geheimzahl erfolgte Beanstandung, die nach seiner Beurteilung einen Missstand darstelle, die Volksanwaltschaft in die Lage hätte versetzen können, im gesicherten Innenverhältnis der Amtsverschwiegenheit vom Bundesminister darüber Aufklärung zu begehren. Dem Beschwerdeführer komme eine hervorgehobene Stellung im Hinblick auf seine besondere Funktion im Rahmen des Bundesheeres zu.
Ein Verstoß gegen das der Landesverteidigung als tragende Säule dienende Prinzip von Befehl und Gehorsam sei für sich allein genommen bereits ein schwerer Einbruch in das Vertrauen, das notwendig sei, um die militärischen Strukturen aufrecht zu erhalten. Der Beschwerdeführer habe in der Klassifizierung des gegenständlichen Schriftstückes als geheim einen möglichen Maulkorb erkannt, um ihn an der erfolgreichen Bekämpfung der Beanstandung zu hindern. Die belangte Behörde trete seiner Überzeugung näher, dass gegenüber der Volksanwaltschaft keine Amtsverschwiegenheit geltend gemacht werden könne, jedoch habe der Beschwerdeführer vorwerfbar und sorgfaltswidrig seine Pflicht zur Befolgung der ihm bekannten generellen Weisung übersehen. Daher sei gegen den Beschwerdeführer ein Schuldspruch zu verhängen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44 Abs. 1 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/1999, hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung kann der Beamte die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Beamte, wenn er eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig hält, und es sich nicht wegen Gefahr in Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.
Nach § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. I
Nr. 167/2002 (HDG 2002), sind Soldaten disziplinär zur
Verantwortung zu ziehen wegen
1. Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten
Pflichten oder
2. gröblicher Verletzung der ihnen im Miliz- oder
Reservestand auferlegten Pflichten oder
3. einer im Miliz- oder Reservestand begangenen
Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belassen.
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist disziplinär nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Die §§ 5 und 6 sowie §§ 8 bis 11 des StGB über Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie über Irrtum, Notstand und Zurechnungsunfähigkeit sind anzuwenden.
Nach der Verfassungsbestimmung des Art. 148b Abs. 1 zweiter Satz B-VG besteht gegenüber der Volksanwaltschaft keine Amtsverschwiegenheit. Art. 148b Abs. 2 erster Satz B-VG sieht vor, dass die Volksanwaltschaft der Amtsverschwiegenheit im gleichen Umfang unterliegt wie das Organ, an das die Volksanwaltschaft in Erfüllung ihrer Aufgaben herangetreten ist.
Gemäß § 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen zur sicheren Verwendung von Informationen (Informationssicherheitsgesetz, InfoSiG), BGBl. I Nr. 23/2002, i.d.F. BGBl. I Nr. 129/2003, gelten die Voraussetzungen für den Zugang zu klassifizierten Informationen nach § 3 Abs. 1 nicht für den Bundespräsidenten, den Bereich des Nationalrates und des Bundesrates, die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, die Gerichtsbarkeit, den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof, den Rechnungshof und die Volksanwaltschaft. Die Weitergabe von klassifizierten Informationen an diese Organe und Einrichtungen unterliegt keinen Beschränkungen nach diesem Bundesgesetz, jedoch völkerrechtlich vorgesehenen Einschränkungen.
Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses stellt die letzte im Disziplinarverfahren erfolgende Konkretisierung der gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe dar. Hier obliegt es den Disziplinarbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom Beschuldigten begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Anführung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie weiters des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(Straf)tatbestandes erforderlich ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1994, Zl. 92/09/0303, zum HDG 1985, und vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035, zum BDG 1979, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Gemäß der ausdrücklichen Vorschrift des im vorliegenden Fall
anzuwendenden § 75 Abs. 2 Z. 2 HDG 2002 hat der Spruch des
Disziplinarerkenntnisses im Falle eines Schuldspruches
a) die als erwiesen angenommenen Taten,
b) die durch die Taten verletzten Pflichten,
c) die verhängte Strafe oder einen Schuldspruch ohne
Strafe,
d) die Einstimmigkeit, wenn diese eine Voraussetzung
für die Verhängung der Disziplinarstrafe bildet, und
e) den allfälligen Kostenbeitrag,
zu enthalten. Diese Vorschrift stimmt in Verbindung mit Z 4, wonach der Spruch die angewendeten Bestimmungen zu enthalten hat, fast wörtlich mit der Bestimmung des § 44a VStG überein. Nach der Rechtsprechung zu § 44a Z. 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm einerseits die als erwiesen angenommene Tat, anderseits die verletzte Verwaltungsvorschrift (hier: die konkrete Dienstpflichtverletzung) richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. die zu § 44a Z 1 VStG unter 12. von Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage 2004, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 2006, Zl. 2003/09/0064).
Wenn in einem Disziplinarerkenntnis der Vorwurf der Missachtung einer Weisung entgegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 erhoben wird, muss sowohl der Inhalt der Weisung, deren Verletzung Gegenstand des Verfahrens ist, als auch das vorgeworfene, der Weisung zuwiderlaufende Verhalten des Beschuldigten auf präzise Weise dargestellt werden, sodass der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid, selbst wenn man Elemente seiner Begründung in die Beurteilung miteinbezieht, nicht gerecht. Mit dem angefochtenen Bescheid wird gegen den Beschwerdeführer nämlich - wie im gesamten Disziplinarverfahren - der Vorwurf erhoben, er habe "an die Volksanwaltschaft zumindest eine Kopie eines klassifizierten Schriftstücks mit dem Vermerk 'GEHEIM' gesandt". Im Spruch des angefochtenen Bescheides wird als die durch die Tat gemäß § 75 Abs. 2 Z. 2 lit. b HDG 2002 verletzte Dienstpflicht des Beschwerdeführers die Verletzung der Gehorsamspflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 angeführt. Abweichend von der in der oben angeführten Rechtsprechung dargestellten Präzisierungspflicht hat die belangte Behörde jene Weisung, hier: jene Bestimmung der Verschlusssachenvorschrift, die der Beschwerdeführer durch das ihm vorgeworfene Verhalten verletzt haben soll, im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht angeführt. Diesen Mangel des angefochtenen Bescheides kann auch die ausführliche Wiedergabe von Passagen der Verschlusssachenvorschrift in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht beheben. Jene konkrete Weisung, die der Beschwerdeführer verletzt haben soll, ist im Spruch des angefochtenen Bescheides entgegen § 75 Abs. 2 Z 2 lit. a HDG 2002 nicht ausreichend präzisiert.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides kommt die belangte Behörde zu dem - auch für den Verwaltungsgerichtshof unzweifelhaften - Ergebnis, dass gegenüber der Volksanwaltschaft im Grunde des Art. 148b Abs. 1 zweiter Satz B-VG wie auch des § 1 Abs. 2 InfoSiG keine Amtsverschwiegenheit besteht und dass dem Beschwerdeführer eine diesbezügliche Dienstpflichtverletzung nicht vorgeworden werden kann. Nach den in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltenen zutreffenden Ausführungen stellt Art. 148a B-VG eine lex specialis zu dem in Art. 20 Abs. 3 B-VG normierten Grundsatz der Amtsverschwiegenheit dar und hätte die Bindung öffentlicher Bediensteter, die sich in eigener Sache beschweren, an die Amtsverschwiegenheit zur Folge, dass in manchen Bereichen praktisch überhaupt keine Beschwerde erhoben werden könnte, was etwa durch eine Verquickung dienstrechtlicher Maßnahmen betreffend einen Beamten mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen bewirkt werden könnte. Eine derartige Konsequenz könnte auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Beeinträchtigung oder gar Aushöhlung des in Art. 148a Abs. 1 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Beschwerderechts an die Volksanwaltschaft führen, bei dem es sich um ein den in den Art. 131 Abs. 1 Z. 1 und Art. 144 Abs. 1 B-VG gewährleisteten Rechten vergleichbares Recht handelt, dessen Ausübung durch Geheimhaltungsvorschriften nicht obsolet gemacht werden darf.
Mit diesem Ergebnis lässt sich der sowohl im Spruch als auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf, er habe der Volksanwaltschaft die Kopie eines Schriftstückes übermittelt, nicht in Einklang bringen, weil die Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und der Volksanwaltschaft - wie dargelegt - einem besonderen Schutz unterliegt.
Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachte Auffassung der belangten Behörde, das Beschwerderecht bei der Volksanwaltschaft sei im Hinblick darauf "in keinster Weise" eingeschränkt, dass er die Volksanwaltschaft "lapidar" auf eine gegen ihn erfolgte Beanstandung hinweisen und diese sodann "im gesicherten Innenverhältnis" vom Bundesminister für Landesverteidigung Aufklärung hätte begehren können, ist nicht überzeugend. Eine solche Vorgangsweise hätte nämlich durchaus eine Einschränkung des Beschwerderechts gemäß Art. 148a Abs. 1 B-VG des Beschwerdeführers bewirkt. Es ist weder zu ersehen, dass eine solche Einschränkung im Beschwerdefall gerechtfertigt gewesen wäre, noch dass der Weisung der Verschlusssachenvorschrift vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ein derartiger Inhalt entnommen werden könnte.
Hinzuweisen ist darauf, dass die durch Art. 148b Abs. 1 zweiter Satz B-VG bewirkte Aufhebung der Amtsverschwiegenheit zwischen Organen der Verwaltung (worunter im vorliegenden Fall auch der Beschwerdeführer zu verstehen war) und der Volksanwaltschaft selbstverständlich auf die Übermittlung von Informationen an die Volksanwaltschaft beschränkt ist und nicht etwa zur Aufhebung von Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Wahrung des Amtsgeheimnisses in einem darüber hinausgehenden Ausmaß berechtigt. Im vorliegenden Fall ist jedoch kein Anhaltspunkt für die Annahme zu ersehen, der Beschwerdeführer hätte der Wahrung des Amtsgeheimnisses in seiner Dienststelle dienende Dienstpflichten über die Übermittlung von Informationen an die Volksanwaltschaft hinaus - etwa auch durch eine sorglose Art der Übermittlung von als "GEHEIM" qualifizierten Schriftstücken - verletzt.
Ein Vorwurf dahingehend, er habe entgegen der Z. 70 der Verschlusssachenvorschrift Kopien eines als "GEHEIM" klassifizierten Schriftstücks angefertigt, wird gegen den Beschwerdeführer jedenfalls im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht erhoben und - im Gegensatz zu den Bescheiden der Disziplinarkommission - auch in der Begründung nicht zur Rechtfertigung des Schuldspruches herangezogen.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Jänner 2007
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Inhalt des Spruches DiversesMängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten VerwaltungsvorschriftMängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenSpruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004090139.X00Im RIS seit
13.02.2007Zuletzt aktualisiert am
01.07.2014